Es ist ein großes Vorrecht, heute in eurer Mitte sein zu dürfen, und ich freue mich sehr darüber. Dies ist mein dritter Besuch in Deutschland in diesem Kalenderjahr. Es ist immer wieder schön, die Verbindung zu erneuern und die Sprache wieder aufzufrischen.
Das ist auch etwas, das ich zu Hause tun kann. Die Schlachter- und Neuschlachter-Übersetzung, insbesondere die Schlachter 2000, wird auf MP3 gesprochen. Diese MP3s werden mir ins Ohr gelegt, meistens höre ich eine halbe Stunde pro Tag, manchmal auch eine Stunde. So halte ich meine Sprache auf dem Laufenden. Die Umstellung, wenn ich für wenige Tage hierher komme, fällt mir deshalb nicht so schwer.
Es ist schön, viele von euch, die ich kenne, wiederzusehen. Ebenso freue ich mich darauf, viel, viel mehr von euch persönlich in diesen Tagen kennenzulernen.
Die Vorstellung, die ich eben gegeben habe, war noch nicht ganz vollständig. Ich war vor dem Umzug in die USA tätig. Dort waren wir in einer bestehenden Gemeinde engagiert. Eine Gruppe von uns verließ diese Gemeinde und gründete eine Tochtergemeinde. An dieser Gründung war ich dreizehn Jahre lang beteiligt.
Das bedeutet, zu den zwanzig Jahren in Deutschland kommen noch einmal dreizehn Jahre vor Ort in den USA hinzu. Ich bin sehr dankbar für das, was ich dort lernen durfte. Man lernt so viel durch Fehler. Ist euch das schon einmal aufgefallen? Dass wir Fehler machen und daraus viel lernen können?
Wir haben eine erhebliche Menge an Fehlern gemacht, aus denen wir wiederum viel lernen durften. Ich bin so dankbar für die Gnade des Herrn, dass er uns wegen unserer Fehler nicht verwirft. Stattdessen setzt er uns in seiner großartigen Gnade weiterhin ein und benutzt uns in seinem Dienst.
Ich empfinde, dass wir alle ähnlich denken dürfen. Wir wissen, dass wir alle unzulänglich sind, gewöhnliche Menschen, wenn ich das so sagen kann. Wir sind alle Sünder und verfehlen die Herrlichkeit, die wir bei Gott haben sollen. Trotzdem benutzt er uns in seiner großartigen Liebe in seiner Gemeinde und tut und baut großartige Dinge.
Wenn ich an die kleinen Anfänge der KfG denke – die ersten Tage, Monate und Jahre – dann erinnern sich drei oder vier von uns gut daran, wie diese Anfangsjahre waren. Wir hatten Tagungen und freuten uns, wenn fünfzehn oder zwanzig Teilnehmer kamen.
Wenn man heute einen vollen Saal sieht und merkt, dass dies nicht die einzige Konferenz im Jahr ist, sondern es in Groß Düllniss auch noch eine große Konferenz gibt, dann preist den Herrn! Darüber sollten wir alle jubeln, dass er seine Gemeinde hier im dunklen deutschsprachigen Raum zu seiner Ehre baut. Das gibt großen Grund zur Freude.
Als Lehrer beschäftige ich mich viel mit Definitionen. Besonders wichtig ist es, wenn man über Themen wie Gottes Worte spricht, dass Lehrende und Lernende dieselben Definitionen verwenden.
Gerade an diesem Punkt wurde mir bei der Spaltung der Gemeinde in Stuttgart im Jahr 1980 ein großer Fehler bewusst. Ich führte Gespräche mit einigen, die die Gemeinde verließen, um zu verstehen, warum sie gingen. Dabei entdeckte ich meinen größten Sprachfehler für mein Leben.
Einer der Weggehenden sagte zu mir: „Du hast uns nie über diese Dinge gelehrt.“ Das war 1980. Ich antwortete: „Kannst du dich erinnern, dass ich etwa fünfzehn Wochen lang über die Gemeinde gepredigt und in der Bibelstunde sowie im Gottesdienst gelehrt habe? Fünfzehn Wochen – kannst du dich daran erinnern?“ Er sagte: „Ja, aber Roger, du meintest die örtliche Gemeinde.“ Ich hingegen verstand die universale Gemeinde.
In diesem Moment fiel ich fast in Ohnmacht. Fünfzehn Wochen lang hatten wir aneinander vorbeigeredet, ohne es zu merken. Wir waren wie zwei unbeleuchtete Schiffe, die sich in der Nacht begegneten, aber sich nicht sahen oder trafen.
Daher ist es äußerst wichtig, wenn wir über Gemeinde sprechen, genau zu klären, welche Gemeinde gemeint ist. Wenn wir über eine Gemeinde sprechen, die gegründet wird, dann ist die universale Gemeinde schon seit langer Zeit gegründet – vor mehr als zwanzig Jahrhunderten. Heute sprechen wir von örtlichen Gemeinden, die wir gründen und aufbauen.
Es ist nicht nur wichtig, das richtige deutsche Wort zu finden, sondern auch den biblischen Inhalt des Begriffs Gemeinde zu verstehen.
Ich möchte heute Abend, dass wir den biblischen Begriff Gemeinde ein wenig ausfüllen und versuchen zu verstehen, was Gott vorhat. Morgen werden wir noch mehr über die Erfüllung und Bedeutung dieses Begriffs herausfinden.
Im Alten Testament wählte Gott das Volk Israel aus, um sich selbst der Welt darzustellen. Er erwählte Israel, und dann wohnte er unter dem Volk Israel. Seine Gegenwart war über dem Sündendeckel bei der Bundeslade des Herrn in der Stiftshütte, im Allerheiligsten. Das Volk Gottes wusste: Da ist Gott unter uns.
Die meisten von uns kennen die Geschichte aus 1. Samuel 4. Israel verlor eine Schlacht im Krieg gegen die Philister. Israel sagte: Wir brauchen Gott. Deshalb gingen sie zurück und holten die Bundeslade des Herrn aus der Stiftshütte an die Kriegsfront.
Als die Bundeslade ins Lager getragen wurde, jubelte das Volk Israel so laut, dass die Philister ihr Jubelgeschrei hörten. Die Philister bekamen Angst und dachten: Morgen verlieren wir ganz sicher.
Am nächsten Tag verlor Israel erneut. Die zwei Söhne von Eli, Hofni und Penehas, starben, und die Bundeslade des Herrn kam in die Hände der Philister. Ein Läufer kam zurück nach Silo mit der Nachricht, was geschehen war. Er kam zu Eli, dem Hohenpriester, der auf diese Nachricht wartete.
Der Läufer kam in die Stadt und verkündete, dass die Bundeslade des Herrn verloren sei. Ein furchtbares Geschrei brach aus. Eli hörte das. Dann berichtete der Läufer Eli, dass die Bundeslade des Herrn und auch der Krieg verloren seien.
Der Läufer sagte in 1. Samuel 4,17: „Israel ist vor den Philistern geflohen, das Volk hat eine große Niederlage erlitten, auch deine beiden Söhne Hofni und Penehas sind tot, und die Lade Gottes ist verloren.“ Als der Läufer die Lade Gottes erwähnte, fiel Eli rückwärts vom Stuhl neben dem Tor, brach sich das Genick und starb. Er war alt und ein schwerer Mann. Er hatte Israel vierzig Jahre lang gerichtet.
Eli’s Schwiegertochter, die Frau von Penehas, war kurz vor der Geburt. Als sie das Geschrei hörte, dass die Lade Gottes weggenommen worden war und ihr Schwiegervater und ihr Mann tot seien, sank sie nieder und gebar, denn die Wehen überfielen sie.
Als sie im Sterben lag, sprachen die Frauen, die bei ihr standen: „Fürchte dich nicht, du hast einen Sohn geboren!“ Aber sie antwortete nichts und beachtete es nicht. Sie nannte den Knaben Ikabod und sprach: „Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen, weil die Lade Gottes weggenommen worden ist und wegen ihres Schwiegervaters und ihres Mannes.“
Sie sagte erneut: „Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen, denn die Lade Gottes ist weggenommen.“
Ichabod ist ein ulkig klingender Name, nicht wahr? Keiner von uns kam auf die Idee, dem Sohn diesen Namen zu geben – erst recht nicht wegen der Bedeutung. Sie bedeutet: Die Herrlichkeit ist fort, Gott ist nicht mehr unter uns.
Ich gehe davon aus, dass es sich hier um eine sehr gläubige Frau handelt, eine sehr fromme und gottesfürchtige Frau, die die Liebe zu Gott in ihrem Herzen trägt. Die Tatsache, dass sie einen Sohn bekam, war völlig überschattet von der Realität: Gott ist nicht mehr unter uns.
In Vers 22 wird das noch einmal deutlich gesagt: „Und sie sprach wiederum: Gott ist weg, die Herrlichkeit ist weg.“
Es ist eine gute Frage, ob uns das eine Not ist – ob Gott da ist. Ich betete, besonders wenn ich eine längere Strecke zu fahren hatte. Während der Fahrt und in der Vorbereitung betete ich: „O Herr, sei hier, sei wirksam, rede du! Wirke du in uns! Wir möchten nicht einfach zusammenkommen und dabei ohne Gott sein.“
Wäre es nicht tragisch, wenn über dem Eingangstor oder der Eingangstür eines Gemeindehauses das Wort „Ichabod“ stünde? „Die Herrlichkeit ist fort.“ Ist es den Gottesdienstbesuchern überhaupt bewusst, dass Gott vielleicht gar nicht da ist?
Diese Frau weinte. Vierhundert schweigende Jahre lagen nach dem Ende des Alten Testaments dazwischen. Gegen Ende des Alten Testaments nahm Gott seine Herrlichkeit von Israel weg. Die Bundeslade kam zwar zurück, aber später entfernte Gott seine Herrlichkeit, seine Gegenwart, von Israel. Es herrschte eine schweigende Stille zwischen den Testamenten.
Und dann offenbarte Gott seine Herrlichkeit noch einmal.
Im Johannesevangelium, Kapitel 1, Vers 14, heißt es: „Und das Wort, wir werden es in wenigen Tagen zigmal zitieren, ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und voller Wahrheit.“
Was Israel versäumte zu tun, war, die Herrlichkeit Gottes getreu darzustellen, sodass die Völker sehen konnten, wie Gott wirklich ist. Israel versagte darin. Nun sendet Gott seinen eigenen Sohn, Jesus Christus. Dieser Text sagt eindeutig, dass er unter uns wohnte und wir seine Herrlichkeit sahen.
In diesem Text wird seine Herrlichkeit definiert: Es ist eine Herrlichkeit voller Gnade und voller Wahrheit.
1973 hörte ich eine Predigt über diesen Vers, die mich bis heute prägt. Ich hatte den Vers vorher zwar gelesen und gehört, doch an diesem Tag verstand ich etwas, das mein Leben nachhaltig beeinflusst hat.
Dieser Vers sagt, dass die Herrlichkeit Jesu voller Gnade und voller Wahrheit war und ist.
Ich möchte einige Behauptungen aufstellen. Alle von uns, die heute Abend hier sind, tendieren entweder zu einem Extrem oder zum anderen. Im gefallenen Fleisch, im gefallenen Ich, neigen wir entweder zu einer Überbetonung der Sympathie oder zu einer Überbetonung der Strenge.
Auf der einen Seite gibt es eine Neigung zu einer Überbetonung von Wärme, Freundlichkeit und Sympathie. Ich möchte das biblische Wort „Gnade“ hier nicht verwenden, denn es ist zu gut, um es in diesem Zusammenhang zu gebrauchen. Diese Überbetonung führt zu einer Vernachlässigung der biblischen Wahrheit. Was oft als Gnade bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit nur Sympathie, denn biblische Gnade ist immer verbunden mit biblischer Wahrheit.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die auf das andere Extrem fallen. Sie betonen strenge Prinzipien übermäßig. Auch hier möchte ich nicht das Wort „Wahrheit“ verwenden, weil es ein gutes biblisches Wort ist. Es handelt sich um eine Überbetonung von Strenge.
Lassen Sie uns nun kurz darüber nachdenken, was passiert, wenn eine Gemeinde eine Überbetonung von Sympathie zeigt. Manche, die diese Überbetonung vertreten, würden sagen, sie seien voller Gnade. Doch wir werden sehen, warum das nicht sein kann.
Welche negativen Auswirkungen können entstehen, wenn eine Gemeinde zu sehr auf Sympathie und Wärme setzt? Es entsteht Lässigkeit. Biblische Wahrheit verschwindet, es gibt keine Korrektur mehr, Sünde wird geduldet, und es herrscht Passivität. Gemeindezucht wird nicht praktiziert. Wenn Sünde nicht benannt wird, ist Gemeindezucht nicht mehr vorhanden. Es entsteht eine Toleranz, die man auch als Inklusivismus bezeichnen könnte: „Komm doch alle rein, es ist alles in Ordnung.“
Meine Frau und ich hatten vor einigen Jahren um die Weihnachtszeit Besuch aus Deutschland. Wir fuhren zu einem Konzert in einer nahegelegenen Stadt, in einer Gemeinde, die wir nicht kannten. Wir setzten uns auf die letzte Bank. Mein deutscher Freund, der etwa fünf oder sechs Personen links von mir saß, fand auf der Rückseite der Bank vor uns einen kleinen Zettel. Er holte ihn heraus und las ihn. Dann suchte er meinen Blick und zeigte auf den Zettel. Vor mir war auch so ein Zettel, den ich ebenfalls herausnahm.
Die Gemeinde gab auf dem Zettel bekannt, dass die Tür für alle offen sei, so wie sie sind – unabhängig von der sexuellen Orientierung. Jeder sei willkommen. Unten gab es einen Treffraum für Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung.
Für mich verdarb das das Konzert. Die Lieder, die gesungen wurden, waren herrliche Weihnachtslieder. Doch ich dachte nur: „Ah, das konnte ich nicht verkraften.“
Nun zur anderen Seite: der Überbetonung von Prinzipien in Strenge. Welche negativen Folgen entstehen, wenn eine Gemeinde diese Überbetonung praktiziert?
Es zeigt sich häufig Gesetzlichkeit, fehlende Freude, Kälte, Selbstgerechtigkeit, Misstrauen, Lieblosigkeit, Leistungsdruck, Heuchelei und Härte. Es scheint, als ob wir diese Seite besser kennen. Es gibt hier viel mehr Beiträge dazu.
In sehr strengen Gemeinden wird Gemeindezucht oft viel zu häufig, hart und lieblos ausgeübt. Solche Gemeinden sind exklusivistisch eingestellt. Man sagt: „Ich weiß um mein Heil, über deins weiß ich gar nichts.“ Selbst gegenüber einem Mitältesten besteht oft keine Sicherheit oder Vertrauen. Es herrscht Misstrauen und eine Bereitschaft zu richten.
Man könnte sagen, diese Seite sei geprägt von Stolz. Doch es gibt auch Menschen auf der anderen Seite, die sehr stolz darauf sind, inklusivistisch zu sein. Auch hier spielt Stolz eine Rolle. Der menschliche Stolz äußert sich eben auf unterschiedliche Weise – je nachdem, auf welcher Seite man steht.
Nun, vor wenigen Tagen hatte ich das Vorrecht, in eine fliegende Maschine zu steigen. Bevor ich einstieg, stellte ich sicher, dass beide Flügel vorhanden waren. Das ist meiner Meinung nach immer klug.
In Kriegsfilmen sieht man oft, dass wenn der rechte Flügel abgeschossen wird, was passiert? In den Dokumentarfilmen sieht man eine Spirale, und das Flugzeug prallt auf den Boden oder ins Wasser. Wenn der linke Flügel abgeschossen wird, passiert das Gleiche, aber die Spirale dreht sich in die andere Richtung, und es endet ebenfalls mit einem Aufprall auf Boden oder Wasser.
Diese beiden Extreme sind lebensgefährlich – und das gilt auch für die Gemeinde. Wenn wir darüber nachdenken, beschreiben diese beiden Extreme die weltweite Gemeinde.
Der liberale Zweig hält wenig oder nichts von der Bibel. Er pickt sich heraus, was ihm gefällt, behauptet christlich zu sein, aber vernachlässigt täglich die Wahrheit der Schrift.
Die andere Seite hingegen fügt der Bibel Prinzipien und Anwendungen hinzu, die pharisäisch sind. Es entstehen Gesetze, die gar nicht in der Bibel stehen.
Die eine Seite nimmt von der Bibel weg, die andere fügt zur Bibel hinzu. Komisch, nicht wahr? Sind wir Menschen, sind wir Kinder, nicht manchmal komische Wesen? Wirklich?
Ich möchte weder in der einen noch in der anderen Gemeinde sein. Die biblische Gemeinde, als Trägerin der Herrlichkeit Jesu, muss voller Gnade und voller Wahrheit sein – beides zugleich.
Jesus war immer voll von beidem. Alles, was er sagte, jedes Wunder, das er tat, jede Predigt, die er hielt, jede Heilung, die er bewirkte, war voller seiner Herrlichkeit.
Jesus verwandelte Wasser zu Wein (Johannes 2). Am Ende des Berichts heißt es, dass Jesus solches tat und dadurch seine Herrlichkeit offenbarte.
Er zeigte seine Gnade, als die Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, zu Jesus gebracht wurde. Nachdem die Kläger weggelaufen waren, klagte Jesus sie nicht an. Stattdessen sah er ihre Zerbrochenheit und vergab ihr.
Er beendete die Begegnung mit ihr mit den Worten: „Geh und sündige hinfort nicht mehr.“ So zeigte er ihr Gnade und wies ihren Weg zur Wahrheit.
Jemand sagte: Wir Christen sollen weder inklusivistisch noch exklusivistisch sein, sondern evangelistisch. Wir laden Menschen in die Wahrheit ein – zu Jesus. Dabei bauen wir eine Brücke der Gnade zu den Menschen und laden sie ein, Gottes Wesen kennenzulernen.
Komm zu Jesus, lerne die Wahrheit und erlebe die Befreiung von eurer Schuld.
Übrigens ist es mir sehr wichtig, dass ich hier nicht missverstanden werde, denn in der Vergangenheit ist mir das bereits passiert. Keinem von euch ist das widerfahren, aber mir.
An dieser Stelle möchte ich betonen: Wenn wir von hundert zu hundert sprechen, dann meinen wir nicht sechzig zu vierzig. Ein bisschen Lüge wird nicht durch ein bisschen mehr Gnade aufgehoben. Ebenso wird ein bisschen Hass nicht durch ein paar härtere Prinzipien ausgeglichen. Wir können nicht von sechzig zu vierzig reden; hier sprechen wir von hundert zu hundert.
Christus war voll von beidem. Im Fleisch ist es für uns unmöglich, diese Eigenschaften zugleich hervorzubringen. Wir können freundliche Menschen sein – das hängt vielleicht vom Charakter, vom Typ, von der Erziehung oder vom Herkunftsland ab. Aber so wie Christus voller Gnade und voller Wahrheit ist, kann kein Mensch ohne die Hilfe des Heiligen Geistes sein.
Diese beiden Eigenschaften zugleich zu zeigen – mit Tränen Gefallene zurechtzuweisen und ihnen zu helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen –, das ist eine Gemeindezucht, die erlösend wirkt. Das Ziel ist, dass der Bruder oder die Schwester zurückkehrt, nicht verscheucht oder zerstört wird, sondern wieder aufgebaut wird, um mit Christus zu wandeln. Das ist immer das Ziel.
Nun, es gibt viele Menschen, die, wenn sie ehrlich sind, sagen: „Weißt du, es fällt mir furchtbar schwer, Dinge beim Namen zu nennen. Das fällt mir wirklich schwer.“
Andere sagen in meiner schwäbischen Zeit oft diesen Spruch: „Ich rede mir, wie mir der Schnabel gewachsen ist.“ „Ich bin halt nun mal so“, sagt man mir.
„Ich bin halt nun mal so“ ist meistens nichts anderes als eine sehr billige Ausrede, stur egozentrisch zu bleiben. Denn wenn ich so bin und das, wie ich bin, nicht so ist, wie Christus ist, muss eine Änderung geschehen. Diese Änderung geschieht nicht bei ihm, sondern bei mir.
Wenn ich zu hart bin und nicht Christus ähnlich in Liebe, voll Gnade mit Menschen umgehe, dann muss eine Änderung geschehen. Ich kann mich nicht hinter der billigen Ausrede verstecken und sagen: „Ich war immer hart, ich bin immer hart, es ist mein Hang.“
Nun, es tut mir leid, wenn ich heute Abend sagen muss: Das gilt nicht. Das ist keine geltende Ausrede. Stattdessen muss diese Aussage verwandelt werden in die Bitte: „Herr, ändere mich!“
Da, wo ich unchristusähnlich bin, wo ich selbstbezogen, hart, lieblos handle und rede, vergib mir und verwandle du mich in die Ähnlichkeit Jesu an dieser Stelle.
Jesus weinte über Jerusalem. Wie oft hat er versucht, die Stadt zu ködern und zu sich zu ziehen? Er weinte über diese verhärtete, weglaufende Stadt.
Bei der Tempelreinigung zeigte Jesus, was er in Wahrheit dachte. Viele Menschen denken dabei: „Aha, da hat er sich verloren.“ Doch ich bin mir sehr sicher, dass er sich nicht verloren hat. Er hat sich vielmehr sehr zurückgehalten.
Einmal habe ich in meinem Studium über die Wunder Jesu und über das, was auf dem Tempelplatz geschah, erfahren: Die kleinen Tauben wurden verkauft. Im Vergleich zu heute kosteten sie draußen zehn Cent, aber hier auf dem Tempelplatz wurden sie für vier Euro verkauft. Das ist eine enorme Preissteigerung.
Und weißt du, wessen Hand in der Kasse steckte? Der Hohepriester. Er kassierte ab, und die Leute wussten das. Es war nicht erlaubt, eine Taube von außerhalb mitzubringen. Man musste sie dort kaufen – ein Monopolgeschäft.
Es ist kein Wunder, dass Jesus sie nicht alle tötete. Jesus war gnädig, dass er nur eine Peitsche benutzte. Oh ja, voller Gnade und voller Wahrheit!
Wir dürfen im Leben niemals einen Kompromiss mit der offenbarten Wahrheit der Schrift eingehen. Das ist nicht erlaubt. Es geht darum, hundertprozentig in der biblischen Wahrheit zu stehen und diese ebenso hundertprozentig im Leben umzusetzen.
Das bedeutet, wir dürfen weder lügen noch übertreiben. In den USA, wenn es um Zahlen geht, etwa wie viele Menschen anwesend waren, hört man oft einen bestimmten Ausdruck, der evangelistisch gemeint ist. Evangelistisch gesprochen waren es 500 Personen. In Wirklichkeit waren es jedoch 250. Evangelistisch gesprochen ist das schlichtweg eine Lüge, wenn man es so klar sagen will.
Wir dürfen weder übertreiben noch untertreiben, sondern müssen bei der Wahrheit bleiben. Evangelisten zählen immer die Ohren und nicht die Nasen. Ja, Evangelisten zählen die Ohren und nicht die Nasen. Deshalb wird oft das Doppelte angegeben.
Es geht darum, voller Wahrheit und voller Gnade zu sein.
Nun, Christus blieb nicht hier. Er ging wieder zum Vater. Schlagen wir gemeinsam Johannes 17 auf. Dort finden wir eine wunderbare Erkenntnis.
Jesus betete zunächst für sich selbst in den Versen 1 bis 5. Danach betete er in den Versen 6 bis 19 für die elf Jünger. Schließlich betete er in den Versen 20 bis 26 für dich und mich, für uns heute Abend in Rehe. Dieses Gebet ist sehr ermutigend.
Vers 20 lautet: „Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Das bedeutet, durch das Wort der Apostel werden Menschen an ihn glauben.
Jesus fährt fort: „Damit sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“
Er spricht von der Herrlichkeit, die der Vater ihm gegeben hat und die er den Jüngern gegeben hat: „Auf dass sie eins seien, gleich wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, gleich wie du mich liebst.“
In diesem Text betete Jesus besonders für unsere geistliche, gereinigte und gelebte Einheit. Das Wort „gleich wie“ übersetzt das griechische Wort „kathos“. Dieses Wort hat mich lange beschäftigt.
Vor einigen Jahren, als ich durch eine Art inneren Antrieb getrieben wurde, begann ich, das Neue Testament systematisch zu untersuchen. Mein Vorgesetzter sagte damals: „Roger, wenn du weiter hier arbeiten willst, musst du deinen Doktor machen.“ Ich antwortete: „Ich bin doch keine Krankenschwester, warum sollte ich einen Doktortitel machen?“
Während meiner Arbeit mit verschiedenen Klassen habe ich eine Untersuchung im Neuen Testament durchgeführt. Ich markierte in meiner Bibel alle Stellen mit senkrechten grünen Strichen, an denen mindestens zwei der drei Personen der Dreieinigkeit im Zusammenhang erwähnt werden. Dabei entdeckte ich etwa 280 Zusammenhänge, mit über 1600 Versen.
Ich erstellte daraus eine Computerdatei und begann zu beobachten, was dort vor sich geht. Wie sieht die Beziehung aus? Welche Merkmale ihrer Einheit sind erkennbar?
In diesen Versen liest man, dass der Vater den Sohn liebt und der Sohn den Vater liebt. Ein interessantes Detail ist, dass der Geist Gottes Jesus in die Wüste führte zur Versuchung. Jesus ging zum Vater, und Jesus schickte den Geist. Es gibt also einen Wechsel in der Führung: In einer Situation leitet der Geist, und Jesus folgt; in einer anderen leitet Jesus, und der Geist folgt. Das fand ich sehr interessant.
Erst Petrus berichtet, dass der Vater vom Himmel sprach auf dem Berg der Verklärung: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Petrus erklärt, dass der Vater dem Sohn Ehre gab und ihn ehrte.
In dieser Beziehung sehen wir viele wunderbare Dinge. Nachdem ich mit meiner Untersuchung fertig war, begann ich, die Verse erneut zu durchkämmen. Besonders im Johannesevangelium entdeckte ich zwei weitere Merkmale, die ich zuvor übersehen hatte. So musste ich mindestens drei- bis viermal von vorne beginnen.
Denn je weiter ich kam, desto mehr entdeckte ich. Wisst ihr, sechs Monate lang war das für mich Anbetung. Ist es nicht schön, eine solche Arbeit schreiben zu dürfen? Nicht müssen, sondern dürfen. Ich durfte sechs Monate lang den Charakter Jesu und den Charakter Gottes studieren. Dafür bin ich sehr dankbar.
Nun, die Einheit, die wir auszuleben haben, ist dieselbe, wie Vater, Sohn und Heiliger Geist eins sind. Geschwister, das ist eine vollkommene Einheit.
Wenn wir unsere Gemeinden betrachten und die Zerrüttung, Zersplitterung, Spaltungen, Kämpfe und Streitigkeiten sehen, die dort vorhanden sind, dann sollte das bei uns Christen nur Kopfschütteln auslösen.
Noch etwas: In jeder Ehe soll der Ehemann Christus darstellen und die Ehefrau die Gemeinde. Auch in dieser kleineren Einheit sollte geistliche Einheit herrschen. Angesichts der vielen Scheidungen unter Christen haben wir dort viel Arbeit zu tun.
Denn die Einheit in der Familie muss genauso sein wie in der größeren Gemeinde. Die Familie ist eine kleinere Gemeinde, die Ortsgemeinde eine größere, umfassendere Gemeinde. Aber beide sollen eins sein, wie Vater, Sohn und Geist eins sind.
Ich möchte hier nochmals betonen: Es ist nicht eine Einheit, die durch Kompromisse mit geoffenbarter Wahrheit ermöglicht wird. Die Wahrheit bleibt unverändert. Es ist eine Einheit, die auf Gottes Offenbarung basiert.
Nun sehen wir in dem Text die Auswirkung davon. Lesen wir Vers 21 noch einmal: „auf dass sie eins alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir, darf auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“ Das bedeutet, damit die Welt an Jesus glaubt.
Ich hörte von einer Gemeinde, die eine Vorbereitung auf Evangelisation gemacht hat. Diese Gemeinde hat eine Schule für geistliche Einheit veranstaltet. Zwischenmenschliche Versöhnungen wurden in die Wege geleitet, Versöhnungsgespräche geführt, damit Christen den Weg zueinander finden.
Wäre es da nicht absolut töricht, wenn wir mit unseren Traktaten rausgehen? Wir haben hier in der Gemeindeküche einen mächtigen Streit darüber, ob wir Kaffee oder Tee trinken sollen. Und dann gehen wir hinaus mit unseren Traktaten und wollen fernstehende Menschen in Versöhnung mit Jesus bringen. Wie lächerlich machen wir uns dabei und wie unglaubwürdig sind wir!
Stattdessen sollten wir im Gebet miteinander, mit vereintem Herzen auf den Knien, diese Einheit finden. Und dann erst hinausgehen.
Als ich in die Staaten zurückkehrte, nachdem ich Deutschland und Europa verlassen hatte, verließ ich auch unser missionarisches Team. Das schämte mich nicht, im Gegenteil, es war etwas ganz Besonderes. Gott schenkte uns eine unglaublich liebevolle Einheit untereinander.
Ich kam zurück zu der Ausbildungsstätte, an der ich meine Ausbildung gemacht hatte. Ich begann dort meinen Dienst und dachte, hier würde geistliche Einheit absolut praktiziert. Die Enttäuschung, die ich erlebte, kann ich kaum in Worte fassen. Statt Einheit herrschte Chaos und Uneinigkeit.
Doch Gott wirkte im Laufe der Jahre wunderbar. Heute nennen wir unsere Dozentensitzungen, die jeden Dienstagnachmittag von halb vier bis Viertel vor fünf stattfinden, die schönsten Minuten unserer Woche. Und das ist nicht gekünstelt. Wir lieben einander, vertrauen einander, vergeben einander und dienen einander.
Vor zwei Jahren mussten wir eine große Änderung im Programm vornehmen. Die Bibelabteilung der Universität wurde uns als Dozenten des Seminars anvertraut. Die drei Bibellehrer wurden entlassen, und wir übernahmen die Verantwortung für die gesamte biblische Ausbildung von tausend College-Studenten – und das sofort.
Wir mussten das bestehende Programm komplett überarbeiten. Ich bin nun schon viele Jahre dort, und wir haben diese Umstrukturierung mehrfach durchgeführt. Manche Umstellungen dauerten zwei Semester, doch wir hatten nur drei Wochen Zeit. Innerhalb dieser drei Wochen, inklusive einiger Sondersitzungen, haben wir die Arbeit abgeschlossen.
Dabei wurden folgende Sätze oft gesagt: Nicht einmal „Wenn es nach mir ginge, würde ich das so machen“, sondern eher „Meine Vorliebe ist zwar in diese Richtung, aber ich beuge mich den anderen, wenn sie es anders sehen.“ Das wurde nicht nur einmal, sondern mehrfach so formuliert: „Das, was ich am liebsten möchte, ist dies, aber wenn alle anderen denken, das ist besser, dann machen wir das. Ich stelle meine Wünsche zurück.“
Es ging dabei nicht um biblische Wahrheiten, sondern um die Gestaltung der Stunden und die Ausarbeitung der akademischen Pläne. Es ging nicht um die Lehre selbst. Geschwister, das war ein Genuss!
Manchmal denken wir, wir kommen zur nächsten Sitzung und es wird ein Kampf. Früher war das oft so. Wir kamen nach Hause, ganz geknickt, weil so viel Spannung in der Sitzung herrschte. Ich spreche hier nicht von eurer Gemeindestunde, sondern von uns.
Die ausgelebte Einheit, voll Gnade und voller Wahrheit, voller biblischer Wahrheit und aufrichtiger gelebter Wahrheit in unserem Leben, ist einer der besten Beweise dafür, dass Gott wirksam in dieser Welt ist.
Die Welt schaut darauf, wie viele nicht die Hand heben, wie viele von uns je von jemandem gehört haben, der sagt: „Der Grund, warum ich nicht Christ werde.“ Es sind die Christen.
Wisst ihr, ich bin einmal in eine Gemeinde gegangen und habe einen Gemeindestreit gehört. „Oh“, sagte ich, „das kenne ich vom Kleintierzuchtverein.“ Warum tue ich das? Warum gehe ich in die Gemeinde? Manche würden sagen: „Ich kenne das nicht einmal vom Kleintierzuchtverein.“ Und das ist in der Gemeinde so. Ja, wir haben die Notwendigkeit, die Einheit nicht selbst zu produzieren.
Wisst ihr, das ist das Schöne: Wir sind alle bewohnt vom Heiligen Geist. Hier ist eine Erkenntnis, zu der ich in meinem Studium gekommen bin, die mich umgehauen hat. VfB Stuttgart – ich brauche nur VfB Stuttgart zu sagen. Was ist das? VfB Stuttgart, die Fans, das ist eine Interessengemeinschaft. VfB Stuttgart oder Mönchengladbach oder welches Team auch immer, die deutsche Nationalmannschaft – wir jubeln alle, wenn sie gewinnen. Ich habe von den USA aus gejubelt. Aber das ist eine Interessengemeinschaft.
Nirgends auf der Welt, in keiner Religion, in keinem anderen Verein gibt es das, was die Gemeinde hat. Wir sind alle Geschwister, wir sind alle verwandt. Ich war diese Tage in Detmold und übernachtete bei einer Familie. Er sagte: „Ich persönlich habe 450 Verwandte in Detmold.“ Ich wusste nicht, dass es so etwas geben könnte. Aber es sind ja Russlanddeutsche, die sich gerne vermehren und große Familien haben. Das habe ich auch dort gesagt.
Aber, Geschwister, heute Abend kommen wir aus verschiedenen Ländern, aus verschiedenen Teilen der Welt, aus verschiedenen Teilen Deutschlands, und wir sind alle verwandt. Du hast den Geist Gottes, und du hast den Geist Gottes, und du hast, und du hast – und wie ich, wir alle haben den Geist Gottes, bewohnt von ihm. Wir wurden alle von einem Geist zu einem Leib getauft, getränkt. Wir alle tragen Christi Wesen.
In der Welt, in Weltvereinen, da wissen Sie, wie man eine andere Person ehrt. Es gibt Auszeichnungen, Sie wissen, wie man Freundlichkeit zeigt, Sie wissen, wie man kommuniziert. Es gibt viele gute Bücher über Kommunikation. Das sind Eigenschaften der Einheit, der Dreieinigkeit, Kommunikation zwischen den Gliedern der Dreieinigkeit.
Aber an einem Punkt heben wir uns total ab von allen anderen, und das ist an diesem Punkt: Wir sind eins, gemacht durch den innewohnenden Heiligen Geist. Und daher, was steht in Epheser 4? Es ist sehr, sehr interessant. Da steht in Epheser 4:
„So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, indem ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragt und eifrig seid, die Einheit des Geistes zu bewahren. Er hat sie gemacht, er hat sie produziert, wir haben sie zu bewahren im Bande des Friedens.
Ein Leib, ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung, eure Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, über allen, durch alle und in euch allen.“ (Epheser 4)
Meine Frage heute Abend an uns zum Schluss – oder können wir sagen, Gottes Frage an uns ist: Wie sehr liegt es uns auf dem Herzen, seine Herrlichkeit gerecht darzustellen in unseren Ehen, Familien und in unseren örtlichen Gemeinden? Und das ohne Kompromiss in irgendeiner Form mit geoffenbarter Wahrheit. Ohne Kompromiss durch Lüge, Unterbetonung oder Überbetonung, Untertreibung oder Übertreibung. Wir sollen total korrekt in allen Dingen die Wahrheit sagen und leben.
Wie groß ist die innere Last, dass wir das tun?
Ich kann euch gerne die Liste von Bibelstellen geben, die ich gefunden habe. Ihr könnt dann selbst beobachten, wie Vater, Sohn und Heiliger Geist wirken. Als ich einem Pastorfreund von meiner Liste von sechzehnhundert Versen erzählte, sagte er: „Roger, ich hätte höchstens zwei- oder dreihundert erwartet.“
Ich fand 80 Verse im Epheserbrief, die ich fast alle grün angestrichen habe. Johannes 14, 15, 16 – das würdet ihr erwarten, denn das ist der letzte Abend Jesu, und auch hier ist fast alles grün markiert. Aber auch im Epheserbrief, überall durch die Apostelgeschichte und den Römerbrief findet man solche Stellen.
Man findet Erwähnungen von verschiedenen Geschwistern und Leuten. Manche sagen, das Christentum sei gleichzusetzen mit dem gleichen Gott wie im Islam – das ist nicht wahr. Wir haben einen Gott, der uns zu seinem Bilde gemacht hat: Vater, Sohn und Geist, drei Persönlichkeiten, die uns perfekt zeigen, wie unsere Einheit aussehen soll. Und darin dürfen wir seine Herrlichkeit zeigen.
Die Herrlichkeit, die er uns gegeben hat, ermöglicht das. Wir haben die Ausrüstung, die Zurüstung wurde uns geschenkt. Als Jesus zum Vater ging und der Geist Gottes kam, begann diese Herrlichkeit, die Gemeinde zu bewohnen. Es ist nur unsere Aufgabe, sie zu öffnen, damit die Welt diese Herrlichkeit sehen kann.
Ich war einmal an einem Diensttag – nicht Dienstag, sondern Diensttag – von unserer Schule aus am Nachmittag arbeiten. Wir halfen an einem Haus in einer nahegelegenen kleineren Stadt. Etliche Gemeinden aus dem Ort hatten dieses Haus gekauft. Es lag nur ein paar hundert Meter von der Schule, dem Gymnasium, der Highschool entfernt.
Dort saßen einige ältere Witwen, wahrscheinlich die meisten, den ganzen Tag. Sie hüteten Kinder und Säuglinge von Teenagermüttern, die mit 14 oder 15 Jahren ein Kind zur Welt gebracht hatten, aber die Schule noch nicht beendet hatten. Diese Frauen pflegten die Kinder tagsüber, damit die Mädchen zur Schule gehen konnten.
Diese Gemeinden taten das nicht, um zu billigen, dass vorehelicher Geschlechtsverkehr und Kinder außerhalb der Ehe in Ordnung seien. Vielmehr wollten sie die Liebe Gottes zeigen – an Menschen, die große Fehler im Leben gemacht hatten. Sie wollten deutlich machen: Wir lieben euch, Jesus liebt euch.
In unserer Gemeinde gibt es einen Dienst für Menschen, die in Süchten sind. Ich darf im leitenden Team mitarbeiten. Vor wenigen Wochen kam jemand neu in unsere Gruppe. Er sagte, es sei sein Beginn bei uns. Er bekannte sich zu Christus, war seit Jahren bekennender Christ, trank aber jeden Tag. Er hatte sogar getrunken, bevor er zu uns fuhr. Ihm war bewusst, dass das nicht richtig war.
An dem Abend traf er eine Entscheidung: Mit Gottes Hilfe wollte er trocken bleiben. Eine Woche später konnten wir alle jubeln, dass er es geschafft hatte. Auch die nächste Woche war ein Grund zur Freude. Doch in der darauffolgenden Woche kam er ganz geknickt zu uns. Er war auf einer Geschäftsreise, fand sich in einer Bar wieder und fiel rückfällig.
Wir sammelten uns um ihn, sagten ihm, dass wir mit ihm leiden. Er saß auf der Couch, wir kamen von hinten und legten alle unsere Hände auf ihn. Gemeinsam beteten wir für ihn. Als wir fertig waren – wir waren zu fünft oder sechst – sagte er: „Niemand hat das je für mich getan.“
Dann fragte ich ihn: „Ist es möglich, dass ich gerade eine Fahne gerochen habe?“ Er antwortete: „Ja, oh Roger! Ich schäme mich, so komme ich nie wieder in die Gruppe mit einer Fahne. Es tut mir leid.“ Wir haben ihn nicht rausgeschmissen, sondern sind ihm unter die Arme gegriffen. Gott half ihm in den folgenden Wochen.
Unser Ziel ist, dass er ein Leben lang für Jesus leben kann. Wir als Gemeinde Jesu sind dafür da, Menschen zu helfen, die in tiefster Not stecken. Wir wollen ihnen aus dieser Not helfen, in die Freiheit in Christus. Wir lieben sie trotz ihrer Fehler, trotz ihres Versagens, trotz der Stürze, die sie manchmal machen. Wir holen sie wieder heraus und helfen ihnen, wieder zurechtzukommen – genauso, wie Jesus Christus es jeden Tag bei uns tut.
Denn wir sind alle Sünder, nicht wahr? Und haben es diese Woche leider mit dem Mund, mit den Gedanken und mit Händen und Füßen wahrscheinlich mehrmals getan, wenn wir ehrlich sind. Herr, hilf uns – soll unsere Bitte sein. Hilf uns, dass wir so eine Gemeinde sind, die dich korrekt repräsentiert und deine Herrlichkeit zur Schau stellt.
Wäre das nicht etwas? Wenn über der Eingangstür unserer Gemeinde stehen könnte: „Hier wohnt die Herrlichkeit Jesu, voller Gottes Gnade und voller Gottes Wahrheit.“ Welch ein Wunder – das wäre Erweckung in Deutschland!
Ich darf uns bitten, uns zum Schlussgebet zu erheben.
Vater im Himmel, wir danken dir von ganzem Herzen, dass du solche herrlichen, wunderbaren und schönen Gedanken für deine Gemeinde hattest. Mit dem gleichen Zweck hast du Israel erwählt, damit es dich in der damaligen alttestamentlichen Welt darstellt. Doch Israel versagte.
Herr Jesus Christus, du kommst bald wieder, und du wirst uns fragen: Habt ihr mich korrekt repräsentiert? Du willst eine Gemeinde bauen, die dich richtig und dir gemäß darstellt.
So geben wir heute Abend unser Leben dir hin. Wir danken dir für diesen schönen Tag, für die bewahrte Anreise, für die Gemeinschaft und für das gute Essen. Am meisten danken wir dir, Jesus Christus, für das Kreuz und das leere Grab. Wir dürfen wissen, dass du Größeres in uns tun willst, als wir es ahnen können.
Wir öffnen uns dir und bitten dich von Herzen: Bewirke diese Erweckung in uns. Lass dein heiliges Erwachen hier auf dieser Konferenz geschehen. Hilf uns, nicht so nach Hause zu gehen, wie wir gekommen sind. Hilf uns, aufzuhören, uns hinter irgendwelchen billigen Ausreden zu verstecken.
Danke, Herr, dass du uns durch deinen guten Heiligen Geist ansprichst. Wir öffnen uns dir voll und ganz. Mache du in uns, mit uns und bitte, Herr, durch uns all das, was du willst – zu deiner vollen Ehre allein.
In Jesu Namen, Amen.