Überwältigende Angst vor dem Gemeindetag und Gottes Eingreifen
Ich habe in diesem Jahr unheimlich große Angst vor dem Gemeindetag gehabt. Schlaflose Nächte sind da noch eine Untertreibung. Meine Frau hat übrigens gesagt: „Du schläfst schon wieder nicht.“
Es war wie eine Lawine, die über mich hereinbrach. Wir wurden gefragt, ob wir beim Ordnungsdienst mitmachen können. Zuerst sagten wir nein, weil wir früher am 17. Juni einen Gemeindeausflug hatten. Doch diesen Ausflug gibt es jetzt nicht mehr, stattdessen gehen wir an Fronleichnam.
Die Messe GmbH teilte mit, dass sie uns zwar den Killesberg angeboten hatten, aber noch zu einer Zeit, als der 17. Juni ein Feiertag war. Jetzt müssen sie natürlich eine Messe veranstalten. Die Hallen können erst ab zehn Uhr nachts vor dem Gemeindetag umbestuhlt werden. Um zehn Uhr wurden die Hallen erst von einer vorausgegangenen Messe geräumt – das geht gar nicht.
Mir hat das den Atem genommen, und ich war ziemlich kleinmütig. Bis ein lieber Bruder zu mir sagte: „Jetzt hast du in deinem letzten Brief geschrieben: ‚Gott aber kann machen‘.“ Das ist ein Zitat von Paulus, 2. Korinther 9. „Jetzt glaubst du doch einmal selber daran!“
Und tatsächlich, Gott hat gehandelt. Es war ein Wunder nach dem anderen bis zur Schlusskundgebung. Viele Leute haben gefragt: „Warum hast du denn früher angefangen?“ Ich antwortete: „Weil die Sommerblumenwiese voll war und weil ein Gewitter aufzog.“ Die dunkle Wolkenwand kam immer näher.
Ich hatte keine Angst, weil der Teufel persönlich beim Gemeindetag war – unser Ministerpräsident natürlich –, sondern ich hatte Angst vor dem Wetter. Wir haben früher angefangen, in der Hoffnung, wenigstens ein paar Sätze sagen zu können. Lieber ein paar Sätze Hane als gar nichts.
Dann hat Gott die Wolken wieder einmal weggeschoben. „Gott aber kann machen.“ Viele unserer Ängste sind unnötig, wenn es gilt: Ich stehe in der Hand meines Herrn. Wir müssten viel, viel mehr unserem Gott zutrauen.
Die Kraft des Glaubens in schwierigen Zeiten
Ich erinnere mich an eine EKD-Synode, bei der der Generalsekretär der äthiopischen Mekane-Jesus-Kirche ein Grußwort sprechen sollte. Es war noch zur Zeit des sozialistischen Terrorregimes. Emanuel Abraham sagte damals, er könne nicht viel sagen, da er sonst nie wieder nach Hause zurückkehren würde. Der Geheimdienst hätte alles gemeldet.
Deshalb grüßte er mit einem Bibelwort aus dem Abschnitt, der uns heute Mittag wichtig gemacht werden soll: Römer 8. „Wir sterben täglich, wir sind geachtet wie Schlachtschafe.“ Danach fuhr Emanuel Abraham fort, so wie es in Römer 8 steht: „Aber in dem allem überwinden wir weit um des Willens, der uns geliebt hat.“
Unser Landesbischof hat am ersten Januar in der Furtbachstraße in Stuttgart die Aufgabe gestellt, dass wir – weil es in unserer Jahreslosung dieses schöne „Aber“ gibt – nach Bibelworten suchen sollen, in denen dieses „Aber“ vorkommt. Zum Beispiel: „Aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Auch: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Oder: „Es sollen wohl Berge und Hügel weichen, aber meine Gnade soll nicht von ihnen weichen.“ Weiter heißt es: „Die Jünglinge werden müde und matt, aber die auf den Herrn hoffen, machen weiter.“
Das ist eine altpietistische Jahresaufgabe von unserem Herrn Landesbischof. Eines der größten „Aber“ steht in Römer 8: „Wir sterben wie Schlachtschafe um deines Willen, aber wir überwinden weit.“ Es steht zehn zu eins, weil du da bist.
Das Christentum ist keine Schönwetterreligion, sondern das Zeichen unseres Glaubens ist das Kreuz Jesu, der Galgen.
Das Kreuz als Zeichen des Glaubens und der Hoffnung
Und als er in der Sonnenglut vor Jerusalem hing, ging es uns ja alles so gut. Peter Hane hat schon gesagt: So schön schattig an einem warmen Tag. Jesus hing in der Glut, dort auf dem kahlen Hügel Golgatha.
Die Historiker sagen uns, dass das Schlimmste war, als das Kreuz aufgerichtet wurde. Wenn es in das Loch gerammt wurde, das gegraben war, rissen sich bei den Gekreuzigten meist Milz, Leber und die ganzen Eingeweide los. Die Todesursache war ein Kreislaufzusammenbruch.
Bei Jesus sind alle Stricke gerissen. Die, die als Freunde zu ihm halten wollten, sind stiften gegangen. Und er hörte bloß noch den Hass: „Wenn du wirklich Gottes Sohn bist, komm, dann hilfst du doch selber, steig doch herunter.“
Da, wo alle Stricke rissen, wo nicht ein Wort mehr für Jesus gut eintrat, war bloß noch der Ruf Jesu: „Jetzt, Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Du bist doch mit deiner Hand da. „Du kannst machen.“
Und darin hat sich Jesus nicht getäuscht. Der Vater hat selbst aus dem Leichnam Jesu etwas gestaltet.
Leute, wenn heute viel gesprochen wird, an was Christen glauben, ob es das Abröckeln der Kirche ist – das ist alles Nebensache. Die Frage ist, ob der lebendige Gott aus uns etwas gestaltet.
Gottes Wirken trotz menschlicher Schwäche
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die kirchliche Lage in Württemberg so trostlos, dass wir uns das heute kaum vorstellen können.
Es gab fünf Freunde um Ludwig Hofacker, durch die Gott neues Leben wirkte – nicht durch Ludwig Hofacker allein. Er war ein schwacher Mann, der mit dreißig Jahren an Wassersucht starb. Zuvor mussten ihm einige Finger amputiert werden. Er war ein Grübler. Doch Gott hat aus ihm etwas gemacht. Wichtig ist, dass der lebendige Gott auch aus uns etwas macht.
Wir schimpfen oft über Pfarrer, Kirche und Kirchensteuer, doch das ist alles Nebensache. Wenn wir Material sind, aus dem Gott etwas macht, dann wird das Glauben schaffen. Dann werden wir zu Hinweisen auf den lebendigen Gott.
In all dem überwinden wir weit mehr, aus Liebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat. Das Christentum ist keine Schönwetterreligion. Man kann zu diesem liebenden Gott gehören, der den Herrn Jesus aus dem Grab herausgeholt und ihn zum Herrn gemacht hat.
Die Zugehörigkeit zu Jesus trotz menschlicher Fehler
Der mit Jesus gekreuzigt wurde, war ein Mörder. Er sagte: „Herr Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Jesus antwortete ihm: „Für Gedenkminuten bin ich nicht zuständig, aber mit mir wirst du im Reich Gottes sein.“
Jesus möchte, dass Menschen zu ihm gehören, die die liebende Macht Gottes erfahren. Das ist ein schwieriger Satz: Jesus will, dass Sie und ich zu ihm gehören. Gott hat sich festgelegt. Er sagt: „Diesen Jesus halte ich, dort ist meine Hand. Meine Liebe ist auf diesen Jesus konzentriert. Er ist mein Knecht, mein Auserwählter, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Und alle, die zu diesem Jesus gehören, nimmt er dazu.
Gehöre ich zu diesem Jesus? Gehören Sie dazu?
Eine große Täuschung in der Christenheit besteht seit zwei Jahrtausenden darin zu glauben, man gehört zu Jesus, wenn man anständig ist, Nächstenliebe zeigt oder sich aktiv in der Gemeinde einsetzt. Nein, man gehört zu Jesus als armseliger Sünder.
Die Bedeutung der täglichen Nähe zu Jesus
Ich muss Ihnen das erklären: Meine Großmutter Busch wurde in Hülben geboren. Später war sie als Pfarrfrau in Frankfurt tätig. Sie war eine vitale Frau, hatte acht Kinder und einen Pflegesohn.
Der Vater ist gestorben, als er 51 Jahre alt war. Heute würden wir sagen, er ist aus der Mitte des Lebens gerissen worden. Sein letztes Wort an seine Frau war, den Kindern eine fröhliche Kindheit zu erhalten. Nicht Christenwichtig sein, sondern den Kindern eine fröhliche Kindheit ermöglichen – nichts Verschlafenes, nichts Langweiliges.
Ihr kleiner Sohn Johannes Busch, der spätere Evangelist, erzählte, dass sie nach Hülben gefahren sind und einen Zwischenstopp in Stuttgart gemacht haben. Im Schlosspark sind sie ein paar Meter gelaufen. Dort lag eine Eiche, die vom Sturm gefällt worden war. Um den Stamm hatte sich Efeu gewunden. Die Mutter Busch sagte: „So bin ich. Seit mein Mann gestorben ist, bin ich wie Efeu, das mit ihm gestürzt ist. Ich habe doch gar keine Kraft, eine fröhliche Kindheit zu gestalten.“
Zehn Jahre später wurde ich geboren – auch schon lange her. Aber ich habe meine Großmutter auch in Hülben immer als eine vitale, fröhliche Frau erlebt. Ein Privileg für uns Enkelkinder war es, wenn man im Zimmer der Großmutter zu Besuch sein durfte.
Sie stellte meist um vier Uhr den Wecker, damit sie für die vielen Gäste alles richten konnte. Doch bevor sie aufstand, las sie vier Kapitel in der Bibel. Sie sagte, nur wenn man täglich vier Kapitel liest, kommt man einmal im Jahr durch die ganze Bibel. Das war ihr wichtig. „Wir lesen ja nicht so viel Dreck“, fügte sie hinzu.
Anschließend betete sie. Das war wie ein Gespräch zwischen Braut und Bräutigam. Meist schloss sie mit einem Satz ab, den ich damals als Stadtjunge gar nicht richtig verstand: „Herr, lass mich an dir kleben wie eine Klett am Kleid.“
Die symbolische Bedeutung des Klettverschlusses im Glauben
Wissen Sie, was eine Klette ist? Heutzutage gibt es Klettverschlüsse an unseren Turnschuhen und Joggingschuhen. Das gleiche Prinzip findet man auch bei Lego-Steinen. Ich habe bei meinen Enkelkindern zwei Legosteine ausgeliehen, die ich heute Abend schnell wieder zurückgeben muss. Das System ist ähnlich wie bei Klettverschlüssen: Auf der einen Seite sind Löcher oder Hohlräume, auf der anderen Seite sind kleine Vorsprünge, die ineinander greifen.
Wenn Sie also ein Lego sehen, sei es im Spielwarengeschäft oder bei Ihren Enkelkindern oder Kindern zu Hause, denken Sie daran: Es ist ein Hinweis auf Jesus. Wenn ich die Steine zusammenstecke, passen sie so bündig, dass sie kaum wieder auseinandergehen. So soll auch Jesu Gerechtigkeit mit meinen Fehlern zusammenpassen.
Jesu Weisheit und meine Dummheiten – ich soll nicht sagen: „Herr Jesus, ich danke dir, dass ich so gescheit bin und in der Gemeinde so viel wirken kann.“ Nein, meine Dummheiten, das, was ich falsch gemacht habe – sei es als Prälat, als Pfarrer, als Ehemann oder als Vater – das soll zusammenpassen wie eine Klette am Kleid.
Wir dürfen zu Jesus bringen: seine Reinheit und unsere Drecksgeschichten, sein großes Können und unsere Ohnmacht, seine Gewissheit und unsere Angst. Lass mich an dir kleben wie eine Klette am Kleid.
Christentum besteht darin, dass unsere Unfähigkeiten zu Jesus gebracht werden. Sonst gibt es keine Glaubensgewissheit. Wenn man denkt, man schafft es mit seiner Nächstenliebe allein, dann merkt man mit sechzig, dass man nicht mehr so viel schaffen kann. Man bekommt Angst vor einem Christentreffen, so wie ich Angst vor dem Gemeindetag hatte. Dann ist keine Glaubenszuversicht mehr da.
Ach Herr, ich bringe dir meinen Kleinglauben. Nimm ihn zusammen mit deinem großen Glauben, meiner Ohnmacht und deinem Können. Ich bin gewiss, dass nichts mich von der Liebe Gottes trennen kann, die in Jesus ist. Und ich darf mich an ihn anhängen.
Die Fürsprache Jesu vor Gott und die Gemeinschaft der Gläubigen
Neuerlich hat ein lieber Freund, der mehr zur charismatischen Richtung gehört, gesagt: „Aber es gibt doch die Theologie der Auferstehung. Es ist doch nicht immer nur so, dass ich mit meiner Sünde und meiner Ohnmacht komme. Im Neuen Testament steht doch auch in Römer 8, dass Jesus gestorben ist, ja vielmehr auferstanden ist und auferweckt wurde.“
Darauf habe ich gesagt: „Ja, und wie geht es weiter? Wissen Sie, wer zur Rechten Gottes sitzt und für uns eintritt? Der Herr Jesus sitzt zur Rechten Gottes und sagt: ‚Vater, schau den dummen Schäffu, was er jetzt wieder falsch macht.‘ Und wie er meint, er könnte etwas leisten, sagt er: ‚Vater, du musst dich um ihn kümmern, damit nicht alles daneben gerät.‘ So ist Jesus vor dem Vater und tritt für seine Leute ein. Zu denen möchte ich gehören. Und zu denen sollten wir gehören.“
Natürlich sind wir normalerweise Menschen, denen andere etwas aussetzen. Das wollte Christus sein. Was ich von denen weiß, wie es bei ihnen oft zu Hause zugeht, wie da Tiere krachen und was für ein Geschrei herrscht – die Leute beobachten uns sehr genau.
Paulus sagt, es gibt die Möglichkeit, dass man uns verdammt und beschuldigt. Aber Gott ist hier, der gerecht macht. Wir sind noch keine Engel, wir sind noch nicht gerecht. Aber Gott ist dabei, etwas in uns zu bewirken.
Wer will uns verdammen? Christus ist hier, der für Sünder gestorben ist, ja vielmehr der auferweckt ist. Er sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein.
Die unzertrennliche Liebe Gottes in Jesus Christus
Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus sichtbar geworden ist. Wenn wir an Jesus hängen, dann gilt uns die Liebe Gottes, und dann lässt er uns nicht fallen.
Wenn Menschen wie mit einem Klettverschluss an Jesus hängen, mit ihrer Ohnmacht, mit ihrer Sünde, mit ihren schwierigen Lebensgeschichten und ihren Fehlern, bündig mit Jesus verbunden, dann gilt ihnen die Liebe Gottes.
Ich habe in der Seelsorge oft erlebt, wie Gemeindeglieder verzweifelt waren. Ein Geschäftsmann hat sich aufgehängt und einen Zettel hinterlassen. Darauf schrieb er, was geschehen würde, wenn wegen der Fußgängerzone sein Geschäft kaum noch Einnahmen bringe. Wenn die beiden Tanten, für die er sorgen müsse, nicht nur ins Altenheim, sondern ins Pflegeheim kämen, dann würde er bankrottgehen.
Das war völlig unnötig. Die beiden Tanten sind gnädigerweise bald gestorben. Aber die Zukunft – wie geht es weiter? Wie schaffen wir das? Glauben Sie, dass unsere Politiker und Oberbürgermeister, wenn sie daran denken, wie viel Schuldenlast auf jeder kleinen Gemeinde ruht, nicht nur graue Haare bekommen? Sie könnten sich daran verzweifeln.
Wie soll es weitergehen mit unserem Volk? Wir brauchen bald alle, die heute 15 oder 20 Jahre alt sind, in den Pflegediensten. Wenn wir selbst älter werden, haben wir kein Geld mehr. Wer pflegt uns dann? Wer zahlt unsere Rente?
Wenn man das alles durchdenkt, könnte man sagen: Lieber heute weg als morgen. Doch auch die Zukunft kann uns nicht scheiden von der Liebe Gottes. Selbst wenn die Mächte diabolisch auftreten, die Gewalten, bleibt die Liebe Gottes bestehen.
Diese Liebe hat sich auf Golgatha gezeigt. Sie sagt: Ich lasse dich nicht fallen, auch wenn alle Stricke reißen. Zu dir, Christus, und zu deinen Leuten halte ich mich – das gilt.
Ermutigung durch lebendigen Glauben und Gottes Wirken heute
Ich habe es neulich in Hülben schon einmal erzählt: Im letzten Jahr, genau um diese Zeit, fand in Budapest eine Tagung des Europäischen Lausanner Komitees statt.
Ich war sehr bedrückt, als die Leute aus dem Ostblock berichteten, welche Wunder Gott bei ihnen tut. Sie erzählten von neuen Möglichkeiten für die Verkündigung des Evangeliums. Ich muss gedrückt gewesen sein, das zeigte sich sogar in meiner Haltung.
Da legte Dr. Sam Kamelesen, einer der Vizepräsidenten von World Vision und Veterinärarzt, die Hand auf mich und sagte: „Ralph, Jesus ist lebendig, ich weiß es, und du kannst es auch kennen.“
Er sagte: „Rolf, Jesus lebt doch noch! Ich weiß es bestimmt, und du kannst es auch erfahren.“
Liebe Freunde, ich wünsche Ihnen, dass Sie das mitnehmen, damit Gott aus uns etwas machen kann – auch in den Ängsten, ja, natürlich, wenn die Stricke reißen.
Aber Jesus lebt noch, und zu ihm kann ich gehören. Dass er lebt, kannst du erfahren. Ich wünsche Ihnen das von Herzen.