Die Herausforderung der Treue im Glauben
So einen Satz wie „Herr, wir wollen treu sein, um jeden Preis treu“ aus dem Munde so vieler junger Menschen zu hören, ist etwas Herrliches.
Ich frage euch nur: Habt ihr wirklich gewusst, was ihr da singt? Ist das wirklich eure Meinung? Ist das euer Standpunkt? Ich wünsche es euch ja.
Jesus ist wirklich der festeste und sicherste Standpunkt der Welt. Es ist das Beste für euch, mit Jesus zu leben. Es ist das Schönste, wenn ihr auf Jesus steht.
Ich sage euch: Niemand kann für sich garantieren, dass er immer treu bleibt. Du bist ein junger Mann und sagst heute: „Ich werde nie im Leben einen anderen Menschen töten.“ Du bist ein junges Mädchen und sagst: „Ich werde nie im Leben ein Kind töten oder abtreiben.“ Du bist ein überzeugter Christ und sagst heute: „Ich werde nie im Leben aus der Kirche austreten.“
Das ist schön. Ich wünsche dir, dass du dabei bleibst und fest bei der Lehre und bei Jesus bleibst – ganz egal, was kommt.
Aber ich sage dir: Es kann auch ganz anders kommen. Du kannst in Situationen geraten, in denen dir die Angst die Kehle zuschnürt – die Angst, deinen Beruf zu verlieren, deinen guten Ruf oder sogar dein Leben zu verlieren.
Dann machst du vielleicht genau das, was du nie für möglich gehalten hättest. Du machst alles mit. Du gibst alles zu oder du leugnest alles ab – je nachdem, wie es gerade gewünscht wird.
Du kannst nicht für dich garantieren, und schon gar nicht für einen anderen. Du kennst den anderen ja gar nicht, du kennst nicht einmal dich selbst. Solange du nicht auf dem Prüfstand gestanden hast, weißt du noch gar nicht, was alles in dir steckt.
Die Realität von Verrat und Feigheit
In unserem Volk haben Hunderttausende Menschen als Spitzel für die Stasi gearbeitet. Die meisten von ihnen haben früher irgendwann einmal gesagt: „Nie im Leben werde ich bei der Firma mitmachen.“ Und doch haben sie mitgemacht.
Jetzt will natürlich wieder niemand etwas damit zu tun gehabt haben. Kaum einer meldet sich freiwillig. Und diejenigen, die erwischt werden, reden sich meistens heraus. Sie behaupten, sie hätten ein gutes Motiv gehabt, sie wollten Schlimmeres verhüten und so weiter. Dieses Gesülze ist noch widerlicher als die ganze Spitzelei selbst.
Ich bin in Sachen Stasi-Mitarbeit für Gerechtigkeit. Das heißt: Solange keine Beweise vorliegen, bin ich gegen jede Vorverurteilung. Und solange keine Beweise da sind, bin ich auch gegen jede Vorentschuldigung.
Ich kenne einige Leute, von denen ich überzeugt bin, dass sie bei der Stasi mitgemacht haben. Ebenso kenne ich einige, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht bei der Stasi mitgemacht haben. Aber nur ganz wenige kenne ich so gut, dass ich für sie meine Hand ins Feuer legen würde.
Ich wiederhole: Keiner kann für einen anderen oder für sich selbst garantieren.
Petrus als Beispiel menschlicher Schwäche
Einer, der für sich garantieren wollte, war Petrus. Er gehörte zu den engsten Freunden von Jesus. Drei Jahre lang lebte er mit Jesus zusammen, beobachtete ihn von früh bis abends, hörte seine Predigten und sah seine Wunder. Jesus wurde für ihn zum Lebensinhalt.
Eines Tages sagt Jesus zu seinen Freunden: „Leute, ich muss euch etwas mitteilen. Ich muss sterben. Morgen werden sie mich kreuzigen. Und heute Nacht werdet ihr euch alle an mir ärgern.“ Daraufhin sagt Petrus im Matthäusevangelium, Kapitel 26: Er versichert, dass er, selbst wenn alle anderen an Jesus irre werden, ganz bestimmt nicht so handeln wird.
Jesus antwortet: „Täusche dich nicht. Bevor der Hahn heute Nacht kräht, wirst du dreimal behaupten, dass du mich nicht kennst.“ Petrus entgegnet: „Das werde ich niemals tun, selbst wenn ich mit dir zusammen sterben müsste.“
Eine halbe Stunde später stellt sich jedoch heraus, dass Petrus nicht einmal bereit ist, mit Jesus zu beten.
Jesus im Garten Gethsemane: Kampf und Einsamkeit
Die Sonne geht unter, als Jesus und seine Jünger zum Ölberg hinaufbrechen. Jesus führt seine Jünger in den Garten Gethsemane. Dort ist es ruhig und still. Dort soll er sich auf sein Sterben vorbereiten.
„Ihr bleibt hier“, sagt er zu seinen Jüngern, „ich gehe ein paar Schritte weiter und muss jetzt beten.“ Drei Jünger nimmt er mit. Einer von ihnen ist Petrus. Diese drei sind seine engsten, seine allerbesten Freunde, seine wichtigsten Vertrauten. Noch nie hat er sie so dringend gebraucht wie in dieser Nacht, in der Nacht vor seinem Sterben.
Jesus weiß, dass er am nächsten Tag sterben muss. Man muss sich vorstellen: Jesus war ein junger Mann, etwa dreißig oder dreiunddreißig Jahre alt. Wer will in diesem Alter schon sterben, zumal auf solche grausame Weise? Er wusste, dass er gekreuzigt werden würde. Kreuzigen bedeutet, dass man mit lebendigem Leib an ein Holzpfahl genagelt wird. Und dann hängt man mit dem ganzen Körpergewicht daran, das Blut sackt nach unten, die Sonne brennt auf die Straße. Man hat wahnsinnigen Durst und unerträgliche Schmerzen. Das Blut kann nicht mehr zirkulieren, und nach vielen qualvollen Stunden bricht der Kreislauf zusammen.
Diesen Tod hatte Jesus vor sich. Im Garten Gethsemane kämpft er den härtesten Kampf seines Lebens. Er kämpft darum, sich dem Willen Gottes zu unterordnen. Es ist der Wille Gottes, dass er die Sündenlast der ganzen Menschheit auf sich nimmt und ans Kreuz trägt. Davor hat er Angst – Todesangst.
Es heißt, er beginnt am ganzen Leib zu zittern. In der Bibel steht sogar, dass er vor Angst Blut geschwitzt hat. Noch nie haben die Jünger ihn so gesehen. Sie kannten ihn nur als Wundertäter, als Tröster, als Sieger über Dämonen, als Herrn der Lage – eben als den Herrn. Jetzt sehen sie ihn zitternd vor Angst, verzweifelt und erschöpft. Nun braucht er selbst Trost, jemanden, der ihn stützt. Er braucht seine Freunde.
Sie können ihm zwar nicht helfen und noch nicht einmal begreifen, was vor sich geht, aber eins können sie: bei ihm bleiben. „Bleibt hier bei mir und wacht mit mir“, bittet Jesus. Dann geht er ein paar Schritte weiter, wirft sich mit dem Gesicht zur Erde und betet erneut: „Mein Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen. Aber es soll geschehen, was du willst, und nicht, was ich will.“
Als er nach diesem Gebet zu den Jüngern zurückkommt, sind sie eingeschlafen. Jesus kämpft mit Gott um Leben und Tod, die Jünger kämpfen mit dem Schlaf. Auch Petrus, der noch vor einer halben Stunde bereit war, für Jesus zu sterben, kann nicht einmal eine Stunde für ihn wach bleiben.
Jesus sagt zu Petrus: „Könnt ihr denn nicht eine einzige Stunde mit mir wach bleiben? Bleibt wach und betet!“ Das ist doch nicht zu viel verlangt, aber für Petrus ist es zu viel. Ihm fallen die Augen zu.
Jesus fleht noch zweimal zu Gott: „Mein Vater, wenn es nicht anders sein kann und ich diesen Leidenskelch austrinken muss, dann soll es geschehen, was du willst.“ Doch jedes Mal, wenn er zu den Jüngern zurückkommt, findet er sie schlafend vor.
Einsamkeit in der Entscheidung für Gott
Es gibt Situationen, in denen der Mensch absolut einsam ist. Wir werden alle eines Tages eine solche Situation erleben – unsere Todesstunde. Im Todeskampf geht jeder ganz allein.
Dann treten dein Arzt zurück, deine Krankenschwester, deine Verwandten und deine Familie verlassen dich. Übrig bleibst nur du, ganz allein.
Aber auch schon vor deiner Todesstunde wirst du solche Situationen erleben, in denen du total alleine bist. In denen dir keiner raten und keiner helfen kann. Situationen, in denen du einen Schritt ganz alleine gehen und eine Entscheidung ganz alleine fällen musst.
Eine solche Situation ist zum Beispiel die Entscheidung für Gott. Ich kann dich bestenfalls bis zu diesem Punkt führen, an dem du vor dieser Entscheidung stehst. Doch dann muss ich dich alleine lassen. Du musst dich allein entscheiden.
Das kann dir niemand abnehmen – weder ich noch dein Pfarrer oder jemand anderes. Diesen Schritt in das neue Leben mit Gott kannst nur du ganz allein tun.
Wenn es ums Sterben und ums Leben geht, bist du allein.
Es gibt ein Lied von Reinhard Mey, eines seiner tiefsten und schönsten Lieder, das heißt „Allein“. Darin heißt es immer wieder: „Wir kommen und wir gehen ganz allein.“
Und sowohl das Leben als auch das Sterben gehen nur gut, wenn du in jedem Falle sagen kannst: „Herr, dein Wille geschehe.“
Verrat und Verlassenheit in der Passionsgeschichte
Nachdem Jesus zum dritten Mal gebetet hat, findet er seine Jünger wieder schlafend vor. Er weckt sie auf und sagt: „Steht auf, es ist so weit, der Verräter ist da.“ Noch während er das sagt, kommen sie zum Garten. Eine Gruppe marschiert mit Knüppeln, Waffen und Lampen herein, wie bei einer Jagd auf Schwerverbrecher. An ihrer Spitze ist Judas.
Auch Judas war ein Jünger von Jesus. Er hatte drei Jahre lang mit Jesus gelebt. Jesus hatte ihn geliebt, und Judas hatte diese Liebe erfahren. Er hatte die Wunder gesehen und die Predigten gehört. Doch Judas verriet Jesus für dreißig Silbermünzen an seine Mörder. Bis heute gilt er als Verräter.
Der Verräter, Judas, kommt immer aus den eigenen Reihen. Der Spitzel stammt immer aus dem allerengsten Freundeskreis. Derjenige, den man liebt wie seinen eigenen Sohn, dem man vertraut, mit dem man alles bespricht und vor dem man kein Geheimnis hat – das ist der, der einen ins Messer liefert.
Der körperliche Schmerz, den Jesus bei der Folterung und Kreuzigung erleiden musste, war sicher furchtbar. Aber mindestens genauso grausam war der seelische Schmerz, als er sah, wie seine eigenen Freunde ihn einer nach dem anderen verließen, verkauften und verrieten.
Dieses Leiden von Jesus ist kein abgeschlossenes Kapitel der Passionsgeschichte. Jesus leidet noch heute darunter, wenn er sieht, wie wir ihn verleugnen, als ob wir ihn nicht kennen würden und mit seiner Sache nichts zu tun hätten. Er leidet, wenn wir mit seinen Gegnern mitmachen und anderswo mitlaufen.
Der größte Verrat der Christen an Jesus besteht darin, dass die Kirchen seit fast zweitausend Jahren alles Mögliche getan haben – nur eines nicht: den Namen von Jesus in der Welt bekannt zu machen. Bis heute leben etwa drei Milliarden Menschen auf der Erde, die den Namen von Jesus noch nie gehört haben. Das liegt daran, dass die Kirche geschwiegen hat.
Die vergessene Mission ist der Verrat der Kirche an Jesus. Deshalb sammeln wir heute für die Leipziger Mission, damit viele Menschen auch in Indien den Namen von Jesus hören und die Freude der Vergebung erfahren können.
Es ist eine Schande für die Kirche, dass die Missionsgesellschaften seit ihrer Gründung immer unter Geldnot leiden. Zum Beispiel muss der Evangeliumsrundfunk seine Arbeit einstellen – zumindest die Fernsehsendungen und Kindersendungen – weil kein Geld da ist.
In einem der reichsten Länder der Erde ist nicht genug Geld für die Mission vorhanden. Ich sage: Die vergessene Mission ist der Verrat der Christen an Jesus.
Judas und der schmerzliche Verrat
Judas hatte mit dem Überfallkommando ein Zeichen ausgemacht und gesagt: Der, den ich küsse, der ist es. So tänzelt er auf Jesus zu und sagt: „Gegrüßt seist du, Rabbi!“ Dann gibt er ihm einen Kuss. Diese Judasküsse zwischen Verrätern und Opfern gehören zu den widerlichsten Dingen, die es auf dieser Welt gibt.
Jesus müsste dem Mann ins Gesicht spucken. Doch ich bewundere Jesus dafür, dass er das nicht tut. Wie kann man einen Menschen so liebhaben? Stattdessen sagt er zu Judas: „Mein Freund.“ Aber damit ist auch schon alles entschieden. Judas wird gepackt, verhaftet, und es geht los.
In dieser ganzen Szene machen die Jünger alle eine schlechte Figur. Judas entpuppt sich als gemeiner Verräter, der Rest sind gewöhnliche Feiglinge. Keiner sagt ein Wort. Der einzige, der jetzt noch groß herauskommt, ist Petrus.
Bis jetzt hat Petrus nicht viel gemacht, höchstens Sprüche geklopft und geschlafen. Aber jetzt, wo Gefahr in der Luft liegt, wird er munter. Beten, das kann er nicht. Aber einem Soldaten eins auf die Mütze zu hauen, das ist seine Welt, da packt er zu.
Während er sich mit der linken Hand den Schlaf aus den Augen wischt, hat er mit der rechten schon sein Schwert gezogen. Er weckt einen der Soldaten, der noch schläft, verfehlt sein Ziel, trifft aber einem Soldaten ein Ohr ab. Das abgetrennte Ohr fliegt wie eine fliegende Untertasse durch die Luft, landet weich auf der Wiese und liegt dort wie ein verschrumpelter Steintilz.
Die ganze Situation ist irgendwie peinlich, aber im Getümmel spritzt Blut, es passiert etwas, Action! Petrus ist der absolute Held, mit stolzem Blick auf Jesus. „Jesus, da kannst du mal sehen, auch mich kannst du brauchen.“
Doch plötzlich steht er da wie ein dummer Junge, der sich selbst eine Scheibe eingeschossen hat. Statt ihn für seine ohrenbetäubende Heldentat zu loben, winkt Jesus ab, pfeift ihn zurück und sagt: „Steck dein Schwert in die Scheide! Denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.“
Dann wendet sich Jesus an die Männer, die ihn verhaften wollen. In dem Moment, als Jesus zu ihnen spricht, nutzen die Jünger die Gelegenheit, um abzuhauen. Sie verlassen ihn alle und fliehen. Alle.
Ich stelle mir vor, das muss einer der niederschmetterndsten Momente für Jesus gewesen sein. Wie er sehen und merken muss, dass alle seine Freunde ihn einfach im Stich lassen. Von diesen Jüngern ist er verraten und verkauft.
Mit diesen Jüngern kann er keinen Staat machen. Aber mit diesen Jüngern kann er seine Kirche machen.
Das Verhör und die Verleugnung des Petrus
Jesus wird abgeführt und sofort verhört. Falsche Zeugen treten auf. Schließlich kommen sie zur Hauptfrage und fragen ihn: Bist du der verheißene Messias, bist du der Sohn Gottes? Jesus antwortet: Ja. Aber ich sage euch: Von jetzt an gilt, ihr werdet den Menschensohn zur Rechten des Allmächtigen sitzen sehen und ihn auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
Da zerriss der oberste Priester sein Gewand und sagte: Das ist Gotteslästerung! Wir brauchen keine weiteren Zeugen. Ihr habt es selbst gehört. Wie lautet euer Urteil?
Er hat den Tod verdient, riefen sie. Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und ohrfeigten ihn. Andere schlugen und höhnten ihn.
Und all das, was ich gerade vorgelesen habe, erlebt Petrus mit. Er ist Jesus heimlich gefolgt. Während in der offenen Halle des hohen priesterlichen Palastes die Gerichtsverhandlung läuft und das Verhör stattfindet, treibt sich Petrus neben einem Hof herum, wo die Wachmannschaften ihren Feierabend verbringen. Sie haben ein Feuer angezündet, sitzen im Kreis, erzählen sich Geschichten, wärmen sich die Hände. Petrus setzt sich unter sie.
Das ist natürlich mutig. Doch als einer mit seinem Bajonett ein wenig Feuer herumschürt, leuchtet das Feuer auf und beleuchtet sein Gesicht. Da erkennt ihn jemand. Eine Magd geht vorbei. Sie ist gerade unterwegs, um den Müll wegzubringen, sieht ihn und sagt: Du warst auch bei Jesus dabei!
Petrus leugnet fließend: Ich kenne ihn nicht. Ich weiß überhaupt nicht, von wem du redest. Doch als ihm die Lage zu heiß wird, steht er vom Feuer auf und geht in den Vorhof hinaus.
Dort erwischt ihn ein anderes Mädchen und fängt vor allen Leuten an zu sagen: Der da war auch mit Jesus dabei! Petrus leugnet erneut und schwört: Ich kenne den Mann überhaupt nicht!
Eine Weile herrscht Ruhe, die Sache scheint ausgestanden. Doch plötzlich fängt jemand wieder an: Na klar warst du bei Jesus dabei! Man erkennt dich an deiner Sprache, du bist aus Galiläa, du verrätst dich!
Da vergisst Petrus, dass er drei Jahre lang in der Schule von Jesus gewesen ist. Er fällt zurück in den rauen Ton eines galiläischen Fischers, flucht und schwört: Gott verdamme mich, ich kenne den Mann überhaupt nicht, von dem ihr redet!
In diesem Moment kräht der Hahn. Petrus fällt ein, dass Jesus zu ihm gesagt hat: Bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Jesus dreht sich um, und die Blicke von Jesus und Petrus begegnen sich. Es ist nur ein Augenblick. Ein Augenblick, der, wie mir jemand sagte, einer der gewaltigsten ist, von dem uns die Weltgeschichte berichtet.
Denn in dem Moment, in dem sich die Blicke der beiden Männer treffen, bricht Petrus zusammen. Die alte Bibel sagt, er ging hinaus und weinte bitterlich. Ein Mann, ein gestandener Mann, ein Fischer, der über seine Schuld weint.
Erkenntnis der Schuld und der Weg zur Vergebung
Solange Petrus mit sich alleine ist und nur darauf aus ist, mit Vorwürfen an die Wand zu kommen, erkennt er seine Schuld gar nicht. Erst in dem Augenblick, in dem sein Blick den Blick von Jesus trifft – dem Sündlosen, dem Reinen, dem Heiligen – erkennt er seine Gemeinheit, seine Unwürdigkeit, seine Schwäche und seine Feigheit.
So ist es auch mit uns. Solange wir nur auf uns selbst schauen, sagen wir oft: „Im Grunde genommen ist doch alles okay, so schlimm ist es doch gar nicht.“ Aber wenn wir das Kreuz ansehen, an dem Christus hängt, merken wir, wie schlimm es wirklich um uns steht. Der Sohn Gottes musste an einem Kreuz sterben, damit wir gerettet werden. So schlimm ist es also um uns bestellt.
Der Blick von Jesus zu Petrus wird für Petrus zur Rettung – genauso wie dieser Blick für jeden, der an das Kreuz glaubt, zur Rettung wird. Petrus bereut, er kehrt um, erkennt seine Sünde und bereut sie. Auch Judas, der Verräter, bereut, als er sieht, dass sein Verrat nur dazu führt, dass Jesus getötet wird. Da schlägt ihm sein Gewissen, denn das hatte er nicht gewollt.
Doch um seine Schuld loszuwerden, wendet er sich nicht an Jesus, sondern an die falsche Adresse. Er geht zum Hohen Rat, der ihn für seine Spitzeldienste engagiert hatte. Er will das Geld zurückgeben und sagt: „Leute, was ich gemacht habe, war falsch.“ Aber die Verführer kümmern sich nicht um die Gewissensqualen der Verführten. Es ist ihnen egal, was aus dem wird, der für die Spitzeldienste geleistet hat. Ob der daran zugrunde geht oder nicht, ist ihnen gleichgültig.
Sie sagen zu ihm: „Was geht uns das an? Sieh du selber zu!“ Und Judas begeht den Fehler, diesen zynischen Rat zu befolgen. Er versucht, mit sich selbst ins Reine zu kommen und seinen Gewissenskonflikt allein zu bewältigen. Er wirft das Geld, für das er Jesus verkauft hat, einfach auf den Boden im Tempel.
Aber so einfach kann man sich nicht von seiner Schuld trennen. Die meisten Menschen sündigen, weil sie denken: „Wenn ich das Verbotene habe, bin ich glücklich.“ Doch das Gegenteil ist der Fall. Judas hasst das Geld, für das er Jesus verkauft hat. Eines Tages stinkt dich das an, was du durch deine Sünde erreicht hast. Du möchtest es loswerden, aber es geht nicht. Es klebt an dir, deine Schuld klebt an dir, sie gehört zu deinem Leben.
Es gibt nur einen, der dir deine Schuld abnehmen kann, und das ist Jesus. Es gibt nur ein Mittel, durch das du deine Sünde loswerden kannst: das Blut von Jesus Christus. Denn das Blut von Jesus Christus macht uns rein von aller Schuld. So steht es in der Bibel. Darauf kannst du dich verlassen. Darauf kannst du dich berufen, wenn du in Schuld gefallen bist.
Für alle Versager, die einmal gestolpert sind, die in den Dreck gefallen sind und sich schmutzig gemacht haben, ist das der große Trost. Das Trostlose an der Geschichte von Judas ist, dass es zwischen ihm und Jesus keine Begegnung mehr gegeben hat. Ihre Blicke treffen sich nie wieder.
Judas bleibt mit seiner Schuld allein. Er stellt sich Jesus nicht mehr, weicht ihm aus und flieht schließlich in den Tod. Er begeht Selbstmord. Das ist das logische Ende von denen, die Jesus verraten, ihre Schuld vielleicht für sich selbst eingestehen, aber nicht vor Gott, und deshalb an ihrer Schuld zugrunde gehen.
Schuld, die nicht vor Gott bekannt wird und nicht vergeben wird, macht dich kaputt. Gerade deshalb ist Jesus ans Kreuz gegangen, damit du in deinem Leben nicht kaputtgehen musst. Wenn du vor Gott schuldig geworden bist, wenn du versagt hast, wenn du bei der Stasi mitgemacht hast, dann komm und bekenne deine Schuld. Lass sie dir vergeben.
Nicht alle hier waren bei der Stasi. Aber bei den Jungpionieren, in der FDJ, bei der Jugendweihe und an vielen anderen Stellen haben wir alle Dinge mitgemacht, mitgesagt, mitgesungen oder mitgeschrieben. Wir haben alle genug Dinge, die wir vor Gott als Schuld eingestehen müssten, zugeben, bereuen und uns davon befreien lassen sollten.
Du musst an deiner Schuld nicht kaputtgehen wie Judas. Du kannst neu anfangen wie Petrus. Petrus ist der Beweis dafür, dass Jesus die Versager nicht kaputtmacht, sondern wenn sie bereuen, zu neuen Menschen macht.
Ursachen für das Versagen des Petrus
Die Frage ist jetzt nur: Wie kannst du vermeiden, ein Versager zu werden? Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein Mann wie Petrus, ein Mitarbeiter, zum Versager wurde? Dafür gibt es drei Gründe.
Erstens: Petrus hat sich überschätzt. Er hielt sich für stärker, als er war. Er war so überzeugt von sich, dass er es für ausgeschlossen hielt, selbst einen Fehler zu machen. Er dachte: „Ihr wisst doch gar nicht, wer ich bin. Ich bin Petrus, die rechte Hand vom Chef. Ich bin der persönliche Referent von Jesus. Ihn zu verleugnen? Das traue ich vielleicht den anderen zu, aber doch nicht mir.“ Solche selbstsicheren Christen gibt es auch heute noch, zum Beispiel hier in diesem Gottesdienst. Sie denken und zeigen anderen, dass sie bekehrt sind. Doch ob ihre Bekehrung wirklich echt ist, möchte ich erst einmal in Frage stellen. Sie sagen: „Ich bin frei von Gebundenheiten“, aber hängen noch an der Zigarette oder anderen Dingen. Sie sind noch keine richtigen Christen. „Ich habe die Geistestaufe, ihr nicht“, sagen sie stolz.
Das Beste, was solchen Glückschristen passieren kann, ist, dass sie mal richtig auf die Nase fallen. Dann begreifen sie, dass sie Sünder sind, abhängig von Gottes Gnade, und seine Vergebung brauchen.
Zweitens: Petrus hat den Feind unterschätzt. Der Feind, der Teufel, ist immer da. Das hatte Petrus vergessen. Deshalb hielt er es nicht für nötig, sich gegen einen Angriff des Teufels vorzubereiten. Jesus hatte ihn ausdrücklich gewarnt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt.“ Doch Petrus hatte keine Lust zu beten. Er schlief lieber, weil er dachte: „Ach, das schaffe ich schon so.“ So wie viele von euch morgens lieber weiterschlafen, statt zu beten, und denken: „Den Tag schaffe ich schon so.“ Ihr startet in den Tag, ohne euch vorher mit Gott abzusprechen. Und dann wundert ihr euch über eure Pleiten, weil ihr falsche Entscheidungen trefft, falsche Antworten gebt und falsche Dinge tut. Das alles passiert, weil ihr euch nicht vorbereitet und euch nicht vor dem Start die Anweisungen eures Chefs holt.
Damit sind wir beim dritten Grund, warum Petrus zum Versager wurde: Er begab sich auf den falschen Boden – ohne eine Anweisung von Jesus. Er betrat den Hof der Wachmannschaften, wo diejenigen saßen, die Jesus am nächsten Morgen kreuzigen würden. Petrus mischte sich unter die Mörder seines Herrn. Das wirkt wie eine Szene aus einem Hollywood-Film: Lieutenant Peter schleicht sich ins Zentrum der Gangsterbande, um seinen gekidnappten Boss zu befreien. Das erscheint mutig, ist aber pure Vermessenheit.
Genauso vermessen war es, wenn Menschen bei der Stasi freiwillig mitmachten, um angeblich Schlimmeres zu verhindern, obwohl sie keinen Auftrag dazu hatten. Sich unter heidnischen Soldaten und Folterknechten als Kind Gottes zu bewähren, kann man nur, wenn man einen Auftrag von Gott dafür bekommen hat. Sonst bleibt man lieber zuhause.
Überlege dir, ob du es dir leisten kannst, als Christ bestimmte Orte aufzusuchen. Das Feuer im Palasthof war jedenfalls kein Ort, an den Petrus hätte gehen sollen. Prahlerisch behauptete er, er könne seine Hand ins Feuer legen. Doch er spielte mit dem Feuer und verbrannte sich die Finger. Wer sich in Gefahr begibt, wird darin umkommen.
So wurde Petrus zum Versager und Verleugner.
Die unerschütterliche Liebe Jesu trotz menschlicher Schwäche
Das alles hat Jesus schon vorher gewusst. Er wusste, dass ihn die Jünger im Augenblick der größten Not verlassen würden. Er wusste, dass sie, um ihr Leben zu retten, ihn alle im Stich lassen würden. Er wusste, was für miese Versager seine Jünger sind.
Und trotzdem hat er sie nicht verurteilt. Er hat sie nicht verachtet, sondern er hat sie geliebt. Er hat sie unbeirrbar geliebt. Darin besteht die Größe von Jesus. Er kennt die Menschen von ihrer schlechtesten Seite und hat sie trotzdem lieb.
Er kennt uns von unserer schlechtesten Seite und hat uns trotzdem lieb. Er kennt dich von deiner schlechtesten Seite. Er kennt deine Feigheit. Er weiß, dass du mit Sicherheit versagen wirst. Er weiß, dass du wieder Fehler machen, dass du sündigen wirst.
Und er liebt dich trotzdem. Vergiss das nicht: Er liebt dich trotzdem. Amen!