Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist, Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 608: Der Rat von Kaifas, Teil 1
Die Sorge des Hohen Rates vor Unruhen
Der Hohe Rat ist versammelt und empfindet große Ehrfurcht. Sie fürchten, dass Jesus mit seinen spektakulären Zeichen das Volk aufwühlen könnte. Insbesondere befürchten sie, dass die nationalistisch gesinnten Kreise im Volk in diesem Rabbi aus Nazareth eine Leitfigur sehen, die sie zu einer Revolte gegen die Römer im Land anstacheln könnte.
Eine Revolte, die das jüdische Volk nicht gewinnen kann, weil die militärische Macht der Römer nicht zu besiegen ist. In Johannes 11,48 heißt es: „Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben. Und die Römer werden kommen und unsere Stadt wie auch unsere Nation wegnehmen.“
Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum der Hohe Rat so negativ reagiert? Muss es gleich die Stadt und die Nation sein? Warum muss sofort die religiöse und nationale Identität auf dem Spiel stehen?
Die Antwort liegt womöglich in der Geschichte. Das ist das, was Israel bereits durchgemacht hatte. Das ist das, was die Chaldäer, eine andere Großmacht, ihnen angetan hatten. Und das ist, was Angst bewirkt: Sie spielt mit dem Worst Case.
Kaifas’ Vorschlag und die Idee des Opfers
Was tun? Kaifers hat eine Idee. Johannes 11,49-50 berichtet: Einer aber von ihnen, Kaifers, der in jenem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: „Ihr wisst nichts und bedenkt auch nicht, dass es euch nützlich ist, dass ein Mensch für das Volk stirbt und nicht die ganze Nation umkommt.“
Kaifers ist also der Hohepriester. Er hatte dieses Amt von 18 bis 36 nach Christus inne. Seine Aussage „Ihr wisst nichts und bedenkt auch nicht“ klingt recht schroff, doch dafür waren die Sadduzäer durchaus bekannt.
Wo sieht er das Problem im Denken des Hohen Rats? Seiner Meinung nach versteht der Rat nicht, wie nützlich es sein kann, dass ein Mensch für das Volk stirbt und nicht die ganze Nation umkommt.
Uns mag der Vorschlag merkwürdig erscheinen, aber es gibt durchaus biblische Vorbilder dafür. Zum Beispiel wird Jona über Bord geworfen, um das Schiff vor dem Sturm zu retten.
Ein weiteres Beispiel findet sich bei Joab vor den Toren der Stadt Abel, auf der Suche nach Sheba. In 2. Samuel 20,21-22 heißt es: „Vielmehr hat ein Mann vom Gebirge Ephraim, sein Name ist Sheba, der Sohn des Bichri, seine Hand gegen den König, gegen David, erhoben. Ihn allein gebt heraus, und ich ziehe von der Stadt ab.“ Da sagte die Frau zu Joab: „Siehe, sein Kopf wird dir über die Mauer zugeworfen.“ Und die Frau ging zum ganzen Volk und beredete es mit ihrer Klugheit. Da hieben sie Sheba, den Sohn des Bichri, den Kopf ab und warfen ihn zu Joab hinaus.
Joab fordert also den Kopf von Sheba und erhält ihn. Dass einer für eine Gruppe stirbt, war im jüdischen Denken somit kein wirklich neuer Gedanke – vor allem dann nicht, wenn man den Einzelnen ohnehin für schuldig hielt.
Die prophetische Dimension von Kaifas’ Worten
Aber kommen wir zu einem überraschenden Vers: Johannes 11,51.
Dies aber sagte er nicht aus sich selbst, sondern da er in jenem Jahr Hoherpriester war, weissagte er, dass Jesus für die Nation sterben sollte.
Johannes sieht in den Worten des Hohenpriesters eine Weissagung. Was er sagt, hat nicht nur eine politische, sondern auch eine prophetische Dimension.
In der Zeit zwischen den Testamenten waren Propheten Gottes Mangelware. Deshalb war es üblich, dem Hohenpriester eine prophetische Gabe zuzuschreiben.
Nicht zuletzt auch, weil es andere Priester gab, wie Jeremia und Hesekiel, die neben ihrer priesterlichen Funktion auch Propheten Gottes waren.
Nun bestätigt uns Johannes, dass hier der Hohepriester nicht aus sich selbst sprach, sondern tatsächlich in Gottes Auftrag weissagte – und zwar ohne zu merken, dass sich in seinen Worten eine tiefere Wahrheit verbarg.
Gottes Wirken durch unerwartete Mittel
Was passiert hier? Gott benutzt einen Mann, der eigentlich ein Feind des Messias ist, um eine heilsgeschichtliche Wahrheit auszusprechen. Diese Wahrheit konnten weder er selbst noch die anderen Mitglieder des Hohen Rates erfassen.
Ein Mann muss tatsächlich für das Volk sterben – aber nicht nur für die jüdische Nation. In Johannes 11,51-52 heißt es: Da er in jenem Jahr Hoherpriester war, sagte er, dass Jesus für die Nation sterben sollte. Nicht nur für die Nation allein, sondern auch, damit er die zerstreuten Kinder Gottes ineins versammle.
Der Tod des Messias hat Auswirkungen, die über die Nation Israel hinausgehen. Zuerst stirbt Jesus natürlich für die Juden, doch das Heilshandeln Gottes bleibt nicht bei diesem Volk stehen. Gott hat stets die ganze Welt im Blick.
Jesus als Retter der ganzen Welt
Johannes 3,16: Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Jesus stirbt zunächst für die Juden. Dieses Volk hat eine besondere Beziehung zu Gott. Paulus schreibt deshalb rückblickend im Römerbrief 9,3-5: „Denn ich selbst wünschte, verflucht zu sein, von Christus weg, für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, die Israeliten sind, deren die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißungen, deren die Väter sind und aus denen dem Fleisch nach der Christus ist, der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen.“
Das meine ich mit besonderer Beziehung. An anderer Stelle betont Jesus selbst im Gespräch mit einer Heidin, dass er nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt ist. Der Mensch Jesus hat als Messias einen klaren Fokus auf die Nation Israel.
Dass dieser Fokus sich an Pfingsten erweitert, ist eine andere Geschichte. Dabei schließt dieser Fokus auf Israel die Heiden nicht vom Glauben und der Errettung aus. Die syrophönizische Frau, die ich eben als Beispiel genannt habe, wird für ihren Glauben an Jesus gefeiert, und ihre Tochter wird von einem Dämon geheilt.
Dennoch gilt: Jesus stirbt zunächst für die Nation Israel. Er erfüllt die Verheißungen an Israel, dass Gott mit dem Volk des Alten Bundes einen neuen und neuartigen Bund aufrichten würde.
Der neue Bund Gottes mit Israel
Hebräer 8, Verse 8-12:
Denn tadelnd spricht er zu ihnen: „Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da werde ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen, nicht nach der Art des Bundes, den ich mit ihren Vätern machte, an dem Tag, da ich ihre Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen.
Denn dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Meine Gesetze gebe ich in ihren Sinn, und ich werde sie auch auf ihre Herzen schreiben. Ich werde ihnen Gott sein, und sie werden mir Volk sein.
Und nicht werden sie ein jeder seinen Mitbürger und ein jeder seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn! Denn alle werden mich kennen, vom Kleinen bis zum Großen unter ihnen. Denn ich werde gegenüber ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden werde ich nie mehr gedenken.“
Hier zitiert der Schreiber des Hebräerbriefes eine Verheißung aus dem Propheten Jeremia an Israel. Gott wird mit seinem Volk einen neuen Bund schließen. Und genau das ist es, was Jesus dann auch tut.
Was könnte man jetzt tun? Lies Jeremia 31,31-34 durch und überlege dir, worin sich der alte und der neue Bund unterscheiden.
Abschluss und Segenswunsch
Das war es für heute.
Tipp: Studiere Johannes 11 und formuliere daraus fünf gute Fürbitteanliegen für deine Geschwister.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und schenke dir seinen Frieden. Amen.
