Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist, Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 76: Ein Sprung von der Zinne des Tempels.
Die Versuchung Jesu in der Wüste und seine Standhaftigkeit
Kehren wir zurück zur Versuchung Jesu in der Wüste. Über den Herrn Jesus heißt es im Hebräerbrief, Kapitel 4, Vers 15: „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie wir versucht worden ist, doch ohne Sünde.“
Der Text macht deutlich, dass der Herr Jesus weiß, was es heißt, versucht zu werden. Hier steht „in gleicher Weise wie wir“. Und dennoch bleibt er bei den Versuchungen, die er erlebt, standhaft und sündigt nicht.
Wenn wir im Markus-Evangelium lesen, heißt es dort, dass er vierzig Tage in der Wüste war und von dem Satan versucht wurde. Das bedeutet, auch wenn wir nur die drei Versuchungen am Ende der vierzig Tage betrachten, kann es sein, dass der Teufel den Herrn Jesus die ganze Zeit, also vierzig Tage lang, versucht hat.
Ist es nicht großartig? Der Herr Jesus wird vierzig Tage lang versucht, und trotz seiner körperlichen Schwäche bleibt er ohne Sünde.
Die zweite Versuchung: Ein riskanter Sprung vom Tempel
Kommen wir zurück zur Versuchung in der Wüste. In Matthäus 4,5-7 heißt es: Darauf nimmt der Teufel Jesus mit in die heilige Stadt, stellt ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich hinab! Denn es steht geschrieben: ‚Er wird seinen Engeln über dir befehlen, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.‘“
Jesus antwortete ihm: „Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Dies ist die zweite Versuchung, über die wir uns Gedanken machen wollen. Ich lasse sie euch noch einmal aus dem Lukasevangelium vorlesen, Lukas 4,9-12:
„Und er führte ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: ‚Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich von hier hinab! Denn es steht geschrieben: ‚Er wird seinen Engeln über dir befehlen, dass sie dich bewahren.‘ Und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.‘“
Jesus antwortete ihm: „Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Die Absicht des Teufels und die Gefahr der falschen Bibelauslegung
Was will der Teufel? Er will, dass der Herr Jesus sich von einem sehr hohen Punkt des Tempels, wo jeder ihn sehen kann, hinabwirft, um mit Blick auf das Zitat aus Psalm 91, Verse 11 und 12, ein Wunder zu provozieren.
In der ersten Versuchung hatte der Herr Jesus dem Teufel mit einem Bibelzitat geantwortet. Jetzt setzt der Satan selbst die Bibel ein, um den Herrn Jesus zu einer Sünde zu verleiten. Das Zitat ist nämlich echt. Psalm 91 feiert den Segen und den Schutz, der dem Gläubigen zuteilwird.
Hören wir das Zitat im Original selbst: Psalm 91, Verse 11 und 12: "Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf allen deinen Wegen. Sie tragen dich auf Händen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt." Das ist eine Verheißung, oder? Und wenn sie für jemanden gilt, dann doch bestimmt für den Sohn Gottes, oder?
Lasst uns an dieser Stelle eine Sache kurz festhalten: Der Teufel kann uns zur Sünde versuchen, indem er Bibelstellen verwendet. Ja, er reißt sie aus dem Zusammenhang und legt sie auf seine Weise aus, aber er benutzt Bibelstellen.
Woher glauben wir auch, dass all die christlichen Sekten mit ihren merkwürdigen Theologien kommen?
Der wahre Kontext von Psalm 91 und die Gefahr des Missbrauchs
Aber zurück zu Psalm 91. Die Verse, die der Satan zitiert, beschreiben den Schutz, der dem zuteilwird, der – und jetzt wird es spannend – eben nicht eigenwillig ein Wunder provoziert, sondern ganz im Gegenteil.
Hören wir ein paar Zitate aus Psalm 91. Es geht um jemanden, der „im Schutz des Höchsten wohnt“ (Psalm 91,1), auf Gott vertraut (Psalm 91,2), dessen Zuflucht der Herr ist (Psalm 91,9), der an Gott hängt und seinen Namen kennt (Psalm 91,14) und der seinen Gott anbetet (Psalm 91,15).
Merkt ihr, was der Teufel tut? Er reißt die Verse einfach aus dem Zusammenhang. Er tut so, als würden sie bedeuten, dass der Herr Jesus einfach tun kann, was er will. Und im Sinne eines geistlichen Naturgesetzes müssten die Engel dann dafür sorgen, dass er, egal welchen Blödsinn er anstellt, keinen Schaden nimmt.
Aber darum geht es im Psalm 91 nicht. Bitte lasst uns im Umgang mit der Bibel total vorsichtig sein. Es reicht nicht, irgendwelche Verse zu zitieren – das kann, wie wir gerade sehen, der Teufel auch. Wir müssen die Wahrheit verstehen, die hinter den Versen steckt.
Und darin liegt das Problem: Man kann nämlich Bibelverse wie Zaubersprüche rezitieren, ohne tiefer über sie nachzudenken. Und damit wir uns klar verstehen: Das ist dann kein einfältiger Umgang mit der Schrift, sondern ein dummer Umgang mit der Schrift, womöglich ein dämonischer.
Wer so mit der Bibel umgeht, der versucht Gott. Er geht mit Gott genauso um wie die Israeliten in der Wüste.
Jesus’ Antwort und die Bedeutung des „Gottes nicht versuchen“
Jesus zitiert erneut aus dem Fünften Mose, als er dem Teufel antwortet: „Ihr sollt den Herrn, euren Gott, nicht auf die Probe stellen“ (Fünfter Mose 6,16). Dies bezieht sich auf die Zeit in Massa, dem Ort, an dem das Volk Israel kein Wasser hatte.
Dort begann das Volk, mit Gott zu streiten und seine Gegenwart in Frage zu stellen. Gott zu versuchen bedeutet, ihn herauszufordern, besonders wenn ich etwas unbedingt haben will – etwas, von dem ich glaube, ein Recht darauf zu haben. Ich will etwas und stelle Gottes Existenz oder seine Fürsorge in Frage, weil ich es nicht sofort bekomme.
Gott zu prüfen oder zu versuchen funktioniert so: Ich will etwas und provoziere Gott dazu, es mir zu geben. Dabei denke ich: „Wenn du wirklich Gott bist, dann musst du das und das tun.“ Wie ich ihn provoziere, spielt keine Rolle. Ich kann seine Güte infrage stellen, seine Allmacht bezweifeln oder, wie in unserem Fall, ihn durch mein Verhalten zum Handeln zwingen.
Immer geht es bei einer Versuchung darum, Gott vor meinen Karren zu spannen.
Die Haltung Jesu und die richtige Auslegung von Gottes Schutzversprechen
Wenn der Teufel den Herrn Jesus auffordert, von der Zinne des Tempels zu springen, würde ihm ein solches Wunder sicherlich Bewunderung bei den Zuschauern einbringen. Das wäre ein großes Spektakel. Doch Jesus macht nicht mit.
Er verweigert sich, weil er sofort erkennt, dass die Haltung dahinter alles andere als geistlich ist. Psalm 91 gibt mir als Gläubigem das Versprechen, dass Gott mich aus jeder Situation retten kann, in die er mich führt. Ob er das dann tatsächlich tut oder nicht – denken wir an Golgatha – ist eine ganz andere Frage.
Psalm 91 darf mich jedoch niemals dazu verleiten, zu glauben, Gott müsse mich unabhängig von meinem Verhalten retten, nur weil er es versprochen hat. Das tut er nicht. Schlechte Auslegung wird nicht dadurch wahr, dass sie mit den Worten „in der Bibel steht“ beginnt.
Lasst uns bitte sehr vorsichtig sein, wenn sich in unserem Denken die Idee einschleicht, Gott müsse etwas tun, weil wir einen Bibelvers kennen, der uns im Sinn eines Zauberspruchs Macht über Gott verleihen soll. So einen Vers gibt es nicht.
Gott ist treu. Er steht zu dem, was er sagt. Er ist nicht willkürlich. Doch die Bibel ist kein Zauberbuch, um den Schöpfer zu bändigen und seine Macht für meine eigenen Ziele zu beanspruchen. Gott bleibt immer noch Gott.
Abschließende Gedanken zur Haltung gegenüber Gott
Lasst uns deshalb eines nie vergessen: Gott hat das Recht, uns auf die Probe zu stellen, aber wir haben kein Recht, ihn zu versuchen.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest darüber nachdenken, in welchen Situationen du Gefahr läufst, Gott auf die Probe zu stellen.
Das war's für heute. Letzte Woche gab es drei frische Gebetsanliegen von mir. Du findest sie in der App oder kannst dich auf frogwords.de in den Verteiler der Berlin News eintragen lassen.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.