Als ich zu euch kam, Brüder und Schwestern, verkündete ich euch nicht die Botschaft Gottes mit überredenden Worten der menschlichen Weisheit, damit euer Glaube nicht auf menschlicher Weisheit, sondern auf der Kraft Gottes beruhe.
Denn ich entschied mich, unter euch nichts anderes zu wissen als Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten.
Ich kam zu euch in Schwachheit, in Furcht und in großem Zittern. Mein Reden und meine Verkündigung waren nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern mit dem Offenbaren des Geistes und seiner Kraft, damit euer Glaube nicht auf menschlicher Weisheit, sondern auf der Kraft Gottes beruhe.
Wir sprechen jedoch Weisheit unter den Vollkommenen, nicht die Weisheit dieser Welt oder die der Herrscher dieser Welt, die verloren gehen.
Sondern wir verkündigen Gottes verborgene Weisheit, die Gott vor der Welt zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat.
Diese Weisheit hat kein Herrscher dieser Welt erkannt, denn wäre sie erkannt worden, hätten sie Gott nicht gekreuzigt, den Herrn der Herrlichkeit.
Sondern wie geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gedrungen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben.“
Uns aber hat Gott diese Weisheit offenbart durch seinen Geist. Denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.
Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes.
Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der von Gott ist, damit wir wissen, was uns von Gott frei geschenkt ist.
Diesen Dingen sprechen wir auch, nicht mit Worten, die menschliche Weisheit lehren, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, indem er geistliche Dinge geistlich beurteilt.
Die Bedeutung des Wortes Gottes am Lebensende
Lesen Sie das Wort Gottes mit. Am Ende unseres Lebens, wenn wir einmal vor Gott stehen, wird uns eine Sünde mehr als alle anderen beschweren: dass wir sein Wort so wenig geehrt und geachtet haben.
Es ist schrecklich, wenn um uns herum Bibelkritik herrscht und die Bibel zerfleddert ist. Doch noch belastender ist es, dass wir das Wort Gottes immer noch so unbeachtet beiseitelegen können. Diese Erkenntnis wird uns schwer beschweren.
Paulus’ Ansatz zur Verkündigung des Evangeliums
Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit großen Worten und hoher Weisheit, um euch die göttliche Botschaft zu verkünden. Denn ich hielt es nicht für richtig, etwas anderes unter euch zu wissen als allein Jesus Christus – und zwar den Gekreuzigten.
Ich war bei euch in Schwachheit, in Furcht und mit großem Zittern. Mein Wort und meine Predigt erfolgten nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in der Erweisung des Geistes und der Kraft. So soll euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhen, sondern auf der Kraft Gottes.
Die verborgene Weisheit Gottes
Wovon wir sprechen, ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen. Es ist nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht die der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Vielmehr reden wir von der heimlichen, verborgenen Weisheit Gottes. Diese hat Gott vor der Zeit der Welt zu unserer Herrlichkeit verordnet.
Keiner der Herrscher dieser Welt hat diese Weisheit erkannt. Denn wenn sie sie erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Stattdessen ist es gekommen, wie geschrieben steht: Was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben.
Uns aber hat Gott diese Weisheit durch seinen Geist offenbart. Denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, außer allein der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, außer allein der Geist Gottes.
Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Herr, wir brauchen jetzt nur deinen Geist, sonst nichts. Amen.
Die Verantwortung aller Gläubigen im Predigtamt
Liebe Gemeinde,
jetzt muss ich auch einmal vom Predigtamt sprechen. Ich tue das, weil jeder von Ihnen das Amt hat, das Wort von Jesus weiterzusagen. Oft drücken wir uns davor. Heute Morgen kann ich mich nicht drücken, aber draußen tun Sie und ich es oft.
Das liegt nicht an unseren Begabungen. Es liegt ausschließlich daran, dass wir nicht verstanden haben, was eigentlich geschieht, wenn wir von Jesus, dem Herrn, reden.
Wenn ich heute von Predigt spreche, meine ich Ihr Zeugnis, Ihr Weitersagen, Ihr Bekennen und Ihr Rufen. Die Predigt ist der Lebensnerv der evangelischen Kirche.
Wo die Predigt Menschen nicht mehr trifft, da stirbt der Glaube der Menschen ab, und da stirbt auch die Gemeinde ab. Das ist das letzte Alarmsignal einer untergehenden Christenheit, wenn Menschen sagen: „Da wird zwar eine Predigt gehalten, aber sie geht über unsere Köpfe hinweg.“
Alle anderen Gefahren, die der Kirche drohen können, sind im Vergleich dazu harmlos. Keine noch so brutale Christenverfolgung ist so gefährlich, kein Aufhören von Finanzmitteln ist so gefährlich wie das, wenn die Predigt das Wort nicht mehr Menschen trifft und in Beschlag nimmt.
Die großen Erweckungen der Christenheit wurden durch die Predigt gewirkt. Früher war das so, und heute ist es nicht anders. Es gibt keine Erweckung, die anders entstanden ist als durch Menschen, die geredet haben. Ob es Laien oder Theologen waren oder wer es sonst war – es war das Wort, das gesprochen hat.
Beispiele großer Prediger und ihre Wirkung
Am Tag führte mich mein Begleiter in die Bethlehemskapelle, die erst vor kurzer Zeit entdeckt und restauriert wurde. Ich war überrascht, als er mir noch einmal die ganze Geschichte von Jan Hus erzählte. In der Kapelle gibt es nur eine kleine Kanzel an der Wand, und es stehen keine Bänke darin. Wahrscheinlich waren dort auch nie welche. Hier hat Jan Hus das Lukas-Evangelium ausgelegt.
Er war nichts weiter als ein Prediger des Wortes Gottes. Es stimmt nicht, dass er politisiert habe oder böhmische Nationalpolitik betrieben habe. Er hat das Lukas-Evangelium ausgelegt und zu einer Kirche gesprochen, dass man das Schwert nicht nehmen kann. Er sprach von der Armut der Christen, vom Verzicht auf Güter und vom Segen, der auf einem Leben liegt, wenn man mit Jesus die ganze Nachfolge macht und diesen Weg geht.
Es gab eine solche Bewegung, die das ganze Reich damals erschütterte. Der Kaiser konnte diesen Prediger des Evangeliums in Konstanz nur durch einen ausdrücklichen Wortbruch verbrennen und diese Stimme dadurch zum Schweigen bringen. Anders konnte er das lebendige Wort Gottes nicht dämpfen.
Oder wir denken an den Mann, der unserer Kirche den Namen gegeben hat: Ludwig Hofacker. Zwei Jahre, unterbrochen von Krankheit, war er in diesem Dörflein Rielingshausen draußen als Prediger tätig. Schauen Sie sich doch die Kirche an! Ist es möglich, dass sich dort eine Bewegung ereignet hat, deren Auswirkungen wir nach 150 Jahren in Württemberg immer noch spüren? Wir sagen, wir haben in Württemberg ein anderes geistliches Leben als in Schleswig-Holstein, weil Ludwig Hofacker im Namen Gottes reden durfte – ein gebrochener, schwacher Mann.
Ich habe jetzt solche Angst, dass ich mit meinem Reden und all meinem Predigen nur eine klingende Schelle und ein tönendes Erz sein könnte. Es ist so schwer, über das eigene Amt zu sprechen. Aber Sie haben dieses Amt nicht weniger.
Wie unser Reden von Gott wirksam wird
Ich möchte heute meine Predigt überschreiben mit dem Thema, wie unser Reden von Gott durchschlagend wird. Das interessiert nicht jeden, aber die Frage ist: Wie schafft man es, dass es ankommt? Wie macht man es, dass es durchschlägt?
Erstens...
Erstens: Predigen in offenkundiger Schwäche
Es muss in der offenkundigen Schwäche gepredigt werden. Das ist etwas, was einem auf den ersten Blick nicht sofort einleuchtet. Paulus erinnert noch einmal an seine erste Arbeit als Apostel und Missionar in Korinth. Ich kann Ihnen jetzt nicht Apostelgeschichte 18 auslegen, aber zwischen den Zeilen steht, wie Paulus in Korinth gepredigt hat – als jemand, der wahrscheinlich kurz davor war, sein Amt aufzugeben. Nur durch die Unterstützung von Brüdern wurde er noch einmal dahin geführt: „Paulus, wir müssen dieses Wort von Jesus weitersagen.“
Die Gemeinschaft kann angefuchtete, müde Leute wieder auffrischen. Es stimmt nicht, dass man allein Christ sein kann – das hat nicht mal Paulus geschafft. Wie sehr hat er seine Brüder an seiner Seite gebraucht!
Dann sagt Paulus, wie er in das furchtbare Milieu der Hafenstadt Korinth hineinkam: in ihre Gleichgültigkeit, Frivolität und ihren Aberglauben. Er predigte nicht mit großen Gedankengängen, er arbeitete nicht die Welt- oder Philosophiegeschichte auf. Er war körperlich angeschlagen und schwach, konnte kaum auf der Stelle stehen, so krank war er. In dieser Schwachheit sagte er schlicht das, was er sagen musste – was er in seinem Glauben wusste.
Er kam nicht mit hohen Worten und großer Weisheit, um die göttliche Predigt zu verkünden. Er war bei ihnen in Schwachheit, Furcht und mit großem Zittern. Paulus sieht es als Gefahr an, seine Schwäche verdecken zu wollen. Wissen Sie, das ist die Not aller Prediger: Sie werden von einer Gemeinde gezwungen, so zu tun, als könnten sie es. Als seien sie galante Kanzelredner, die das alles irgendwie draufhaben und einfach bringen.
Deshalb sagen sie: „Ich kann es nicht, warum sollte der andere es können?“ Was wir können, ist mit der Treue Gottes zu rechnen. Wir können die großen Taten Gottes nachbuchstabieren, sie unterschreiben und sagen: „Ich kann es mit meinem Leben bestätigen, das ist so.“ Was will man zum Evangelium mehr sagen?
Heute wird oft so getan, als sei das Problem, wie man einem Menschen der modernen Zeit mit der Botschaft des Evangeliums kommen kann, ein Problem des Intellekts oder des Verstehens. Die Theologie hat sich direkt in dieses Problem festgefahren – in das Problem der Fachsprache, der Hermeneutik. Wie kann man das einem Menschen vermitteln, so dass es durchschlägt, ihn erreicht und trifft?
Paulus sagt aber, das ist kein Problem, das ihr im zwanzigsten Jahrhundert habt. Als er nach Korinth kam, war das Problem fast noch krasser. Wenn Sie heute irgendwo in ein Missionsgebiet kommen, ist dieses Problem viel größer. Sie können jahrelang predigen, und es kommt keiner zum Glauben.
Wie macht man das? Denken Sie an Ihre Kinder, an Ihre Freunde oder an die, denen Sie das Evangelium bringen wollen: Wie kann man es schaffen, dass sie glauben? Man möchte auf den Knopf drücken, und dann versteht der andere es. Dann sieht er das, was einem selbst eines Tages aufging. Aber das können wir nicht.
Wir können unseren Freunden viel Gutes und auch Leid zufügen, aber wir können den Glauben nicht machen. Manchmal bekomme ich unglückliche Telefonanrufe, bei denen jemand sagt: „Gehen Sie doch mal hin und sprechen Sie mit dem.“ Wie soll ich das machen? „Ja, Sie haben sicher eine nette Idee, Sie können das sicher besser als ich.“ Meinen Sie, jemand hat das so im Griff, dass er einfach redet und dann kommt es an? Paulus sagt: Das ist zu allen Zeiten das Problem gewesen – wir können es nicht machen.
Das Wort, das wir verkündigen, das Evangelium, entspricht dem normalen Menschen nicht einfach so. Es widerspricht seinem ganzen Denken. Das kann man nicht verstehen. Wenn ich in der Predigt moralische Forderungen verkünden müsste, könnten wir das verstehen. Selbst wenn ich einem Menschen Gesetze auflegen müsste, wie man leben, sich mäßigen, arm sein und verzichten soll – das verstehen wir alles.
Aber die Botschaft vom sterbenden und gekreuzigten Jesus – wer will das verstehen? Paulus sagt, seine Predigt hat bewusst diese Schwäche nicht überdeckt. Es ist merkwürdig, dass die großen Erweckungsprediger nie einen Hehl daraus gemacht haben. In ihren großen Veranstaltungen sagten sie den Menschen: „Das ist kein Problem der schönen Sprache und des Wollens, sondern Gott muss dir die Widerstände wegräumen, wenn du glauben willst.“
Und dass wir uns jeden Sonntag zwanzig Minuten vor dem Gottesdienst – es sind nur immer ein paar, die kommen, ich danke denen, die kommen – zu Gott wenden und sagen: „Herr, du musst heute reden, du musst reden, sonst war alles umsonst.“ Das ist das Entscheidende an einer Predigt: dass Gott redet. Das kann ein Prediger nicht machen. Kirche kann nicht wandern. Die Frage ist, ob Gott durch seinen Geist zu uns spricht.
Wir können nur einen Hilfsdienst tun. In einer Predigt können wir nur den Finger ausstrecken und sagen: „Da müsste er suchen, da müsste er bohren.“ Wenn jemand sagt: „Ich kann nicht glauben“, können wir ihm sagen: „Du musst suchen und Gott bitten, dass er dir den Blick und das Verständnis für seine Botschaft gibt.“
Wenn Sie einem anderen das Evangelium bezeugen wollen, was können Sie tun? Sie können für ihn beten, Sie können Ihr Zeugnis sagen. Der andere kann lachen, wenn Sie von der Vergebung der Sünden sprechen. Er lacht und sagt: „Was ist das für ein altmodisches Wort?“ Und plötzlich ist es für einen Menschen kein altmodisches Wort mehr, sondern er erschrickt. Er fragt: „Wie kriege ich Frieden mit Gott?“
Das ist kein Problem der Sprache, das ist ein Problem der Augen, dass jemand sein Leben und die Wirklichkeit Gottes erkennt. Es muss in der offenkundigen Schwäche gepredigt werden. Paulus hat Angst davor, dass man mit schönen und guten Worten das entscheidende Problem zuschmiert und die Not der Gemeinde heute verdeckt.
Es kann ein schlichtes Zeugnis sein, es kann ein stachsendes Zeugnis sein – es hängt am Geist Gottes. Das Zwe...
Zweitens: Das Schwierige nicht ausweichen
Wir dürfen vor dem Schwierigen nicht ausweichen. Ich gliedere meine Gedanken, damit wir sie besser ordnen können und auch meine eigenen Gedanken nicht durcheinander geraten.
Sehen Sie, ich wollte Ihnen heute einige Themen nennen, über die ich predigen könnte, die sicher alle ansprechen würden. Ich könnte über den Religionskrieg in Nordirland sprechen – das würde jeder verstehen und es wäre interessant. Oder ich könnte über die Weltkirchenkonferenz in Nairobi und den Unterschied zur Weltkirchenkonferenz in Bangkok reden – auch das wäre interessant. Ebenso könnte ich über die Probleme der heutigen Mission sprechen, das wäre verständlich und interessant für uns alle.
Ich könnte über die modernen Wirtschaftssorgen reden, über die Parteiprobleme in Niedersachsen. Auch das würde jeder verstehen. Es wäre eine interessante Predigt, vielleicht könnte ich gegen die Reichen und gegen die Armen schimpfen, gegen die Revolutionäre und gegen die Kriminellen – das würde jeder verstehen und wäre eine spannende Predigt. Ich könnte über Kirchensteuer und Theologenausbildung sprechen.
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie solche Gespräche mit Freunden in der Wohnung führen: Über diese Themen kann jeder reden, da ist nichts Neues oder Besonderes. Da können Sie Meinungsverschiedenheiten haben. Sie glauben vielleicht, Sie hätten religiös gesprochen, weil Sie vom Pfarrer und von der Kirche geredet haben, aber das hat nichts mit dem Wesentlichen zu tun.
Paulus sagt: Ich möchte von dem Schwierigem reden, vom Entscheidenden. Dort, wo die Predigt an ihren kritischen Punkt kommt – wenn sie von dem redet, was der Mensch nicht verstehen kann, nämlich vom Evangelium Gottes. Ich will nur von Jesus Christus, dem Gekreuzigten, reden.
Warum muss es immer dieses Thema sein? Es gibt doch noch viele andere Themen in der Bibel. Nein, das ist doch der Höhepunkt des Redens Gottes in dieser Welt. Das ist der Höhe- und Gipfelpunkt jeder Predigt – und diesen kann man nicht einfach verstehen. Das ist keine Menschenweisheit und lässt sich nicht mit schönen Worten erklären. Für jeden Menschen ist es etwas, bei dem er sagen könnte: „Ich kann damit nichts anfangen, warum hängt er das mitten rein? Das ist nett, aber was fange ich damit an?“
Paulus sagt, er will von den anderen Themen nicht reden, weil das vergängliche Dinge sind. Die Herren dieser Welt werden vergehen. Und wenn unser Glaube nur auf Menschenweisheit beruht, dann ruht er auf den schönen Worten eines Predigers. Und wenn der stirbt, ist auch der Glaube hin.
Worauf ruht Ihr Glaube? Auf der Kraft Gottes? Deshalb muss das Wunder sich im Leben eines Menschen ereignen: Ein Mensch wird durch ein Wunder Gottes sehend und versteht. Wir wollen uns nicht damit zufrieden geben, dass Leute einfach nur in den Gottesdienst kommen und es „ganz nett“ finden. Wir wollen darum ringen und beten, dass Menschen, die neben uns sitzen, Sehende werden und das Schwierige des Evangeliums verstehen: Jesus Christus, den Gekreuzigten.
Paulus war selbst einer, der sich dagegen aufgelehnt hat. Er hat Christen verfolgt. Doch urplötzlich, vor Damaskus, ging ihm ein Licht auf. Er verstand: Jesus lebt. Ein christliches Leben beginnt dort, wo jemand versteht: Dieser Jesus ist hier, in diesem Raum. Mit ihm kann ich leben. Er ist eine Person, die mich kennt und um mich weiß. Und das Wichtigste für ihn war, meine Sünden zu vergeben.
Ich wusste gar nicht, dass ich Sünden habe. Ich dachte, ich hätte nur Fehler in meinen Ideen. Doch plötzlich verstehe ich das und lasse mir von ihm zeigen, was er an mir tut. Mir fällt es wie Schuppen von den Augen.
Ein anderer sagt: „Ich kann nur das glauben, was ich betasten und anfassen kann.“ Nein, ob ich einmal in die vollkommene Weisheit Gottes Einblick bekomme und seine Wirklichkeit erfahre, das ist etwas anderes.
Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes, es ist für ihn eine Torheit. Das steht zwei Verse hinter unserem Predigttext. Ein Mensch, der mit seinem großen Verstand die Geheimnisse der modernen Wissenschaft ergründen kann, der schwierige Probleme erfassen kann, steht vor diesem Problem da wie ein schlichter Volksschüler und kommt kein Stück weiter. Er steht sogar genauso da wie ein behinderter Mensch, der nicht einmal eine Schule besuchen kann. Denn das hat mit natürlichem Denken und Verstand nichts zu tun.
Nun sagt jemand: „Ich mache den Verstand mies, ich mache das Denken und die Wissenschaft schlecht.“ Das ist nicht wahr. Verstand und Denken sind Gaben Gottes. Wir freuen uns, was man mit dem menschlichen Verstand alles entdecken und finden kann.
Aber Paulus ist Seelsorger. Er wertet nicht ab. Er sagt nur, dass man die Grenze des menschlichen Denkens genau kennen muss. Ich kann mit meinem menschlichen Gehirn große Errungenschaften entdecken. Aber eines kann ich nicht: Mit meinem menschlichen Denken kann ich kein Sehender für die Dinge Gottes werden.
Das kann nur durch ein Wunder geschehen, das einen Geist gibt. Darauf ruht der Glaube. Noch auf die Gefahr hin, dass manche meinen, man könne nur passiv sein. Das stimmt nicht, aber ich sage es so. Vielleicht merken Sie, worum wir beten und wofür wir ringen müssen. Und wo unsere Gespräche gipfeln müssen, wenn einer sagt: „Ich kann nicht glauben.“
Dieser Gott hat seinen Geist denen verheißen, die darum bitten. Er hat gesagt, wenn Babys im Kinderwagen ihre Nahrung wollen, gibt der Vater ihnen kein Gift. Wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben!
Aber wir meinen oft, nur die Prediger müssten ausgewechselt werden, sie müssten anders predigen. Dabei merken wir gar nicht, dass es darauf ankommt, dass der Prediger schlichter predigen muss. Und dass die Gemeinde ringen muss, damit das Zeugnis des Geistes Gottes uns trifft.
Das ist sicher das Schlimmste: Wenn wir heute nicht dem Stirnrunzeln und der Kritik der Weltweisen fröhlich ins Gesicht lachen können. Wenn uns das wehtut, wenn jemand meint, unsere Gottesdienste würden sich nicht mit allen Problemen der Weltgeschichte befassen.
Darum geht es nicht. Matthias Claudius, einer der großen Gelehrten seiner Zeit, ein Mann der Literatur und Philosophie, hat damals ein Lied in Schlichtheit gedichtet: „Wir suchen viele Künste und kommen weiter vom Ziel.“ Denn in dieser Richtung liegt nicht die Lösung unserer Fragen, sondern ganz anderswo.
Die größten Geistesblitze sind nur ein Schatten vor dem Geist Gottes. Deshalb hat Gott das Verstehen seiner Botschaft an eine Vorbedingung geknüpft, die in Vers 9 genannt wird: „Was kein Auge gesehen hat, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das erhalten die, die Gott lieben.“
Wenn jemand zum Glauben kommen und sehend werden will, dann braucht er eine Voraussetzung: Gott lieben.
Ich vergesse das Zeugnis unseres Bruders Damaris nicht, wie er von der Liebe sprach. Ob er einmal zu Jesus sagte: „Ich liebe dich.“ Wie ein Kind sich an sein Ohr kuschelt, so hat er sich an Jesus gehängt, als er von einer Reise zurückkehrte: „Vater, ich liebe dich, ich liebe dich einfach so.“
Und da gibt Gott Erkenntnis. Das ist kein kühler Vorgang des Intellekts. Zum Glauben zu kommen geht mit der Liebe einher, dass wir als seine Geschöpfe ihm das sagen dürfen.
Das war mein zweiter Punkt. Der erste war: Es muss in der offenkundigen Schwäche geschehen. Und der zweite: Wir dürfen vor dem Schwierigen nicht ausweichen.
Wir wollen uns nicht mit Neben- und Randthemen in der Predigt befassen. Wir wollen uns mit Jesus Christus, dem Gekreuzigten, befassen.
Drittens...
Drittens: Die Wirksamkeit des Geistes Gottes
Wirkt Gottes Geist. Es gibt ja viele rührende Bemühungen, den Gottesdienst attraktiv zu machen. Ich möchte jetzt nicht alle aufzählen. Es ist ja schon wieder vorbei, als in Cannstatt ein Gottesdienst in ein Kino verlegt wurde. Das hat dann lange Zeit Schlagzeilen gemacht, ist aber wieder gestorben.
Man kann eine Beatband im Gottesdienst spielen lassen. Man kann zwei Pastoren hinstellen, die sich unterhalten. Aber die Masse ist auch schon wieder alt. Woran liegt das? Das Verstehen wird dadurch nicht erleichtert.
Wir können helfen, wir können mehr Beispiele gebrauchen. Das ist ein Akt der Liebe, um zur Aufmerksamkeit zu verhelfen. Unsere Konfirmanten sollen nicht oben einschlafen. Das gehört zur Predigt, das ist natürlich ein Akt der Liebe.
Aber unser Herr sagt: Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist. Und da brauchen wir uns nicht vor den Ohren kritischer Gelehrsamkeit zu fürchten. Es ist nicht unsere Predigt, sondern wir reden von Jesus. Wir sprechen Menschen auf ihre geheimste Not an – jeden, die Hausfrau, den Arbeiter und den Herrn Professor –, dass zwischen ihm und Gott etwas zerbrochen ist.
Das ist keine Frage des Intellekts, sondern eine Frage des Gewissens. Paulus sagt an anderer Stelle, gerade im Korintherbrief: Wir beweisen uns gut mit unserer Predigt am anderen Menschengewissen. Intellektuell kann man das wegschieben und sagen: Was ist Sünde?
Paulus sagt: Ich rede von dem, was im Leben kaputtging und wo Schuld vor Gott vorliegt. Wo Leben verkehrt gelebt wurde, daran wird die Frage erkannt, wer Jesus ist. Und das deckt der Heilige Geist bei einem Menschen auf. Er redet, und der Heilige Geist zündet ein Licht an und macht hell.
Es war die Erkenntnis Martin Luthers, die von seinen Nachfolgern oft wieder unter den Teppich gekehrt wurde, dass man das Evangelium nur verstehen kann, wenn der Heilige Geist uns erleuchtet. Das ist ein Wort, das wir heute kaum mehr aussprechen.
Wenn Sie die Erklärung Luthers im Konfirmandenunterricht gelernt haben, dann wissen Sie das noch: Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann. Sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen und mit seinen Gaben erleuchtet.
Ein Mensch kann die Dinge Gottes und das Evangelium nicht verstehen, wenn er nicht erleuchtet ist. Wenn der Heilige Geist ihm nicht dieses Licht aufsteckt. Das ist das Entscheidende.
Wenn wir heute über die Krise unserer evangelischen Christenheit in Württemberg und in Deutschland nachdenken, dann muss das in dieser Frage gipfeln. Das ist das Zeugnis des Neuen Testaments: Wo kriegen wir die Erleuchtung des Heiligen Geistes wieder her?
Haben wir Prediger, die vom Heiligen Geist erleuchtet sind? Ist das die Sorge der Gemeinde? Unterordnen wir uns diesem Geist Gottes, oder sind wir die Macher, die alles im Griff haben?
Man hat versucht, in der Theologie durch kritische Bibelauslegung und durch liberale Streichungen das Evangelium verständlicher zu machen. Man sagt, das sei ein missionarisches Anliegen gewesen der ganzen Bultmannschule, in der das Eigentliche des Evangeliums herausgestellt werden sollte.
In der Zwischenzeit ist die ganze Schule ausgestorben, und am Ende blieb nicht die große Belebung, die man erwartet hatte, sondern es blieb die Leere.
Dass die Kirchen sich heute entleeren, ist eine Not des weggeschnipfelten Wortes Gottes, das man zur Nebensache erklärt hat. Denn wo kein Heiliger Geist ist, wird das Wort Gottes wirklich leer und nebensächlich.
Da kann uns nur die gemeinsame Bitte helfen: Komm, Heiliger Geist!
Schlussappell: Sehende werden durch den Geist Gottes
Mit was möchte ich schließen? Ich wollte nicht über andere reden. Ich möchte darüber sprechen, dass Sie ein Sehender werden müssen.
Wenn Sie andere zum Glauben führen wollen, müssen Sie an der entscheidenden Stelle mit ihnen darüber sprechen. Es ist eine Frage, ob das in unserem Leben vor unseren Augen plötzlich sichtbar wird.
Meine Schuld: Er hat seinen Sohn sterben lassen für mich. Ich habe Frieden in ihm, die Freude. Alles hat er mir erlassen. Kaum kann ich es fassen: Alle meine Schuld und Sünde trug er dort für mich auf Golgatha.
Das ist dann ein Bekenntnis des Reichslands, keiner bleibt außen vor. Und das ist die Freude und das innere Herzstück des Glaubens. Es helfen keine geistreich funkelnden Prediger, denn sie verdecken das nur.
Gottes Geist erforscht alle Dinge, das steht auch hier, so wie ein Mensch das nur selber wissen kann. Manchmal steht man vor einem anderen Menschen und denkt, der ist mir verschlossen. Ich wollte eigentlich verstehen, warum der so schweigsam ist. Aber das kann nur sein eigener Geist wissen, was in ihm vorgeht.
So können wir in die göttlichen Dinge nur eindringen, wenn Gottes Geist, der Geist, der Jesus erfüllt hat, zu uns kommt. Dann werden uns die Verstehensprobleme weggeräumt. Erst dann sagen wir auf einmal: Das ist mir kein Problem mehr, das verstehe ich jetzt, das erkenne ich.
Er erleuchte unsere Augen, damit wir Sehende, Verstehende und Wissende werden. Sonst wären wir verlorene Menschen. Amen.
Gebet und Vaterunser
Und beten. Herr, wir danken dir, dass wir dein Wort haben. Wir haben es selbst in unserem Leben erfahren, wie dein Wort spricht. In den Stunden, in denen uns kein Mensch mehr helfen konnte, in denen wir verzweifelt waren, in der Begegnung mit der unheimlichen Macht des Todes, als wir uns von Menschen verlassen fühlten – da war es dein Wort, das uns Leben gab. Wir konnten auf dein Wort hin glauben.
Herr, wir danken dir, dass wir dein Wort haben. Verzeih uns die Schuld, wenn wir dein Wort gering geachtet haben. Wenn wir es anderen weitersagen wollen, dann wollen wir nicht viel darum herumreden. Wir wollen es bekennen und bezeugen und wissen, dass du die Tür öffnen musst.
Wir wollen mehr beten für die Menschen, für die wir Sorge tragen, weil du sie erreichen und ihnen nahekommen kannst. Du kannst ihnen die Augen öffnen. Wir bitten dich auch für unsere Konfirmanden, die vielleicht ganz unfreiwillig dahingeschickt wurden. Lass sie erkennen, dass du Herr ihres Lebens bist. Mach du sie zu Sehenden.
Unsere jungen Leute, alle, die zu unseren Veranstaltungen kommen, die Glieder unserer Gemeinde, ja, deine ganze Christenheit – es ist so viel nur nach dem Namen, auch in unserem eigenen Leben. Herr, rede du direkt zu uns! Rede du durch dein Wort, jetzt auch zu denen, die nicht unter uns sein können, zu denen, die krank und alt sind und an ihr Haus gebunden sind. Sei du jetzt bei ihnen und rede zu ihnen durch dein Wort.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.