Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 198: Scheidung und Ehebruch.
Einführung in das Thema Scheidung im biblischen Kontext
Ich lese uns noch einmal den Text vor, um den es gerade geht: Matthäus Kapitel 5, die Verse 31 und 32.
„Es ist aber gesagt: Wer seine Frau entlassen will, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlässt – außer auf Grund von Hurerei –, macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird. Und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“
Der Herr Jesus spricht hier über Scheidung. Genau genommen geht es ihm um die Frage, inwiefern sich das Denken zum Thema Scheidung ändert, wenn wir ein heiliges Verständnis von Ehe gewinnen.
In den letzten beiden Episoden haben wir uns mit dem Denken der Rabbis beschäftigt. Für sie war klar: Eine Scheidung ist möglich, und sie wird vor Gott durch einen Scheidebrief legitimiert.
Und jetzt kommt Jesus.
Jesu Korrektur der rabbinischen Sichtweise
Und wir müssen das gut verstehen. Wenn Jesus hier mit einem „Aber“ antwortet, will er nicht eine vermeintlich laxe Rechtsprechung verschärfen, sondern eine falsche Interpretation von 5. Mose 24 aufdecken.
Bleibt die Frage, welche falsche Vorstellung der Pharisäer Jesus hier korrigieren will. Da er sich kaum in die spitzfindigen Diskussionen zwischen verschiedenen Schulen der Pharisäer eingeschaltet haben dürfte, hat er wahrscheinlich den Punkt im Blick, den alle Pharisäer als gegeben ansehen.
Alle denken, dass das mosaische Gesetz dem Mann das Recht gibt, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Sie gehen von 5. Mose 24 aus und diskutieren gerade noch darüber, welches anstößige Vergehen eine Frau begangen haben muss, damit man sie wegschicken kann. Aber natürlich ist in ihren Augen der Mann, der sich an das Prozedere hält, also einen Scheidebrief ausstellt, komplett ohne Schuld.
Genau dieses Denken wird Jesus jetzt korrigieren. Mit dem „Ich aber sage euch“ leitet Jesus seine Korrektur ein. Nach dem „Aber“ stimmt Jesus mit der rabbinischen Position seiner Zeit nicht mehr überein.
Was folgt, sind zwei Aussagen, die durch ein „und“ miteinander verbunden sind. Matthäus 5,32: „Ich aber sage euch, jeder, der seine Frau entlässt, außer aufgrund von Hurerei, macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“
Unabhängigkeit der beiden Aussagen und grammatikalische Bedeutung
Achtung: Das „und“ verbindet hier zwei Aussagen, die inhaltlich nicht miteinander in Beziehung stehen. Es bedeutet nicht, dass jeder, der seine Frau entlässt, bewirkt, dass mit ihr zukünftig Ehebruch begangen wird. Ebenso heißt es nicht, dass wer eine Entlassene heiratet, dann mit ihr Ehebruch begeht. Diese beiden Aussagen sind unabhängig voneinander. Man darf nicht einfach, weil es einem passt, ein „und“ in ein „denn“, „weil“ oder „deshalb weil“ hineinlesen.
Ich betone das so deutlich, weil Grammatik wichtig ist und dieser Punkt noch einmal auftauchen wird.
Zurück zur Position Jesu: Für einen Pharisäer wurde eine Scheidung moralisch vertretbar durch das Ausstellen eines Scheidebriefes. Genau das sieht Jesus anders. Er lehnt jedoch nicht die Idee der Scheidung als solche ab. Ein Scheidebrief darf ausgestellt werden, und eine Ehe kann beendet werden, aber dies darf nicht leichtfertig oder aus betrügerischer Absicht geschehen. Es muss ein wirklicher Grund vorliegen.
Deshalb formuliert der Herr Jesus, dass eine Scheidung nur aus dem Grund der Hurerei erlaubt ist.
Die Bedeutung der Formulierung „macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird“
Wenn es keinen handfesten Grund für eine Scheidung gibt, begeht derjenige, der sich scheiden lässt, Ehebruch mit seiner Frau. Das Thema wird jetzt etwas komplizierter. Da der Text für die Seelsorge sehr wichtig ist, möchte ich heute etwas tiefer darauf eingehen.
Die Frage lautet: Was bedeutet es, dass „er macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird“? Wörtlich steht hier im Griechischen „meuchoi tenai“, was übersetzt „Er macht sie, Ehebruch zu begehen“ bedeutet. Diese wörtliche Übersetzung ist allerdings nicht sinnvoll. Deshalb übersetzt man es meist mit „er macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird“.
In der Standardauslegung geht man dann meist davon aus, dass die Frau trotz der Scheidung noch mit ihrem Mann verheiratet ist, weil kein wirklicher Grund für die Scheidung vorlag. Wenn sie später wieder heiratet, dann heiratet der neue Ehemann eine quasi immer noch verheiratete Frau und begeht damit Ehebruch mit ihr. Diese Auslegung habe ich schon oft gehört, halte sie aber für falsch.
Warum? Um das glauben zu können, müsste man zwischen den Sätzen ein „weil“ einfügen. Genau das steht aber nicht da. Die beiden Sätze lauten:
Erstens: „Ich aber sage euch, jeder, der seine Frau entlässt, außer auf Grund von Hurerei, macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird.“
Zweitens: „Wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.“
Diese beiden Sätze sind voneinander unabhängig. Sie sind nur durch ein „und“ miteinander verbunden. Deshalb müssen sie auch jeweils für sich ausgelegt werden, auch wenn sie thematisch zusammenhängen.
Auch die eingedeutschte Übersetzung „macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird“ deutet bereits an, dass die Frau Ehebruch erfährt, nicht selbst begeht. Dabei betont die Verbform „begangen wird“ eine punktuelle Handlung. Es geht also nicht um etwas, das erst irgendwann später geschieht, weil die Frau erneut heiratet.
Drittens und das ist jetzt besonders interessant: Im Text heißt es „Ich aber sage euch, jeder, der seine Frau entlässt, außer auf Grund von Hurerei, macht, dass mit ihr Ehebruch begangen wird.“ Hier ist „entlässt“ ein Partizip, und „macht“ ist das Hauptverb zum Partizip. Man muss wissen, dass die Handlung des Partizips parallel zur Handlung des Hauptverbs stattfindet. Das ist bei abhängigen Partizipien einfach so.
Das bedeutet, dass das Entlassen der Frau im selben Moment geschieht, in dem sie den Ehebruch erlebt. Es ist also die Scheidung selbst, die zum Ehebruch führt, nicht das, was die Frau später tut.
Zusammenfassung der theologischen Bedeutung und Ausblick
Eine in meinen Augen schöne und mit den vorausgehenden Ideen zum Thema Scheidung gut vereinbare Übersetzung wäre also: Wer seine Frau entlässt, außer aufgrund von Horerei, macht seine Frau zu einer, mit der die Ehe gebrochen wurde. Sprich, wer sich grundlos scheidet, lässt seine Frau Ehebruch erleiden.
Ich denke, die nicht ganz einfache Formulierung „macht sie Ehebruch begangen werden“ will gar nicht auf die Frau bezogen werden, sondern auf den Mann. Er ist der Ehebrecher, sie erleidet den Ehebruch und wird wie eine Ehebrecherin weggestoßen, wobei der Mann vor Gott schuldig wird. Genau das aber war der Punkt, den die Pharisäer nicht sehen wollten. In ihrem Konzept war der Mann immer ohne Schuld, Scheidebrief natürlich vorausgesetzt.
Frage: Warum sagt dann Jesus nicht einfach, wie in Markus 10,11: „Wer seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegen sie“? Warum die schwierige Passivform?
Eine mögliche Antwort wäre: Vielleicht wollte der Herr Jesus durch die schwierige Verbform seine Antwort eng mit 5. Mose 24 verknüpfen, wo, wie wir gestern sahen, ja auch eine seltene Verbform verwendet wurde. Und man könnte sogar spekulieren, dass er hier zwei Dinge auf einmal sagen will. Nämlich, dass der Ehemann zum Ehebrecher wird und die Frau gleicherweise in den Augen der Zuschauer eine Stigmatisierung erfährt.
Das wäre jedenfalls gut denkbar. Klar ist, worauf der Herr Jesus hinaus will: Wer sich hinstellt und eine Ehe einfach so beendet und sich für schuldlos hält, weil er ja einen Scheidebrief ausstellt, der irrt sich. Ich kann formal in den Augen der Gesellschaft alles richtig machen und doch zum Ehebrecher werden.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest mir dafür vergeben, dass ich dich heute mit Grammatik gequält habe. Manchmal muss das leider sein.
Das war's für heute. Schreibe doch heute zwei ermutigende SMS an Geschwister, die entmutigt und belastet sind.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
