Frau Präsidentin, liebe Freunde!
Noch einmal gebraucht zu werden, noch einmal gerufen zu werden, nachdem man meint, man sei auf die Seite gestellt, war nicht mein Problem bei den Weissartagen. Das war beim Petrus so. Er hatte in der entscheidenden Stunde versagt.
Dann hatte ihn Jesus noch einmal gerufen: „Weide meine Lämmer, nimm dich um meine Gemeinde an.“ Noch einmal gerufen, noch einmal gebraucht. Das war der Höhepunkt im Leben des Petrus.
Deshalb läuft der Abschnitt, der uns heute Abend beschäftigen soll, auf den einen Satz in Vers 9 zu: dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten des Herrn Jesus, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Vom Auf-die-Seite-gestellt-Sein noch einmal zum Apostel sein, vom Versager zum Seelsorger, von der Finsternis zum Licht.
Es soll etwas bekannt werden durch uns, die Jesus doch auch schon so oft gerufen hat.
Die Berufung des Petrus und ihre Bedeutung
Wann wurde Petrus eigentlich berufen?
Das erste Mal geschah es bei dem wunderbaren Fischzug. Petrus sagte: „Wir passen nicht zusammen, Jesus, ich bin ein sündiger Mensch. Ich hätte nicht gedacht, dass dein Wort so viel bewirken kann.“ Jesus antwortete: „Ich will aus dir einen Menschenfischer machen.“
Das zweite Mal wurde Petrus berufen, als er gutmeinend zu seinem Herrn sagte: „Du brauchst das nicht zu ertragen, dass du nach Jerusalem gehst, um dich kreuzigen zu lassen. Wo sind wir denn, Herr? Das darf nicht sein!“ Daraufhin sagte Jesus zu ihm: „Du denkst nicht an das, was göttlich ist, sondern an das, was menschlich ist.“
Zum dritten Mal wurde Petrus berufen, als er sagte: „Und wenn alle anderen versagen, ich bin voll dabei. Auf mich kannst du dich verlassen. Ich gehe sogar mit dir ins Gefängnis, sogar bis zum Tod.“ Jesus sagte: „Petrus, ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört. Der Satan kämpft um dich. Und wenn du dich dereinst bekehrst – ja, ich meine, du bist schon bekehrt – dann stärke deine Geschwister.“
Dann kam der Tiefpunkt: Petrus sagte: „Ich schwöre, ich habe mit diesem Jesus noch nie etwas zu tun gehabt.“ Als er erkannte, wie er Jesus verleugnet hatte, weinte er bitterlich.
Der erste Weg des auferstandenen Jesus führte zu seinem Petrus. Er sagte zu ihm: „Weide meine Schafe. Ihr sollt die Wohltaten des Herrn verkündigen, der euch berufen hat, von der Finsternis zu seinem unvorstellbar wunderbaren Licht. Ihr wart ein Nichtvolk, ihr habt nicht mehr dazugehört. Aber jetzt, in Gnaden, seid ihr sein Volk.“
Die persönliche Berufung und das Zeugnis im Alltag
Wir haben gefragt: Wann hat uns Jesus gerufen?
Damals, als wir wieder gesund aus dem Krankenhaus entlassen wurden, als wir gerade noch knapp an einem Unfall vorbeigekommen sind. Als wir in großer Familiennot noch einmal herauskamen, als Jesus unser Gewissen geweckt hat, als er mir einen Menschen schickte, der mir half – ach, er hat schon so oft gerufen. Wir haben uns aus der Finsternis in sein Licht rufen lassen.
Wir wollen heute den Petrus hören, der sagt, dass es bekannt werden muss, wie großartig und faszinierend Jesus ist. Er kann uns mit einem mächtigen, heiligen Ruf erreichen, damit wir aufwachen. Der Herr Jesus kann ein Leben neu gestalten. Die Entschlossenheit, ein neues Leben zu beginnen und es auf festem Grund zu stellen, soll bekannt werden.
Doch wir tun uns untereinander schon so schwer, unseren Glauben zu bekennen. Oft geschieht das so verschwommen, als sähen wir hindurch wie durch Tüllgardinen. Wenn wir über unseren Glauben sprechen und bezeugen sollen, was wir an Jesus haben und was Jesus bringt, dann erinnern wir uns an die Zeit im Krankenhaus. Da war ich fix und fertig. Liebe Christen kamen, vom Krankenhauspfarrer bis zu Gemeindegliedern. Mir lief der Schweiß auf die Stirn, weil ich so schwach war. Ich merkte, wie sie zum dritten oder vierten Mal ansetzten, mir etwas Geistliches, Tröstliches zu sagen.
Ich dachte: Hoffentlich sagen sie mir ein Bibelwort, etwa „Ich befiehle dem Herrn deine Wege, er wird es wohl machen“. Stattdessen sagten sie: „Es wird schon recht werden.“ Nicht „Es wird recht werden“, sondern „Er kann es recht machen.“
Wir Christen sind unter uns oft so scheu und fühlen eine große Hilflosigkeit, wenn es darum geht, Jesus zu bezeugen – erst recht gegenüber denen, von denen wir annehmen, sie verstünden wenig vom Glauben, von Kirche, von Jesus und der Bibel.
Ein Freund hat mir gesagt, er sage dann immer: „Es ist eben die Hauptsache, dass die Hauptsache die Hauptsache bleibt.“ Ein anderer meint, die Hauptsache sei, jeden Morgen gesund aufzustehen. Das ist aber noch gar nichts Gesagtes. Oder es wird als Trost gesagt: „Man muss eben wissen, wo das eigene Herz schlägt.“ Ein anderer denkt, wie La Fontaine, das Herz schlage für dies oder das.
Wir müssen schon etwas klarer sagen, welche Tugenden derjenige hat, der uns berufen hat – von der Finsternis zu seinem Licht.
Die Offenheit des Petrus und die Herausforderung der Verkündigung
Petrus konnte sagen, er hätte ja ein Informationsverbot erlassen können. Er war das Haupt der Gemeinde. Es wird nicht mehr davon gesprochen, welchen Mist ich gebaut habe, als ich im Palast des Hohenpriesters war. Nein, in allen Evangelien soll es gesagt werden.
Damit wird deutlich, dass Jesus mich aus der Finsternis berufen hat und dass Jesus Menschen aus der Finsternis herausholen kann. Es geht nicht darum, dass ein paar Fromme ein bisschen frommer werden.
Was sollen wir bezeugen? Auch wir Pfarrer sind unsicher. Denken Sie noch an den Konfirmandenvater, einen Stadtrat in Schorndorf, der zu mir gesagt hat: „Helfen Sie, dass mein Sohn Moral lernt.“ Und wer das nicht sieht, dem sage ich: „Gehen Sie nach Hause mit Anke, Sie haben die Erlaubnis von mir.“
Moral? Beim Schleyersymposion vor sechs oder sieben Jahren, bei dem es um die Aufgabe der Kirche ging, wurde dargestellt, die Kirche sei die Hüterin der Moral in unserem Volk. Da müssten wir noch viel hüten, aber wir kommen gar nicht mehr nach.
Doch der katholische Theologe und Philosoph Nikolaus Lobkowitz hat gesagt: „Die Kirche hüte die Moral.“ Ich habe immer gemeint, Jesus sei gekommen, um Verlorene zu retten – nicht, um anständige Leute um ein paar Grade anständiger zu machen.
Die zentrale Botschaft der Verkündigung: Trost und Erlösung
Was sollen wir verkündigen? Jochen Klepper hat zu seiner Freundin Ilse Jonas gesagt, als er vermutlich aus dem Gottesdienst von Otto Tibelius herauskam – mitten im Kirchenkampf – dass er mit der Predigt nichts anfangen kann. Ilse Jonas antwortete: „Ja, was hätte er denn verkündigen sollen?“
Die Antwort lautet: Trost, nur Trost! Ich garantiere, dass 95 Prozent der Menschen hier in diesem Saal wunde Seelen haben. Sie tragen eine geheime Sorge mit sich, die sie ständig begleitet. Sollen wir Trost verkündigen, dass Gott auch noch da ist?
Ich bin gerade auf der Spur, wie viele Schriftsteller unserer Tage, angefangen bei Hermann Hesse, bei denen es ganz deutlich wird – ich schreibe mal über die Schickeria von Basel – ich bin erschrocken darüber, wie viele von diesen Menschen der Schickeria nach Erlösung schreien. Das gilt bis hin zu den modernsten amerikanischen Schriftstellern, bei denen es heißt: Warum wird eigentlich in der Kirche so wenig davon gesprochen, dass Erlösung im Herrn zu finden ist?
Ohne eine übernatürliche, so heißt es dort, ohne eine übernatürliche Rettungsaktion ist unser irdisches Leben hoffnungslos. Stellen Sie sich Moral vor: Es wäre dringend notwendig, wenn man einiges an Moral sagen würde. Aber gibt es diese überirdische Rettungsaktion?
Petrus hat es erfahren: Ja, die gibt es. Er sagt: „Ich war im Keller, es war hoffnungslos, ich war ausgeschlossen.“ Wenn er auf die anderen Apostel gebaut hätte, dann wäre nichts gewesen. Die haben gesagt: „Das ist der Versager hoch fünf.“
Dann hat Jesus ihn gerufen: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht.“ So steht es im Vers 9 im Kapitel 2 des Petrusbriefs: „Die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums“, alles, was früher Könige und Priester hätten machen sollen – Israel – ist jetzt uns zugetraut. Wir sollen an Gott erinnern und verkündigen, die Wohltaten dessen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.
Denn ihr wart einst ein Nichtvolk, aber jetzt seid ihr Gottes Volk. Ihr wart einst nicht in Gnaden, aber nun seid ihr in Gnaden.
Die Aufforderung zur Verkündigung und die Haltung des Glaubens
Zielstrebig und mit ganzer Kraft geht Petrus auf diesen Vers zu. Das ist der Schlüssel zum ganzen Abschnitt. Wir sollen verkündigen – nicht nur von der Kanzel, bei Krankenbesuchen, beim Kondolieren oder wenn wir Gratulationsbriefe schreiben. Jesus ist großartig, Jesus ist faszinierend, und das muss glaubhaft vermittelt werden. Es geht um die Tugenden dessen, der uns berufen hat.
Das Thema lautet nicht: Was entschlossen bekannt gemacht werden soll? Sondern: Ein Glaube, der sich ganz hingibt. Ja, das ist das Thema. Ihr sollt nicht von euren Eindrücken sprechen, nicht von euren Empfindungen, Emotionen, Erfahrungen oder eurer Theologie, sondern von ihm.
Bei meinen Autofahrten höre ich viele Tonbänder mit Verkündigungen – von Charismatikern bis hin zu ganz orthodoxen Lutheranern. Dabei bin ich überrascht, dass die Krankheit unserer Zeit oft darin besteht, dass es heißt: „Mir ist so“, „Ich meine“, „Ich glaube“, „Ich habe den Eindruck“. Unser Mesner Winger aus Schondorf hat einmal bei einem Festprediger bemerkt, dass dieser 24 Mal gesagt hat: „Ich meine“. Es kommt doch nicht darauf an, was wir meinen.
Neulich hörte ich ein Tonband von einem Charismatiker aus unserem Land. Er erzählte von einer Vision, in der eine dunkle Wolke und ein helles Licht erschienen. Diese Vision legte er aus. Doch es geht uns nicht um Visionen! Er soll verkündigen, was ist!
Bei einer großen Kirchenkonferenz habe ich erlebt, wie Bischof Newbigin, der englische Missionsbischof, seine Ansprache mit dem Satz abschloss: „Don't look on us, look on him.“ Das müsste das Motto der Christen sein: Schaut nicht auf uns – nicht darauf, was für Menschen wir sind, was wir bauen können, wie geduldig, liebevoll oder spendenbereit wir sind. „Don't look on us“ – schaut nicht auf uns, selbst wenn wir es auf uns ziehen könnten. Schaut auf ihn, das ist noch viel größer.
Also, das ist die Dynamik des Glaubens, der sich ganz hingibt. Es geht nicht um mich, nicht um meine Gläubigkeit oder Erfahrungen, sondern um die Wohltaten Jesu.
Die Wohltaten Jesu im Leben des Petrus
Und Petrus hat die Wohltaten erfahren vom ersten Fischzug. In Fülle hat mich Jesus beschenkt.
Über die Pfingstpredigt, die Jesus ihm zugeteilt hat, wurden an einem Tag dreitausend Menschen gläubig. Sie sehnten sich nach Jesus durch die wenigen Worte, die der ehemalige Versager sagen durfte.
Es war noch ein ganz anderer Fischzug, als er zum Menschenfischer wurde – bei all seinen Erfahrungen im Haus des Cornelius. Sogar Heiden sind berufen. Ihm wurde plötzlich für die ganze Gemeinde eine Tür geöffnet, der Horizont erweitert.
Der schwäbische geistliche Vater Johann Christoph Blumhardt hat einmal gesagt: Das Einzige, was man dabei riskiert, wenn man mit Jesus einen Bund macht, ist, dass man sich seine Wohltaten gefallen lassen muss.
Nicht immer denken: Was ich tue, wie ich mich einsetze. Haha, wie wären Sie in unserer Gemeinde dran, wenn ich Sie nicht im Schwung halten würde? Nein, das Entscheidende sind die Wohltaten Jesu. Sonst bleiben wir arm mit all unserer Aktivität.
Glaube, der sich ganz hingibt und nicht auf uns schaut. „Nicht uns“, heißt es bei den Psalmen, „nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre.“ Der Apostel Paulus sagt: Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Christus, dass er Herr ist.
Die Zukunft der Christenheit und die Bedeutung der Bibel
Liebe Brüder und Schwestern,
unser früherer Landesbischof Martin Haug, ein Hirte der Gemeinde, hat uns ein Wort hinterlassen, an das wir viel öfter denken sollten: Die Christenheit hat nur dann Zukunft, wenn sie Christus wieder ganz neu ernst nimmt.
Herr Bruder Kocher, wir haben nun erlebt, was für ein Patriarch das war. Die Christenheit hat nur dann Zukunft, wenn wir nicht immer nur uns selbst ernst nehmen – unsere Fragen, unsere Probleme –, sondern darauf schauen, was Jesus geben kann und was er will. Glaube, der sich ganz hingibt.
Wir wollen die Wohltaten dessen verkündigen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.
Jetzt müssen Sie sagen: "Jetzt kommen wir mal endlich zu dem Text." Lesend uns mal vor, du hast immer nur die beiden letzten Verse gelesen. Nun muss ich bekennen, das ist ein schwieriger Abschnitt. Da kommt ein Bibelzitat nach dem anderen – aus Hosea, Psalm 118 und Jesaja –, so ähnlich wie bei der Pfingstpredigt des Petrus. Dort haben sie gesagt, was jetzt los sei: "Sind die besoffen?", hat er gesagt. "Nein, das ist das, was beim Propheten Joel steht." Und damit geht in Erfüllung, was in Psalm 118 steht. David hat das schon gesagt in Psalm 118. Es war eigentlich eine Marotte von Petrus, dass er Bibelstellen zitiert hat wie ein Stundenbruder, als würde er eine Konkordanz reihum nach unten lesen.
Was soll das?
Wir werden das nur verstehen, wenn wir es uns bildlich vorstellen: In modernen Flugzeugen sieht man bei einem Transatlantikflug immer die Strecke, auf der man sich befindet. Es fängt in Frankfurt an, dann kommt die rote Strecke, und jetzt fliegt man über Grönland. Zwei Stunden später nähert man sich Amerika. Wir sind noch auf Kurs A, da sind wir los, und jetzt geht es immer mehr in Richtung New York.
Oder denken Sie an die ganz modernen Autos, auf die ich immer neidisch bin. Die haben vorne drin einen Autopiloten, ein Display, wo man eingeben kann, wohin man will. Dann ist nicht nur die freundliche Stimme aus dem Satelliten da, die nach 200 Metern sagt: "Rechts abbiegen", sondern man sieht auch auf der Karte, wo man gerade ist und wohin es geht.
So sind die Bibelzitate bei Petrus und Paulus ebenso ein Zeichen. Sie wollen nicht nur irgendetwas Frommes oder Religiöses sagen, etwas Liebes, sondern sie sagen: Leute, wir sind auf Kurs. Was Gott schon durch die Propheten angekündigt hat, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Und wir müssen wieder viel mehr in die Bibel hinein, damit wir das überhaupt verstehen.
Sonst marschieren wir heute los und denken immer, wenn wir etwas Schönes, Liebes, Religiöses sagen, dann ist das gut. Nein, Sie müssen einen Beweis in der Bibel haben, dass Sie damit auf Kurs sind.
Die Bibel ist die Heils-Linie Gottes, kein großer Zickzackkurs. Sie fängt an mit Abraham: "Du sollst ein Segen sein, dazu segne ich dich." Dann geht es weiter über Josef und David. Es ist eine Linie, ein Kurs, und wir müssen auf Kurs bleiben.
Deshalb ist es immer wieder gut, dass wir uns klar machen, was der alte Väter höchster Wunsch und Sehnen war und was sie geprophezeit haben, erfüllt in Herrlichkeit.
Dazu kommt das andere, das haben Sie gestern gelesen: Wir sind wiedergeboren aus dem Samen des Wortes Gottes. Wenn Gott spricht, geschieht etwas – so war es bei der Schöpfung. Gott will durch sein Wort Leben schaffen, nicht durch Impulse oder Programme. Wenn wir das anpacken, dann wird es gut. Gott will durch sein Wort beleben.
Und wenn Gott noch einmal neues Leben in unserem Land schenkt, dann nur durch sein Wort.
Deshalb beten wir darum, dass alle Bibelauslegungen nicht langweilig sind, dass unser Bibellesen nicht so ist, dass wir nach zwei Minuten fertig sind und nicht mehr sagen können, was wir gelesen haben.
Ich habe heute Morgen im zweiten Petrusbrief gelesen: "Wenn in eurem Glauben Tugend ist, eure Tugend Erkenntnis, Erkenntnis Mäßigkeit..." Das müsst ihr fast auswendig lernen. Es ist ein Christenprogramm.
Also, das Wort Gottes schafft Leben.
Martin Haug hat damals nicht nur gesagt: Die Christenheit hat nur dann Zukunft, wenn sie Jesus ernst nimmt. Leben kann nur wachsen, wo wir ganz neu die Bibel ernst nehmen.
Und es ist mir immer so, ob das die apostolische zweite Pfingstpredigt des Petrus war oder hier in seinem Buch: Es ist von allen Seiten zugeflossen – "Ach, dieses Bibelwort passt hierher, und dieses Bibelwort gehört dazu."
Es gibt moderne Worte, wir haben viele moderne Worte, die man kaum versteht. Es muss etwas kompatibel sein, etwas, das zusammenpasst, verträglich und vereinbar ist. Es darf nicht sperrig sein.
Und ich habe den Eindruck, dass unsere religiösen Meinungen auch in unserer Kirche nur zu oft inkompatibel sind. Sie passen nicht zusammen mit dem, was Gott in seinem Wort geoffenbart hat. Und da kann kein Segen draufliegen.
Gott kann nur Leben schaffen, wenn wir sein Wort ernst nehmen.
Denken Sie mal an unsere Gesangbücher – nicht in kleinen, sondern in offiziellen Gesangbüchern. Am Ende steht etwa unser Bekenntnis der evangelischen Kirchen in Deutschland, das Augsburger Bekenntnis. Es ist voll von diesem: "Vor Gott ist kein Mensch gerecht, vor Gott gibt es keine ansehende Person. Jesus schafft die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt."
Das ist ein biblischer Begriff von Abraham: ein Wandel vor mir.
Unsere Bekenntnisse sind durchtränkt von Bibelwissen, erst Recht das Augsburger Bekenntnis.
Also, wenn der Apostel Petrus so oft die Bibel zitiert, lassen Sie sich davon mitnehmen. Es gehört hinein in seine Gewissheit: Wir müssen der Spur bleiben.
Unser Leben, auch unsere Christenheit, muss vereinbar sein mit dem, was der Wille Gottes von Anfang an war. Es muss kompatibel sein.
Die erste Wohltat: Neues Leben durch Reinigung und Wachstum
Aber jetzt nennt Petrus auch konkret zwei große Wohltaten des Herrn Jesus. Die erste Wohltat möchte ich mit meinen eigenen Worten ausdrücken: Es kann zu neuem Leben kommen.
Ich möchte Vers 2 und Vers 1 umdrehen: „Seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch wie neugeborene Babys, wie neugeborene Kindlein. Damit ihr durch sie zunehmend zu eurem Heil wachst.“ Zuvor heißt es: „Legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und üble Nachrede.“
Man hat mir erzählt, dass ich bei der Geburt meiner Kinder nie dabei sein durfte. Aber ich war bei meiner eigenen Geburt dabei – das weiß ich ganz genau aus dem Erinnerungsvermögen des Alters. Zuerst wird man gewaschen. Von all dem, was von der Geburt noch an einem haftet, wird man gereinigt. Sogar im Stall nimmt man Stroh und wischt das Kälbchen ab.
Dann wartet man darauf, dass das erste Lebenszeichen kommt: der Hunger nach Milch. Das Schlimmste ist, wenn Eltern und Großeltern über ein Neugeborenes sagen müssen, es trinkt nicht. Dann ist es zum Tod verurteilt.
So sagt Paulus im Bild von der Wochenstube, von der Wochenstation im Krankenhaus: „Legt nun ab alle Bosheit, allen Betrug und Heuchelei und Neid und üble Nachrede.“ Lasst euch auch mal waschen!
Hier sehen Sie noch einmal den Fingerabdruck des Petrus, nicht nur der euch berufen hat, von der Finsternis zu seinem Licht zu kommen. Ein Lieblingswort im ersten und zweiten Petrusbrief und auch in der Apostelgeschichte lautet: „Legt nun ab alle Bosheit, alle Betrug, alle Scheinheiligkeit, alle Heuchelei.“
Petrus hatte doch gemeint, er sei der Jünger Nummer eins. Doch nichts war es – eine Einbildung. Die fromme Selbsttäuschung ist furchtbar und schadet uns im geistlichen Leben, wenn wir meinen: Wenn nur alle so wären wie ich, dann wäre es gut. Legt es doch ab! Das ist der alte Dreck, den brauchst du nicht mehr.
Legt ab allen Betrug und Heuchelei, alle üble Nachrede! Wie konnte Petrus über die anderen reden, kaum nachdem Johannes 21 geschrieben wurde und der Herr Jesus ihn neu berufen hatte? Wir denken, er hätte immer herumlaufen müssen und sagen: „Halleluja, dass ich noch mal berufen bin.“ Doch er hat gesagt: „Herr Jesus, was ist mit dem David Johannes? Den brauchen wir doch eigentlich nicht so, oder?“
Kennen Sie das von den Gemeinden? Es wäre alles gut, wenn der und die nicht wären. Wenn man andere Pfarrer hätte, eine andere Kirche, Gemeinde, einen anderen Rat – überall wird geredet. Die Welt wäre überhaupt sehr schön, wenn es keine Menschen gäbe.
Meine Erfahrung: Legt ab alle üble Nachrede. Das ist die erste Kindwäsche. Und dann trinkt so viel ihr könnt von der lauteren Milch des Evangeliums. Es wird immer wieder in der Bibel gesagt, dass dies die erste Nahrung ist, die wir haben.
Später, wenn wir Zähne haben und kauen können, können wir auch feste Speise zu uns nehmen und ein paar Probleme angehen. Aber jetzt müsst ihr zuerst trinken und Kindesbrei haben, damit ihr wachst.
Es ist immer merkwürdig, wenn Leute sagen: „Gott kann doch eigentlich Freude haben, wenn ich alle vier Wochen in die Kirche gehe.“ Das ist sozusagen... Ich möchte nicht sagen, Gott ist egal, aber es ist doch eine Frage, ob ich mir das antun will, eine Woche ohne Gottes Wort auszukommen.
Wir denken oft falsch, als ob wir Gott eine Freude machen würden, wenn wir zum Abendmahl gehen, die Bibel lesen oder beten. Nein, das ist doch unser Lebensvollzug: ob wir geistlich zunehmen wollen, ob wir in allem zunehmen wollen.
Kenntnis von Politik, Geschichte – dass wir sogar in einem Alter wie ich lernen, mit dem Computer umzugehen, darauf sind wir stolz. Nehmen wir auch im Glauben zu? Oder reicht da mal ein Löffel Milch und da ein Löffel Nachschub? Es reicht schon.
Also, es kann zu neuem Leben kommen, zu einem Humor. Ich habe die alte Frau Geiger in Schandorf gefragt, eine treue Mitarbeiterin der Kirche: „Wie sind Sie denn zum Glauben gekommen?“ Da hat sie gesagt: „Ja, ich war in Stuttgart in Stellung und da durfte ich sonntags nie in die Kirche gehen.“ Und Herr Schäffuch, Sie ahnen nicht, ich habe einen Klüsterkrieg nach dem Wort Gottes erlebt. Ein Klüster, das ist es, verstehen Sie?
Seid begierig nach der Milch des Wortes Gottes! Jesus kann schaffen, dass ihr am Schluss richtig Freude habt an den Bildern der Bibel und so zur Wohltat kommt.
Die zweite Wohltat: Zukunft und Stabilität im Glauben
Zwei: Es kann zu neuem Leben kommen, denn Jesus spricht ja auch von der Wiedergeburt. Seitdem ich von der Wiedergeburt gehört habe, bin ich bei der Sache, die mich gepackt hat. Zum Beispiel bei Nikodemus, der fragt: „Wie soll das gehen? Ich kann doch nicht wieder in den Leib meiner Mutter zurück.“ Jesus sagt ihm: „Man muss von neuem geboren werden, aus Wasser und Geist.“
Mehr Menschen als wir ahnen sehnen sich nach Wiedergeburt – eigentlich mehr nach Regeneration, nicht nach Reinkarnation, also nicht, dass wir nach dem Tod als Katze oder so wieder auf die Welt kommen. Menschen möchten noch einmal neu werden. Oft erleben wir Dinge, die eigentlich läppisch sind: Ob es Tattoos sind, das Wertlegen auf Kleidung, eine andere Frisur oder Styling – im Grunde ist das ein verkappter Hunger danach, neu zu werden. Es soll anders werden.
Würden Sie nicht auch gern anders werden? Mal aus der alten Haut heraus? Jesus sagt: Das gibt es. Man kann von Neuem geboren werden. Die Wohltat Jesu ist, dass er ein Leben neu machen kann. Das ist ein Ausheilungsprozess, und er soll anfangen. Am Ziel steht, dass wir ihm ähnlich werden sollen.
Jetzt kommen wir wirklich zur Wohltat zwei: Das neue Leben kann Zukunft haben. Ich lese ab Vers 4: „Kommt doch zu Jesus, zum Herrn Jesus. Er ist der lebendige Stein, von den Menschen verworfen, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Haus, zur heiligen Priesterschaft, zu geistlichen Opfern, die Gott wohlgefällig sind.“
Darum steht in der Schrift: „Ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; wer an ihn glaubt, soll nicht zu Schanden werden.“ Die Bauleute haben ihn verworfen, und dieser Stein des Anstoßes ist ein Fels des Ärgernisses geworden. Aber Jesaja sagt, sie stoßen sich nicht daran.
Jetzt kommen die Bibelzitate: Da ist ein Fels, auf dem man bauen kann. Das ist auch ein biblischer Begriff, angefangen von Mose, der als Fels bezeichnet wird. Im Choral heißt es: Er ist ein Fels, ein sicherer Hort. Wunder sollen geschehen für die, die sich auf ihn und sein Wort verlassen und ihm trauen.
Bis hin zum „Häuslesbauer“ Jesus: Er war Zimmermann und wusste, wie es ist, wenn man ein Haus auf Sand baut. Da kann plötzlich ein Sturm kommen – noch kein Lothar, aber ein bisschen Wasserfluten – und das Haus fällt ein. So schrecklich wie in Bremen. Wenn ein Haus aber auf Fels gebaut ist, hält es.
Dazwischen gibt es viele Stellen in der Bibel, die vom Felsen sprechen. Petrus deutet es nur an: Baut euer Lebenshaus, euer Glaubenshaus auf diesen Fels, auf diesen bewährten Felsen!
Es gibt sehr viele Menschen, die enttäuscht sind. Sie waren mal im CVJM, in der Jugendarbeit, haben im Posaunenchor mitgespielt. Es war schön, es hat ihnen gefallen auf der Freizeit. Sie hatten einen guten Jugendwart, es war prima. Bei den Mädchenkreisen war es doppelt schön. Alles war auf Emotion gebaut, nicht auf Fels.
Und die schöne Wanderung, bei der die Würstchen verkohlt sind – das bleibt in Erinnerung. Aber baut euer Lebenshaus auf den Fels und nicht auf Erinnerung!
Viele Menschen haben Angst. „Damals war ich doch bei der Evangelisation und wollte neu anfangen, aber dann ging alles verloren. Habe ich mir das bloß eingebildet?“ Ein Sozialarbeiter in unserem Land, der im Buddhismus war und in furchtbaren östlichen religiösen Praktiken steckte, kam bei der Heilsarmee in Hamburg zum Glauben an Jesus. Seine erste Angst war: „Wollen die jetzt auch wieder mit mir Geisterbahn fahren, so wie in all den anderen Religionen? Wollen die mit mir Gehirnwäsche machen? Ist das bloß ein neuer Trick?“
Nein, Jesus ist ein Fels – und zwar ein bewährter. Man hat Jesus abgestritten, dass er Sohn Gottes ist, der Christus, Gottes Helfer ohnegleichen. Man hat ihn einem Test unterworfen, einem Ordal, einem Gottesurteil, um zu sehen, ob es wirklich so ist.
Es war nicht bloß Hass, der ihn ans Kreuz brachte. Pilatus fragte: „Warum soll ich ihn kreuzigen?“ Man wollte sehen, ob Gott ihn rettet. Aber die gerechten Seelen sind in Gottes Hand. Jesus sprach: „Ich befehle meinen Geist und meinen Leib in deine Hände.“ Dann hat Gott diesen Jesus herausgeholt: „Das ist mein Sohn, den braucht ihr und den brauche ich.“ Er ist der Bewährte.
Getestet – es gibt keinen anderen Test. Keiner der großen Religionsstifter hat so einen Test durchgemacht. Wir sollten stolz sein, dass unser Jesus getestet und bewährt ist. Auf ihn kannst du dein Leben bauen.
Wenn Jesus zu seinen schwachen Jüngern sagte: „Ich bin bei euch alle Tage“, dann ist da Verlass drauf.
Wohltat Nummer zwei: Das neue Leben kann Zukunft haben, weil es verbunden ist. Aber wir haben hier Experten – Bauexperten. Beim Bauen muss man nicht nur auf die Abmessungen achten, die mit den Fundamenten gegeben sind. Man kann nicht einfach hinausbauen, sondern baut auf den Grund.
Ich war selbst mal ein Jahr Hilfsarbeiter und verstehe nicht viel vom Bauen. Aber so viel weiß ich: Es muss überall bündig sein. Ich kann beurteilen, ob das richtig zusammenhält. Es muss fest verbunden, verwachsen sein.
So kann das neue Leben, zu dem Jesus uns beruft, bündig mit ihm verbunden sein.
Deshalb erzähle ich gern christliche Lebensbilder. Ich lese auch gern Lebensbilder und studiere, was in der Christenheit geschieht. Denn an diesem Leben von Frauen und Männern wird deutlich: Sie sind noch keine Engel. Sie haben ihre Ecken und Macken, die sie von Geburt an mitgebracht haben.
Aber da wirkt Jesus. Da ist ein Lebenshaus gebaut – auf verlässlichem Grund.
Als wir jetzt in Russland waren – wir haben Freunde, die auch dabei waren – sahen wir, dass es Dörfer gab, zum Beispiel in der Gegend von Berdjansk, Kortica, Bessarabien. Dort brachten die Siedler ihre Hofhacker-Predigt mit, ein starkes Gebetbuch und ihre Bibel, und hielten ihre Stunden.
Die Gouverneure von Südrussland sagten: „Die Dörfer, wo solche Leute wohnen, sind anders.“ Die russischen Saisonarbeiter, die im Sommer kamen und halfen, merkten plötzlich, dass diese Kolonisten Kraft aus der Bibel schöpften.
Sie nahmen die Bibel mit in ihre Dörfer in der Ukraine und Russland. Man nannte sie „Stundisten“, abwertend, weil sie plötzlich auch Stunden hielten.
Wieder bescheinigten die Gouverneure: „Dort, wo Stundisten sind, spielt Alkohol keine so große Rolle mehr. Die Felder werden richtig bewirtschaftet, mit den Tieren wird fast menschlich, liebevoll und verständnisvoll umgegangen. Keiner stirbt ungetröstet im Dorf, sie lassen niemanden ungetröstet sterben.“
Ein neues Leben, das auf dem Fundament Jesu gebaut ist, hat Auswirkungen. Das spürt man.
Jetzt kann jedes Leben von uns so werden, dass andere Menschen etwas spüren.
Ich habe meine Bedenken, wenn heute so oft gesagt wird: „Wir sind Briefchristen. Wir brauchen nicht so viel Bibelverkündigung, sondern sind Briefchristen.“
Mein Brief meines Lebens ist oft zerknittert und mit Fettflecken versehen. Glaubt nicht so sehr an diese große Theorie. Paulus sagt das in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich als Beglaubigungsschreiben.
Aber in unserem Leben soll etwas deutlich werden: Dieser Schwache, Fehlsame mit seinen Ecken und Macken sackt nicht ab, wie Petrus meinte, er müsste absacken. Es gibt einen Grund, warum ich gehalten bin.
Bis ins Sterben hinein soll von meinem Leben deutlich werden: Er ist auf festem Grund. Ich falle nicht hoffnungslos in die Tiefe, ins Unbekannte.
Ihr seid berufen, das auserwählte Geschlecht zu sein, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums. All das, was Gott einst durch die Könige, Priester und Israel haben wollte, könnte durch euch, liebe Brüder und Schwestern, noch einmal Wirklichkeit werden.
Denn in Württemberg haben wir etwas davon gespürt, in Bessarabien, in Schlesien, bei den ostpreußischen Gebetsgemeinschaften, bei der oberschlesischen Erweckungsbewegung. Wir haben gespürt, dass das ausgestrahlt hat ins ganze Land.
Nicht, weil das so feine Kerle und Mädchen sind, sondern: „Don’t look on us, look on him. Er ist großartig!“
Wohltat eins: Er kann ein Leben neu machen.
Wohltat zwei: Er kann unser neues Leben auf festem Grund stellen.
Wir sollen die Wohltaten Jesu bekannt machen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.
Herr Jesus, lass auch diese Abende der Weissacher Tage 2000 dazu dienen, dass du uns noch einmal ganz neu und endgültig rufst, dass wir uns dir anvertrauen und dir zutrauen, dass du unser Leben neu machen kannst und auf festen Grund stellen kannst. Amen.