Herzlich willkommen zu unserem Wortreich-Podcast. Ich bin Jojo, und ich bin Markus. Gemeinsam sprechen wir über christliche Themen, die uns beide bewegen und hoffentlich auch dich interessieren.
Viel Freude bei der heutigen Folge!
Wir haben uns mal wieder zu einer Aufnahmesession eingefunden. Draußen regnet es, der Herbst ist angekommen. Dabei haben wir gedacht, wir machen mal wieder eine Gleichnis-Folge.
Vielleicht habt ihr das schon mitbekommen, wenn ihr regelmäßige Zuhörer seid: Wir wollen uns immer mal wieder in unregelmäßigen Abständen ein Gleichnis von Jesus anschauen. Dabei überlegen wir, was wir daraus ziehen können und wie wir mit diesen Beispielen umgehen. Für uns wirft das immer wieder neue Fragen auf.
Deshalb haben wir uns dieses Mal ein ganz bekanntes Gleichnis ausgesucht. Wir wollen einfach mal gemeinsam schauen, ob da eigentlich alles klar ist oder ob es weitere Fragen aufwirft. Wir haben uns vorher gar nicht lange darüber unterhalten.
Jojo, welches Gleichnis haben wir uns für heute ausgesucht?
Das ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Dieses Gleichnis finden wir nur in einem einzigen Evangelium. In keinem anderen können wir davon lesen, sondern nur Lukas berichtet es uns. Es ist nicht Markus, es ist nicht Johannes, sondern Lukas.
Ich denke, es ist ein ganz spannendes Gleichnis. Vielleicht ist es sogar das bekannteste, weil viele Nichtchristen dieses Gleichnis kennen.
Ja, das stimmt. Vielen ist bewusst, dass Christen Nächstenliebe üben sollen. Das ist fast schon so ein geflügeltes Wort: „Ich bin dein barmherziger Samariter“ oder so ähnlich. Es ist fast wie eine Redewendung.
Es gibt ja auch den Samariterbund, den Arbeiter-Samariter-Bund, das ist, glaube ich, ein diakonisches Hilfswerk (ASB). Außerdem gibt es ein Missionswerk namens Samaritan’s Purse, was übersetzt „die Geldbörse des Samariters“ heißt. Und es gibt auch noch einen Samariterorden.
Das ist schon interessant, denn für die Juden damals war es sehr beschämend, dass sie die Samariter als Mischvolk ausgegrenzt haben. Durch das Gleichnis Jesu werden die Samariter aber voll aufgewertet.
Wenn jemand „Samariter“ hört, denkt er sofort an Barmherzigkeit, oder?
Ja, tatsächlich. Da denkt man direkt an dieses Gleichnis.
Cool, dann steigen wir mal in das Gleichnis ein. Was ein Samariter eigentlich ist, können wir dann erklären, wenn wir an die entsprechende Stelle kommen.
Ich denke, es macht Sinn, einfach direkt den Kontext zu lesen – Lukas 10,25-37.
Möchtest du vorlesen?
Ich kann auch gerne vorlesen. Es ist ja akzeptiert, dass ich aus der Neuen Evangelistischen Übersetzung (NeÜ) lese.
Genau, die ist extra zum Vorlesen gemacht, deswegen passt das gut.
Dann legen wir los mit dem Bibeltext.
Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus auf die Probe stellen. Er fragte: „Rabbi, was muss ich getan haben, um das ewige Leben zu bekommen?“ Jesus antwortete: „Was steht denn im Gesetz? Was liest du dort?“
Der Gesetzeslehrer erwiderte: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand. Und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“
Jesus sagte: „Du hast richtig geantwortet. Tu das, dann wirst du leben.“
Doch der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen. Deshalb fragte er Jesus: „Und wer ist mein Nächster?“
Jesus nahm die Frage auf und erzählte die folgende Geschichte: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinunter. Unterwegs wurde er von Räubern überfallen. Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halbtot liegen.
Zufällig ging ein Priester denselben Weg hinunter. Er sah den Mann liegen, machte aber einen Bogen um ihn. Genauso verhielt sich ein Levit; auch er machte einen großen Bogen um den Überfallenen.
Schließlich näherte sich ein Samaritaner. Als er den Mann sah, empfand er tiefes Mitleid. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn dort.
Am nächsten Morgen zog er circa zwei Denare aus seinem Geldbeutel, gab sie dem Wirt und sagte: „Kümmere dich um ihn. Wenn du noch mehr brauchst, will ich es dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.“
Jesus fragte den Gesetzeslehrer: „Was meinst du, wer von den dreien hat als Nächster an dem Überfallenen gehandelt?“
Der Gesetzeslehrer antwortete: „Der, der barmherzig war und ihm geholfen hat.“
Jesus sagte: „Dann geh und mach es genauso.“
Ja, die Schwierigkeit bei dem Gleichnis ist, dass viele Zuhörer denken: „Ich kenne es schon“ und deshalb vielleicht gar nicht mehr richtig zuhören. Aber ich glaube, hier gibt es noch sehr viel mehr zu entdecken, als das, was wir eigentlich gewohnt sind, wenn wir das Gleichnis hören.
Vielleicht erst einmal zur typischen Deutung, bevor ich auf eine ganz andere, sehr spannende Bedeutung eingehe.
Wie wird das Gleichnis normalerweise ausgelegt? Ich überlege auch, welche Predigten man dazu vielleicht schon gehört hat. Was immer hilft bei der Auslegung eines Gleichnisses, ist, wenn Jesus selbst die Bedeutung mitliefert. Das macht er ja sehr häufig, und in diesem Fall ist es auch so.
Wir können uns ansehen, welche Frage dahintersteht: „Wie bekomme ich das ewige Leben?“ beziehungsweise „Was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?“ Der Gesetzeslehrer liest selbst vor und kommt an die Stelle: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Er fragt dann, wie das genau aussieht. Er denkt, dass er es ganz gut versteht, wenn es um Gott geht, aber bei der Nächstenliebe ist er sich nicht sicher.
Jesus erzählt daraufhin das Gleichnis und fragt am Ende: „Wer war denn in dem Moment der Nächste?“ Der Gesetzeslehrer antwortet, und Jesus sagt: „Mach es auch so.“ Daraus würde ich ablesen, dass dem Nächsten tatsächlich zu helfen ein Akt ist, den Jesus befiehlt. Die Bibel legt uns nahe, dass wir als Christen unserem Nächsten helfen sollen – egal, wer er ist. Ob arm oder reich, aus unserem Volk oder aus einem anderen Volk.
Wir müssen auch gar nicht lange überlegen, wer der Nächste sein könnte. Die Menschen liegen quasi vor uns auf der Straße, so nach dem Motto: Jeder, der wirklich etwas braucht, und dem wir leicht helfen können, dem sollten wir helfen.
Das ist der Punkt der Nächstenliebe: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten. In dem Gleichnis sehen wir uns in der Rolle des Samariters. Wir sind der Samariter, wir gehen zu den Menschen und helfen ihnen. Wir sollen nicht sein wie der Priester oder der Levit, die einen großen Bogen um die Not machen.
Das hat letztlich unsere ganze Ethik geformt, also die christliche Ethik oder die evangelische Theologie. Sie lehrt uns, dass wir Nächstenliebe weitergeben sollen.
Nächstenliebe wird kritisch betrachtet oft schon fast losgelöst von der Liebe zu Gott gesehen. Man kann schon ein guter Christ sein, wenn man sich gegen Hunger in der Welt einsetzt und gegen die Zerstörung der Natur kämpft, weil man dem Nächsten etwas Gutes tut.
Letztlich wird die Nächstenliebe schon fast so sehr betont, dass sie gegenüber der Liebe zu Gott überwiegt. Da steckt viel Ideologie drin, und die evangelische Theologie geht meiner Meinung nach schon in diese Richtung.
Das ist ja auch greifbar, und die Leute finden das gut. Gott zu lieben wirkt dagegen oft abstrakt. Dann merkt man auch wieder: Hauptsache, du kannst etwas tun. Das ist aber auch sehr kritisch zu sehen, denn man kann sozusagen seine Ewigkeit „erkaufen“ oder etwas dafür tun.
Nächstenliebe ist ein zentrales Merkmal, das zu uns Christen gehört und uns auszeichnet. Liebe allgemein – Gott lieben und den Nächsten lieben.
Jesus erweitert das noch, indem er später zu seinen Jüngern sagt: „Ich gebe euch ein neues Gebot: Liebt einander!“ Dabei kommt diese gegenseitige Liebe in der Gemeinde hinzu, die noch stärker ist. An dieser Liebe erkennen die Menschen, dass wir Christen sind, wie Jesus es sagt.
Ja, ich überlege gerade, wie wir am besten vorgehen. Man könnte jetzt eigentlich ein paar Verse Stück für Stück durchgehen und einfach mal schauen, was wir finden. Oder wir könnten es anders machen. Hast du eine Idee?
Ich glaube, ich bin dir ein bisschen ins Wort gefallen. Du hattest nämlich angesetzt zu sagen, dass wir in der typischen Auslegung der Samariter sein sollen, der den anderen hilft. Da denke ich, dass du vielleicht noch eine andere Art der Interpretation im Hinterkopf hast, wie das Gleichnis auch anders gesehen werden könnte.
Genau, die habe ich tatsächlich. Ich habe sie schon einmal gehört, konnte sie aber nicht so ganz nachvollziehen. Vor ein paar Wochen habe ich eine Predigt darüber gehört und dachte, jetzt kann ich es verstehen, warum da auch noch eine ganz andere Auslegung möglich ist. Ich will aber noch nicht darauf eingehen, weil ich glaube, es ist erst einmal wertvoll, zu schauen, was wir in dem Gleichnis in der typischen Auslegung finden. Das können wir dann auf die andere Auslegung übertragen.
Also, wie gehen wir an ein Gleichnis heran? Ich habe mal gehört, dass es ganz spannend ist, nicht nur einen Vergleichspunkt herauszunehmen, auch nicht in jedes Detail etwas hineinzulesen. Sondern pro Personengruppe einen Fakt mitzunehmen.
Hier finden wir jetzt die Personen: die Person, die unter die Räuber gefallen ist, dann den Priester, den Leviten, den Samariter und eigentlich sogar noch den Herbergsleiter. Den könnten wir auch noch betrachten.
Vielleicht können wir uns diese Personen einmal genauer anschauen. Wer sind sie eigentlich?
Bei der eigentlichen Person wissen wir nur, dass er von Jerusalem nach Jericho geht. Es geht tatsächlich steil bergab, hinunter zum Toten Meer. Und es soll, wer schon da war – ich war selbst noch nicht dort –, eine recht einsame Gegend sein. Ja, die Gegend ist rau. Über ihn wissen wir nicht viel. Es soll einfach nur ein Mann sein. Er hat keinen Beruf genannt, es könnte jeder sein, dem das passiert. Einfach ein Mensch.
Wir finden die Räuber. Sie nehmen ihn, ziehen ihn aus, schlagen ihn und laufen davon. Bei ihnen wissen wir auch nicht genau, wer sie sind oder was sie machen. Aber sie sind auf jeden Fall böse und wollen dem Mann nichts Gutes.
Ein Unglück, das jedem zu jeder Zeit passieren kann.
Genau, ja, das stimmt. Er war auch nicht fahrlässig oder so, es passierte einfach aus heiterem Himmel.
Genau, und dafür kann er nichts, solche Dinge passieren.
Dann kommen zuerst die Priester. Ganz spannend ist, dass Jesus hier nicht sagt, "hier kommen Leute", sondern ganz klar, dass zuerst ein Priester kommt. Also diejenigen, die den geistlichen Gottesdienst leiten, die das Volk führen. Denn man kann in Israel durchaus von einer Theokratie sprechen, mit klaren Führungspersonen.
Ein Priester, der im Gottesdienst tätig ist, weiß, wie es sein müsste. Er geht hinab und sieht den Mann. Was macht er? Er wechselt die Straßenseite. Er lässt ihn also liegen und tut nichts. Vielleicht dachte er auch, es sei eine Leiche, und wollte nichts Unreines berühren.
Aber ich habe auch schon gehört, dass es ganz deutlich gemacht wird, dass der Priester von Jerusalem herunterkam, Richtung Jericho. Das heißt, die Priester hatten ihren Dienst nur in Jerusalem im Tempel. Wahrscheinlich war er auf dem Weg nach Hause oder zu Verwandten, aber sein Dienst war beendet.
Wenn man gedacht hätte: "Der hat morgen Gottesdienst zu halten, darf heute nichts Unreines anfassen, sonst kann er morgen nicht dienen", dann hätte man vielleicht verstehen können, warum er nichts tat. Aber es ist ganz klar, dass er, wie der Mann, von Jerusalem nach Jericho ging. Er war fertig mit seinem Dienst und wollte nur noch vielleicht nach Hause oder in eine Herberge oder einen Bruder besuchen.
Dass Leute unrein werden, kam vor, wenn sie Blut oder Kranke berührten. Aber für ihn war klar, dass er nichts tat.
Der Mann lag halbtot da, vielleicht bewegte er sich noch ein bisschen. So eindeutig tot war er nicht.
Kurz zum Wort "unrein": Falls jemand nicht so viel damit anfangen kann, unrein bedeutet eine kultische oder rituelle Unreinheit. Die Priester mussten sich waschen, um rein zu sein. Erst dann durften sie den Gottesdienst halten. Wenn jemand vorher eine Leiche berührt hätte, hätte er den Gottesdienst nicht halten dürfen.
Die zweite Person ist ein Levit, auch jemand, der im Tempel arbeitet und dort aushilft. Er handelt genauso wie der Priester. Auch er ist für den geistlichen Dienst ausgesondert, lässt den Mann einfach liegen, tut nichts.
Der Priester war auf jeden Fall auch ein Levit, aber ein Levit ist nicht automatisch ein Priester. Ich finde es schlimmer, dass der Priester das höhere Amt hat.
Leviten gab es in allen Stämmen. Sie arbeiteten auch in Synagogen und waren Teil des geistlichen Dienstes. Der Priester arbeitete definitiv im Tempel in Jerusalem. Aber selbst der Levit sollte eigentlich ein Vorbild sein, das Wort Gottes kennen und die Stelle, auf die sich Jesus bezieht: den Nächsten so lieben wie sich selbst.
Was meinst du damit, dass ein Levit in allen Stämmen war, dass er dort wohnte?
Ja, genau. Die Leviten hatten die Versorgung des Hauses Gottes. Manche reinigten die Geräte oder sorgten dafür, dass alles in Schuss blieb. Aber die Leviten waren teilweise auch unter den anderen Stämmen verstreut, um dort ihren Dienst zu tun, etwa durch Schriftlesungen.
Das fand ich wichtig, weil für die Zuhörer noch einmal klar wird: Levit ist ein eigener Volksstamm, keine Berufsbezeichnung. So wie jemand Deutscher ist und alle Deutschen gewisse Gemeinsamkeiten haben, so war jeder Levit Teil des Stammes, diente am Tempel, wohnte aber verstreut unter den anderen Stämmen.
Aus den Leviten wurden dann einige Familien, die zur Priesterschaft gehörten. Das waren ganz besondere Leviten.
Zuletzt kommt der Samariter. Was hat es mit dem Samariter auf sich? Warum nimmt Jesus hier ausgerechnet diesen Samariter? Warum nicht einen anderen Juden oder irgendjemand anderen?
Die Samariter waren ein Mischvolk, das nördlich von Jerusalem, zwischen Jerusalem und Galiläa, angesiedelt war. Sie waren eigentlich keine Juden, sondern ein Mischvolk. Vielleicht waren sie auch ein bisschen verwandt.
Das hat mit dem Alten Testament zu tun: Das Nordreich wurde besiegt und weggeführt, in die Verbannung. Die Assyrer setzten Menschen aus ihren Ländern ein, teilweise auch besiegte Völker. Das waren die Samariter.
Sie kamen aus unterschiedlichen Völkern. Nachdem sie dort wohnten, schickte man Leviten zu ihnen, die ihnen etwas von Gott erzählten. Sie nahmen teilweise den Glauben an Gott an, opferten auch für ihn, hatten aber auch eigene Götzen. Sie waren also nicht ganz klar im Glauben.
Für die Juden waren sie definitiv unrein. Sie vermieden den Kontakt, machten Umwege. Jesus wählte manchmal den Weg direkt durch Samarien, und die Jünger waren entsetzt, warum man nicht den Umweg um das Land machte.
Die Samariter wurden auch beleidigt, etwa als "samaritanischer Teufel". Das war ein krasses Schimpfwort. Die Samariter hatten einen sehr schlechten Ruf.
Genau diesen setzt Jesus hier ein, um zu helfen.
Deshalb ist auch die Antwort am Ende des Mannes, des Gesetzesgelehrten, spannend. Auf die Frage, wer der Nächste war, antwortet er nicht "der Samariter", sondern "der, welcher Barmherzigkeit an ihm geübt hat".
Das ist etwas umständlich, aber er will das Wort "Samariter" wohl nicht in den Mund nehmen.
Ja, genau.
Zuletzt haben wir noch den Herbergsleiter. Dazu kann man nicht viel sagen. Er kümmert sich, nimmt das Geld und sorgt für den Mann.
Vielleicht kann man noch sagen, dass er den Mann hingebracht, versorgt hat mit Öl und Wein. Dann ging er zum Wirtshaus und gab dem zwei Denare.
Weißt du, wie viel das ist? War das viel oder wenig?
Das ist gar nicht so viel. Ein Denar ist eigentlich ein Tageslohn. Zwei Denare sind also zwei Tageslöhne.
Ich habe mir überlegt, dass das in unserer heutigen Kategorie vielleicht hundert Euro für ein Dinner wären, also zwei Denare etwa zweihundert Euro.
Wenn man an heutige Hotelpreise denkt, hat er damit vielleicht zwei Nächte Unterkunft bezahlt.
Genau, richtig. Das auf jeden Fall.
Spannend ist, dass das Gleichnis oft nur als Antwort auf die Frage „Und wer ist mein Nächster?“ verstanden wird. Die Antwort darauf lautet: Sogar der Samariter, also der, der Barmherzigkeit übt – sogar der Feind kann mein Nächster sein und mich lieben.
Interessant wird es jedoch, wenn man das Ganze im Licht der allerersten Frage betrachtet. Diese steht in Vers 25: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ Die Frage lautet also: Wie komme ich in den Himmel? Was muss ich tun, damit ich ins Himmelreich gelange?
Jesus gibt darauf eine klare Antwort: Zwei Dinge musst du tun. Erstens: Liebe Gott. Zweitens: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Zu der Folge „Wie dich selbst? Also Selbstliebe?“ haben wir bereits eine ganze Folge gemacht, die man sich anhören kann. Es sind hier nicht drei Gebote, sondern ganz klar zwei Gebote. Es geht nicht darum, sich selbst zu lieben. Wer mehr dazu wissen möchte, kann in dieser Folge einen Einblick bekommen, warum das so ist.
Der Mann versucht sich selbst zu rechtfertigen und fragt: „Ja, wer ist denn mein Nächster?“ Das finde ich relativ spannend, denn für den Samariter wird ein Wort verwendet, das im Neuen Testament eigentlich nur für Gott und Jesus reserviert ist. In Vers 33 heißt es: „Ein Samariter aber kam auf seiner Reise in seine Nähe, und als er ihn sah, hatte er Erbarmen.“ Dieses Wort „Erbarmen“ wird sonst nur für Gott oder Jesus gebraucht. Diese beiden Gruppen sind die einzigen, für die dieses Wort ansonsten reserviert ist. Nun wird es hier für den Samariter verwendet. Der Samariter hatte Erbarmen.
Ich finde es spannend, diese zweite Bedeutungsebene zu betrachten. Ich denke, Jesus möchte hier zeigen: Schau, du bist der Nächste, du bist derjenige, der eigentlich Hilfe braucht – nicht der Samariter in dem Sinne, sondern wir liegen erschlagen, halb tot am Boden. Genau das sagt er zu diesem Juden.
Dann tauchen zwei Gruppen auf: die Priester und die Leviten. Das sind diejenigen, die geistlich das Volk zu Gott führen sollten. Sie sollten das Volk wirklich zu Gott leiten. Doch sie retten den Erschlagenen nicht; er bleibt unten am Boden liegen. Jetzt kommt der Samariter, der Barmherzige, und er rettet diesen Mann, den Erschlagenen – mit Barmherzigkeit und Erbarmen.
Insofern finde ich diese Bedeutungsebene sehr spannend. Es kann durchaus sein, dass Jesus hier meint, dass er selbst unser Nächster ist und wir diejenigen sind, die hilfsbedürftig sind und Hilfe brauchen. Jesus ist unser Nächster.
Das hebt jedoch keineswegs die Bedeutung auf, dass wir auch Nächstenliebe gegenüber anderen Menschen zeigen sollen. Jesus ist unser Vorbild. Demnach sollen wir auch anderen Menschen dienen. Das Gleichnis hat also auch auf dieser Ebene seine Anwendung.
Ich fand es sehr spannend, dass letztlich alles um die Frage geht: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu haben? Jesus beantwortet diese Frage, indem er sagt: Lass dich retten! Lass dich von Jesus retten!
Das finde ich total cool. In der Geschichte sind auch symbolische Elemente enthalten, zum Beispiel Öl und Wein, die der Samariter auf die Wunden tut. Manche sagen, man könne da vielleicht zu viel hineininterpretieren. Aber ich finde es sehr eindrücklich, wie in der Bibel solche Dinge wie Wein, Brot und hier auch Öl verwendet werden.
Das Öl hatte damals eine desinfizierende und wundenverschließende Funktion. In der Bibel steht es auch dafür, dass Gott uns salbt. Wir sind letztlich gesalbt oder versiegelt mit dem Heiligen Geist. Doch wir brauchen auch denjenigen, der uns berührt und salbt.
Der Wein steht stark für das Blut. Wir bluten, und was bringt Jesus? Sein eigenes Blut. Das ist eine weitere Bedeutungsebene des Gleichnisses.
Eine andere Frage ist: Wie sieht es mit meinem Herzen aus? Sehe ich mich als den Mann, der erschlagen am Boden liegt? Es ist auch spannend, dass wir oft sofort den Samariter in uns sehen und sagen: Ich bin der Samariter. Jeder möchte der Held seiner eigenen Geschichte sein.
Aber was ist, wenn Jesus der Held in dieser Geschichte ist, der kommt und Menschen hilft? Bin ich bereit, Jesus so zu sehen, dass ich selbst derjenige bin, der geschlagen ist?
Das finde ich total gut, wirklich beeindruckend.
Jetzt dachte ich noch, vielleicht sollten wir am Rande über eine Sache sprechen: Was ist, wenn wir einer der anderen beiden sind? Also, was ist, wenn wir in der Gefahr stehen, der Levite oder der Priester zu sein?
Wie oft geht es uns nicht so, dass wir irgendwo jemanden auf der Straße leiden sehen? Das kann entweder wortwörtlich auf der Straße sein oder wir denken, wir könnten doch viel mehr tun. Wie gehen wir damit um, wenn wir sehen: „Ich habe vielleicht nicht massig Geld, aber im Vergleich zu den Menschen, die in Afrika hungern, oder zu denen, die in der Ukraine alles verloren haben, habe ich immer noch etwas.“ Warum muss ich nicht helfen? Warum muss ich nicht mehr tun? Warum muss ich nicht mehr von dem abgeben, was ich habe, damit ich nicht in Gottes Augen wie der Priester oder der Levite bin, der einfach vorbeigeht und nichts macht?
Hast du dich das auch schon häufig gefragt oder fragst du dich das gerade? Es ist natürlich eine total herausfordernde Frage. Ich glaube, Jesus benutzt oft Gleichnisse, die genau solche Finger in die Wunde legen – wenn man das ganz extrem betrachtet. Dann müsste ich ja ständig jedem etwas geben, und das geht nicht. Es ist nicht praktisch umsetzbar, wenn ich durch die Stadt laufe, jedem, der bettelt, etwas zu geben.
Es geht auch schnell um den Punkt der Werksgerechtigkeit, dass ich einfach nur etwas tue, um mein Gewissen zu beruhigen. Aber ich denke, es darf uns durchaus herausfordern, unser eigenes Herz zu prüfen.
Denn was der Mann zuerst hatte, bevor er gegeben hat, war Erbarmen. Er hatte tiefes Mitgefühl mit dem Menschen. Und ich glaube, das muss auch für uns an erster Stelle stehen. Wenn Gott zum Thema Spenden spricht, dann sollen wir es aus einem freudigen Herzen tun.
Ich denke, wir sollten unsere Herzen prüfen: Warum habe ich vielleicht keine Barmherzigkeit gegenüber diesem Menschen? Vielleicht können wir uns da auch selbst mehr hinterfragen.
Ich glaube, das ist gut, was du sagst: Wir können praktisch nicht für jeden Menschen auf dieser Welt, der weniger hat als wir, persönlich etwas tun. Das ist klar. Wenn man die ganze Welt betrachtet, gehören wir letztlich zu den Top zehn Prozent – selbst wenn du individuell nicht viel Geld hast, ist das in Deutschland so.
Aber sich darauf auszuruhen und zu sagen: „Ich kann ja nicht jedem helfen, also helfe ich nicht“, das kann nicht sein. Die Frage ist tatsächlich: Kommt in deinem Leben Mitgefühl vor? Wo hast du Mitgefühl für andere oder Erbarmen?
Wenn man einfach denkt: „Ich muss nicht auf diese Not reagieren, weil dann könnte ja jeder kommen und jedem kann ich auch nicht helfen“, dann hast du dich natürlich elegant aus der Situation herausgezogen. Ja, du kannst nicht jedem helfen. Aber möglicherweise ist da ein Anliegen, und du bist gefragt – du solltest helfen.
Das ist die Gefahr bei den Leviten und Priestern: Wir denken, wir haben Gottes Reich im Blick und lassen dabei genau die Situation aus den Fingern gleiten, in der wir jemandem einzeln wirklich ein Zeugnis sein können.
Was wird dieser Mann, der geschlagen wurde, für eine Barmherzigkeit und Dankbarkeit gegenüber seinem Retter haben?
Gerade wir Christen müssen uns klar machen: Jesus benutzt hier das Gleichnis so, dass die Gläubigen, die Frommen, die vorbeigegangen sind. Und der aus dem fremden Volk hat geholfen.
Das ist, als würdest du in Deutschland sehen: Der Flüchtling aus der Ukraine wird von den Deutschen, die ihre netten Häuser haben, nicht aufgenommen. Aber die Familie aus Eritrea, die vor ein paar Jahren nach Deutschland kam und gerade in eine Zweizimmerwohnung gezogen ist, nimmt ihn auf. So musst du dir das vorstellen.
Das lässt einen wirklich nachdenken. Wir sind, glaube ich, berufen, mehr zu tun und für die Menschen in Not Erbarmen zu haben.
Wenn wir auch kritisch hinterfragen: Es gibt Gemeinden oder Kirchen, in denen Nächstenliebe gelebt wird, aber man sich fragt, wo die Liebe zu Gott bleibt. Dann müssen wir vielleicht auch den Finger in unsere Wunden legen und fragen: „Okay, hier ist vielleicht Liebe zu Gott, aber wo ist unsere Liebe zum Nächsten?“
Diese beiden Dinge zusammenzuhalten – ich denke, das ist eine gesunde Nachfolge. Nie gegeneinander auszuspielen, dass sich der eine geistlicher fühlt als der andere. Beides ist nötig.
Jesus gibt tatsächlich so eine zweigeteilte Antwort. Absolut. Und ja, darum geht es im Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Ja, wir haben noch eine Frage vorbereitet. Wenn du die Folge auf Spotify hörst, kannst du gerne schauen, ob du die Antwort weißt. Sie war in dieser Folge versteckt, und darüber freuen wir uns natürlich sehr.
Ich wollte schon sagen, dass wir nächste Woche von euch hören, aber ihr hört ja von uns. Ihr hört nächste Woche von uns.
Macht's gut, macht's gut. Das war die heutige Wortreich-Folge.
Wenn du diese Folge mit dem Handy auf Spotify angehört hast, kannst du einfach unten an unseren Umfragen teilnehmen.
Bis zum nächsten Mal. Ciao.