Einführung in das Thema der Predigtreihe
Wir sind jetzt schon bei der zweiten Predigt zu unserem ersten Thema. Grob lautet das Thema: „Und was bringt Ostern eigentlich noch?“ (außer Osterhasen, Eier suchen und solchen Dingen).
Heute wollen wir uns gemeinsam dem zweiten Thema widmen. Beim letzten Mal haben wir das erste Thema betrachtet. Es hieß: „Ostern bringt Erlösung.“
Wir haben gesagt, dass Ostern das wichtigste Fest in der Christenheit ist. Dafür gibt es verschiedene Gründe, und die Erlösung ist einer davon. Beim letzten Mal haben wir darüber nachgedacht, dass jeder Mensch, wenn er zum ersten Mal ganz bewusst über sein Leben nachdenkt – und das geschieht bei jedem unterschiedlich –, eine erschreckende Entdeckung macht: Er erkennt, dass er moralisch krank ist, dass er ein Sünder ist. Das war unser Thema beim letzten Mal.
Dabei spielt es keine Rolle, wie ein Mensch zu dieser Erkenntnis kommt. Es ist schlimm genug, dass er sie überhaupt macht, und darauf kommt es an.
Letzte Woche habe ich einen Satz gesagt, der Linda so gut gefallen hat, dass ich ihn einfach noch einmal wiederholen möchte: Christsein fängt überhaupt erst dort an, wo ich aufhöre, ein guter Mensch sein zu wollen, meine Schuld einsehe und mir Erlösung schenken lasse.
Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.
Die Erkenntnis der eigenen Schuld und das Heil am Kreuz
Ein Christ ist vor seiner Bekehrung wie ein Reisender, der einmal durch Asien reist. Danach kehrt er nach Hause zurück. Doch dann fühlt er sich nicht so gut und hat ein leichtes Fieber.
Er geht zur Tropenmedizin der FU und lässt sich untersuchen. Dort sagt man ihm, dass er sich ein ganz fieses asiatisches Fieber eingefangen hat. Er weiß eigentlich nicht genau, wie das passiert ist, aber man teilt ihm mit, dass er jetzt krank ist.
So ähnlich ist es mit jedem Menschen. Irgendwann stellen wir fest, dass wir uns eine schlimme Krankheit eingefangen haben – wir sind Sünder. Wir wissen nicht genau, wie es dazu kam, und das ist auch nicht so wichtig. Aber irgendwann begreifen wir, dass wir ein Problem haben.
Beim letzten Mal haben wir uns angesehen, dass das Kreuz Gottes Heilmittel für genau dieses Problem ist. Der kranke Sünder kommt mit seiner Schuld zu Gott. Gott hat am Kreuz für diese Schuld bezahlt und bietet ihm neues Leben an.
Das wäre an sich schon fantastisch, wenn man sagen würde, dafür steht Ostern. Erinnert ihr euch vielleicht an das Bild von letzter Woche, wie ich mit meinem Sack voller Schulden zu Gott komme? Ich darf die Last dort ablegen und sagen: „Bezahl du dafür.“ Und Gott sagt: „Ja, das möchte ich tun. Ich möchte für die Schuld in deinem Leben bezahlen.“
Ostern als Quelle der Hoffnung und Veränderung
Und jetzt komme ich heute und sage: Das war gerade mal eins von vier. Heute behandeln wir das zweite Thema.
Ostern ist viel mehr als nur Erlösung, mehr als nur die Tatsache, dass Gott für die Schuld meines Lebens bezahlt hat. Ostern bringt auch Hoffnung. Darum soll es heute gehen.
Was meine ich damit? Ich meine, dass ein Mensch nicht einfach nur die Vergebung für seine Sünden braucht. Die braucht er, ja. Wir müssen irgendwo mit dem, was wir getan haben, hin. Wir müssen unser Gewissen zur Ruhe bringen.
Aber wir brauchen noch mehr. Wir brauchen Veränderung. Mit Ostern kommt die Hoffnung auf Veränderung. Mit Ostern kommt Gottes Kraft in mein Leben hinein.
Ostern steht nicht nur rückblickend dafür, dass das Alte irgendwie bereinigt ist. Ostern steht für jeden einzelnen Menschen für einen Blick nach vorne, für einen Neuanfang. Und um diesen soll es mir heute gehen.
Ostern ist Gottes Angebot, die Bühne meines persönlichen Lebens zu betreten. Und zwar nicht als Statist, sondern als Regisseur, als jemand, der mitredet.
Ostern ist Gottes Angebot, mein Leben komplett umzukrempeln. Ostern ist Gottes Hand, die ausgestreckt ist, um mich zu greifen, mich aus dem Sumpf meiner Sünde herauszuziehen. Dann sagt Gott zu mir: Ich möchte mit dir einen Bund schließen. Ich möchte, dass wir einen Vertrag schließen, dass wir zusammengehören.
Ich möchte, dass nicht nur deine Schuld vergeben ist – das wäre ja schon wunderbar genug – sondern ich möchte dir viel tiefer helfen. Ich will das erklären.
Die tiefere Ursache des Problems: Sünde als Gewohnheit und Macht
Unser Problem als Menschen ist nicht nur, dass wir Schuld auf uns geladen haben, weil wir bestimmte Dinge getan haben, die falsch waren. Unser Problem liegt tiefer. Es ist nicht so, dass wir aus Versehen sündigen, sondern wir betrachten Sünde als etwas Normales, als eine Gewohnheit oder Prägung.
Zumindest geht es mir so, vielleicht ist das bei euch anders. Ich muss mich oft gar nicht anstrengen. Es passiert einfach. Ich lasse es laufen, und plötzlich ist wieder eine Sünde da. Ich merke, dass die Sünde in mir steckt. Sündigen ist nicht schwer.
Nicht zu sündigen, wenn ich jemandem sage: „Mach doch mal in der nächsten Woche Folgendes. Hier hast du die zehn Gebote und die Bergpredigt. Halte dich einfach mal 168 Stunden lang daran.“ Dann passiert etwas Interessantes. Die meisten Leute, und ich habe oft Volkshochschulkurse gehalten, stellen dann die Frage, ob das überhaupt möglich ist. Die Leute glauben, es zu können, bis man ihnen erklärt, was in der Bergpredigt steht. Sobald sie das verstanden haben, sagen sie: „Das geht doch überhaupt nicht.“
Aber warum nicht? Der Grund liegt darin, dass uns die Kraft fehlt. Selbst wenn Gott uns seine Gebote gibt und wir wissen, was richtig und falsch ist, fehlt uns die Kraft, so zu leben.
Es ist sogar noch schlimmer. Ihr geht spazieren und kommt an einem Rasen vorbei. Ihr denkt, „schöner Rasen“, und geht einfach vorbei. Dann seht ihr ein Schild: „Rasen betreten verboten.“ In dem Moment denkt ihr: „Warum soll ich da nicht draufgehen?“ Der Gedanke war vorher nicht da. In dem Moment kommt er auf. Es entsteht ein Juckreiz, nur für einen Moment, doch draufzutreten – einfach nur aus Protest gegen das Schild.
Oder ich habe einen Vater, der noch einmal für ein Wochenende auf Dienstreise muss. Am Freitagabend sagt er zu seinem Sohn: „Komm mal her. Du gehst mir am Wochenende nicht oben auf den Speicher und spielst mit der Eisenbahn.“ Bis zu diesem Moment hatte der Sohn noch keinen Gedanken daran verschwendet. Aber jetzt kitzelt es seinen Bauch. Warum eigentlich nicht?
Die Macht der Sünde und das Gesetz Gottes
Paulus schreibt in Römer 3,20: Durch das Gesetz kommt die Erkenntnis der Sünde. Dadurch, dass Gott mir Gebote zeigt, lerne ich, was Gott will. Aber nur weil ich weiß, was Gott will, ändert sich in meinem Leben noch gar nichts. Einfach nur zu wissen, was Gott will, ist leider keine Hilfe.
Das ist ein bisschen der Traum der modernen Erziehung: Ich sage den Leuten, was richtig und falsch ist, und dann werden sie sich daran halten. Das Problem ist, es funktioniert nicht. Oder anders ausgedrückt: Ein paar Beispiele.
Ärzte rauchen. Sie wissen, dass es falsch ist und dass man daran sterben kann, und tun es trotzdem. Eheberater lassen sich scheiden. Anderen geben sie Tipps, schaffen es aber selbst nicht, ihre Ehe zu retten. Irgendwas stimmt doch da nicht.
Jugendliche nehmen Drogen, trotz all der Aufklärung und obwohl sie genau wissen, was am Ende passiert. Es ist genug zu dem Thema geschrieben und gesagt worden. Einfach nur zu wissen, was richtig und falsch ist, ändert in meinem Leben noch gar nichts.
Und warum? Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Beispiel „Rasen betreten verboten“ und „Geh nicht auf den Speicher und spiel mit der Eisenbahn“ zurück. Warum hilft mir ein Gebot nicht, wenn Gott es mir gibt?
Ich lese noch einmal etwas vor aus Römer 7, aus dem Brief von Paulus an die Römer: „Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir.“ Hört ihr das? Die Sünde ergreift durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkt in mir etwas.
In dem Moment, in dem ich ein Gebot habe, merke ich förmlich: In mir steckt etwas, das jetzt, wenn das Gebot kommt, sagt: Nein, will ich nicht, bin dagegen, oder jetzt erst recht: Wie kann Gott das sagen? Ich will das nicht tun.
Fragt dich jemand, ob etwas richtig ist, sagst du vielleicht noch Ja, aber ich will es trotzdem nicht tun. In mir steckt etwas drin, ich bin dagegen. Und das ist der Zustand, wenn wir Sünder sind.
Paulus beschreibt hier das Prinzip der Sünde als eine Macht, die das Leben von Menschen beherrscht. Am Ende entstehen natürlich Sünden, einzelne kleine böse Taten. Aber das Problem sind nicht nur die Sünden.
Das Problem steckt hier innen drin: dass ich ein Sünder bin, dass ich ein Problem damit habe, mit den Geboten Gottes richtig umzugehen. Es steckt in mir drin. Und in dem Moment, in dem ich Gottes Gebot kennenlerne, spüre ich dieses Nein in mir: Ich will das nicht tun.
Solange mein Gewissen noch nicht abgestumpft ist, ist sogar mein Gewissen dagegen. Und wenn ich dann das Falsche tue, bekomme ich auch noch ein schlechtes Gewissen dabei. Aber es hilft nichts. Ich renne weiter.
Ich renne weiter wie die Lemminge „über die Klippe“. Oder wie Paulus es weiter unten im gleichen Text sagt: „Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“
Das ist diese komische Sache, in der der Mensch steckt: Er sagt, ja, eigentlich weiß ich, es ist falsch, wenn ich das jetzt tue. Eigentlich weiß er es ganz genau, aber er tut es trotzdem.
Man steht manchmal fassungslos vor dem Leben von Menschen und denkt sich: Jetzt sag mal, du hast mir gerade gesagt, es ist falsch. Und jetzt tust du es trotzdem. Wie passt das zusammen? Das ist doch ein totaler Widerspruch.
Wir merken, der Mensch ist nicht so einfach gestrickt, wie wir uns das wünschen, nach dem Motto: Klar, total vernunftbegabt. Ich sage ihm, was richtig ist, und er tut es dann auch.
Da kommt eine zweite Komponente hinzu: Der Mensch ist ein Sünder, und er geht den Weg der Sünde.
Ostern als Angebot von Erlösung und Hoffnung auf Veränderung
Und jetzt kommt Gott. Er kommt mit Ostern und bietet an Ostern Erlösung für die Schuld meiner Sünde und Hoffnung auf Veränderung an. Das ist es, was ich heute sagen möchte.
Gott bezahlt am Kreuz die Schuld meiner Sünde, aber er tut mehr, viel mehr. Gott wird mein Gott, Gott kommt in mein Leben hinein. Das ist es, was ich vorhin meinte: Gott schließt mit mir einen Bund. Ich bekomme Gottes Kraft in mein Leben.
Denn das ist das Problem: Ich selbst habe nicht die Kraft, nicht gegen meinen Sünder zu sein, gegen diese Natur zu stimmen. Solange ich es aus eigener Kraft versuche, mit noch so vielen guten Erziehungsratgebern, vergiss es. Jeder, der es ehrlich probiert hat, wird sagen: Ich komme nicht damit ans Ziel. Ich komme an diesen inneren Kern nicht heran, ich bleibe kraftlos.
Und jetzt kommt Gott und sagt: Ich möchte deine Kraft sein. Ich möchte, dass meine Kraft in dein Leben kommt. Ich möchte dir Hoffnung geben – Hoffnung auf Veränderung, eine Hoffnung, dass du nicht bleiben musst, wie du bist. Das ist Ostern.
Christen sind Menschen, die die Hoffnung haben, dass sie sich verändern können, die die Hoffnung haben, dass sie alte, schlechte Gewohnheiten ablegen können, dass sie anders werden.
Jetzt weiß ich, das ist ein Prozess. Es ist also nicht so, dass ich zu Gott komme, ihm meine Schuld gebe, sage, ich möchte jetzt mit dir leben – und dann morgens aufwache und alle Probleme sind weg. Oh, ich bin ein ganz anderer Mensch. Das ist es nicht.
Denn Gott sagt: Hey, ich möchte dich in diesen Veränderungsprozess mit einbeziehen. Ich möchte dich nicht überrumpeln, ich möchte, dass wir jeden Schritt miteinander gehen, den du gehen möchtest. Ich möchte dir helfen, frei zu werden. Aber das braucht Zeit.
Ich möchte dir helfen, dass du nicht mehr der Sünde dienst, sondern mir. Dass du Dinge loswirst, die dich kaputt machen, die deine Beziehungen zerstören, die deinen Charakter so deformieren. Aber du musst das wollen.
Ich möchte diesen Weg mit dir gehen. Ich gebe dir die Kraft, aber du gehst den Schritt.
Das Bild der Sonne als Symbol für den Glaubensweg
Um ein Bild zu gebrauchen: Menschen, die an Gott glauben, sind wie die Sonne. Wenn man die Sonne morgens sieht, ist oft nur eine Dämmerung zu erkennen. Man sieht die Sonne noch nicht direkt, sondern nur, dass es langsam heller wird und nicht mehr Nacht ist.
Irgendwann, besonders bei diesem Wetter, sieht man dann eine rote Scheibe, die sich langsam über den Horizont schiebt. Dieser Vorgang geht immer weiter, bis mittags die Sonne hoch am Himmel steht und hell strahlt.
Dieses Bild finden wir auch in der Bibel für den Gläubigen, für den, der Gott vertraut. Dort heißt es bei Salomo: „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht; heller und heller erstrahlt es bis zur Tageshöhe.“
Die Hoffnung, die mit Ostern in mein Leben kommt, ist, dass ich nicht so bleiben muss, wie ich bin. Wenn Gott in mein Leben kommt, mit seiner Kraft, dann möchte er mich umgestalten. Gott möchte, dass ich wie die Sonne Stück für Stück immer mehr strahle.
So soll man immer mehr von seinem Licht in meinem Leben erkennen. Dort, wo die Sünde Beziehungen zerstört, möchte Gott, dass ich das Stück für Stück aufgebe. Er möchte, dass ich Beziehungen aufbaue.
Auch da, wo mein Charakter beschädigt ist und ich denke: Das kann doch nicht wahr sein, möchte Gott eine Veränderung bewirken. Er will sein Licht in meinem Leben aufgehen lassen und mir seine Kraft geben, damit ich nach seinen Geboten leben kann.
So kann ich sündigen, zerstörerischen Bindungen Tschüss sagen. Ich würde sogar sagen, dass ich dadurch erst wirklich ich selbst werde.
Freiheit durch Veränderung und das doppelte Angebot Gottes an Ostern
Das ist vielleicht ein ganz merkwürdiger Gedanke, aber Sünde ist etwas, das versklavt. Sünde ist das Gegenteil von Freiheit. Wenn ich anfange, die Sünde aus meinem Leben zu entfernen, finde ich unter dem ganzen Ballast, unter diesem ganzen Dreck überhaupt erst einmal mich selbst. Ich entdecke, wer ich eigentlich bin und was Gott sich dabei gedacht hat, als er mich mit meinen Eigenarten, meiner Persönlichkeit, meinen Neigungen sowie meinen Gaben und Talenten geschaffen hat.
Das entdecke ich zum ersten Mal, denn all das ist von der Sünde zugeschüttet. Deshalb macht Gott uns an Ostern ein doppeltes Angebot. Zum einen möchte er unsere Schuld vergeben. Zum anderen möchte er Teil unseres Lebens werden, damit wir uns verändern können und nicht so bleiben müssen, wie wir sind.
Die persönliche Beziehung Gottes mit uns ist das, was uns verändert. Wir dürfen – und das ist Ostern – Jesus ähnlicher werden. Wir dürfen seinen Charakter entwickeln. Wir dürfen mit seiner Kraft leben. Die Bibel sagt, mit der Kraft seiner Auferstehung, mit der Kraft, mit der Jesus aus den Toten auferweckt wurde, dürfen wir leben.
Außerdem dürfen wir die Persönlichkeit, die Gott uns gegeben hat, immer mehr entfalten. Das ist die Hoffnung, die wir an Ostern geschenkt bekommen haben.
Ausblick auf die weitere Predigtreihe
Und wenn ihr das verstanden habt, habt ihr ein Stück mehr von Ostern verstanden. Noch nicht alles, aber wir werden weitermachen. Wir haben noch zwei Sonntage vor uns.
Jetzt wisst ihr schon Folgendes: Erstens steht Ostern für Erlösung. Die Schuld meiner Sünde ist bezahlt. Zweitens steht Ostern für Hoffnung. Die Macht der Sünde über mein Leben ist gebrochen, und ich darf in Gottes Kraft leben.