Der erste Bund hatte auch seine Vorschriften für den Gottesdienst und eine irdische Stiftshütte.
Im ersten Raum befanden sich das goldene Räucheraltar, der Tisch mit den Schaubrote und die Leuchter. Man nennt diesen Raum das Heilige.
Hinter dem zweiten Vorhang war der sogenannte Heilige der Heiligen. Dort stand ein goldener Altar für das Räucherwerk und die Bundeslade, die mit Gold überzogen war. In der Bundeslade befanden sich ein goldener Krug mit Manna, der Stab Aarons, der ausschlug, und die Tafeln des Bundes. Über der Bundeslade waren die Cherubim der Herrlichkeit, die den Gnadenthron bedeckten.
Diese Dinge dürfen wir jetzt nicht im Einzelnen erklären.
Im ersten Teil der Stiftshütte wurden Opfer dargebracht, die nach den Vorschriften des Gesetzes gereinigt wurden. Doch der zweite Teil war mit goldenen Vorhängen abgetrennt.
Dort trat nur der Hohepriester einmal im Jahr ein, und zwar nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Sünden des Volkes darbrachte.
Der Heilige Geist zeigt damit an, dass der Weg in das Heiligtum noch nicht offen war, solange das erste Heiligtum noch bestand.
Dieser Weg war nur durch das Blut von Opfern, die nach dem Gesetz dargebracht wurden, noch nicht frei.
Christus aber kam als Hohepriester der kommenden guten Dinge durch das größere und vollkommenere Zelt, das nicht mit Händen gemacht ist, das heißt nicht von dieser Welt.
Er trat ein in das Heiligtum, das nicht aus dieser Schöpfung ist, und brachte sein eigenes Blut als Opfer dar, das ewige Erlösung bewirkt.
Denn wenn das Blut von Stieren und Böcken und die Asche einer Kuh, die zur Reinigung von Unreinen besprengt wird, heiligt und eine äußerliche Reinigung bewirkt,
wie viel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne Fehl den Himmel dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von toten Werken, damit wir dem lebendigen Gott dienen!
Einführung in das Thema Gottesdienst und seine Bedeutung
Am besten ist es, wenn ein Taschentestament oder eine Taschenbibel dabei ist. Es geht um Gottes Wort, nicht um das Wort des Predigers. Dieses kann immer nur zum Wort Gottes hinführen.
Ich möchte bis Vers 14 lesen. In diesen Versen beschreibt der Hebräerbrief den alten Tempelgottesdienst und vergleicht ihn mit dem Werk Jesu.
Der Erste Bund hatte zwar auch seine Satzungen für den Gottesdienst und sein irdisches Heiligtum. Es war der aufgerichtete vordere Teil der Stiftshütte, in dem der Leuchter, der Tisch und die Schaubrote standen. Dieser Bereich heißt „das Heilige“.
Hinter dem zweiten Vorhang aber war die Hütte, die „das Allerheiligste“ genannt wird. Dort befanden sich das goldene Räucherfass und die Bundeslade, die allenthalben mit Gold überzogen war. In ihr war der goldene Krug mit dem Himmelsbrot, das Manna war, sowie der Stab Aarons, der gekeimt hatte. Dieser Stab war die Bestätigung der Wundermacht, die mit seinen Boten ging. Außerdem lagen dort die Tafeln des Bundes, die vom Sinai stammten.
Über der Lade waren die Cherubim der Herrlichkeit, die die Stätte der Versöhnung überschatteten. Dort wurde das Blut des Opfertieres hingetragen, unter diese Cherubim. Paulus spricht in Römer 3 von diesem Deckel der Versöhnung, der im Heiligtum aufgerichtet war. Von diesen Dingen wird jetzt nicht im Einzelnen gesprochen.
Da nun alles so eingerichtet war, gingen die Priester allezeit in die Vordere Hütte und richteten den Gottesdienst aus. In die andere Hütte aber ging nur einmal im Jahr allein der Hohepriester – nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die unwissentlichen Sünden des Volkes opferte.
Damit tat der Heilige Geist kund, dass der Weg zum Heiligen noch nicht offenbart sei, solange die Vordere Hütte stünde. Sie ist ein Gleichnis auf die gegenwärtige Zeit.
In ihr werden Gaben und Opfer dargebracht, die jedoch nicht das Gewissen vollkommen machen können, das Gottesdienst tut. Es sind nur Satzungen äußerlicher Heiligkeit über Speise und Trank und mancherlei Waschungen. Diese sind auferlegt bis auf die Zeit, in der die richtige Ordnung kommt.
Die Vollkommenheit des Wirkens Christi im Vergleich zum Alten Bund
Christus aber ist gekommen, damit er ein hoher Priester der zukünftigen Güter sei. Er ist durch die größere und vollkommenere Hütte eingegangen, die nicht mit Händen gemacht ist, das heißt, die nicht von dieser Schöpfung stammt.
Er ist auch nicht mit dem Blut von Böcken oder Kälbern eingegangen, sondern durch sein eigenes Blut ein für allemal in das Heilige eingetreten. Dadurch hat er eine ewige, das heißt eine unbegrenzte und in keiner Weise einschränkbare Erlösung erworben.
Wenn das Blut von Böcken und Ochsen sowie die Asche der roten Kuh, die als ganz besonderes Reinigungswasser im Tempel verwendet wurde, auf die Unreinen gesprengt wurde, um sie zur leiblichen Reinheit zu heiligen, wie viel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als ein fehlerloses Opfer durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen? Es befreit uns von den toten Werken, damit wir dem lebendigen Gott dienen können.
Ach, du musst uns jetzt dein Wort ganz groß machen. Amen.
Die Herausforderung, die Freude am Wort Gottes zu vermitteln
Ich habe bei der Vorbereitung Sorge gehabt, liebe Gemeinde, wie ich Ihnen die Freude an diesem Wort ganz groß machen kann. Ich habe gedacht, das Schlimmste wäre, wenn wir jetzt darüber reden und sagen: Was hat das für uns zu tun? Das Wort Gottes hat viel für uns zu tun, aber wie kann ich Ihnen die Augen öffnen?
Lassen Sie mich heute einmal mit Goethe anfangen. Er hat viel Gutes gesagt. Eines seiner Worte ist ganz bekannt und wird im Alltag oft bei nebensächlichen Dingen gebraucht: „Warum in die Ferne schweifen? Ach, das Gute liegt so nah.“ So wird es heute verwendet. Bei Goethe steht es zwar ein bisschen anders formuliert.
Was haben wir in Predigten schon für Themen erörtert: von der Grundlegung der Welt, seinem Plan mit der Schöpfung, wie Gott einmal am Ende der Zeit eine Welt schafft, in der Gerechtigkeit wohnt. Und jetzt möchte ich sagen: Jetzt reden wir heute mal von einem Thema, das ganz, ganz nahe liegt – von unserem Gottesdienst.
Das habe ich bisher nie gewagt, denn wir wollten nicht so intern sein. Nun aber gibt uns das Wort Gottes dieses Thema, und das ist ein aktuelles Thema. Unsere meisten Zeitgenossen draußen haben sich schon längst an diesem Punkt entschieden. Sie drehen sich jetzt herum, knüllen das Kissen unter den Kopf und sagen: Wie kann man nur so blöd sein und in der Kirche sitzen?
Können Sie denen eigentlich Antwort geben? Da entstehen in unseren Zeitungen so Leserbriefkriege ums Glockenläuten. Das ist ja nur die letzte Konsequenz, wo dann Leute sagen: Das ist ja nicht mal mehr zu rechtfertigen, dass die da am Sonntagmorgen überhaupt noch Geräusche machen.
Der Gottesdienst ist das Unbegreiflichste, Leerste, Sinnloseste, was man haben kann. Wenn meine verehrten Konfirmanden sich zum Unterricht anmelden, gibt es immer wieder nette Gespräche. Sie sagen dann: Das leuchtet mir ein, dass ich zum Unterricht muss, aber zu was muss ich sonntags in den Gottesdienst? Muss ich?
Sag ja! Wenn du dich konfirmieren lassen willst, musst du konsequent sein. Die Mitte ist nicht der Unterricht, sondern der Gottesdienst unserer Gemeinde. Er ist nicht ein Gemeindeabend oder sonst eine Veranstaltung, die wir haben. Der Gottesdienst ist die Mitte.
Die Bedeutung und Tradition des Gottesdienstes im Leben der Gläubigen
Was tun wir eigentlich heute Morgen, und was ist der Sinn unseres Zusammenkommens? Darüber muss ich sprechen, denn wir haben einen Schatz, den wir uns nicht oft genug bewusst vor Augen führen.
Erstens, was ich sagen will: Wir stehen in einer reichen Tradition, wenn wir Gottesdienst halten. Wir stehen in einer reichen Tradition.
Jetzt gibt es Leute, die sagen: „Wenn das Tradition ist, dann ist es ein alter Zopf, den man abschneiden sollte.“ Bei manchen ist ja alles, was uns überliefert wurde, von vornherein irgendwie in einem schlechten Licht.
Was meine ich mit Tradition? Am letzten Sonntag haben wir hier gepredigt. Wir alle standen unter dem Eindruck, wie Noah aus der Arche tritt und in diese Welt hineinkommt, in der die Wasser der Todesflut, der Sintflut, versickern. Da liegen noch die Spuren des Gerichts Gottes. Der Geruch des Todes liegt über dieser Welt.
Wie wohl das Herz dieses Noah verkrampfte! Wie soll ich in dieser Welt leben können? Und dann baut er einen Altar dort und schlachtet ein Tier, um vor Gott deutlich zu machen: „Ich lebe von deinem Erbarmen.“ Es war der erste Gottesdienst, meiner Zählung nach, der in dieser Welt gehalten wurde.
Und dann redet Gott mit diesem Noah und sagt ihm: „Noah, ich stehe als der Liebende und Erbarmende hinter dir. Geh in diese Welt!“ Gottesdienst heißt Befähigung fürs Leben. Es heißt Ausrüstung, Mutmachung. Das ist doch eine Sache, die mich fürs Leben tüchtig macht.
Keine Schulung, keine Ausbildung ertüchtigt mich so wie der Gottesdienst am Sonntag. Und wenn dann einer sagt, dass es langweilig sei, dass er einschlafe – wie könnte Noah einschlafen, wenn der Herr ihm seinen Bogen zeigt, den er in die Wolken setzt zum Zeichen seines Bundes?
Noah, sieh es an: Ich bin mit dir! Das war doch eine Frage für Noah: Kann ich mich darauf verlassen?
Gottesdienst als Zeichen der Treue Gottes in der Geschichte seines Volkes
Ich habe nur ein Problem: Ich darf mich hier nicht verlieren, ich muss es ganz knapp machen. Lassen Sie mich das Thema noch kurz anreißen.
Beim nächsten Gottesdienst, der gehalten wurde – es waren sicher noch weitere dazwischen –, wird von einem heimatlosen Ausländer berichtet, der durch die Wüste wandert. Er hatte eine behagliche Heimat, Freunde und Familienangehörige. Doch all das hat er zurückgelassen, um Gott gehorsam zu sein. So zog er hinaus in die Fremde und haust im Zelt.
Die Menschen stehen dabei und sagen: „Armer Mann, armer Abraham, du musst ja kümmerlich leben. Du bist ein Asket. Ach, ist das schwer, was Gott von dir fordert!“ Doch Abraham nimmt wieder ein paar Steine, baut sich einen Altar und predigt – predigt wörtlich – den Namen des Herrn. Er ruft den Leuten zu: „Wo ist in dieser Welt solch ein Herr zu finden, der mich so reich beschenkt? Ihr seid die Armen, ich bin der Reiche.“
Gottesdienst ist das freudenfeste Beschenken Gottes. Es ist das feste Millionäre Gottes, die sagen: „Wir haben alles.“ Ich wollte die anderen nur teilhaben lassen. Uns ist der Himmel aufgeschlossen.
Gottesdienst in Zeiten der Erstarrung und Not
Jetzt müsste man von den vielen Gottesdiensten sprechen, ich will es nur andeuten. In einer Zeit, als die Kirche völlig erstarrt war und der Gottesdienst nur noch tote Routine bedeutete, als einige Pfarrerskinder den Gottesdienst lediglich dazu nutzten, um von den Opfergaben, die damals im Kessel gekocht wurden, ihre Stücke herauszuholen – Hofny und Piniers, Sie kennen die Geschichte.
Im Grunde war alles verdreht und verkehrt. Da saß eine Frau und weinte im Gottesdienst den Jammer ihres Herzens aus. Der zuständige Pfarrer war so ungeschickt in der Seelsorge, dass er gar nicht bemerkte, was dort geschah. Stattdessen fiel er die Frau noch an und meinte, sie wäre betrunken. Es war Hanna in ihrem Schmerz.
Er lag über dieser Stiftshütte, diesem provisorischen Barackenbau, der den Tempel vorabbildete – dieses große Geheimnis, dass Gott sich dazu bekennt. Sie wissen, wie wir an jeder Form von Erstarrung und toter Kirche leiden und unter dem Falschen, dass wir Boden Gottes alles damit verbinden und die Sache Gottes betreffen.
Aber das Wunderbare bleibt: In aller Erstarrung der Kirche bekennt sich Gott hier zu seinem Volk und lässt sich hier finden – nur hier und nicht im Wald bei den Eichhörnchen, wo der Wind durch die Blätter rauscht. Hier hat er sich an den Gottesdienst gebunden.
An dieser Stelle des damals wirklich verderbten Tempels hat Gott seinen Samuel in der Nacht gerufen. Hier war einer, der hören konnte. Ein Knecht hörte die Rede, und hier wurde von Gott eine Befreiung seines Volkes geplant und neue Führer berufen.
Hier ist Erweckung geschehen, hier konnte Gott handeln.
Die Stiftshütte als Zeichen der Gegenwart Gottes trotz menschlicher Schwäche
Und noch einmal ein Stück weiter: Wir gehen zurück in die Wüstenwanderung des Volkes. Es war das Furchtbarste passiert, was man sich nur vorstellen kann. Das Volk hatte sich von Gott losgerissen und ein goldenes Kalb gebaut. Dieses beteten sie an. Dabei meinten sie nicht, dass Gott selbst ein Kalb sei. Vielmehr glaubten sie, dass Gott in der Kraft der Natur wirke.
Sie wählten die Stierkraft, die ungestüme Naturkraft des Tieres, als Ausdruck dieser göttlichen Kraft. Dann kam Mose vom Sinai herunter und sah all das. Er wusste nicht mehr, wie diese Welt noch erlöst werden konnte, wenn Menschen, die Gott kannten und denen er sich offenbart hatte, so von ihm abfielen. Ganz gedrückt war er.
Plötzlich leuchtete es draußen in der Wüste – man wusste gar nicht, was das war. Dann sprach Gott zu Mose und sagte: „Bau eine Stiftshütte. Ich will diesem sündigen Volk begegnen. Ich will eine Stätte haben, wo meine Ehre wohnt.“ Direkt an dieser Stelle, beim goldenen Kalb, befahl Gott die Errichtung der Stiftshütte.
Dann versteht man, dass der Schreiber des Hebräerbriefs sagt: Wir stehen in einer Tradition, ...
Gottesdienst als Ort der Begegnung mit Gott und Stärkung im Glauben
Was ist Gottesdienst? Gottesdienst ist kein Ereignis, bei dem wir nur im Gemeindeblatt nachsehen, wer predigt, und dann entscheiden, ob wir hingehen, weil uns der Prediger gefällt oder nicht. Vielmehr will Gott an uns handeln. Er ist hier gegenwärtig und möchte mit uns reden.
Im Gottesdienst werden Müde und Verzagte aufgerichtet. Er ist ein Zufluchtsort, ein Rastplatz mitten im Kampf des Lebens. In diesem Zusammenhang erzählt die Predigt von verschiedenen Gegenständen, die zunächst fremd erscheinen mögen. Vielleicht geht es Ihnen wie mir, wenn ich einen Text zum ersten Mal in der Predigtvorbereitung lese: Man denkt, das ist alles fremd. Aber ist es das wirklich?
Warum lagen damals die Schaubrote auf dem Altar? Diese Schaubrote versinnbildlichen, dass Gott ein Freudenmahl mit uns in der Ewigkeit feiern will. Es ist ein Vorabbild des Abendmahls. Schon im Alten Testament wusste man, dass der Herr uns zu seinem Fest einlädt. „Lasst uns gehen“, heißt es, denn er will mit uns ein Mahl feiern, so wie Jesus es im Gleichnis vom großen Königsmahl ausdrückt. Auch Psalm 23 beschreibt, wie der Herr uns voll einschenkt. Er ist der Gastgeber, der uns an seinen Tisch einlädt.
Dann ist da der siebenarmige Leuchter, der in Israel eine große Rolle spielt. Sind das nur Kultgegenstände? Nein, sie versinnbildlichen, dass wir durch die Dunkelheit der Welt ziehen und dass die Gemeinden in dieser Welt leuchten sollen. Sie sollen den Namen Gottes strahlen lassen.
Die Tafeln seines Bundes waren ebenfalls dort. Die Bundeslade, mit der das Volk Israel durch den Jordan zog, war ein Zeichen seiner Gegenwart. Als die Priester mit der Lade voran ins Wasser traten, rissen die Wasserfluten ab, und sie gingen trockenen Fußes hindurch.
Liebe Freunde, ich muss hier abbrechen. Es geht nicht um alte Kultgegenstände, die wir betrachten, sondern wir stehen in einer lebendigen Tradition. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth – das haben wir gerade im Psalm 84 gehört. Der Vogel hat ein Nest gefunden, und wir wollen aussprechen, dass es uns wohl ist, wenn der Herr uns in unseren Kirchen und Gottesdiensthäusern zu sich ruft.
Wenn wir Gemeinschaft in seinem Volk finden, spüren wir einen Hunger und eine Sehnsucht. Meine Seele schreit nach dem lebendigen Gott. Und wir haben einen Ort, an dem er uns begegnet. Das sind seine Gottesdienste.
Jesus Christus als Mittelpunkt des Gottesdienstes
Zweitens: In der Mitte unserer Gottesdienste steht der große Diener Jesus. In einem dieser alten Gottesdienste Israels hat Jesus sich einmal einen Zwischenruf erlaubt. Ich bin ihm dankbar, dass wir das heute nicht machen. Es wäre furchtbar, wenn wir dauernd Störungen hätten. Wir haben andere Gelegenheiten, bei denen einer reden kann.
Doch Jesus machte diesen Zwischenruf, und er war ganz bezeichnend. In Israel hat man die Gottesdienste besser gefeiert als bei uns. Unsere Gottesdienste sind dagegen kümmerlich. Sieben Tage lang wurde durchgefeiert, und das größte Fest war das Laubhüttenfest. Der Höhepunkt war, als der Priester in der Prozession zum Teich Siloah hinunterging, die Kanne voll Wasser nahm, hinauftrug und das Wasser über dem Brandopferaltar ausgoss. Danach riefen die Leute alle: „Halleluja, preist den Herrn!“
Das Hallel, so sagten die Rabbiner, soll das Dach des Hauses durchbrechen, es soll das Dach abdecken. Sie riefen voller Freude in der Sehnsucht nach dem Himmel, nach der Heimat bei Gott in dieser Welt mit all ihren Bedrängnissen, Anfechtungen und Not. Und dann war es vorbei. Die Leute gingen hinunter, gingen wieder in die Welt und waren wieder in der Wüste. Es war ein großer Gegensatz zwischen Sonntag und Werktag.
An dieser Pause, bevor die Leute gingen – so wie beim Gottesdienst, wenn das dreifache Amen verklungen ist, bevor das Nachspiel anfängt – genau an dieser Stelle rief Jesus und sprach: „Wer jetzt noch Durst hat, komme zu mir und trinke.“ Kultus und äußere Zeremonien können euer Herz nicht befriedigen. Das Wasser, das über dem Brandopferaltar ausgeschüttet wurde, ist nur ein Sinnbild. Jesus sagt: Einer kann seinen Lebenshunger nur an einer Stelle stillen – bei mir. Ich will dich satt machen.
Das ist die Mitte unserer Gottesdienste. Der Hebräerbrief sagt es so wunderbar: Der Leuchter und die Schaubrote sind nur kümmerliche Vorabschattungen des Kommenden in Jesus. Mir gefällt es, wenn mir jemand die Heiligtümer, etwa der Stiftskirche in Stuttgart, erklären kann: die Kunstwerke, den Schutzmantel Christi. Aber in allem wird uns gesagt: Alles will letztlich nur den großen Diener Jesus verkündigen.
Wenn es in unseren Gottesdiensten darum geht – und das wissen Sie – dann sollen alle unsere Handlungen, das Orgelspiel, die Begrüßung, das Singen der Lieder und alles, was wir tun, auf die Mitte hinweisen. Alle Zeremonien laufen darauf zu: auf den großen Diener Jesus.
Das muss ich im Wort zur Predigt sagen: Es schleicht sich immer wieder das Missverständnis ein, als ob es da irgendwie um den Prediger ginge. Nein, gerade das ist nie der Fall. Jesus hat es immer wieder gefallen, den Kontrast zu wählen. Er kommt in Gefäßen, die in einem ganz direkten Gegensatz dazu stehen. Als er als der König der Ehre nach Jerusalem einzog, nahm er sich einen Esel.
Der Pastor ist ein Esel, auf den Jesus einziehen soll. Halten Sie sich nicht daran auf. Kümmerlich, unvollkommen – alles, was wir tun, dürfen wir. Aber Jesus allein kann einziehen. Als die Weisen aus dem Morgenland kamen und ihre Gaben vor dem Kind in der Krippe ausbreiteten – goldene Gefäße und Schätze – waren sie völlig überrascht, dass das Kind in nassen Windeln lag.
Doch Herr aller Herren – das geht auch nicht anders. In einer Krippe, in diesen äußeren schlichten Formen, ist der Herr der Herrlichkeit, der König aller Könige. Sehen Sie das? Wir wollen auf ihn sehen, auf sein Kommen zu uns. Wir hören eine Predigt nicht danach ab, ob sie uns gefällt, ob sie gut komponiert ist oder ob sie in den Stil passt, sondern danach, ob Jesus zu uns kommt. Die Mitte muss doch klar sein.
Liturgie und Formen im Gottesdienst – Herausforderung und Erfahrung
Aber ein Wort zu den Zeremonien muss ich jetzt doch noch sagen. Manche von Ihnen haben es ein bisschen schwer mit uns Schwaben. Wir haben eine Art, dass wir für Liturgie nicht viel übrig haben. Theodor Heuss hat ja schon oft davon gesprochen, dass man daran merken könne, dass es in Württemberg nie einen begabten Musiker und einen großen Künstler gegeben hätte. Entschuldigung, mit Ausnahme unseres Organisten, aber ich meine sonst. Sie verstehen, was ich meine: Die großen Händel und Bach und so weiter waren alle irgendwo in Sachsen geboren. In Württemberg gibt es große Denker und Grübler.
Deshalb ist ja unser Gottesdienst die Armenliturgie. Er war bis zum Jahre 1931 noch viel, viel ärmer. In der altwürttemberischen Form wurde nur ein Lied gesungen und am Ende eine Halleluja-Strophe. Es gab überhaupt keinen Altardienst, vor dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Kerzen in unserer Kirche. In Denkendorf war ein Kirchengemeinderat, der das rigoros abgelehnt hat, noch als ich Vikar war. Er hat gesagt: „Ich will mein Licht in der Predigt haben, nicht auf dem Altar.“
Und das haben manche dann sehr schwer. Die sagen: „Ich habe auch etwas übrig für Kerzen und für Leuchter, und ich habe etwas übrig für die Formen.“ Ich habe das erst verstanden auf einer Ostreise, als ich an einem späten Abend in einem orthodoxen Kloster einen Gottesdienst miterlebt habe. Es war schon fast dunkel an einem Sommerabend, etwa gegen zehn Uhr, und dort standen sie dicht gedrängt, fast nur junge Menschen. Und die schauten zu.
Ich dachte immer: „Das ist doch bloß Theater, was die da spielen. Die kommen aus der Tür wieder raus, dann gehen sie wieder rein, dann singen sie wieder und dann klappen sie wieder die Tür zu. Was ist das eigentlich, was die da machen?“ Wir haben ja kein Verständnis dafür. Und wie sich Begriffe rollten, das Drama, das sich abspielte, erlebten sie noch einmal nach Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Da steht ein Sinn dahinter.
Doch will ich es auch unseren Freunden sagen mit der Liturgie: Im Himmel haben sie mal die Sorgen los. Da haben nicht mehr die Schwaben das Sagen, da wird nach vollkommener Liturgie gefeiert. Aber das wollen wir immer sehen: Es geht nicht um Formen. Die dürfen nie tot werden, wo wir auch Formen haben, ob das stilles Gebet ist oder Singen. Wir wollen in allem immer wieder eine Begegnung mit Jesus haben, und wir wollen dann ihn sehen, wie er meine Sünden wegschleppt.
Das schreibt hier der Hebräerbrief. Das ist die Mitte des Gottesdienstes, dass heute das geschieht, dass wir von hier weggehen und sagen: „Das ist bei mir geschehen.“ Nicht bloß im Abendmahl, sondern heute hat er meine Schuld weggetragen, und er stand vor mir als der Gekreuzigte. Und ich weiß, da darf ich wieder all das hinlegen, und ich bin freigesprochen durch ihn, los von allen Banden.
Blinde werden sehen, Verzweifelte werden fröhlich, Gebundene werden frei. Es wird eine völlige Erlösung geschaffen. Er als der große Diener will uns begegnen.
Gottesdienst als Lebenshaltung und Dienst im Alltag
Und noch ein Letztes: Jetzt wird das ganze Leben ein Gottesdienst.
Es war der traurigste Moment in Israel, wenn man am Ende des Gottesdienstes wieder nach Hause ging. Man sprach noch ein wenig miteinander, so wie wir das bei einem Stehimbiss vor der Kirche kennen. Doch am Ende war es dann aus.
Der zwölfjährige Jesus ist an dieser Stelle einfach nicht mehr heimgegangen. Er sagte: „Ich will da bleiben, das ist so schön.“ Können wir die Schönheit eines Gottesdienstes heute überhaupt noch verstehen?
Gerade im Osten erleben wir immer wieder, wie dort Gottesdienst gefeiert wird. Wenn der Gottesdienst beendet ist, schließt sich die Mahlfeier an. Doch niemand geht nach Hause. Nach der Mahlfeier folgt die Jugendversammlung. Und wenn diese zu Ende ist, gibt es eine Gebetsstunde. Dann sagen sie, jetzt ist wieder ein reifer Abendgottesdienst – einfach, um nicht auseinanderzugehen. Gottesdienst reiht sich an Gottesdienst. In ihrer bedrängten Lage ist das ein großes Erleben.
Wir haben einmal zwei junge Männer getroffen, die eine ganze Nacht durchgefahren waren, nur um noch einmal Gemeinschaft mit uns zu haben. Sie waren sechzehn Stunden unterwegs, in Zügen und Wartesälen, nur um Gemeinschaft zu erleben.
Im Neuen Testament wird dennoch noch etwas anderes gesagt. Deshalb dürfen wir unsere Kirche auch in der Woche leer stehen lassen. Denn tatsächlich ist etwas Gutes geschehen: Der Gottesdienst geht draußen weiter.
Jetzt müssen Sie aufpassen, dass wir das richtig verstehen. Paulus sagt: „Ich ermahne euch, dass ihr eure Glieder, eure Hände und Füße, diesem Herrn Jesus gebt, der eure Glieder reinigen kann. So könnt ihr draußen in der Welt mit euren Diensten diesem Herrn dienen. Das ist euer vernünftiger Gottesdienst.“ (Römer 12,1)
Lesen Sie das einmal nach: Plötzlich dient unsere Berufsarbeit, die uns bisher oft nur Ärger bereitete, zur Verherrlichung Gottes. Mein Leben wird ein Dienst für Gott. Warum? Weil er mich hier ständig von den toten Werken gereinigt hat, um dem lebendigen Gott zu dienen.
Ich stehe nicht mehr in dieser Welt, um mich nur selbst zu bedienen oder für mein Auskommen zu sorgen. Das wird mir groß: Der Herr will durch mein Leben wirken.
Jakobus nennt das noch etwas anders. Er sagt, der wahre Gottesdienst sei dann gegeben, wenn man sich um die Witwen und Waisen kümmert. Es gibt ja einige, die schon Kassettenrekorder mitgebracht haben und sagen: „Wir gehen nachher zu den Kranken und machen mit ihnen noch einmal Gottesdienst.“ Das ist praktisch, denn so wird der Gottesdienst in die Welt hinaus ausgeweitet.
Aber es geht nicht nur darum, den Gottesdienst noch einmal abzuspulen. Es geht darum, draußen in der Welt zu stehen, morgens früh am Anfang des Tages Stille mit dem Herrn zu haben, über seinem Wort, und dann in die Aufgaben des Tages zu gehen. So wird der ganze Montag, Dienstag und Mittwoch zu einem Gottesdienst, zu einem Fest, das ich für meinen Herrn lebe.
Luther war ein großer Mann und konnte sich gewagte Formulierungen leisten, die wir heute vielleicht nicht mehr wagen würden. Er hat an dieser Stelle so einprägsam und mutig formuliert, dass eine Macht vom Gottesdienst nach Hause geht, in den Stall, den Mist unter den Kühen wegkratzt und die Kühe bürstet. Und dann sagt er: „Das ist Gottesdienst.“
Luther war es wichtig, dass man nicht im Kloster sitzt und nur liturgisch lebt. Verstehen Sie? Man soll den Sprung in die alltägliche Arbeit schaffen und wissen: Dieser Herr, dem es nicht zu wenig war, im Stall zu liegen und in der Krippe zu schlafen, will unseren Dienst draußen haben.
Und wo ich ihn in seinem Namen beginne, da geschieht Großes. Jetzt ist es nur wichtig, dass ich einen Schnitt in meinem Leben mache.
Darum kommen wir heute im Gottesdienst zusammen, um zu sagen: „Doch, das war es heute.“ Ich habe es wieder durch dieses Wort hindurch gesehen. Anfangs dachte ich, der Hebräerbrief sei ein böhmisches Dorf, aber jetzt begreife ich erst, dass wir dafür sonntags zusammenkommen müssen.
Ohne den Gottesdienst können wir nicht leben. Ich brauche Menschen, die mir das immer wieder sagen. Jetzt wird mir die Woche klar. Jetzt wird mir meine schwierige Lebensführung klar. Ich verstehe plötzlich, dass ich nicht in der Wüste lebe, sondern dass der Herr mitten in dieser Welt ist.
Der Himmel ist aufgerissen – nicht nur zwischen halb zehn und halb elf, sondern die ganze Woche stehe ich unter dem geöffneten Himmel. Der Herr geht mit mir.
Er, der große Diener, hat mich mit seinem Blut gereinigt. Es liegt keine Mauer mehr zwischen mir und Gott. Ich stehe im Frieden Gottes, ich bin frei geworden. Er ist bei mir, ich kann ihm dienen.
Dann stehe ich in der Liebe und Nähe des Vaters. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in der kommenden Woche fröhlich dem Herrn dienen, weil er Ihnen heute gedient hat. Und weil Sie dann entdecken: Auf diese Weise bin ich ein gesegneter Herr.
Man weiß nie im Gottesdienst, wer eigentlich wem dient: Dient der Herr uns oder dienen wir ihm? Alles miteinander, so wie es in der Ewigkeit einmal sein wird – dass wir ihm dienen, ihn ehren und er uns dient und uns ehrt.
Welch eine Veränderung dieser Welt und unseres Lebens! Amen!
Schlussgebet und Sendung in den Alltag
Wir wollen beten. Herr Jesus Christus, wir danken dir für die Begegnungen, die du uns so oft in dieser Welt geschenkt hast. In unserem Leben sind es irdische Orte, äußere Bauten, von Menschen gemacht, an denen du mit uns gesprochen hast.
Wir wollen dir für dieses Wunder danken, auch für die Tradition des Volkes Gottes, in der wir stehen dürfen, auch in diesem württembergischen Land. Wir danken dir für das, was du getan hast – von den Zeiten der Väter bis in unsere Tage hinein. Dass du unsere Schuld nicht heimsuchst und immer wieder mit Erbarmen neue Aufbrüche schenkst, das ist dein Wunder, Herr!
Nun bitten wir dich: Bleibe in unserem Leben stets vor Augen als der große Diener, der uns erlöst und frei macht. Du nimmst uns die schweren Lasten vom Rücken und machst uns frei, damit wir fröhlich und unbelastet leben können. Ja, wir wollen dir mit allem dienen – auch im Lauf der Woche, in unserem Beruf, in unserem Familienleben, in der Freude und im Leid. Möge unser ganzes Leben ein Dienst für dich werden und ein Lobpreis deines Namens.
Herr, wir bitten dich auch für unser ganzes Gemeindeleben – nicht nur für die Veranstaltungen, die wir haben, und nicht nur für die äußere Verwaltung, sondern auch für jedes einzelne Glied deiner Gemeinde hier. Segne sie, auch jetzt die, die von uns getrennt sind, weil sie krank sind oder deren Körper so schwach ist, dass sie nicht bei uns sein können. Trage sie und mach sie stark. Du kannst auch in diesen Krankenstuben gegenwärtig sein und sie zu Stätten deiner Gegenwart verwandeln.
Herr, wir freuen uns darauf, dass wir eines Tages den Neugottesdienst bei dir in der Ewigkeit feiern werden. Gib, dass keiner von uns dieses Ziel versäumt. Zieh uns durch bis zu deiner Vollendung.
„Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
Und nun sendet der Herr sie nicht erst am Ende des Gottesdienstes, sondern jetzt geht der Gottesdienst weiter. Jetzt beginnt nur der zweite Teil des Gottesdienstes, in dem wir ihm mit Herz, Mund und Händen dienen. Dazu sendet er uns hinaus in seine Welt, die ihm gehört.