Einführung in das Thema Liebe und seine Bedeutung
Wir waren letzte Woche relativ wenig hier. Deshalb möchte ich euch empfehlen, die Predigt, die ihr letzte Woche verpasst habt, noch einmal anzuhören. Sie ist eine wichtige Voraussetzung, um zu verstehen, was wir heute miteinander machen wollen.
Es ist keine zwingende Voraussetzung, da ich die Inhalte auch noch ein Stück weit erklären werde. Es geht immer noch um Liebe, habt ihr euch wahrscheinlich gedacht. Also heute noch einmal Liebe und nächste Woche ebenfalls. Dann sind wir mit dem Thema Liebe fertig. Letztes Jahr haben wir uns viel mit dem Beten beschäftigt, dieses Jahr geht es ums Lieben. Mal sehen, was wir nächstes Jahr machen.
Ich möchte zu Beginn noch einmal sagen, warum mir diese Liebesreihe so unglaublich wichtig ist. Vielleicht geht es dem einen oder anderen so: Er lehnt sich jetzt zurück und denkt, schon wieder Liebe, na gut, noch eine Folge, und dann haben wir es bald geschafft.
Bei der Liebe gibt es zwei Punkte: Liebe ist zwar das Wichtigste, aber meine Sorge ist, dass das Thema Liebe in christlichen Kreisen ein Schattendasein in einer Ecke fristet. Ich nenne diese Ecke mal die „Allesklar-Ecke“.
Das heißt, du sagst: „Hey, wir sollen lieben.“ Die Antwort darauf ist: „Klar, ich weiß, dass das wichtig ist. Ja, klar, ich weiß, wie man liebt. Liebe ist gar kein Problem, bei mir ist alles klar.“ Genau in dieser Ecke steckt das Thema Liebe fest.
Und da möchte ich das Thema Liebe gerne herausziehen. Ich möchte deutlich machen, dass wir in puncto Liebe echt krüppel sind, dass überhaupt nichts klar ist. Wenn wir schon denken, alles sei klar, sind wir eigentlich schon leicht vernebelt.
Ich möchte, dass wir begreifen, dass es nicht reicht, Liebe nur theoretisch zu bejahen. Sondern dass in dem Moment, in dem wir das praktisch werden lassen, also praktisch anfangen zu lieben, wir bereit sein müssen zuzugeben: Ja, wir haben Defizite. Ja, es geht sogar noch weiter: Es gibt Momente, da will ich eigentlich gar nicht lieben.
Ich möchte, dass wir beim Thema Liebe nicht einfach nicken und sagen: „Hey, alles klar, hey Mann, cool.“ Sondern dass wir dieses Ziel haben, einmal eine liebevolle Gemeinde zu werden.
Und dass wir heute, im Jahr 2008, sagen können: „Vater im Himmel, es tut uns leid, wenn wir das so zugeben müssen, aber wir sind eigentlich noch weit davon entfernt. Wir haben wirklich noch viel zu lernen. Bitte hilf uns dabei.“
Die Herausforderung der Liebe in der Gemeinde
Paulus schreibt das im ersten Thessalonicherbrief. Er sagt zu einer Gemeinde, die an sich sehr gut läuft: „Euch aber mache der Herr reicher und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle.“
Da läuft eine Gemeinde schon top, und Paulus sagt eigentlich: „Hey, eine Vorzeigegemeinde!“ Das ist eine Gemeinde, über die andere Gemeinden erzählen, wie gut sie läuft. Und Paulus sagt nicht: „Alles in Ordnung, alles klar.“ Stattdessen sagt er zum Thema Liebe: „Gebt Gas!“ Jetzt nicht den Gang runterschalten, sich zurücklehnen und sagen: „Alles klar.“ Sondern jetzt Gas geben, weitermachen. Raus aus dieser „Alles klar“-Ecke und rein in eine andere Ecke.
Wenn ich mit der Reihe fertig bin, dann soll das Thema Liebe in der Ecke „Puh, ist das anstrengend“ landen – nicht Winnie the Pooh, sondern „Puh, ist das anstrengend“. Ich möchte, dass wir nicht mehr leichtfertig behaupten: „Boah, was sind wir doch für liebevolle Menschen“, nur weil wir, wenn einer uns krumm kommt, ihm nicht gleich eins auf die Nase geben oder vielleicht auch schon mal etwas Nettes gesagt haben in der letzten Woche.
Sondern dass wir wirklich begreifen: Liebe ist total anstrengend, Liebe ist total persönlich, Liebe ist total kostbar. Liebe wird eigentlich immer hart an der Grenze der Überforderung gelebt. Dort, wo ich mich am Beispiel Jesu orientiere und an mich heranlasse, dass er mich geliebt hat, als ich noch ein Sünder war.
Da, wo ich dreckig war, wo ich besudelt war, voller Sünde, wo nichts Schönes an mir war, wo ich uneinsichtig und selbstverliebt war – da hat Jesus am Kreuz für mich gelitten, hat für mich bezahlt und meine Schuld getragen. Dort, am Kreuz, hat er gezeigt, was Liebe ist.
Das ist unser Vorbild: Dort, wo er für den Schmutz meines Lebens gestorben ist, hat er uns ein Vorbild gegeben für das, was echte Liebe heißt.
Die göttliche Liebe als Maßstab
Und ich möchte nicht, dass wir mit unserer Vorstellung von Liebe zurücktreten. Ich möchte, dass wir etwas begreifen.
Im Johannesevangelium, Kapitel 17, Vers 26, betet der Herr Jesus zum Vater im Himmel und sagt: „Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan.“ Gemeint sind die Jünger. Jesus hat ihnen Deinen Namen, Deine Person, das, was Du im innersten Kern bist, erläutert. Er hat ihnen Deinen Namen kundgetan und wird es weiterhin tun. Jesus wird nicht aufhören, uns Gott vor Augen zu stellen.
Und jetzt kommt das Entscheidende: „Damit die Liebe, womit Du mich geliebt hast, in ihnen sei.“ Die Liebe, die Gott, der Vater, zum Sohn hat, soll in uns sein.
Ich möchte, dass wir, wenn wir das Thema Liebe hören und an Liebe denken, innerlich zusammenzucken. Ich möchte, dass wir verstanden haben, dass echte Liebe die ultimative Herausforderung eines Lebens auf dieser Erde ist. Ich möchte, dass wir begreifen, dass der Spaß aufhört, an der Stelle, wo Liebe anfängt. Denn echte Liebe tut weh, echte Liebe ist eine Last. Echte Liebe kostet mich mein Ego und dazu gleich noch meine Zeit, mein Geld und natürlich meine Vorstellung von einem ichbestimmten, selbstzentrierten, unabhängigen Leben. All das dürfen wir ganz beherzt abgeben, wenn wir über echte Liebe reden, darüber nachdenken und wirklich so lieben wollen, wie Jesus uns geliebt hat.
Und jetzt versteht ihr: Das ist die „Puh, ist das anstrengend“-Ecke. Hier sage ich: Raus aus der „Alles-ich-kann“-Ecke, rein in die „Puh, ist das anstrengend“-Ecke. Und dann sagen wir: Okay, wenn das Liebe ist, wenn Jesus das ernst meint, dann bin ich wirklich ein Krüppel. Dann habe ich oft keine Ahnung, wie das mit dem Lieben gehen soll, und dann bin ich oft genug eigentlich nicht mal dazu bereit.
Aber genau deshalb sitzen wir hier. Wir sind Jünger Jesu. Ein Jünger ist einer, der lernt. Und als jemand, der von Jesus lernen will, lernen wir von dem – ich sage mal – größten Lehrmeister in Sachen Liebe. Wir haben in Jesus das beste Beispiel dafür, was es heißt, zu lieben.
Und wir dürfen Stück für Stück ehrlich zugeben, dass wir nicht wissen, wie es geht. Wir falten die Hände über der Frage: Wie soll ich das denn machen? Wir verzweifeln ein Stückchen vor der eigenen Unfähigkeit. Und dann leben wir in der Kraft Gottes die Liebe, die Jesus uns beibringen will, und lernen sie.
Die Aufforderung zum Verweilen in der Liebe
Auch im Johannes-Evangelium heißt es an einer anderen Stelle: „Wie der Vater mich geliebt hat, habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ Das ist das große Ziel. Wir sind praktisch noch nicht ganz dort angekommen, aber das ist die Herausforderung. Das ist das, was Jesus uns in unser Stammbuch schreibt: Bleibt in meiner Liebe!
Der Apostel Paulus drückt das an anderer Stelle auf seine Weise aus. Er tut dies etwas ausführlicher: „Seid nun Nachahmer Gottes als geliebte Kinder!“ Erst werdet ihr geliebt, und dann heißt die Reaktion: „Und wandelt in Liebe, wie auch der Christus euch geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Gabe und Schlachtopfer Gott zum duftenden Wohlgeruch.“
So sprechen wir heute nicht mehr, aber der Punkt ist klar. Ihr seid geliebte Kinder, also Freunde: Gebt Gas, liebt, hört nicht auf zu lieben – das möchte ich einfach.
Deshalb habt ihr diesen Stress mit dieser Reihe, weil es immer und immer wieder in der Bibel steht. Deshalb haben wir uns vorletztes Mal mit der Frage beschäftigt, wo das Lieben eigentlich anfängt. Es wurde uns deutlich: Ich muss anfangen, Gutes zu denken, bevor ich anfange, Menschen mit meinen Worten zu lieben und jemand zu werden, der ermutigt, der tröstet, der guten Rat gibt.
Und ich muss mich immer wieder schützen, wenn ich in Schlechtreden oder in Schweigen abdrifte, um zurück in die richtige Richtung zu finden.
Die Praxis des liebevollen Ertragens
Letztes Mal ging es um liebevolles Ertragen. Deswegen solltet ihr die Predigt auch nachhören, denn ich kann jetzt nur ganz kurz zusammenfassen, was ich damals gesagt habe.
Wir haben uns drei große Fragen gestellt. Erstens: Bin ich jemand, der andere richtet, aber selbst mit einem Telefonmast im Auge herumläuft? Zum liebevollen Ertragen gehört nämlich, dass ich nicht richte. Ich möchte euch die Frage zurückgeben: Bin ich so jemand? Ich bin ja nicht hier, um euch zu unterhalten, sondern um euch herauszufordern.
Wie war es denn in der letzten Woche? Wenn ihr ehrlich zurückdenkt, war es so, dass ihr bei euren eigenen Fehlern eher entspannt wart und nicht viel gesehen habt. Aber die Fehler der anderen – auch die kleinsten – habt ihr jeden einzelnen wahrgenommen. War das euer Leben in der letzten Woche? Denn wenn das so ist, werden wir niemals lernen, einander zu ertragen. Jesus sagt ja: Richtet nicht.
Jetzt müsst ihr eine Entscheidung treffen. Ich habe das letzte Mal darüber gepredigt, und ihr müsst etwas daraus machen. Eine der Fragen von letzter Woche lautete: Hast du jeden Splitter im Auge des anderen gesehen und dich vielleicht sogar daran gefreut, während du den Balken in deinem eigenen Auge flüssig eine weitere Woche übersehen hast? War das so?
Die zweite Frage von letzter Woche war: Bin ich bereit, über Fehler hinwegzusehen? Bin ich bereit zu ertragen? Weiß ich überhaupt um meine eigenen Fehler? Auch hier wieder die Frage: Wie war die letzte Woche? Wenn ihr sie Revue passieren lasst – Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, heute Morgen – wie gut warst du darin, Fehler, Eigenarten und Unzulänglichkeiten zu übersehen?
Mal ganz ehrlich: Wie oft hast du innerlich gestillt? Wie oft hast du dich geärgert? Wie oft hast du kritisiert – gerade an den Stellen, an denen du kein Stück besser bist? Wir haben letztes Mal gesagt: Wenn ich in mein Leben hineinschaue und all diese Unzulänglichkeiten sehe, müsste ich doch eigentlich total entspannt mit dem Rest der Welt umgehen, wenn ich ehrlich bin. Blick auf mich.
Die dritte Frage lautete: Wie sieht es eigentlich in meinen Beziehungen aus? Wie gehe ich auf Menschen zu? Gehe ich mit Vorurteilen an sie heran? Habe ich womöglich noch Altlasten, die meine Beziehungen belasten? Bin ich wirklich bereit zu vergeben? Man kann so schön in der Predigt sitzen, der Prediger redet von Vergebung, alle sagen „Ja“. Aber die nächste Woche ist davon geprägt, dass niemand vergibt.
An dieser Stelle möchte ich euch ermutigen. Wenn ich bete – ihr wisst, ich bin oft im Wald – baue ich mein Gebet gerne wie das Vaterunser auf: Erst Anbetung, dann die Bitten für das Reich Gottes. Das ist immer ein bisschen länger, da komme ich meist schon fast wieder aus dem Wald raus, wenn ich damit fertig bin. Dann folgt das tägliche Brot, das ist nicht so viel – eher mein Terminkalender. Und dann kommt: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“
Das ist der Moment, in dem ich immer noch einmal nachdenke: Jürgen, was hast du eigentlich ausgefressen? Eine gute Frage. Und das ist der Moment, in dem ich mir jedes Mal die Frage stelle: Gibt es noch irgendeinen Menschen da draußen, der mir nicht vergeben hat? Denn wir sollen vergeben. Wir müssen begreifen, dass es Gott ernst ist.
Im Markus-Evangelium heißt es einmal: „Wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt.“ Dann geht es dramatischer weiter: „Damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Übertretungen vergebe.“ Du vergibst, und dir wird vergeben.
An anderer Stelle heißt es sehr deutlich: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig und vergebt einander, so wie Gott in Christus euch vergeben hat“ (Epheser 4,32). Vergebt einander, so wie Gott in Christus euch vergeben hat.
Es ist wirklich so: Erst wer bereit ist, sein Denken umzustellen, wer bereit ist, mit dem Lästern aufzuhören, wer nicht mehr jede Kleinigkeit richtet, wer Fehler übersieht und erträgt, wer Fehler mit Liebe zudeckt und wer vergibt – der fängt eigentlich erst mit dem Einmaleins des Liebens an.
Wir denken oft, wenn wir das hören: Hey, das sind jetzt schon drei Predigten, das muss doch die hohe Kunst der Liebe sein, wenn ich das alles mache. Aber die Realität ist: Es ist der Kindergarten. Es ist nicht die hohe Kunst, sondern der Einstieg. Es ist sozusagen die Plattform, die Ebene eines typischen Beziehungsratgebers, den du in jeder gut sortierten Bücherei kaufen kannst.
Da steht das auch schon drin. Du brauchst fast nicht den Heiligen Geist, um das leben zu können und zu begreifen, dass das richtig ist. Das ist nur die Grundlage. Von da aus starten wir – das ist so ein Konsens, den wir gemeinsam haben.
Liebe als aktives Handeln und Dienst am Nächsten
Und jetzt bauen wir darauf auf und sagen: Liebe ist eigentlich noch viel mehr. Liebe bedeutet, dass ich über den Punkt des bloßen Ertragens hinausgehe. Ich werde jemand, der ganz bewusst darauf achtet, den anderen aufzubauen, der ganz bewusst für den anderen da sein will, ihn stärken, ihm dienen und ihm helfen möchte.
Ich werde also jemand, der nicht nur bereit ist, über Liebe zu philosophieren – darüber, wie gut Liebe ist, dass man grundsätzlich lieben soll und wie schön es ist, dass das Christentum eine Religion der Liebe ist –, sondern ich lasse mich ganz praktisch auf den ein, der vor mir steht.
Oft denke ich an den barmherzigen Samariter. Ich kann mir vorstellen, dass so ein barmherziger Samariter die Geschichte kannte: Er ist derjenige, der den Mann findet, der totgeschlagen am Wegesrand liegt, und sich dann um ihn kümmert.
Ich stelle mir vor, so ein barmherziger Samariter war auch jemand, der dachte: Wenn ich mal jemanden finde, der von Räubern halb erschlagen wurde, dann werde ich mich natürlich um ihn kümmern. Das ist die eine Seite – dieses ganz prinzipielle, coole Denken: Wenn du losreist, hast du bislang niemanden gefunden.
Doch dann gehst du um die Ecke, hörst ein Wimmern aus dem Busch und denkst plötzlich: „Shit!“ Du schaust auf die Uhr und denkst dir: „Hm, das hatte ich jetzt nicht eingeplant.“ Trotzdem gehst du hin, siehst den Mann im Gebüsch und weißt: „Okay, wenn ich ihn jetzt raushole...“
Du gehst in den Busch, beugst dich runter und fasst jemanden an, der mit Schmutz und Blut bedeckt ist – vielleicht auch mit anderen Dingen, die man aus jemandem herausprügeln kann. Du ziehst ihn heraus und gehst zurück.
Dann überlegst du: „Was habe ich denn hier?“ Ein bisschen Öl, ein paar Verbände, dein Erste-Hilfe-Kit. Du fängst an, ihn zu versorgen, und wenn du fertig bist, siehst du fast so aus wie er.
Anschließend packst du ihn auf deinen Esel, gehst zum nächsten Wirtshaus und sagst: „Ich habe diesen Mann hier.“ Du investierst deine Zeit, dein Geld und siehst danach aus, als hättest du ein Schwein geschlachtet. Trotzdem sagst du: „Ich will das einfach, weil ich lieben will.“
Das ist Liebe. Und genau diese Art von Liebe meinen wir hier. Wir sprechen nicht von einer philosophischen Liebe. Wir sprechen von einer Liebe, die Zeit, Geld und Einsatz erfordert.
Liebevolles Miteinander in der Gemeinde als praktische Umsetzung
Und deswegen möchte ich heute über ein liebevolles Miteinander sprechen. Ich möchte den Bogen, den ich beim letzten Mal schon ein Stück gespannt habe, noch etwas weiterziehen. Was bedeutet das eigentlich praktisch für uns hier in der Gemeinde?
Die Gäste müssen jetzt damit leben, dass ich ein klein wenig auf die Gemeinde abziele. Was heißt es, wenn wir uns als Gemeindeglieder im Gottesdienst oder im Hauskreis, in der Kleingruppe, treffen? Was bedeutet es, wenn wir sagen, wir wollen lieben?
Der Gedanke, bevor wir uns das inhaltlich anschauen, ist folgender: Die Gemeinde Gottes ist Gottes Trainingslager für angehende Liebesprofis.
Schlagt bitte mit mir den Hebräerbrief auf, Kapitel 10, ziemlich weit hinten im Neuen Testament. Dort heißt es im Vers 24:
„Und lasst uns aufeinander Acht haben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen seht.“ (Hebräer 10,24)
Es gibt feste Zusammenkünfte einer Gemeinde. Bei uns sind das der Gottesdienst und die Kleingruppe. Diese beiden Dinge – Gottesdienst und Kleingruppe – sind die Orte, an denen wir beschlossen haben, uns zu sehen. Das ist so etwas wie das Fitnesscenter für die Liebesmuskeln.
Immer dann, wenn du nicht im Gottesdienst bist oder nicht in der Kleingruppe, ist es so, als würdest du eine Trainingseinheit im Fitnesscenter auslassen. Da wird etwas nicht trainiert. Warum? Weil hier steht: „Lasst uns aufeinander Acht haben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen.“
Ich weiß nicht, ob du dir schon einmal überlegt hast, warum Gott sich den Gottesdienst ausgedacht hat. Eigentlich hätte er ihn ja nicht gebraucht. Mal ganz nüchtern betrachtet: Gott weiß doch, wenn du alleine im Wald betest. Warum also der Aufwand mit „Wir treffen uns hier zusammen“?
Unser christliches Leben wird dadurch ja nicht einfacher, sondern eher deutlich komplizierter. Wir sind unterschiedlich, müssen uns hier treffen und aufeinander einstellen. Und hier ist die Antwort: Gott will, dass wir uns untereinander anspornen, zur Liebe.
Ich sehe, wie der andere liebt, und denke mir: Coole Sache, das mache ich auch. Ich höre, wie Jesus geliebt hat, und denke mir: Coole Sache, das mache ich auch. Ich erfahre an mir, wie jemand mich liebt, und denke mir: Hey, das ist wirklich toll, das möchte ich auch.
So hat sich Gott Gottesdienst und Kleingruppe gedacht. Wir kommen zusammen, um uns an dem Punkt anzureizen, an dem wir den größten Bedarf haben – nämlich in puncto Liebe.
Das heißt: Die Kleingruppe oder der Gottesdienst ist die einmalige Chance, im Kleinen das zu tun, was Jesus am Kreuz im Großen getan hat, nämlich sein Leben in einen Menschen zu investieren, der es von sich aus nicht verdient.
Noch einmal: Die Kleingruppe oder der Gottesdienst ist die einmalige Chance, im Kleinen das zu tun, was Jesus im Großen am Kreuz getan hat – sein Leben in einen Menschen zu investieren, der es von sich aus nicht verdient.
Wir müssen das ganz tief begreifen: Gemeinde ist keine Kulturveranstaltung. Wir sind nicht hier, weil uns die Musik gefällt oder die Predigt, oder weil wir sonntags nichts anderes zu tun haben. Oder weil man in Deutschland das halt so macht.
Wir sind mit einem Auftrag hier. Wir sind ein Team. Und in diesem Team suchen wir uns den Mitspieler nicht aus. Ein bisschen so, als wärst du Fußballer und der Verein kauft neue Spieler ein. Ich glaube nicht, dass du als Mitspieler da ein Mitspracherecht hast. So macht Gott das hier auch.
Praktische Übung: Liebevolles Miteinander gestalten
Deshalb möchte ich mit euch ein Spiel spielen. Es ist kein kompliziertes Spiel. Tinker, wo bist du? Ah, sehr gut. Tinker wird euch ein Blatt Papier und einen Stift geben. Ich hoffe, dass hinten genug Stifte vorhanden sind. Holger, kannst du bitte nachsehen, ob dort Stifte sind? Ihr braucht einen Stift. In der Kiste mit den Bibeln hinten könnten noch Stifte sein. Ansonsten schau bitte auch dort hinten nach. Ah ja, sehr gut, dass jeder einen Stift hat. Das ist wichtig.
Was jetzt nicht schlimm ist: Ich brauche auch noch ein Blatt.
Ich möchte euch bitten, dieses Blatt im Verlauf des Tages fertig auszufüllen. Ihr werdet jetzt keine Zeit dafür haben. Oben steht „Liebevolles Miteinander im Gottesdienst und in der Kleingruppe“. Darunter steht: „Ich würde es als Liebe empfinden, wenn...“.
Nehmt euch nun zwei Minuten Zeit und füllt so viele Zeilen aus, wie ihr könnt. Fangt einfach mit dem Gottesdienst an. Überlegt, was ihr als Liebe empfinden würdet, wenn ihr in den Gottesdienst kommt. Auch als Gäste könnt ihr das gerne machen. Was wäre für mich Liebe, wenn ich in einen Gottesdienst komme?
Ich habe zum Beispiel folgendes hingeschrieben: „Ich würde es als Liebe empfinden, wenn mich jemand nach dem Gottesdienst anspricht und fragt, wie es mir geht.“
Denn ich fühle mich manchmal leicht ausgeschlossen und einsam. Das ist nichts Schlimmes, dass ich mich so fühle.
Überlegt jetzt zwei Minuten lang, welche Punkte euch im Gottesdienst wichtig wären. Zuhause könnt ihr dann auch über die Kleingruppe nachdenken und überlegen, was ihr dort als Liebe empfinden würdet.
Schreibt zwei Minuten lang auf, was für euch ein liebevolles Miteinander in der Gemeinde ausmacht. Zum Beispiel: „Das wäre für mich ein wichtiger Punkt.“
Ihr müsst das niemandem zeigen. Es geht nur darum, dass ihr selbst merkt, dass ihr eine klare Vorstellung davon habt, was ihr als liebevoll bezeichnen würdet.
Warum ist das wichtig? Jeder von euch kann etwas hinschreiben. Füllt es zuhause einfach aus. Ihr könnt auch zwanzig Punkte aufschreiben. Es sollte nicht schwer sein, darüber nachzudenken, wann ihr euch in einem Gottesdienst angenommen, geliebt und wohlfühlen würdet.
Das Gebot der Nächstenliebe als Grundlage
Ich möchte mit euch einen Vers lesen. In Matthäus 7,12 heißt es: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihr ihnen auch; denn darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ Ein herrlicher Vers.
Du möchtest wissen, wie man sich richtig verhält. Also: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen. Alles, was auf deiner Liste steht, ist das, was du an dir getan haben möchtest, okay? Füll sie aus, und du weißt schon: Was wünsche ich mir im Umgang mit Menschen?
Zum Beispiel dieser erste Punkt hier: Dass mich jemand nach dem Gottesdienst anspricht und fragt, wie es mir geht. Ich kann mir vorstellen, dass es Leute gibt, die schreiben und sagen: „Ja, das wäre eigentlich mein Traum von einem schönen Gottesdienst, dass mich nach dem Gottesdienst jemand anspricht.“ Ich traue mich manchmal nicht.
Und jetzt kommt Jesus und sagt: Warte mal! Wenn das für dich Liebe ist, angesprochen zu werden, dann gilt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ Wenn du schon weißt, dass es eine tolle Sache ist, nach einem Gottesdienst angesprochen zu werden, dann weißt du was? Dann traue dich doch mal, das an der Stelle zu machen.
Und jetzt kannst du sagen: „Ja, aber ich bin nicht so wie Flo.“ Also Flo, ja. Ach, wer bist denn du? Schön, mein Name ist Flo. Wo kommst du denn her? Wo gehst du denn hin? Was machst du denn so?
Es gibt die Renates dieser Welt, die eher ein bisschen ruhiger sind und sagen: „Nein, das traue ich mich nicht.“ Und jetzt kommt die Gemeinde zum Zug. Ja, da gibt es jemanden, der auf andere zugeht. Er kann für den anderen, der eher schüchtern ist, eine Ermutigung, eine Herausforderung, so einen Anreiz sein. Also: Wenn der das mit seinen 30 kann, dann kann ich das mit meinem sowieso.
Das kann ein Anreiz sein. Wir werden nie gleich sein, aber in dem Moment, wo ihr aufschreibt, wie ihr Liebe empfindet, wisst ihr schon, wie ihr Liebe üben könnt. Und ihr könnt voneinander lernen, das irgendwie ein bisschen zu machen.
Wir werden niemals gleich sein, und das müssen wir auch gar nicht. Aber wir dürfen miteinander voneinander lernen, was es heißt, zu lieben.
Persönliche Einblicke in liebevolles Miteinander
Ich möchte mit euch einfach meine zehn Punkte durchgehen. Warum? Erstens, weil meine zehn Punkte gute Punkte sind – nämlich meine – und zweitens, weil – und jetzt lacht nicht – die Bibel sagt, dass in den meisten Gemeinden ein Problem darin besteht, dass man die Leiterschaft tendenziell nicht so lieb hat.
Das liegt daran, dass der normale Leiter die einzige Person ist, mit der jeder in der Gemeinde schon mal Krach hatte. Das ist einfach so. Du kannst nicht zehn Jahre in der Gemeindeleitung sein, ohne dass dir jemand mal irgendwo mehr oder weniger leidenschaftlich und ambitioniert auf die Füße tritt und sagt: „Stopp“ oder „Mach mal das“. Das geht nicht.
Deswegen heißt es in der Bibel im 1. Thessalonicher 5,12: „Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die anerkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen.“ Da merkt man schon, das ist kritisch. Leiterschaft soll anerkannt werden. Und dann geht es weiter: „Dass ihr sie ganz besonders in Liebe achtet um ihres Werkes willen.“
Im Moment ist alles noch gut, ihr habt mich alle lieb, das ist keine Frage. Aber es wird die Zeit kommen, wo ihr vielleicht sagt: „Er hatte wirklich Recht.“ Und dann könnt ihr ihn nicht mehr ausstehen. Das ist ganz okay, denn es steht in der Bibel, dass das kommen wird. Ich rechne damit bei jedem einzelnen von euch.
Wenn das so weit ist, dürft ihr wissen, dass die Bibel sagt: Deshalb sollt ihr sie ganz besonders in Liebe achten. Deswegen sage ich euch mal, was mir so wichtig wäre für den Gottesdienst und die Kleingruppe. Vielleicht findet ihr euch ja an der einen oder anderen Stelle wieder und denkt: „Stimmt, das ist mir eigentlich auch wichtig, an der Stelle geht es mir ähnlich.“
Ich sage mal etwas zur Kleingruppe: Ich fühle mich geliebt, wenn die Teilnehmer nicht zu spät kommen, meinem Vortrag zuhören und nicht quatschen. Warum? Na ja, ich habe mich vorbereitet. Wenn ich den Eindruck gewinne, es interessiert die anderen einfach nicht, dann fühle ich mich nicht geliebt. Und das gilt für jeden Dienst, den wir hier in der Gemeinde tun. Das gilt genauso für die Musiker, genauso für die, die das Buffet aufbauen.
Wenn das einfach so mit Desinteresse quittiert wird, glaube ich, fühlen sich die meisten von uns einfach nicht geliebt.
Noch einmal Kleingruppe: Ich fühle mich geliebt, wenn ich den Eindruck habe, alle versuchen, diese Kleingruppenidee zu leben und da ist keiner dabei, der einfach so mit fadenscheinigen Begründungen absagt und nicht kommt. Klar, wir schaffen es alle mal nicht und sind alle mal platt, darum geht es mir gar nicht.
Aber wenn ich den Eindruck hätte, es sind fadenscheinige Gründe, dann würde ich innerlich, weil ich mit dieser Idee so verbunden bin – ich sage mir einfach: „Hey, ich finde Kleingruppe so furchtbar toll“ – einfach denken: Schade. Und das würde mich persönlich treffen.
Jeder von uns hat solche Leidenschaften, wo sein Herz dran hängt und wo er sagt: „Wenn du mir da an der Stelle wehtust, das magst du nicht verstehen, aber du tust mir trotzdem weh.“
Oder noch einmal Kleingruppe: Ich fühle mich total geliebt, wenn ich merke, dass Geschwister mitarbeiten in der Kleingruppe und nicht meckern. Ja, jeder Wortbeitrag ist für mich ein Akt der Liebe – zu mir, zum Thema und, um nicht zu wenig zu sagen, auch zu Gott.
Ich finde es schön, wenn ich erlebe, dass Leute, wenn sie neue Ideen präsentiert bekommen, nicht erst meckern, sondern wenn sie begreifen: „Da steckt Arbeit dahinter, da hat sich jemand eingesetzt, ich lasse die Idee erst mal auf mich wirken.“ Du darfst ja kritisieren.
Vor ungefähr zehn Jahren kam ein Besucher in die Gemeinde, und bei unserem ersten Gespräch sagte er: „Ich habe die Gnadengabe der Kritik.“ Mein erster Gedanke war: „Ich brauche dich nicht, davon habe ich schon genug.“ So mache ich das.
Von daher freue ich mich, wenn in dem Moment, wo etwas mal nicht rundläuft – und in einer Gemeindegründungsarbeit läuft ja ständig etwas nicht rund – nicht gemeckert wird, sondern wenn Geschwister begreifen: In dem Moment, wo etwas nicht rundläuft, braucht es nicht die Meckerer, sondern die, die ermutigen und den trösten, der für das ganze Kuddelmuddel verantwortlich ist. Die braucht es.
Und dann fühle ich mich geliebt, wenn ich das erlebe, logisch.
Noch ein Punkt zum Thema Kleingruppe: Ich fühle mich geliebt, wenn ehrliches Interesse an mir da ist und auch nachgefragt wird. Ich finde, ich muss ja manche Leute nicht öfter damit belästigen, aber ich finde Claudia Ziegler einfach fantastisch. Warum? Weil Claudia sich noch das kleinste Gebetseinliegen merkt, das irgendjemand sagt, und nachfragt: „Sag mal, wie geht es denn damit?“
Manchmal lehne ich mich dann so in meinen Sessel zurück und denke: Wie hat sie sich das gemerkt? Ich habe die gleichen Unterlagen, aber ich habe ja auch schon einen kleinen Gebetstrich – ist ja nicht so, oder? Da sage ich mir: Da hat jemand einfach Interesse.
Claudia ist für mich ein Anreiz, mit ihrer Menschenbezogenheit und ihrem Blick für das Detail, für den Einzelnen. Da sage ich: Okay, ich habe noch zu lernen. Das ist Gemeinde, ein Anreiz. Du erlebst, wie ein anderer liebt, und denkst: Schick, du hast es nicht hingekriegt. Aber was soll's, ich werde das irgendwann schaffen, irgendwann wird mir das nicht noch mal passieren. Das finde ich lästig, da werde ich daran arbeiten, da werde ich weitermachen, das möchte ich auch, weil das irgendwie richtig so ist.
Ich merke, ich wünsche mir Interesse an mir und möchte das anderen geben. Und genau andersherum: Wenn ich mitkriege, dass das nicht so ist, dass Leute am liebsten gleich wieder nach Hause gehen und gar nicht nachfragen, wie es bei dir an der und der Stelle gelaufen ist, dann enttäuscht mich das manchmal. Da fühle ich mich innerlich ein bisschen abgestoßen.
Und das, obwohl ihr wisst, dass ich eher so eine „Planierraupenmentalität“ habe – also nicht der, der allzu sehr auf das Gefühlige geht. Aber an manchen Stellen zwickt es dann doch.
Oder Gottesdienst: Jetzt mag sich keiner angeschossen fühlen, darum geht es mir überhaupt nicht, aber ich fühle mich tatsächlich sehr verbunden mit unserem Gottesdienst. Das ist so eine Veranstaltung, bei der ich am liebsten sagen würde: „Mein Gottesdienst“ – ist natürlich nicht meiner, aber so empfindungsmäßig.
Als jemand, der sachorientiert ist, sage ich: Wenn so eine Veranstaltung läuft, gehe ich mit einem Schmunzeln nach oben und sage: Halleluja, ich finde das toll.
Ich fühle mich persönlich geliebt, wenn alle mitsingen und alle mitbeten. Ihr denkt jetzt vielleicht: „Hä, du bist ja ein komischer Kauz.“ Ich weiß, ich soll jetzt auch keinen Druck ausüben. Aber ich möchte, dass ihr begreift, wie unterschiedlich Liebe sein kann.
Mein Wunsch ist, dass hier einfach Lobpreis Gottes in Hülle und Fülle kommt, dass das wirklich zunimmt, dass die Hütte vor Lob auseinanderfällt, dass wir so viel Schalldruck erzeugen, dass man noch fünf Straßen weiterhören kann. Das wäre mein Wunsch. So bin ich, ihr könnt anders sein.
Was mich total begeistert und wo ich mich unglaublich geliebt fühle, ist dieses Gefühl bei christlichen Arbeiten, das man das „Den Letzten beißen die Hunde“-Gefühl nennt. Sprich: Es ist Arbeit zu tun, und es gibt immer noch drei Treue, die bis zum Schluss bleiben.
Ich freue mich über jeden, der nicht geht, solange noch Arbeit da ist, und sagt: „Die Letzten werden es schon machen.“ Ich fühle mich total geliebt, wenn ich merke, da ist jemand, der sich nicht zurückzieht, sondern bleibt, die Last mitträgt und wirklich Lastenträger wird, obwohl es ihm vielleicht gerade nicht super geht. Das finde ich total schön.
Ich denke, bei euch wird das auch nicht groß anders sein.
Na ja, klar, was auch noch zum Gottesdienst gehört: Wenn ihr meine Predigten umsetzt, fühle ich mich total geliebt. Warum? Weil da eh nicht viel Zeit reingeht. Es ist ja Vorbereitung, Nachbereitung, man muss die Predigt halten, schreibt ein Skript und überlegt, wie man das rüberbringt. Das ist Liebe für mich, wenn euch das wichtig ist.
Genauso geht es mir, wenn ich merke, dass man aktiv an der Entwicklung der Gemeinde teilnimmt, wenn man zum Beispiel die Liedzettel hinten liest.
Letzte Woche hat mich meine Frau total frustriert, indem sie meinte: „War da nicht was? Irgendwie Ende September, da hat man nicht mehr woanders einen Gottesdienst?“ Ja, hatten wir! Stand auch schon länger auf dem Zettel hinten drauf und in ein oder zwei Protokollen.
Ich merke, das ist so eine Kleinigkeit, aber ich merke, da tickt einfach bei mir etwas.
Und so weiter und so weiter.
Letzter Punkt noch: Ich fühle mich geliebt, wenn ihr das, was ich sage, an den richtigen Stellen nicht auf die Goldwaage legt.
Ich bin jemand – und wer mich kennt, weiß, dass das stimmt – der oft zu scharf ist, manchmal zu direkt, vielleicht auch manchmal zu schwarz-weiß. Es ist schon besser geworden, ihr hättet mich vor zehn Jahren erleben sollen.
In der Gemeindeleitung gibt es die sogenannte „Jürgenbrille“. Die wird immer dann aufgesetzt, wenn ich gerade im Eifer des Gefechts verbatze.
Ich fühle mich geliebt, wenn ihr mich mit meinen Macken so nehmt, wie ich bin, für mich betet und vielleicht auch manchmal über meine mangelnden diplomatischen Fertigkeiten schmunzelt. Das dürft ihr auch.
Das sind so Sachen, die bei mir stehen würden, wenn ich diese zehn Punkte ausfüllen würde. Und wenn ihr etwas anderes geschrieben habt, okay.
Und jetzt könnt ihr denken: „Mann, ist der Kerl kompliziert, nur froh, dass ich nicht mit dem verheiratet bin.“ Ja, vielleicht. Aber ich hoffe, dass wir eine Idee davon bekommen, warum echte Liebe eine Herausforderung ist.
Unterschiedliche Wahrnehmungen und die Chance zur Versöhnung
Letztes Beispiel: Wir feiern Gottesdienst hier. Nach dem Gottesdienst bekomme ich eine E-Mail, in der jemand seine Begeisterung für die Musik zum Ausdruck bringen möchte. Ich lese euch einen Ausschnitt daraus vor. Da heißt es: „Die unglaublich fantastische Musik der Band – die Zuhörer wurden durch die wunderschöne Musik sowie die Eindringlichkeit und Authentizität der Musiker vorbereitet.“
Zu der gleichen Musik gibt es eine zweite Stellungnahme, die lautet so: „Die Musik war so laut und rockig, ich wäre am liebsten rausgegangen.“ Ein und derselbe Gottesdienst, ein und dieselbe Musik.
Und jetzt, spätestens hoffentlich, haben wir begriffen, was für eine Chance Gott uns mit Gemeinde gibt: Liebe zu lernen, Liebe zu leben. Haben Sie das begriffen?
Da treffen solche Fronten aufeinander. Das ist wie ein Kalt- und Warndruck. Am liebsten würde sich da ein Tornado entwickeln, der erst einmal alles wegreißt, was am Boden ist. Nein, wir dürfen das mit Liebe entspannen.
Die Entscheidung liegt tatsächlich jetzt in so einem Moment bei uns. Du kannst an der Stelle seufzen, stöhnen, meckern oder maulen. Du kannst dich zurückziehen, du kannst schlechtreden, du kannst dich verweigern. Kennt ihr von Uli Stein diesen Pinguin mit dem Schild „Dagegen“? Ja, du kannst so eine Rolle einnehmen. Das ist ja eine Möglichkeit, du raffst sie.
In vielen Gemeinden ist das genau der Weg, der gegangen wird. Du hast Parteiungen. Natürlich hat keiner Parteiungen, nein, wir reden nur nicht miteinander und finden es total blöd, was der andere macht. Aber es sind natürlich keine Parteiungen.
Du hast dieses Spiel: Ja, das sind die Konservativen, die Liberalen, die Lautmusiker, die Livemusiker, die Pömmträger und was weiß ich, die Rocker – keine Ahnung, es gibt dann alles Mögliche.
Du hast die Möglichkeit, diesen Weg einzuschlagen. Und du wirst, wenn du das tust, bei mir keinen Freund haben. Ich werde das nicht mitgehen.
Aber wir können auch lieben und ein liebevolles Miteinander lernen, so wie es an einer Stelle heißt: Wir können unsere Herzen von Gott auf seine Liebe lenken lassen, und wir können anfangen, alles in Liebe zu tun.
Die Entscheidung zur Liebe und der Aufruf zum Bekenntnis
Ich möchte euch eine Frage stellen: Wollt ihr das? Denn es ist die ultimative Herausforderung. Wollen wir das wirklich?
Das bedeutet, dass wir uns in dieser Gemeinde über bestimmte Themen nicht mehr unterhalten werden, einfach weil wir wissen, dass sie unwichtig sind. Stattdessen werden wir anfangen, einander zu lieben. Wollen wir das? Das ist die Frage.
Wollen wir es zulassen, dass jemand zu mir kommt und sagt: „Hey, an der Stelle ist das nicht in Ordnung, das weißt du, darüber haben wir gepredigt, das haben wir gehört. Lass uns gemeinsam beten und das in den Griff kriegen in deinem Leben.“ Willst du das?
Jeder, der das wirklich will – oder zumindest für ein halbes Jahr bereit ist, diese Idee auszuprobieren –, der darf heute ein Bekenntnis ablegen. Mehr will ich gar nicht.
Die Musiker können schon nach vorne kommen, ich bin fertig. Das Bekenntnis besteht darin, dass dies der wahre Liebe-Button ist. Wenn du sagst: „Ja, ich möchte das leben, ich möchte es wenigstens probieren zu leben. Ich möchte wenigstens an dieser Stelle versuchen, es zu probieren zu leben. Und ich weiß zumindest, dass ich da noch nicht bin, aber ich möchte da ankommen,“ dann nimmst du dir so einen Button.
Ich lasse euch jetzt die nächsten zwei Lieder durchlaufen, und dann kannst du den Button irgendwo festmachen. So, und kannst ihn befestigen. Wir lassen das durchlaufen.
Wenn du sagst: „Ja, ich möchte das.“ Ihr könnt gerne auch für eure Kinder die Entscheidung mit treffen, denn die wollen ja auch einen Button haben. Da heißt es dann: „Ja, ihr müsst das auch.“ Dann dürft ihr euch gerne einen Button nehmen.
Die Musiker bekommen zuerst einen, denn ihr dürft nicht weiterspielen, wenn ihr nicht „Ja“ sagt. So, und dann schicken wir das hier mal auf die Reise.