
Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, also bis ins 15. Jahrhundert hinein, gab es sogenannte Herolde. Ein Herold hatte verschiedene Aufgaben. Eine der wichtigsten war es, Nachrichten zu überbringen.
Teilweise trugen sie die Kleidung eines Trompeters, der die Nachricht des Herolds ankündigen sollte. Durch sein Trompetenspiel erregte der Herold die volle Aufmerksamkeit des Volkes, wenn er die Nachricht überbrachte.
Herolde sprachen jedoch nicht nur zum gesamten Volk. Sie traten auch vor Herrscher oder Könige und überbrachten die Botschaft ihres Herrn, zum Beispiel eine Kriegserklärung oder einen Waffenstillstand.
Natürlich konnte sich nicht jeder einfach so als Herold ausgeben. Um sicherzustellen, dass ein Herold wirklich glaubwürdig war, trug er einen sogenannten Tappert.
Ein Tappert war ein Mantel, der mit dem Wappen des Herrschers oder Königs geschmückt war, der den Herold ausgesandt hatte. Dieser Tappert war quasi das Siegel des Königs. Der Umhang verlieh dem Herold die Autorität, im Namen des Königs zu sprechen.
Der Mantel stellte sicher, dass der Herold, der dort sprach, vom König gesandt worden war und das Sprachrohr seines Herrn war. Er garantierte, dass der Herold vertrauenswürdig war und seine Botschaft wirklich glaubwürdig.
Der Mantel war somit seine Beglaubigung.
Von einer solchen Beglaubigung lesen wir auch im Galaterbrief, im ersten Kapitel. Allerdings nicht in Form eines Mantels oder Siegels, sondern in Form einer Biografie.
Die Lebensgeschichte des Paulus bestätigt ihn als den Herold Gottes. Und das ist auch der Titel dieser Predigt: Paulus, der Herold Gottes.
Schlagen wir das Gotteswort in Galater auf. Der heutige Abschnitt beginnt in Kapitel 1, Vers 15, doch lesen wir der besseren Verständlichkeit wegen ab Vers 13.
Galater 1,13: Denn ihr habt von meinem früheren Leben im Judentum gehört. Damals verfolgte ich die Gemeinde Gottes mit großer Härte und versuchte, sie zu zerstören. Im Judentum übertraf ich viele meiner Altersgenossen in meinem Geschlecht durch übermäßigen Eifer für die Überlieferungen meiner Väter.
Als es aber Gott, der mich von meiner Geburt an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn durch das Evangelium unter den Heiden verkündige, nahm ich nicht sofort Rat bei Fleisch und Blut.
Ich zog auch nicht nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren. Stattdessen ging ich nach Arabien und kehrte dann nach Damaskus zurück.
Nach drei Jahren zog ich nach Jerusalem hinauf, um Petrus kennenzulernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Ich sah aber keinen der anderen Apostel, nur Jakobus, den Bruder des Herrn.
Was ich euch schreibe, das sage ich vor Gottes Angesicht: Ich lüge nicht.
Danach ging ich in die Gegenden von Syrien und Silizien.
Die Gemeinden in Judäa, die in Christus sind, kannten mich von Angesicht her nicht. Sie hatten nur gehört, dass derjenige, der uns einst verfolgte, jetzt den Glauben verkündet, den er früher zu zerstören suchte. Und sie priesen Gott um meinetwillen.
Nun, was hat eine Biografie in einem Brief zu suchen, der eigentlich die Empfänger vor einem Irrweg bewahren soll? Warum verwendet Paulus einen Großteil des ersten Kapitels und auch einen Großteil des zweiten Kapitels, um seine eigene Lebensgeschichte aufzuschreiben? Wie passt diese Lebensgeschichte in den Zusammenhang hinein? Was bezweckt Paulus mit diesem Bericht?
Um das zu verstehen, müssen wir uns erneut vor Augen führen, was der Auslöser für diesen Brief war. Was hat Paulus dazu bewegt, diesen Brief an die Gemeinden in Galatien zu schreiben?
Paulus selbst ist der Gründer dieser Gemeinden. Die Galater waren ursprünglich ein keltisches Volk, das im dritten Jahrhundert vor Christus von Frankreich in das Gebiet der heutigen Türkei wanderte. Aus diesem Grund bestanden die Gemeinden in Galatien überwiegend aus Nichtjuden, also aus Heiden.
Nun stellt euch vor, ihr seid Teil dieser Gemeinde. Die Gemeinde ist sehr jung, ihr seid von Anfang an dabei, ihr habt das Evangelium direkt von Paulus gehört. Und auf einmal kommen einige Männer aus Jerusalem, der Stadt, in der die Gemeinde ihren Ursprung hat, in der alles begann, der Stadt, in der die Apostel zu Hause sind, die Männer, die Jesus persönlich erlebt haben.
Wenn aus dieser Urgemeinde schlechthin Leute zu euch kommen, dann muss doch das, was sie sagen, richtig sein, oder nicht? Ich meine, sie kennen vielleicht sogar die Apostel. Und Paulus – er ist ja nicht einmal ein richtiger Apostel. Können wir uns wirklich darauf verlassen, was er sagt? Ist er überhaupt glaubwürdig? Wer gibt Paulus die Autorität, zu sagen, was falsch und was richtig ist?
All diese Zweifel streuen die Irrlehrer in den Gemeinden aus, um Anhänger um sich zu scharen. Denn das ist das, was sie wollen. Das ist das, was eigentlich ein Irrlehrer grundsätzlich tun möchte. Sie tun so, als ob sie sich um dich sorgen, aber tatsächlich wollen sie nur die Anerkennung ihrer Nachfolger.
Paulus entdeckt das. In Galater 4,17 heißt es: „Diese Leute“ – und er spricht von den Irrlehrern – „wollen euch gewinnen, aber nicht für etwas Gutes. Sie wollen einen Keil zwischen uns treiben, damit ihr euch um sie bemüht.“
Ein Irrlehrer will eine Anhängerschaft, die ihn verehrt. Um das zu erreichen, streuen sie Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Paulus. Sie behaupten, er predige eine billige Gnade. Sie sagen, Gottes Gnade allein reiche nicht aus. Man müsse mehr tun als nur glauben, um mit Gott ins Reine zu kommen.
Im Grunde genommen sind diese Irrlehren auf einer Wellenlänge mit allen Religionen weltweit. Alle Religionen weltweit haben eine Sache gemeinsam: Man muss sich an gewisse Regeln und Gesetze halten, damit Gott einem wohlgesonnen ist. Das ist das Grundprinzip hinter jeder Religion, egal ob Judentum, Islam oder katholischer Glaube.
Es widerstrebt dem Menschen, sich allein unter der Gnade Gottes zu demütigen. Er hasst es, von Gottes Gnade abhängig zu sein. Und deswegen kommen diese Männer nach Galatien und fordern die Gläubigen auf, sich an das jüdische Gesetz zu halten oder an gewisse Teile des jüdischen Gesetzes.
Ich meine, dieser Paulus – das ist ja nicht mein richtiger Apostel, was will der euch schon beibringen? Gottes Gnade allein reicht nicht. Ihr müsst doch das Gesetz von Mose erfüllen. Was Paulus verkündet, das ist billige Gnade.
Vielleicht klangen so die Worte dieser Irrlehrer, und dagegen geht Paulus vor. Dazu muss er etwas klarstellen.
Paulus stellt in dem Abschnitt, den wir heute gelesen haben, und auch in den folgenden Versen klar, dass er ein Herold Gottes ist. Er trägt das Wappen Gottes und spricht in der Autorität Gottes, weil Gott ihn dazu berufen hat.
Paulus ist der Herold Gottes. Die Biografie des Paulus, seine Lebensgeschichte, wird in diesem Abschnitt zwei Dinge deutlich machen und damit beweisen, dass er ein Herold, ein Botschafter Gottes ist. Zum einen ist seine Berufung göttlichen Ursprungs, zum anderen ist seine Botschaft göttlichen Ursprungs.
Seine Berufung kommt von Gott, und seine Botschaft stammt ebenfalls von Gott.
Kommen wir zu Punkt eins: seiner Berufung. Lesen wir dazu noch einmal Vers 15 und den ersten Teil von Vers 16.
Vers 15 und der erste Teil von Vers 16:
„Als es aber Gott, der mich von Mutterleib an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn durch das Evangelium unter den Heiden verkündigte.“
Vers 15 beginnt mit einem ganz, ganz großen Aber: „Als es aber Gott wohlgefiel.“ Dieses Aber markiert die hundertachtzig Grad Wendung des Paulus. Es ist das Aber, das Paulus von einem Verfolger der Gemeinde zu einem Erbauer der Gemeinde macht. Es ist das Aber, das Paulus von einem Feind Jesu zu einem Apostel Jesu Christi macht: „Als es aber Gott wohlgefiel.“
Wenn ihr diese Verse 15 und 16 lest, fällt euch eine Sache auf, die grundlegend für Paulus’ Argumentation ist. Nämlich, dass er im Vers 15 und im ersten Teil von Vers 16 nicht der Aktive ist. Gott ist derjenige, der handelt. Gott hat ihn ausgesondert, Gott hat ihn berufen, und als es Gott wohlgefiel, hat er seinen Sohn in ihm offenbart.
Das Wort „als“ am Anfang des Satzes spricht in diesem Fall von einem Zeitpunkt. Gemeint ist der Zeitpunkt, zu dem es Gott wohlgefiel, als Gott es für gut hielt. Als Gott es wollte, offenbarte er Jesus Christus in Paulus. Das Wort für „offenbaren“ kann auch mit „enthüllen“ übersetzt werden. Gott enthüllt vor Paulus den verherrlichten Jesus.
Paulus hatte jahrelang gedacht, er würde etwas Gutes für Gott tun, wenn er die Gemeinde verfolgte. Er glaubte, durch seine Religion könne er Gott gefallen. Aber Gott lässt Paulus erkennen, dass er nicht für Gott lebt, sondern gegen Gott kämpft. Er kämpft gegen Gott bis zu dem Zeitpunkt, den Gott für gut hält. Und dann enthüllt Gott vor seinen Augen, wer Jesus Christus wirklich ist.
Gott ist der Aktive, er ist derjenige, der handelt. Er ist derjenige, der Paulus zu sich zieht. Es ist nicht Paulus, der sich für Gott entscheidet, sondern Gott, der sich für Paulus entscheidet.
Es ist wichtig, dass ihr das seht, weil es die Grundlage für Paulus’ gesamte Argumentation ist. Er will den Galatern zeigen, dass er von Gott berufen ist und nicht, dass er sich selbst das Amt eines Apostels herausgesucht hat. Er will den Galatern zeigen, dass seine Berufung göttlichen Ursprungs ist. Und…
Dies wird auch durch die zwei Worte deutlich, die Paulus in diesem Einschub in Vers 15 verwendet. Dort heißt es: „Als es aber Gott“, und dann folgt der Einschub „der mich vom Mutterleib an ausgesondert und durch seine Gnade berufen hat“.
Diese zwei Worte „ausgesondert“ und „berufen“ möchten wir uns etwas näher anschauen.
Das Wort „aussondern“ wird eigentlich verwendet, wenn man jemanden zum Beispiel aus einem Verein, einem Verband oder einer Schar von Freunden ausschließt. So wird es zum Beispiel in Lukas 6,22 verwendet, wo Jesus sagt, dass diejenigen glücklich sind, die um seinetwillen von den Menschen ausgeschlossen werden, aus einer Gesellschaft ausgeschlossen.
Paulus verwendet dasselbe Wort auch drei Kapitel später in Galater 4,17. Dort heißt es: „Sie eifern um euch nicht in edler Weise, sondern wollen euch ausschließen, damit ihr um sie eifert.“ Das heißt, die Irrlehrer wollen aus den Gemeinden in Galatien Menschen für sich gewinnen und sie aus der Gemeinschaft mit den Aposteln und den Gläubigen ausschließen. So wollen sie erreichen, dass diese um die Irrlehrer eifern und nicht mehr für das wahre Evangelium.
Es ist wie, wenn man einen Apfel aus vielen herausnimmt und ihn von allen anderen Äpfeln quasi absondert, weil dieser besonders gut aussieht. Genau das tut Gott mit Paulus, nur mit dem Unterschied, dass Gott den Apfel auswählt, bevor er überhaupt existiert. Genauso hat Gott Paulus, bevor dieser überhaupt zur Welt kam, von allen anderen abgesondert, damit er dann sein Apostel werden wird.
Das heißt, dieser Ausdruck „aussondern“ bezieht sich auf die Erwählung Gottes zu einem bestimmten Zweck, lange bevor Paulus überhaupt in der Lage war, über eine Wahl nachzudenken. Folglich war es nicht die Wahl des Paulus, Apostel zu werden. Bevor Paulus eine Wahl treffen konnte, war die Entscheidung bereits gefallen.
Lange bevor Paulus irgendein Führungspotenzial und seine Begabung unter Beweis stellen konnte, stand die Entscheidung schon fest. Der Herr setzt Paulus für das Apostelamt ein – nicht weil Paulus große Führungsqualitäten oder besondere Schreibfähigkeiten hatte. Gott setzt Paulus nicht ein, weil er ein entschlossener und harter Arbeiter war.
Er war schon im Mutterleib von Gott abgesondert und für Gott geweiht, lange bevor er überhaupt das geringste Potenzial für irgendetwas hätte nachweisen können.
Und genauso geschah dies bei vielen anderen Menschen in der Bibel. Gott zieht Jakob seinem Bruder Esau vor, bevor diese überhaupt geboren wurden. Jesaja wird vor seiner Geburt berufen, und er schreibt selbst in Jesaja 49: „Der Herr hat mich von Mutterleib an berufen und meinen Namen von Mutterschoß an bekannt gemacht.“
Zu Jeremia spricht Gott in Jeremia 1,5: „Ehe ich dich im Mutterleib bildete, habe ich dich ersehen, und bevor du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten, für die Völker habe ich dich bestimmt.“
Und genauso wie diese Männer wurde Paulus nicht nur ausgesondert, sondern auch durch seine Gnade berufen.
Das Wort, das hierfür „berufen“ verwendet wird, spricht eigentlich von einem einfachen Rufen. Aber wir müssen bedenken, dass hier nicht irgendein Mensch einem anderen etwas zuruft, sondern es ist Gott, der einen bestimmten Mann ruft.
Es ist Gott, der einen bestimmten Mann ruft, und dieses Wort für „rufen“ wird einige Male in den Briefen verwendet, und zwar nicht nur in den Briefen des Paulus.
Petrus spricht zum Beispiel in seinem ersten Brief davon, dass die Gläubigen, an die er schreibt, von Gott aus der Finsternis gerufen wurden. Judas schreibt seinen Brief an die Berufenen. Paulus schreibt an die Korinther, dass Gott treu ist, durch den ihr berufen seid.
Was dabei auffällt, ist, dass Gottes Ruf offensichtlich ein unwiderstehlicher Ruf ist. Petrus, Judas und Paulus sprechen nicht von denen, die Gottes Ruf gefolgt sind, sondern sie sprechen einfach nur von den Gerufenen. Sie sprechen von den Gläubigen als den von Gott Gerufenen.
Gottes Ruf ist ein souveräner, wirksamer Ruf zur Erlösung – so auch bei Paulus.
Seht ihr Paulus selbst: Er würde sich lieber nicht als Apostel bezeichnen. An die Korinther schreibt er: „Denn ich bin der geringste von den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.“
Unwürdig, ein Apostel genannt zu werden – warum ist er dennoch Apostel Gottes? Weil Gott ihn dazu gerufen hat und Gottes Ruf unwiderstehlich ist.
Es war nicht seine Entscheidung. Der Ruf Gottes ist unwiderstehlich, und deswegen wird Paulus, obwohl er sich selbst für unwürdig hält, Apostel Jesu Christi – nicht weil er will, sondern weil es Gottes Wille und sein vorausgeplanter Zweck für das Leben von Paulus war.
Das ist die Grundlage seiner Argumentation. Er will den Galatern klarmachen, dass er nicht sein eigenes Wappen auf seinem Mantel trägt. Er trägt das Wappen Gottes. Er ist der Herold Gottes.
Es steht in Galater 1: Er ist Apostel, „nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat aus den Toten.“
Und das nicht, weil Paulus besonders begabt oder fleißig ist, sondern weil er durch seine Gnade berufen ist.
Es war nicht die Entscheidung des Paulus, Apostel zu werden.
Als Jesus Paulus auf dem Weg nach Damaskus begegnet, fragt Jesus ihn nicht: „Hey, willst du mich in deinem Leben aufnehmen?“ Er fragt ihn auch nicht: „Hey, willst du mich als deinen Herrn annehmen?“ Das tut Jesus nicht. Jesus fragt auch nicht: „Willst du mal ein Apostel sein?“
Einige Zeit nach dieser hundertachtzig Grad Wendung des Paulus begegnet er einer Frau namens Lydia. Von ihr lesen wir, dass Gott ihr, als Paulus zu ihr spricht, das Herz auftat. Das Wort, das hier für „auftun“ verwendet wird, erscheint einige Verse später erneut.
Paulus und Silas sitzen im Gefängnis, als es zu einem großen Erdbeben kommt. Das Erdbeben ist so heftig, dass das gesamte Gefängnis erschüttert wird und die Türen regelrecht aufgesprengt werden. Genau hier, bei diesem Aufsprengen der Türen, wird dasselbe Wort verwendet wie zuvor bei Lydia.
Gott fragt Lydia nicht, ob sie Jesus in ihr Herz aufnehmen will. Gott sprengt die Türen ihres Herzens auf, und sie wird gläubig. Auf dieselbe Weise reißt Gott Paulus die Decke von den Augen, sodass er erkennt, dass er die ganze Zeit gegen Gott gekämpft hat.
Einige Jahre nach diesem Ereignis gibt Paulus vor König Agrippa Zeugnis über das, was geschehen ist. Davon lesen wir in Apostelgeschichte 26. Die Geschichte ist bekannt: Paulus ist auf dem Weg nach Damaskus, als ein helles Licht erscheint, ein Licht heller als die Sonne. Er und alle seine Gefolgsleute fallen zu Boden. Paulus hört, wie jemand zu ihm spricht: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“
Paulus erzählt weiter: „Ich aber sprach: Wer bist du, Herr?“ Er aber sprach: „Ich bin Jesus, den du verfolgst. Aber steh auf und stell dich auf deine Füße, denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen für das, was du gesehen hast, und für das, worin ich mich dir noch offenbaren werde.“
Was ist das Erste, was Jesus Paulus sagt, nachdem er ihm offenbart hat, dass er Jesus Christus ist? Jesus stellt ihm keine Frage. Er fragt nicht, ob Paulus sein Apostel oder Herold sein möchte. Jesus fragt auch nicht, ob Paulus mit den Bedingungen des Auftrags einverstanden ist. Die ersten Worte, nachdem sich Jesus Paulus offenbart hat, sind ein Befehl: „Steh auf und stell dich auf deine Füße, denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen für das, was du gesehen hast, und für das, worin ich mich dir noch offenbaren werde.“
Jesus ist ihm nicht erschienen, um ihn zu fragen, ob er sein Zeuge sein möchte. Er ist ihm erschienen, um ihn zum Diener und Zeugen zu bestimmen.
Diese Bekehrungsgeschichte unterstreicht, dass es nicht die Entscheidung von Paulus war, zum Apostel der Heiden zu werden. Seine Autorität, diesen Brief und all die anderen an die Galater zu schreiben, basiert nicht auf dem Willen des Paulus, sondern auf Gottes Willen. Seine Berufung ist göttlichen Ursprungs.
Aber nicht nur seine Berufung ist göttlichen Ursprungs, auch seine Botschaft kommt von Gott. Jesus sagt ihm nämlich bei dem Zeugnis in Apostelgeschichte 26: „Denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zum Diener und Zeugen zu bestimmen, für das zum einen, was du gesehen hast, und zum anderen für das, worin ich mich dir noch offenbaren werde.“ Jesus zeigt ihm also, dass es ein Prozess ist, in dem er Paulus sein Evangelium mit der Zeit offenbaren wird.
Das ist auch der Grund, warum Paulus, nachdem Gott ihn bekehrt hat, nicht sofort nach Jerusalem geht, um sich dort von den Aposteln unterrichten zu lassen. Im Galaterbrief schreibt er nämlich weiter, dass er „nicht so gleich mit Fleisch und Blut zu Rate ging. Er zog auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern ging weg nach Arabien und kehrte wieder nach Damaskus zurück.“
Dann heißt es weiter: „Darauf, nach drei Jahren, zog ich nach Jerusalem hinauf, um Petrus kennenzulernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Ich sah aber keinen der anderen Apostel, nur Jakobus, den Bruder des Herrn. Was ich euch aber schreibe, siehe, vor Gottes Angesicht, ich lüge nicht! Darauf kam ich in die Gegenden von Syrien und Silizien. Ich war bei den Gemeinden von Judäa, die in Christus sind, von Angesicht unbekannt. Sie hatten nur gehört, dass der, welcher uns einst verfolgte, jetzt als Evangelium den Glauben verkündigt, den er einst zerstörte. Und sie priesen Gott um meinetwillen.“
Drei Jahre lang lässt sich Paulus in Jerusalem überhaupt nicht blicken, und zwar drei Jahre nach seiner Bekehrung. Erst dann reist er für zwei Wochen nach Jerusalem.
Er reist jedoch nicht dorthin, um prüfen zu lassen, ob das Evangelium, das er verkündet, wirklich wahr ist. Das ist nicht der Zweck seiner Reise. Der Grund, warum Paulus nach Jerusalem geht, ist schlichtweg, Petrus kennenzulernen. Das ist der einzige Grund.
Zwei Dinge machen das deutlich. Das erste ist sehr offensichtlich, nämlich das Wort „kennenlernen“. Dieses Wort zeigt explizit, dass Paulus mit dem Ziel, Petrus kennenzulernen, nach Jerusalem geht.
Ein zweiter Grund wird in Vers 19 sichtbar. Wenn ihr in den Text schaut, nennt Paulus Jakobus nur am Rande. Er sagt nicht, er sei nach Jerusalem gegangen und habe dort Petrus und Jakobus gesehen. Stattdessen betont er, dass er nach Jerusalem ging, um Petrus kennenzulernen, und erwähnt nebenbei, dass Jakobus auch dort war.
Das macht also klar: Paulus ist mit dem Ziel nach Jerusalem gekommen, Petrus kennenzulernen. Petrus war das Hauptaugenmerk seines Besuchs.
Das heißt, Paulus geht nicht nach Jerusalem, weil er sich unsicher ist, ob das, was er verkündet, wirklich richtig ist. Die zwei Wochen, die er in Jerusalem verbringt, würden vielleicht ausreichen, um einige Grundlagen des Glaubens zu erlernen. Aber sie würden niemals ausreichen, um ein so tiefes Verständnis des Evangeliums zu erhalten, wie es in seinen Briefen immer wieder sichtbar wird.
Nach diesen zwei Wochen zieht Paulus weiter. Er erfüllt weiterhin die Aufgabe, die er von Jesus bekommen hat. Erst jetzt bekommen die Gemeinden in Judäa – also die ersten Gemeinden, die es überhaupt gab – Wind davon, was mit Paulus passiert ist.
Sie können nicht anders, als Gott dafür zu danken, dass er eine solche 180-Grad-Wende im Leben des Paulus bewirkt hat.
Nun, wozu schreibt Paulus diese Worte auf? Wozu erzählt er, was er gemacht hat und wo er war? Warum tut er das?
Schaut mal in Galater 1, Verse 11 und 12. Dort heißt es: „Ich lasse euch aber wissen, Brüder, dass das von mir verkündigte Evangelium nicht von Menschen stammt. Ich habe es nicht von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi.“
Das ist der Ausgangspunkt, die Behauptung, die Paulus an den Anfang stellt. Diese Behauptung will Paulus mit seiner Lebensgeschichte beweisen, nämlich dass seine Botschaft von Gott kommt.
Paulus will zeigen, dass die Botschaft, die er verkündet, nicht seine eigene ist. Damit erfüllt er beide Bedingungen, die ein Herold erfüllen muss: Zum einen ist er von seinem Herrn ausgesendet, zum anderen trägt er das Wappen Gottes und überbringt die Botschaft, die er von diesem Herrn, von Gott, empfangen hat.
In diesem Abschnitt legt Paulus die Grundlage für die folgenden Verse in Kapitel 2. Er hatte nie Unterricht bei den Aposteln, niemals. Dennoch – und das sehen wir in Kapitel 2 – verkündet er das gleiche Evangelium wie die übrigen Apostel, obwohl er nie von ihnen gelehrt wurde. Das macht Paulus in Kapitel 2 deutlich.
Damit will Paulus beweisen, dass seine Botschaft göttlichen Ursprungs ist. Seine Berufung kommt von Gott, seine Botschaft kommt von Gott, er ist der Herold Gottes.
Was ist der Unterschied zwischen Paulus und jedem anderen Christen, der nach ihm gelebt hat? Oder einfacher ausgedrückt: Was ist der Unterschied zwischen dir und Paulus? Besteht der Unterschied nur in einer Sache?
Im Gegensatz zu Paulus hat Jesus dir nicht persönlich sein Evangelium offenbart. Das heißt, Paulus ist ein Apostel, ein Mann, der den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums direkt von Jesus Christus erhalten hat. Der Unterschied besteht darin, dass Gott sich Paulus persönlich offenbart hat, während er sich uns durch sein Wort, die Bibel, offenbart.
Der Rest aber ist gleich. In 1. Petrus 2,9 heißt es: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu einem wunderbaren Licht.“
Paulus wurde zu einem bestimmten Zweck errettet. Diesen Zweck sehen wir in Vers 16, der durch das Bindewort „damit“ deutlich wird. In diesem Vers heißt es, dass Gott, als es ihm gefiel, seinen Sohn in Paulus offenbaren wollte, damit Paulus ihn durch das Evangelium unter den Heiden verkündigte.
Der Sinn und Zweck, warum Gott Paulus bereits vor seiner Geburt abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, war also, das Evangelium zu verkündigen. Das gleiche finden wir auch in 1. Petrus: „damit ihr die Tugenden oder Herrlichkeiten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu einem wunderbaren Licht.“ Das Wort, das hier mit „Tugenden“ übersetzt wird, kann auch mit „kraftvolle Taten“ übersetzt werden.
Christen haben das besondere Privileg, der Welt zu sagen, dass Christus die Macht hat, das außergewöhnliche und kraftvolle Werk der Erlösung zu vollbringen. Diese Aufgabe ist nicht optional. Die Aufgabe, dieses Evangelium weiterzugeben, ist der Grund, warum dich Gott aus der Finsternis gerufen hat, wie es Petrus schreibt.
Diese Aufgabe ist der Grund, warum dich Gott aus der gegenwärtigen bösen Welt herausgerissen hat, wie Paulus in Galater schreibt. Sie ist der Grund, warum du, der du geistlich tot warst, von Gott lebendig gemacht wurdest.
Wir sind, wie Paulus, Herolde, Botschafter Gottes. Wir tragen das Wappen Gottes und sprechen in der Autorität Gottes, weil Gott uns berufen hat und uns sein Wort offenbart hat. Jeder Christ ist ein Herold Gottes.
Paulus will mit dieser Biografie, mit dieser Lebensgeschichte, beweisen, was er in den Versen elf und zwölf behauptet hat. Nämlich, dass seine Botschaft nicht von Menschen, sondern von Gott kommt und dass er von Gott ausgesandt wurde, diese Botschaft allen Menschen weiterzugeben.
Gott hat die Macht, Sünder zu erlösen. Damit wird Paulus zum Apostel und Botschafter Gottes. Die Biografie des Paulus ist Gottes Siegel über sein Amt als Apostel.
Wir, die wir wie Paulus berufen wurden, sind zu demselben Zweck berufen: Gottes Botschafter zu sein. Dazu hat uns Gott errettet. Jeder Christ ist ein Herold Gottes. Amen.