Herr Jesus Christus, wir haben dein Wort gelesen und danken dir, dass du es uns gegeben hast. Wir leben durch dein Wort und davon, dass wir es hören. Es soll in unser Herz und unseren Verstand gelangen, sich mit uns verbinden, bei uns Raum gewinnen und unser Denken, Fühlen, Reden und Tun bestimmen.
Deshalb kommen wir an diesem Vormittag mit einer ganz großen Bitte zu dir: Dass das Wort, das wir gehört haben und dessen Auslegung wir jetzt aufnehmen werden, genau auf diese Weise bei uns ankommen kann. Wir wissen, dass dies durch deinen Heiligen Geist geschieht. Lass deinen guten Geist in uns wirken – in dem, was jetzt gesprochen wird, und in dem, was wir aufnehmen.
Wir bitten dich um dieses Wunder in unserer Mitte. Wir bitten dich, dass du deine Gemeinde hier auf diese Weise versorgst und uns Klarheit, Wegweisung, Trost, Orientierung und Zuversicht schenkst. Wir setzen unser Vertrauen auf dich, das Haupt der Gemeinde, und geben dir Dank und Ehre.
Wir meinen es ernst, wenn wir dich bitten, Jesus, du Herr des Lebens: Wir wollen hören, was du sagst, und glauben. Amen.
Zweifel und Herausforderung beim Thema Frieden in der Gemeinde
Das Thema „Jesus ist unser Friede“ steht im Mittelpunkt für unsere Gemeinden. Ich gebe zu, dass ich darüber nachgedacht habe, ob ich dafür überhaupt der geeignete Redner bin. Denn im letzten halben Jahr haben viele Konflikte stattgefunden. Viele haben zumindest dazu beigetragen, manche sagen sogar, sie hätten die Konflikte angezettelt. Es wird oft gesagt: „Am besten hältst du den Mund, dann haben wir Frieden.“ Doch so entsteht eigentlich nur Streit, und das ist nicht wirklich gut.
Ich neige gern dazu, dieser Aufforderung Folge zu leisten – aus Trägheit und aus Harmoniesucht. Doch ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob der Friede, den ich dadurch bewirke, dem entspricht, von dem das Wort Gottes in diesem Text spricht. „Er ist unser Friede“ – nun, ich sage, das Wort Gottes spricht hier davon. Das muss man allerdings mit einem Fragezeichen versehen.
Es handelt sich um den Brief des Paulus an die Epheser. Einige Schriftgelehrte bezweifeln, ob Paulus diesen Brief wirklich geschrieben hat. Auch wird angezweifelt, ob er tatsächlich an die Epheser gerichtet war. Das will ich heute jedoch nicht vertiefen.
Ich gehe davon aus, dass Paulus der Verfasser ist, wie es hier steht, und dass der Brief an die Epheser und die ganze Region gerichtet war. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Zirkularschreiben, das nicht nur in der Stadt, sondern auch in anderen Gemeinden gelesen und weitergegeben wurde. So ist dieser Brief bis heute erhalten geblieben, und wir haben ihn jetzt in der Hand und können ihn gemeinsam lesen.
Die Autorität des Wortes Gottes und das Fundament des Glaubens
Aber woher nehme ich eigentlich das Recht, zu behaupten, dass Gott hier redet, dass es Gottes Wort ist? Dieser Text erklärt das selbst: Warum ein Brief, den Paulus, ein Mensch, an Menschen in einer bestimmten Gemeinde oder Region geschrieben hat, Gottes Wort ist.
Deshalb wollen wir dabei anfangen. Sie haben hoffentlich alle einen Text vor sich. Ich muss mich nicht dafür entschuldigen, dass dieser Text so kompakt ist und man ihn nicht einfach so gedanklich präsent haben kann. Deshalb haben Sie ihn vor Augen, und wir werden ihn buchstabieren. Es wird nicht vergnügungssteuerpflichtig sein, und ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es ohne Kopfschmerzen abgeht. Aber das ist ja nicht meine Verantwortung. Ich soll ja zu diesem Wort reden, und das ist nun mal so komplex. Deshalb muss man schon sehr sorgfältig hinschauen.
Der Text erscheint dann auch. Ich habe vorhin hinten gesessen im ersten Teil. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Text lesen können. Sicherheitshalber haben Sie eine eigene Kopie oder das Blatt, falls es genug gegeben hat. Schauen Sie immer wieder rein und prüfen, ob das auch wirklich so stimmt.
Wir fangen erstens im Vers 20 an, also der erste Punkt: Es geht um das Fundament – Jesus, die Apostel und die Propheten. Paulus sagt in diesem Abschnitt, den wir vorhin gehört haben: Wir sind Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.
Zunächst müssen wir über die Konstruktion des Fundaments sprechen, auf dem das Haus Gottes steht, bevor wir später auch über den Bau sprechen und darüber, was ist und wie der zustande kommt. Zunächst einmal die Konstruktion des Fundaments.
Nun ist es so: Ich bin kein Bauingenieur, aber wahrscheinlich sind unter Ihnen einige Experten. Wenn Sie keine Bauingenieure sind, haben wahrscheinlich viele von Ihnen ein eigenes Haus gebaut und sind darüber zu Fachleuten geworden.
Wenn dort solider Grund ist, Felsen, also hart, dann kann man wahrscheinlich ziemlich bald eine Bodenplatte drauflegen, muss kein großes Theater machen und hat ein gutes Fundament.
Es gibt aber auch ganz schlechten Grund. Es gibt Sandböden, sumpfiges Gelände, und ich habe mir mal von einem Architekten erzählen lassen, was das für eine Mühe ist, wenn man Hochhäuser baut – riesige Hochhäuser mit 50 Stockwerken, die auch noch auf einem Grund stehen, der kein Felsen ist.
Was da für Fundamentkonstruktionen nötig sind, wie tief die Bohrungen in die Erde gehen, Säulen hineingegraben werden, um irgendwo das Fest zu verankern, und dann kann man darauf das Fundament legen und darauf das Haus bauen.
Das kam mir in den Sinn, als ich fragte: Was ist denn nun das Fundament, wenn Paulus den Grund, das Fundament der Apostel und Propheten nennt, wo Jesus Christus der Eckstein ist? Also Apostel und Propheten mit Jesus Christus zusammen, dem Messias, bilden das Fundament.
Was heißt das erst mal, dass die Apostel und nicht nur Jesus, sondern die Apostel und die Propheten dazu genannt sind? Im ersten Korintherbrief sagt Paulus: Einen anderen Grund kann niemand legen, da ist Christus allein. Aber hier nennt er die Apostel und Propheten dazu.
Warum gehört das dazu? Reicht es nicht, wenn hier Jesus allein steht? Nein, es ist ganz offensichtlich: Wir haben keinen Zugang zu Jesus ohne die Apostel und die Propheten.
Die Propheten stehen hier für das ganze Alte Testament. Manchmal heißt es „Gesetz und Propheten“, manchmal sind es drei Teile: Gesetz, Propheten und die Schriften. Hier stehen die Propheten für das ganze Alte Testament.
Ohne das Alte Testament und ohne die Apostel – also die Augenzeugen des Lebens, des Sterbens und des auferstandenen Jesus – haben wir keinen Zugang.
Es ist schlicht und einfach: Wir haben keine Information über Jesus ohne die Apostel, ohne die Zeugen. Es gibt zwei einzelne Sätze bei Tacitus und Sueton, zwei römischen Schriftstellern, die aber nur sehr wenig Aussagen über Jesus haben.
Also einmal ganz äußerlich gesehen: Es gibt keine Kenntnis von Jesus außer durch die Augenzeugen, die im Neuen Testament davon berichten.
Diese Augenzeugen sind die Apostel, die sein Leben, seinen Kreuzestod und dann den Auferstandenen mit leiblichen Augen gesehen haben und der zu ihnen gesprochen hat – vierzig Tage lang.
Auch Paulus zählt dazu, als letzter, so sagt der erste Korintherbrief 15. Er hat den Auferstandenen gesehen und in besonderer Weise die Unterweisung durch ihn bekommen.
Sie bilden das Fundament. Warum? Sie gehören, wie wir alle, auf die Seite der Menschen, die allein gerettet werden dadurch, dass Christus für sie gestorben ist und Vergebung der Sünden bekommen – also allein aus Gnade.
Das sind keine besseren Menschen, aber eins unterscheidet sie von allen nachfolgenden Christen und auch von den berühmtesten Theologen, die es gegeben hat, mögen sie noch so tolle Arbeit gemacht haben: Sie gehören auch auf die Seite der Offenbarung.
Sie sind die Zeugen. Ihr Zeugnis von dem, was Jesus gesagt hat, was er getan hat, sein Leiden und Sterben, wer er ist, ist Teil der Offenbarungsurkunde Gottes.
Deshalb ist es Wort Gottes. Das ist ihre Autorität.
Die Apostel stehen auf den Schultern der Propheten des Alten Testaments, die Geschichte und Offenbarungszeugen der Geschichte Gottes mit Israel sind. Die Apostel sind die Augenzeugen von Jesus.
Jetzt muss man sich das so vorstellen: Wenn ich mir die Konstruktion eines Fundaments vorstelle, dann sind die Apostel und Propheten das Fundament.
Was ist ein Eckstein? Bei uns sind Grundsteine meist symbolisch. Sie tragen selten wirklich etwas. Sie enthalten oft Dokumente oder Zeitungen, die späteren Generationen zeigen sollen, wann das Haus gebaut wurde.
Hier aber ist es anders gemeint.
Der Eckstein und Grundstein ist hier entweder ein massiver Felsblock, der an der entscheidenden, schwierigsten Stelle liegt und dem darauf liegenden Fundament festen Halt gibt, damit es nicht abrutscht.
Das ist das Fundament: Der Eckstein Jesus trägt das Fundament der Apostel und Propheten.
Oder es gibt eine Deutungsweise in der Bibel, dass Jesus der Schlussstein ist. Es gibt herrliche Beispiele aus dem Altertum von Gewölben, in die oben kunstvoll ein Schlussstein eingebaut ist.
Dieser Schlussstein fängt von allen Seiten die unerhörten Druckkräfte auf und hält die Spannung. Ohne diesen Schlussstein würden das Gewölbe und die Wände zusammenstürzen.
Das bestaunt man heute noch an den großen gotischen Domen, die solche Gewölbe gebaut haben.
So ist das: Der Grundstein, der Eckstein oder Schlussstein, von dem wirklich alles statisch abhängt.
Das ist das Verständnis: Das Fundament sind Jesus, die Apostel und die Propheten.
Mit diesem Satz beschreibt Paulus die Autorität der Bibel, warum die Bibel Offenbarungsurkunde ist, also die Offenbarung Gottes, und deshalb Wort Gottes, das für uns die letzte maßgebliche Autorität ist.
Das zu verstehen, ist heute besonders wichtig, weil die Zeiten vorbei sind, in denen man sagte: Das haben wir immer schon gesagt und wir sind ja am meisten der Meinung.
Wir sind nicht mehr in einer Zeit, in der man selbstverständlich versteht, dass die Bibel Gottes Wort ist und alle dem zustimmen.
Deshalb braucht es eine Begründung. Und die Bibel begründet es: Hier ist es, die Propheten und Apostel, gegründet auf den Messias Jesus. Das ist die Grundlage, darauf wird das Haus Gottes gebaut.
Das ist absolut nötig für die aktuellen Auseinandersetzungen, die wir heute haben.
Die härtesten Auseinandersetzungen in unserer Zeit gehen jetzt wirklich um die Frage: Wer ist Jesus? Ist er der eine und einzige Retter, oder gibt es viele Möglichkeiten?
Wir haben einen, und wer an Jesus glaubt, ist auch nicht schlecht und so weiter.
Oder was ist der Sühnetod? Ist Jesu Tod eine Mythologie? Die Vorstellung, dass einer sterben und verbluten muss, damit wir mit Gott versöhnt sind, wird von manchen innerhalb der Kirche als albtraumartige, blutige Vorstellung abgelehnt.
Man sagt: Das kann doch nicht wahr sein, Gott kann doch so vergeben, wir glauben doch an den Gott der Liebe. Das sei überholt.
Ist das so, wie die Apostel es bezeugen? Oder ist die Auferstehung von Jesus wirklich ein Schöpfungswunder am Leib des Toten, der gekreuzigt wurde und von Gott verwandelt wurde in die Welt Gottes?
Oder ist es nur eine märchenhafte Umschreibung dafür, dass wir sagen: Na ja, die Gedanken von Jesus waren toll und irgendwie machen wir seine Sache weiter, so wie Goethe weiterlebt und so weiter?
So Jesus auch, so wie es heute dauernd wieder gesagt wird, besonders zu Ostern, wenn ein Bischof das verkündet.
Die meisten Leute entdecken es gar nicht und denken: Was wollen die eigentlich? Das hört sich doch alles so fromm an.
Es hört sich alles so fromm an, ist aber nicht wirklich real gemeint. Das ist der Punkt.
Oder um ganz elementare, praktische Dinge: Was ist das Menschenbild?
Es gibt sogar Parteien, die behaupten, dass das christliche Menschenbild ihre Grundlage sei.
Aber wenn man in die Bibel schaut, steht da als erster Satz, dass Jesus ausdrücklich bestätigt, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild schafft, sein Gegenüber.
Er schuf sie als Mann und Frau.
Diese Erschaffung des Menschen in der Polarität und Gemeinschaft von Mann und Frau gehört zur Offenbarung des Schöpfers.
Das ist nicht irgendwo abzulesen, wissenschaftlich kann man wahrscheinlich zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen, wenn man die Landschaft beobachtet.
Aber die Offenbarung sagt: Es ist Gott, der Schöpfer, der das Ebenbild in der Polarität von Mann und Frau ist.
Die Beziehung von Mann und Frau ist nicht eine unter vielen Lebensformen, die wir in unserer Supermarktidentität wählen oder nicht wählen können und alles ist gleich gut.
Es gibt heute so viele Fragen zur Ehe und Sexualität, die auch politische Inhalte haben und Auswirkungen zeigen.
Es gibt viele aktuelle, brennende Fragen, bei denen die Grundentscheidung für uns Christen ist: Ist die Bibel die Urkunde der Offenbarung Gottes und damit maßgebend und letzter Maßstab für all das?
Oder ist sie nur ein Beitrag zur Diskussion, dazu noch ein veralteter, denn die letzten Texte wurden vor 1900 Jahren geschrieben?
Wie soll ein so alter Text ein maßgebender Beitrag zur Meinungsbildung in der Welt sein?
Die Grundentscheidung fällt hier.
Deshalb sagt Paulus auch: Er erbaut auf den Grund, auf das Fundament der Apostel und Propheten, da Jesus der Messias und Eckstein ist.
Das heißt: Das Haus Gottes steht und fällt mit diesem Fundament.
Das ist erst mal die Voraussetzung.
Die Bedeutung des Alten Testaments für das Verständnis von Jesus und dem eigenen Elend
Jetzt fangen wir von vorne an. Der zweite Punkt ist, dass wir ohne das Alte Testament unser Elend nicht erkennen. Lesen Sie mit mir Vers 11 und Vers 12. Paulus ruft: „Denkt daran!“ Er erinnert uns daran, weil er sah, dass man das leicht aus dem Blick verlieren und vergessen kann. Wenn es selbstverständlich wäre, bräuchte er nicht daran zu erinnern.
Denkt daran, dass ihr, die ihr von Geburt an Heiden wart – also Völker – und Unbeschnittene genannt wurdet von denen, die äußerlich beschnitten sind, dass ihr zu jener Zeit ohne Messias, ohne Christus – das ist kein Name, sondern ein Titel – ohne Christus vom Bürgerrecht Israels ausgeschlossen wart. Ihr wart Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung. Wörtlich heißt es: „der Bundesschluss der Verheißung“. Abraham und David sind Teil dieses Bundes, der aus vielen Stücken besteht. Ihr wart außerhalb dieses Bundes und hattet keine Hoffnung. Ihr wart ohne Gott in der Welt.
Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi. Zunächst einmal: Ohne das Alte Testament erkennen wir unser Elend nicht. Paulus formuliert das hier etwas schroff. Ihr wart draußen, entweder gehörte man zum Bundesvolk Israel und damit zum Bundesschluss, den Gott mit Abraham geschlossen hat, oder man gehörte nicht dazu. Dieser Bundesschluss mit Abraham war von Anfang an universell gedacht: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ So exklusiv Gott mit Abraham und dem Volk Israel beginnt, so war von Anfang an die universale Perspektive in Gottes Rettungsabsichten dabei.
Über Jahrhunderte ist es zunächst die exklusive Geschichte Gottes mit dem Volk Israel: Isaak, Jakob, dann die Stämme, Mose und so weiter. Ihr wart Fremde, ihr wart draußen, ihr gehörtet nicht dazu. Es heißt sogar, ihr wart ohne Gott in der Welt. Nicht, dass ihr Atheisten wärt, das wäre verrückt, sagt Paulus. Wenn du nicht zum Bundesvolk Israel gehörst und nicht an der Offenbarung des lebendigen Gottes teilhast, dann hast du zwar Gottesvorstellungen, aber keine wahre Gemeinschaft mit Gott. Götzenbilder gibt es überall, und das ist auch heute so. In Deutschland etwa beten manche vor allem Geld, Amulette oder Wahrzeichen an. Es gibt viele Götzen und Gottesvorstellungen. Paulus sagt sehr schroff und für unsere Begriffe heute etwas respektlos: Ihr wart ohne Gott in der Welt, ohne Hoffnung, ausgeschlossen vom Bund der Verheißungen, ohne Teil daran, einfach draußen.
Die Zugehörigkeit zu Gott und zum Bundesvolk Israel gehören unbedingt zusammen. Einige finden das fremd. Das ist unser Problem, sagt Paulus, und es drohte damals schon. Deshalb ruft er: „Vergesst das nicht! Denkt daran!“ Warum ist das wichtig? Nichts gegen Israel, aber wir sind durch Jesus versöhnt mit Gott. Darauf freuen wir uns, dessen sind wir gewiss, und so wollen wir leben und getrost sterben.
Warum ist Israel so wichtig? Historisch war das damals so, aber heute? Paulus sagt: Ihr täuscht euch. Es gibt den Zugang zu Gott nur über den Bund mit Israel. Seht das zunächst einmal: Ohne das Alte Testament versteht ihr nicht, wie wichtig Gott dieser Bund ist. In diesem Bund liegt seine Gnade, seine Wegweisung zum Leben und seine Treue. Wenn ihr nicht darin seid, ist das euer Elend. Ihr habt keinen Teil, seid ohne Gott, draußen vor.
Israel und die Völkerwelt – wenn Luther „Heiden“ sagt, steht im Griechischen immer „Völker“. Das sind Deutsche, Franzosen, Tschechen, alle Völker. Nationalität, Kultur oder Sprache spielen keine Rolle, sondern das Nichtteilhaben an den Zusagen, Versprechen und Bundesschlüssen Gottes mit seinem Bundesvolk. Nur vor dem Hintergrund des Alten Testaments verstehen wir unser Elend. Das ist auch für das Selbstverständnis der Christen heute ganz wichtig.
Man erschrickt, wie viele Christen mit dem Alten Testament nichts anfangen können. Es sei zu schwierig, mit komischen Geschichten, darin wolle man nicht lesen. Ich sage: Wenn Sie das Alte Testament nicht kennen, kennen Sie auch Ihr eigenes Leben nicht, kennen Ihr Elend nicht. Kein Wunder, dass viele fragen: Wozu brauche ich Jesus? Wir müssen uns die Geschichte erzählen: Außerhalb des Bundes Israel gibt es keine Gemeinschaft mit Gott.
Aber es geht noch weiter. Ohne das Alte Testament wissen wir auch nicht, wer Jesus ist. Lesen wir diesen komprimierten Absatz noch einmal. Achten Sie darauf, wie oft betont wird, dass durch Christus, durch ihn, in ihm – so oft von Vers 13 an. Jetzt aber, in dem Messias Jesus, seid ihr, die einst fern wart, nahe geworden durch das Blut des Messias. Christus ist kein Name, sondern ein Titel. Manchmal wird es deutlicher, wenn man „Christus“ aus dem Griechischen zurückübersetzt ins Hebräische: „Messias“ – so steht es zweimal in Vers 13.
In Vers 14 heißt es: Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat, den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft, durch das Opfer seines Leibes. Nicht hat er das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen abgeschafft, sondern er macht in sich Jesus aus den beiden einen neuen Menschen. Er schafft Frieden und versöhnt die beiden mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft durch sich selbst tötete. Er ist gekommen und hat dem Evangelium Frieden verkündet: Frieden den Fernen und Frieden den Nahen. Durch ihn haben wir alle beide in einem Geist Zugang zum Vater.
Paulus überschlägt sich, es ist so dicht, er wiederholt es immer wieder. Es ist wichtig: durch Jesus, in ihm, allein in ihm, in seinem Leib, im Kreuz, durch die Hingabe seines Lebens, durch sein Blut – Blut ist Leben.
Ohne das Alte Testament wissen wir nicht, wer Jesus ist, der Messias, der König Israels und der Welt. Das wissen wir nur aus der Offenbarung des Alten Testaments. Ohne das Alte Testament ist das ein unverständliches Fremdwort.
Der Messias ist König, zugleich Menschensohn und Weltrichter, wie in der Vision Daniels beschrieben (Daniel 7,13-14). Er kommt mit den Wolken des Himmels, und Gott übergibt ihm das Weltgericht und die Weltherrschaft für ewig. Menschensohn heißt Weltherr und Weltrichter. Jeder Jude versteht das, weil er das Alte Testament kennt. Nach Psalm 110, Vers 1 – der am meisten im Neuen Testament zitierte Satz – heißt es: „Setze dich zu meiner Rechten, mein Herr!“ David spricht zu einem Herrn. Daniel 7 beschreibt den Menschensohn als Weltherrn und Weltrichter.
Der Messias König und der Menschensohn Weltrichter vollbringen dieses gewaltige Werk als leidender Gottesknecht, der stellvertretend für uns stirbt, nach Jesaja 53. Das sind die Linien des Alten Testaments, offenbart durch die Propheten. Das kann man nicht allein wissen oder erfinden. Gott offenbart, wie er seine Geschichte lenken will, und Jesus nimmt das auf. Er bezieht es auf sich und redet selbst so von sich.
Er bestätigt dem Seemann Petrus das Christusbekenntnis, wehrt aber falsche Messiasverständnisse ab – etwa politische Befreier, die damals üblich waren. Er sagt: Nein, ich komme als Menschensohn, als Weltrichter, und als Gottesknecht. Ich werde ausgeliefert zum Leiden und Sterben, aber bestätigt in der Auferstehung.
Jesus nimmt das Alte Testament auf, die Prophezeiungen richten sich auf ihn, und in ihm werden sie erfüllt. Wenn wir diesen Zusammenhang nicht sehen, verstehen wir auch das Neue Testament nicht und wissen nicht, wer Jesus ist. Dann fantasiert man sich Jesus zurecht, und das endet in unsinnigen Annahmen ohne Grundlage.
Die Evangelisten bezeugen, was sie bei Jesus gesehen haben: sein Reden, Handeln, Leiden, Sterben und die Auferstehung. Sie sind Zeugen. Sind sie zuverlässige Zeugen? Oder haben sie das erfunden? In der theologischen Debatte heißt das „Gemeindebildung“: Die haben tolle Gedanken über Jesus, aber er war tot. Die waren so betroffen, dass sie Märchen und Legenden erfanden. Sie sagten, Jesus habe sein Leiden und Sterben vorausgesagt. Das kann niemand voraussagen, sagen manche. Jesus habe das nicht getan, sondern die Gemeinde habe es ihm später in den Mund gelegt.
Das heißt, um es drastisch zu sagen: Sind die Zeugen Lügner, die sich das ausgedacht haben? Das ist die Kernfrage. Sind die Apostel treue, zuverlässige Zeugen der Offenbarung Gottes in Jesus, oder sind sie Fälscher, aus welchen Motiven auch immer? Haben wir im Alten und Neuen Testament Gottes Selbstoffenbarung oder eine religiöse Erfindung?
Ich will Ihnen die Konsequenzen zeigen. Diese Frage muss jeder entscheiden. Man kann prüfen, und irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man sagen muss: Ja, das ist Gottes Offenbarung, und ich kann mich öffnen, ihm gehorsam sein, in Dankbarkeit und Vertrauen Ja sagen. Oder man verschließt sich, sagt: Das gibt es nicht, es gibt nur Menschen und ihre Gedanken. Das ist eine Grundentscheidung, die jeder trifft – so oder so.
Die Folgen sind weitreichend und klar. In Jesus erfüllt sich Gottes Offenbarung in der Geschichte mit der Welt und Israel – von der Schöpfung über den Abrahamsbund. Gott war in Christus und versöhnte den Kosmos, die Welt mit sich selbst. Darum ist das, was Jesus sagt, gültig.
In der Bergpredigt nimmt Jesus die Gebote Gottes so, wie sie aus dem Alten Testament bekannt sind, und betont ihre radikale Gültigkeit. Das Verbot zu töten bezieht sich schon auf Worte und Gedanken, Ehebruch schon auf Gedanken. Es gilt die Feindesliebe, nicht nur die Liebe zu Sympathisanten.
Jesus sagt das ausdrücklich, zum Beispiel in Matthäus 19, als er wegen der Scheidung gefragt wird: „Habt ihr nicht gelesen, was da geschrieben steht?“ Er betont, was Gott zusammengefügt hat, kann der Mensch nicht trennen. Obwohl Paare sich oft selbst suchen oder Familien sie verheiraten, sagt Jesus ausdrücklich: Die Ehe ist eine Einrichtung Gottes, keine beliebige Lebensform, die man wählt, wie es einem passt.
Heute hört man oft, das sei nicht so wichtig, an der Bibel Wort für Wort zu hängen. Es gehe darum, was „Christum treibet“ – was Christus antreibt. Das sagt Luther feierlich lateinisch: „Was Christum treibet.“ Das klingt toll, und viele Fromme sagen: Jesus ist das Wichtigste, es kommt nicht so sehr auf einzelne Gebote an. Hauptsache, was Christus treibt.
Man solle das nicht gegen einzelne Bibelstellen ausspielen, etwa in der Homosexualitätsdebatte. Ich frage ganz schlicht: Woher wissen die, wer Jesus Christus ist? Das will ich auch wissen. Wir sollen uns auf das konzentrieren, was Christus treibt, was ihn in den Vordergrund stellt, dass er der Herr ist, ihm vertrauen, uns an ihm orientieren, ihn groß machen und ihm folgen.
Woher weiß ich, wer Jesus ist? Der einzige Zugang zu ihm ist die Bibel, Altes und Neues Testament. Ohne das Alte Testament und das Neue wissen wir nicht, wer Jesus ist. Da heißt es, Jesus habe niemanden ausgeschlossen, unsere Kirche sei inklusiv unterwegs, er habe keine ethischen Urteile gefällt, weder über heterosexuelle noch homosexuelle Unzucht, kein böses Wort.
Ich sage Ihnen in aller Schärfe: Kirchenleitungen, die so etwas verbreiten, wie die Badische, phantasieren sich einen Jesus zusammen, der in ihren Kram passt. Ein Jesus, der nicht zur Umkehr ruft, sondern Sünde gutheißt, weil er angeblich niemanden ausgrenzt.
Woher kennen wir Jesus? Wir kennen ihn nur durch die Apostel und Propheten. Es gibt kein Recht, sich einen Fantasie-Jesus auszudenken, der inklusiv ist und zu allem Ja und Amen sagt, gegen nichts etwas hat, und das gegen die konkreten Worte auszuspielen, die Jesus gesagt hat und die als Gebote Gottes in der Heiligen Schrift stehen.
Ohne das Alte Testament wissen wir nicht, wer Jesus ist. Natürlich auch ohne das Neue Testament nicht, aber das Neue ist ohne das Alte nicht zu verstehen. Das ist eine der großen Nöte.
Das war in der gesamten Kirchengeschichte so. Paulus hat es geahnt, darum sagt er: „Denkt daran!“ Alle Irrlehren und Fehlentwicklungen in den Kirchen über die Jahrhunderte haben meist ihre Wurzeln in der Verachtung und Vernachlässigung des Alten Testaments.
Wenn man das Neue Testament ohne das Alte interpretiert, kommt man irgendwohin und fantasiert sich einen Jesus zurecht, nicht den der Apostel und Propheten, sondern den, der uns passt. Das ist Religion: „Du bist okay, ich bin okay.“ Wir wollen bestätigt und getröstet werden, egal wie wir leben – ob geizig, habgierig oder ehebrecherisch. Wir leben ja im 21. Jahrhundert, und Gott ist die Liebe, Jesus eine Chiffre.
Nein, Jesus ist keine Chiffre. Er ist der Jesus, den die Apostel und Propheten bezeugen. Er ist mit ihnen zusammen der Grundstein. Es geht nicht nur darum, dass das, was Jesus gesagt hat, ewiges Wort Gottes ist, sondern dass Apostel und Propheten bezeugen, dass auch sein Leiden und Sterben am Kreuz gültig ist. Damit macht er Frieden. Er ist unser Friede.
Das ist der zentrale Satz in diesem Abschnitt. Wie sollen wir das verstehen?
Der vergessene Frieden zwischen Juden und Heiden
Deshalb müssen wir jetzt viertens über den vergessenen Frieden sprechen. Ich lese noch einmal Vers 14 bis 16. Schauen Sie noch einmal hinein, wir haben ihn sicherlich nicht auswendig drauf. Dort steht: „Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft. Durch das Opfer seines Leibes hat er das Gesetz mit seinen Geboten und Satzungen abgetan, damit er in sich selbst aus den Zweien einen neuen Menschen schafft und Frieden macht und die beiden versöhnt mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, in dem er die Feindschaft durch sich selbst getötet hat.“
Ich nenne das den vergessenen Frieden.
Es gibt ja sogenannte Friedensschlüsse. Zum Beispiel kennen Sie den Frieden von Münster und Osnabrück im Jahr 1648. Das ist der sogenannte westfälische Frieden. Damit fasst man alles zusammen, was zwischen Mai und Oktober 1648 in den Städten Münster und Osnabrück verhandelt und beschlossen wurde. Wenn man das nicht kennt oder in der Schule nicht aufgepasst hat oder es vergessen hat, dann weiß man nicht, dass dieser Friedensschluss ein jahrzehntelanges Morden in Europa beendet hat: den Dreißigjährigen Krieg und den Achtzigjährigen Freiheitskampf der Niederlande.
Dieser Friedensschluss von Münster und Osnabrück 1648 war die Grundlage für ein langes weiteres Zusammenleben der Völker in Europa. Man muss in der Geschichte nicht gut aufgepasst haben und das alles behalten haben – das ist ein vergessener Frieden. Man kann dann auch seine Bedeutung nicht richtig abschätzen.
Nun sagt Paulus hier: „Er ist unser Friede.“ Was ist das für ein Friede? Was haben wir verstanden? Wenn wir an Jesus glauben und mit ihm leben, ist klar: Jesus ist für uns gestorben, auferstanden und hat uns mit Gott versöhnt.
Aber Paulus redet gar nicht zuerst von der Versöhnung, die jeder Einzelne mit Gott hat, sondern er sagt erst einmal: Dieser Friede ist zunächst ein Friede zwischen Juden und Heiden, zwischen Israel und den Völkern, die vom Bund ausgeschlossen waren.
Wie hat dieser Messias Jesus das gemacht? Er hat die Stelle des Volkes Israel angetreten, das den Bund gebrochen hat, und hat sich das Gericht Gottes selbst angezogen. Stellvertretend ist er dafür gestorben. Er hat auch das auf sich genommen, was die Völker getan haben: Sie haben Gott verachtet, sind Götzen nachgelaufen und haben die Gebote Gottes, die sie gar nicht kannten, mit Füßen getreten. Sie haben ihr eigenes Ding gemacht.
Jesus ist an ihre Stelle getreten, ans Kreuz gegangen und für beide gestorben. Damit hat er, sagt Paulus, den Zaun abgebrochen – wie einen Gartenzaun. Das Gesetz und die Satzung waren so ein Schutzzaun. Manche in Israel hatten sogar noch einen Vorgarten gemacht und weitere Zäune, die die Völker, die Heiden, vom Volk Gottes trennten.
Die einen von innen haben den Zaun gebrochen, die anderen von außen wollten das nicht und sind weggegangen. Jesus ist dafür gestorben, hat es auf sich genommen, hat die Trennung und Feindschaft aufgelöst und den Bund mit Israel für die Völker geöffnet. Das ist der Punkt.
Warum ist das wichtig? Man könnte sagen: Muss ich das eigentlich wissen? Das war vielleicht damals so, aber heute ist doch wichtig, dass ich Jesus kenne und versöhnt bin.
Vergesst das nicht! Ihr kennt Jesus nicht, wenn ihr nicht wisst, dass wir durch Jesus, den Messias, mit Gott versöhnt sind. Das heißt: Wir sind eingefügt, wir sind reingelassen in den Bund mit Israel.
Die vorherrschende Fehlentscheidung in der Christenheit passierte sehr schnell. Paulus ermahnt: „Darum denkt daran!“ Doch sie haben nicht daran gedacht. Vom vierten, fünften Jahrhundert an wurde das jüdische Volk als Gottesmörder beschimpft, als Feinde bekämpft und über Jahrhunderte blutig verfolgt. Sie haben nicht begriffen.
Dann kam die Lehre auf: „Ja, ja, der Bund mit Israel ist aufgelöst, er ist gebrochen und ersetzt durch den neuen Bund, den Gott jetzt mit den Christen, mit der Kirche geschlossen hat.“ Das ist nicht wahr.
Gott ist treu, nirgendwo steht, dass der Bund aufgelöst ist. Lesen Sie Römer 9 bis 11, dort wird das viel ausführlicher erklärt: Er öffnet den Bund. Jesus stirbt für Israel und seine Sünden, den Bundesbruch, und er stirbt für die Völker. Er öffnet den Bund, und wir dürfen – so sagt Paulus es in Römer 9 bis 11 – als Zweige von außen in den Ölbaum Israel eingefügt werden.
Das heißt: Es kann nicht ohne Schaden sein, wenn wir als eingefügte Zweige kein Interesse am Stamm und an der Wurzel haben, von der wir leben.
Das ist nicht nur eine Theorie, das ist eine historische Erinnerung. Es ist die Wirklichkeit unseres Lebens im Bund der Treue Gottes. Es geht in unserem Leben um die Erfahrung der Treue Gottes.
Warum ist das wichtig? Weil die Botschaft von der Versöhnung mit Gott keine theologische Theorie ist. Sie ist keine weltanschauliche Meinung, die man auf Philosophie stützt. Vielmehr ist es eine Rettungstat der Geschichte Gottes, die in der Wirklichkeit dieser Welt passiert und verankert ist.
Sie beginnt mit Abraham, geht über Israel, über Mose und David und in dem Messias Jesus öffnet sie sich für die Völkerwelt. Wir sind in diesen Stamm eingefügt. Gott ist treu, und Israel ist nicht abgetan.
Paulus schreibt in Römer 11, dass Gott mit Israel auf seine Weise zum Ziel kommen wird und dass ganz Israel den Messias erkennen wird. Wie das genau geht, müssen wir im Einzelnen nicht spekulieren. Gott ist treu.
Das zu begreifen – sehen Sie –, das ist der vergessene Friede.
Diese Form „Gott und ich und Jesus, der schafft das schon, dass ich mich versehne“ führt zu einem Christsein, das total entwurzelt ist. Man lebt, als wäre man ein Ölzweig, der mal eingefügt war, aber jetzt abgeschnitten wurde und in eine Blumenvase gestellt wird, auf der Fensterbank, wo er hoffentlich noch ein bisschen vor sich hin grünt, aber keine Verbindung mehr zum Wurzelgrund hat.
Friede oder Friedhofsruhe – Die wahre Bedeutung von Frieden
Deshalb müssen wir einen Schritt weitergehen, und die fünfte Etappe ist jetzt, über den Frieden zu sprechen. Ich nenne das Friede oder Friedhofsruhe. Er ist unser Friede. Was bedeutet das?
Wenn wir von Frieden reden, hat das manchmal die Bedeutung von „Lass mich in Frieden“. Das heißt: Lass mich in Ruhe, ich will nicht gestört werden. Es soll alles so bleiben, wie es ist. Mach nichts durcheinander, lass mich in Ruhe.
Friede ist aber das Gegenteil von Krieg. Krieg ist der Zustand, in dem alles zerstört wird. Bomben fliegen, Raketen fliegen, Häuser werden zerstört, Verbindungen reißen ab. Man muss Angst um sein Leben haben, hat keine Zeit, etwas Vernünftiges zu pflanzen und auf Wachstum zu warten. Man kann nichts aufbauen, weil man denkt, im nächsten Augenblick wird man erschossen, und alles wird sowieso zerstört.
Krieg ist eine Zeit, in der es keine Ruhe gibt.
Frieden hingegen ist die Zeit, in der man Hand in Hand arbeiten kann. Es lohnt sich, zu pflanzen, und es lohnt sich, Stein auf Stein zu bauen und zu warten, bis das Werk fertig ist. Denn man weiß, es ist ein Schutzraum der Versöhnung und des Friedens.
Krieg führt zu einer Haltung: „Rette sich, wer kann!“ Man muss darauf achten, mit dem eigenen Leben auf Nummer sicher zu gehen. Diese Mentalität bestimmt unsere Zeit.
Was da alles in der Welt passiert, ist verheerend. Kein Mensch durchschaut es mehr, und man weiß gar nicht, was als Nächstes kommt. „Rette sich, wer kann!“
Dass wir trotzdem so vergnügt leben, heißt, dass wir in Deutschland sehr erfolgreich darin sind, unsere Nischen zu bauen – mit unseren Häuschen, schönem Wetter und Urlaub zwei- oder dreimal im Jahr – und eigentlich total zufrieden sind.
„Rette sich, wer kann!“ Das ist Ruhe, „Lass mich in Frieden!“ Ich will auch gar nicht viele Sachen. Belästige mich nicht mit all den Problemen und Auseinandersetzungen, die die Welt erschüttern – im Großen und im Kleinen, auch in den Kirchen. Ich will das alles gar nicht wissen. Ich will meine Ruhe haben, in meinem Glauben und meiner Gemeinde.
Das ist eine Mentalität, die sehr, sehr weit verbreitet ist.
Friede aber ist eine Zeit des Aufbaus.
Jesus ist unser Friede in Person. So heißt es: „Er ist unser Friede.“ Es heißt nicht nur, dass er den Frieden schafft oder erklärt, wie es geht, sondern „Er ist unser Friede“ – in seinem Kreuzestod, in seinem Leiden, Sterben und Auferstehen.
Darum geht es wirklich: dass wir Jesus kennen und bezeugen. Er ist keine Chiffre. Wenn wir Jesus sagen, meinen wir keine abstrakte Philosophie, keine Idee von Liebe oder Nächstenliebe, und wir meinen nicht nur, gegen Ausgrenzung zu sein.
Nein, es ist konkret und geschichtlich: Gott wird Mensch. In Jesus trägt der Weltrichter selbst unsere Strafe. Er geht an unsere Stelle, er geht ans Kreuz.
Paulus betont das immer wieder: In Christus, durch das Blut Christi, durch das Opfer seines Leibes, werden wir versöhnt – in einem Leib. Immer wieder geht es um Christus selbst.
Warum ist das so wichtig? Das wurde schon damals bestritten und vergessen. Deshalb sagt Paulus: „Darum denkt daran!“
Im vierten Kapitel des Epheserbriefs heißt es, dass Gott Apostel, Propheten, Lehrer, Evangelisten und Hirten beruft. Lesen Sie es mal in Kapitel 4, Vers 14. Dort steht, dass wir nicht mehr unmündig sein sollen, damit wir uns nicht von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen – durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen.
Das ist die Aufgabe der Apostel, Propheten, Evangelisten, Lehrer und Hirten. Sie sollen nicht ruhig sein und die Kappe halten. Sie sollen nicht alles machen lassen und sagen, alles sei gut, auch wenn es nicht zusammenpasst oder nicht mit der Bibel übereinstimmt.
Stattdessen sollen sie den Mund nicht halten. Sie sollen die Christen lehren und den Herrn Jesus verkünden. Sie sollen erklären, was es heißt, ihm zu vertrauen und ihm zu folgen.
Sie sollen nicht Beruhigungspillen verteilen und Gräber pflegen, sondern Lebendige ernähren, stärken und für den Dienst mobilisieren.
Frieden ist der Bereich des Aufbaus, der Aktivität und des Dienstes.
In Wort und Tat sollen wir Jesus in Person weitersagen – den gekreuzigten Messias, den Gott auferweckt hat und der wiederkommen wird in Herrlichkeit als das Ziel der Geschichte.
Er ist unser Friede.
Jesus baut unser Zuhause – Gemeinschaft im Geist
Nun als Letztes möchte ich Ihnen noch sagen: Vor allen Dingen sind wir Nutznießer der fleißigen Bauarbeiten von Jesus selbst. Deshalb lautet das sechste und letzte Thema: Jesus baut unser Zuhause.
Wenn Sie jetzt den Schluss ansehen, Vers 18: Durch ihn haben wir alle beide an einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger der Heiligen und Gotteshausgenossen, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Jesus öffnet Juden und Heiden den Zugang zum Vater. Und wir dürfen jetzt beide zu Hause sein im Vaterhaus Gottes. Er hat vom Frieden geredet, der Jesus ist.
Jetzt nimmt er zwei Bilder, eigentlich zwei Bilder, vom Haus Gottes. Wir dürfen im Vaterhaus Gottes zu Hause sein. Das ist die Nummer-eins-Grundsehnsucht der Menschen: zu Hause zu sein, dazuzugehören, wer bin ich eigentlich? Das ist die Grundfrage.
Das millionenfache Flüchtlingselend unserer Tage führt uns vor Augen, was die große Not ist: ein Zuhause nicht mehr zu haben, nicht mehr zu Hause sein zu können. Vertrieben zu sein und zu suchen, wo ich eigentlich zu Hause sein kann, wo der Friede ist, in dem mein Leben wachsen kann und wo ich bauen kann.
Das betrifft aber nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die Einheimischen in Wohlstandsdeutschland. Die hübschen Eigenheime tarnen nicht die traurige Tatsache, dass wir millionenfach auf der Flucht sind.
Viele flüchten in die Sucht: Millionen Alkoholiker, Medikamenten- und Drogenabhängige, Kaufsüchtige, Pornosüchtige, Geltungssüchtige, Spielsüchtige – alle auf der Flucht in die Sucht, weil wir ein Zuhause suchen.
Deshalb betont Paulus so sehr, dass Gott in der Geschichte unerhört darauf hingearbeitet hat, uns in Jesus das Vaterhaus zu öffnen. Wir dürfen zusammen sein. Dort müssen wir nicht nur Besucher sein. Es ist auch keine Flüchtlingsunterkunft für solche, die man nur vorübergehend unterbringt. Wir dürfen zu Hause sein.
Bürger, Mitbürger, Gotteshausgenossen, nicht mehr Gäste und Fremdlinge – richtig tief zu Hause sein in Zeit und Ewigkeit. Hier schmeißt mich niemand mehr raus. Das ist das Evangelium.
Dann wechselt Paulus das Bild noch einmal vom Gebäude, in dem wir zu Hause sind, und sagt: Wir sind selber lebendige Steine. Petrus hat das auch so gebraucht. Das Haus Gottes wächst aus lebendigen Steinen, die wir sind. Es ist ein atmendes Haus, in dem Gott zu Hause ist.
Das ist noch einmal eine andere Wendung dieses unerhörten Bildes vom Zuhause: dass Gott dort zu Hause ist, der Schöpfer des Universums, und dass ich ein lebendiger Stein sein darf, in dem er zu Hause sein will.
Auch so herum ist das etwas Tröstliches.
Und jetzt vergesst nicht: Das Ganze ist das Haus Gottes aus Juden und Heiden. Wenn man das vergisst, schneiden wir unsere eigenen Wurzeln ab.
Sehen Sie, das ist eines der größten Geschenke, die wir im Augenblick erleben. Nachdem Millionen Juden in diesem Land auf verbrecherische Weise ermordet wurden, schenkt Gott uns in den letzten Jahren die Gnade, dass ausgerechnet in unserem Land messianische Gemeinden wachsen – jüdische Menschen, die in Jesus ihren Retter gefunden haben.
So toll! Aus Kiew kommt eine große messianische Gemeinde, die eine der Schlüsselgemeinden für viele jüdische Menschen ist, die nach Deutschland gekommen sind.
In drei Wochen beginnt eine evangelistische Woche in Berlin, in der ich in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde mitarbeiten darf, die mit der messianischen Gemeinde Beit Shomer Yisrael zusammenarbeitet.
Wladimir Pickmann, aus der Ukraine kommend, war Atheist, ist jetzt Jesusgläubig, hat Jesus gefunden und ist ein leidenschaftlicher Zeuge für ihn. Er ist Rabbiner dieser messianischen Gemeinde, jetzt ein Jünger Jesu und feurig für Jesus.
Das ist ein großes Geschenk, dass wir das erleben dürfen. So können wir uns daran erinnern und wirklich sagen: Ja, Herr, du hast mit deinem Volk deine Geschichte nicht aufgegeben.
Dann will ich das neu begreifen, mir von Ihnen erklären lassen. Ich will das Alte Testament mit den Augen des jüdischen Volkes sehen und verstehen, wie ich es bisher noch nicht verstanden habe: was deine Treue ist, warum du ans Kreuz gehen musstest, warum die Hingabe deines Leibes und deines Blutes die Versöhnung ist und warum es Gewissheit gibt in Zeit und Ewigkeit.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Der Friede der Gemeinde Jesu besteht nicht darin, dass wir alle Meinungen, auch wenn sie der Bibel widersprechen, irgendwie gelten lassen und sagen: Schwamm drüber, das kommt nicht drauf an.
Der Friede ist Jesus selbst, so wie ihn Propheten und Apostel bezeugen. Jesus ist der Friede zwischen Juden und Heiden und damit unser Friede mit Gott.
Jesus, unser Friede, ist das gemeinsame Zuhause. In diesem Frieden sind wir am Bau Gottes beteiligt: Fundament Apostel und Propheten, Jesus der tragende Eckstein.
Dann heißt es im Schluss hier: Durch ihn, Jesus, werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Das ist eine Zusage: Es passiert, sagt er, dieses Bauen von Jesus geschieht in unserem Leben. Wir dürfen verstehen, welcher Reichtum das ist, und hineinwachsen, in der Gegenwart Gottes zu Hause zu sein, gemeinsam mit dem Volk Israel.
Wir preisen dich darüber, Herr, dass du selbst dein Werk begonnen hast und es vollenden wirst in Herrlichkeit! Amen.