Wir sind in einer Reihe über Helden, genauer gesagt über Glaubensheldinnen in der Bibel. Der Titel der Reihe lautet Frauen Power – Frauen, die wissen, wo es langgeht.
Beim letzten Mal haben wir uns mit Rahab beschäftigt. Heute ist Maria dran. Der Predigtitel lautet: Maria – ein Teenager gibt alles.
In der Bibel gibt es verschiedene Marias. Ich meine Maria, die Frau von Joseph, die Mutter Jesu. Genau wie bei Rahab reicht es mir, wenn wir am Ende vier Lektionen mitnehmen. Wir wollen uns von der Hingabe anstecken lassen, die wir bei Maria sehen, und dann überlegen, in welchen Situationen wir von dieser jungen Frau lernen können.
Die Herausforderung hinter der Weihnachtsgeschichte
Maria gehört sicherlich zu den bekanntesten Figuren in der Bibel, nicht zuletzt wegen der Weihnachtsgeschichte. Ich glaube, genau an dieser Stelle liegt das Problem. Die Wirklichkeit, mit der Maria konfrontiert war, war viel rauer und unangenehmer, als wir das am 24. Dezember kurz vor der Bescherung im Anzug im Kerzenlicht des Weihnachtsgottesdienstes mit Tannenbaum und Krippenspiel wahrnehmen.
Lassen Sie uns gemeinsam aus dem Lukasevangelium lesen, Kapitel 1, Verse 26 bis 30.
Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt von Galiläa mit Namen Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die einem Mann namens Joseph aus dem Haus Davids verlobt war. Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel kam zu ihr hinein und sprach: „Sei gegrüßt, Begnadigte, der Herr ist mit dir.“
Maria aber wurde bestürzt über das Wort und überlegte, was für ein Gruß dies sei.
Der Engel sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden.“
Die Lebenssituation einer jungen Frau im antiken Judentum
Wie alt ist Maria zu der Zeit, als der Engel sie besucht? Nach jüdischer Sitte wurde ein Mädchen mit dreizehn Jahren verlobt und mit vierzehn vom Bräutigam heimgeholt.
Ich muss das erklären: Die Verlobung war damals der formale Akt der Hochzeit. Heute würden wir das mit dem Standesamt vergleichen. Damals wurde ein Vertrag zwischen den Familien der Eheleute geschlossen. Vom Moment der Verlobung an war Maria Joses Ehefrau, wohnte aber noch zu Hause.
Erst mit etwa vierzehn begann dann das, was wir als Ehe verstehen: das gemeinsame Wohnen und die Sexualität. Der Übergang zwischen Verlobung und Ehe wurde durch ein Fest markiert, ein großes Fest. Dieses Fest begann mit der Heimholung.
Der Bräutigam veranstaltete einen großen Umzug mit viel Tamtam und holte seine Braut zu sich ins Dorf. Das heißt, er zog mit all seinen Freunden in ihr Dorf, nahm seine Braut in Empfang und zog dann mit dem Umzug zurück ins eigene Dorf. Dort wurde eine Woche lang gefeiert.
Versteht ihr jetzt, warum Maria vor dem Engel Angst hatte? Sie war keine gestandene Frau mit Lebenserfahrung, sondern noch ein halbes Mädchen auf der Schwelle zur Frau – ein Teenager, würden wir heute sagen. Sicherlich war sie damals reifer als heutige Dreizehnjährige, aber sie war dennoch sehr jung.
Erste Lektion: Gott wählt auch die Unwahrscheinlichen
Und das ist die erste Lektion. Bei Rahab haben wir gesehen, dass sie, obwohl sie durch ihren Beruf in den Augen der meisten Menschen disqualifiziert war, von Gott benutzt und gewollt wurde.
Das Gleiche geschieht hier. Niemand hätte wahrscheinlich gedacht, dass Gott einen Teenager wie Maria erwählt, um den Messias zur Welt zu bringen. Aber genau das tut er.
Die Lektion, die wir daraus lernen sollen, ist: Es gibt keine Zeit und kein Alter, zu dem wir für Gott brauchbar werden. Wir sind es immer.
Wenn ich das so predige, denke ich manchmal: „Brauchbar werden für Gott“ klingt so verklärt. Welcher Christ möchte nicht ein großes Tier sein in Gottes Zoo? Doch Vorsicht! Lesen wir einfach mal ein Stück weiter in Lukas 1, Verse 31-37.
Die Herausforderung der göttlichen Berufung
Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Der Herr Gott wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und sein Königtum wird kein Ende haben.
Maria aber fragte den Engel: „Wie wird das geschehen? Ich kenne keinen Mann.“
Der Engel antwortete ihr: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. Sieh, auch Elisabeth, deine Verwandte, erwartet in ihrem Alter einen Sohn. Dies ist bereits der sechste Monat für sie, die unfruchtbar genannt wurde. Denn kein Wort, das von Gott kommt, wird kraftlos sein.“
Ich weiß nicht, ob wir uns auch nur ansatzweise vorstellen können, was dieser Text für Maria bedeutete: Du wirst schwanger werden. Aber nicht in einer Zeit, in der Schwangerschaften bei unverheirateten Frauen, Jugendlichen oder Teenagern etwas Gewöhnliches waren.
Die gesellschaftlichen Konsequenzen und die zweite Lektion
Wenn ich den Text lese, bin ich manchmal erschrocken. Erschrocken, weil ich mich frage, was Gott Maria eigentlich zumutet. Wie soll sie die Schwangerschaft ihrem Mann erklären? Wie ihren Eltern?
Was wirft diese Schwangerschaft eigentlich für ein Licht auf Joseph? Und mit welcher Last beginnt dieses junge Glück? Der gute Ruf von Maria – alles vorbei!
Und was hatte der Engel gesagt? „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Sieht so die Gnade Gottes aus? Ist das das, was sie sich von Gott gewünscht hatte – gebraucht zu werden?
Wir haben es hier mit einer zweiten, ganz wichtigen Lektion zu tun. Einer Lektion, die wir immer und immer wieder in der Bibel finden. Es ist vielleicht eine der zentralsten Lektionen der Bibel, die wir für unser Leben ganz tief begreifen und irgendwann wirklich annehmen müssen.
Diese Lektion heißt: Gott ist Gott. Gott ist Gott. Und wenn Gott anfängt, dein Leben zu gebrauchen, dann tut er das auf seine Weise.
Ich möchte darauf hinweisen, dass du nicht überrascht sein solltest, wenn er gesellschaftliche Konventionen missachtet und dir Dinge zumutet, die dir zu schwer erscheinen. Warum? Weil Gott sein Reich baut – und du bist das Werkzeug in seiner Hand.
Stell dir vor, du renovierst eine Wohnung und bekommst den Auftrag, ein paar Löcher zu bohren. Du hast eine dicke Stahl-Betonwand vor dir und bekommst einen Bohrhammer in die Hand gedrückt.
In dem Moment, in dem du den Bohrhammer ansetzt, schreit der Bohrer: „Nein, nein! Das ist immer so eng und so heiß, und es tut so weh, wenn nicht da reingeschlagen wird.“ Das passiert nicht. Du wirst dem Bohrer sagen müssen: „Entschuldige, du bist der Bohrer! Bohrer sind dazu da, sich in dunkle, staubige, enge Bohrlöcher zu quetschen – das ist dein Job. Ein Bohrer ist dazu da, Löcher zu bohren.“
Maria ist dazu da, eine alttestamentliche Prophetie zu erfüllen – von einer Jungfrau, die den Messias zur Welt bringt.
Das ist die zweite Lektion: Gott ist Gott. Sei nicht überrascht, wenn er anfängt, dein Leben zu gebrauchen und es auf eine Weise tut, die du nie erwartet hättest. Er gebraucht dich als Werkzeug in seiner Hand, um sein Reich aufzurichten.
Beispiele für das Wirken Gottes in schwierigen Lebenssituationen
Natürlich denke ich an die drei Brüder, die in der Türkei ums Leben gekommen sind. Sie sind seit langem die ersten christlichen Märtyrer in einem vom Islam dominierten Land. Es waren Männer, die bereit waren, ihr Leben für die Missionierung der Türkei einzusetzen. Ihnen lag viel daran, Bibeln zu verbreiten. Sicherlich haben sie gebetet: „Herr, gebrauche mich, wie du willst.“ Wahrscheinlich haben auch ihre Frauen gebetet: „Herr, gebrauche uns als Familie hier in der Türkei, wie du willst, damit Menschen vom Licht des Lebens erleuchtet werden, die Bibel lesen und dich, den Messias, finden.“
Dann greift Gott dieses Gebet auf, und drei Männer sterben. Zwei Frauen bleiben mit insgesamt fünf Kindern ohne ihre Männer zurück. Es fasziniert mich, dass ich am Tag nach dem Mord von der Frau eines Missionars höre, wie sie in einem Interview mit einer Tageszeitung sagt: „Ich vergebe.“ Sie zitiert die Worte Jesu, die er am Kreuz gesprochen hat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Sei nicht überrascht, wenn Gott dein Leben auf seine Weise gebraucht. Wenn er es tut, ist es wichtig, dass du so reagierst, wie Maria es getan hat. In Lukas 1,38 heißt es: „Maria aber sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort.“
Das Ja Marias als Ausdruck tiefen Vertrauens
Das ist absolut unglaublich. Ich kann wirklich verstehen, dass Joseph diese Frau haben wollte. Wenn man so eine Frau trifft, dann kann man sie ohne Zögern heiraten.
Hier steht ein Teenager, der nicht weiß, wie er die Situation meistern soll. Maria hat keinen Plan B. Sie musste mit dem Schlimmsten rechnen: mit Scheidung, mit Einsamkeit, mit sozialer Ausgrenzung. Dieses Ja zu Gottes Plan bedeutete für sie einen Schritt in eine ganz bedrohliche Unsicherheit.
Das Einzige, was sie wusste, war: Hinter allem steckt Gott. Und Gott hatte ihr ein Zeichen gegeben. Sie konnte Elisabeth besuchen und prüfen, ob der Engel die Wahrheit über sie gesagt hatte.
Versteht ihr, warum es in Lukas 1,39 heißt: „Maria aber machte sich in diesen Tagen auf und ging mit Eile in das Gebirge und begrüßte Elisabeth“? Das war der Test. Sie wollte wissen, ob der Engel die Wahrheit gesagt hatte.
Aber was, wenn ihre unfruchtbare Verwandte in ihrem hohen Alter tatsächlich ein Kind bekommen sollte? Kannst du dir vorstellen, mit welchen Empfindungen und Gedanken Maria zu Elisabeth ging? Wie sie sich ihre Zukunft ausmalte, die Reaktion von Joseph, den Eltern, dem Dorf, der jüdischen Gemeinde? Wie sie das immer wieder durchspielte?
Sie wusste ja noch gar nicht, ob das stimmte, ob sie wirklich schwanger war. Aber sie musste damit rechnen. Und mit all diesen Fragen und Gedanken, mit diesen Ängsten und Zweifeln, mit diesen Unsicherheiten kam sie zu Elisabeth.
Die Bestätigung durch Elisabeth und die Klarheit für Maria
Und was sagt Elisabeth als Allererstes in Lukas 1, die Verse 41-43?
Es geschah, als Elisabeth den Gruß der Maria hörte, dass das Kind in ihrem Leib hüpfte – das ist Johannes der Täufer. Elisabeth wurde mit dem Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Und woher geschieht mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“
Jetzt ist für Maria alles klar. Der Engel hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt, jede Unklarheit ist beseitigt.
Wieder stelle ich mir die Frage: Wie hätten wir reagiert? Das ist der menschliche Gau, der größte anzunehmende Unfall. Schlimmer geht es nicht: Schwanger vom Heiligen Geist. Wer wird ihr denn die Geschichte abnehmen? Und was wird da alles auf sie zukommen?
Ich kann mir vorstellen, dass Maria so an sich herunterblickt und mal die Hand auf den Bauch legt. Ja, noch ist er klein, aber sie weiß ganz genau, dass dieser Bauch größer werden wird.
Und dann ist da diese Unsicherheit, diese Angst vor den Reaktionen der anderen.
Marias Lobpreis als Ausdruck von Vertrauen und Freude
Und ich glaube, es ist eine Sache, in einem Moment der Stärke mit einem Engel vor mir zu sagen: Wie ich bin, dem Herrn des Marktes, das geschehe mir nach deinem Wort.
Aber jetzt, nachdem die Sache völlig klar ist, nachdem sie die Kosten überschlagen hat, nachdem das ganze Ausmaß der Katastrophe offen vor ihr liegt – was wird Maria jetzt tun?
Die Antwort ist vorbildlich und verblüffend zugleich: Sie wird sich freuen und Gott loben.
In Lukas 1,47-50 heißt es:
„Meine Seele“, sagt sie, „meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist hat frohlockt in Gott, meinem Heiland. Denn er hat hingeblickt auf die Niedrigkeit seiner Magd, denn siehe, von nun an werden mich glückselig preisen alle Geschlechter. Denn Großes hat der Mächtige an mir getan, und heilig ist sein Name, und seine Barmherzigkeit ist von Geschlecht zu Geschlecht über die, welche ihn fürchten.“
Wow! Maria weiß: Gott macht keine Fehler, auch nicht mit ihr.
Sie sieht in ihrer Situation zuerst Gottes Größe und Gottes Barmherzigkeit. Sie hat verstanden, dass es für unser Leben nichts Größeres und Sinnvolleres gibt, als dass wir es von Gott nach seinen Plänen gebrauchen lassen.
Zusammenfassung der Lektionen von Maria
Deswegen heißt diese Predigt auch „Maria, ein Teenager gibt alles“. Zum Schluss möchte ich die vier Lektionen noch einmal zusammenfassen.
Erstens: Unabhängig von deinem Alter kann Gott dich gebrauchen. Egal, ob du Teenager, Rentner oder irgendwo dazwischen bist – Gott hat Verwendung für dich.
Zweitens: Gott ist Gott. Sei nicht überrascht, wenn er beginnt, dein Leben auf eine Weise zu gebrauchen, die du niemals erwartet hättest. Denk immer an den Bohrer.
Drittens: Echter Glaube lässt sich gebrauchen. „Ich bin die Magd des Herrn“ – auch und gerade dann, wenn ich meine Lage nicht mehr im Griff habe.
Und viertens: Echter Glaube freut sich an der Größe Gottes und an seiner Barmherzigkeit. Während falscher Glaube murrt und mit dem Schicksal hadert, findet echter Glaube Trost und Freude.
All das können wir von Maria lernen, einem Teenager, der bereit war, für Gott alles zu geben.