Hoffnung trotz Tiefen erleben
Es gibt keine Hoffnungslosigkeit mehr. Das habe ich bereits im Gespräch mit manchen von Ihnen gemerkt. Es ist direkt ermutigend und erfrischend zu hören, durch welche Tiefen Sie gegangen sind und was Sie mir heute erzählt haben.
Sie haben die Wunder des lebendigen Herrn Jesus auf unglaubliche Weise in Ihrem Leben erlebt. Das ist wichtig. Wenn wir hier zusammen sind und über die Lasten sprechen, die Gott uns auferlegt, dürfen wir auch die Freude an den großen Wundern nicht vergessen.
Ich habe aus dem ersten Buch Samuel den Lobgesang der Hanna ausgewählt, aus 1. Samuel 2. Er ist ganz ähnlich wie der andere Lobgesang, das Magnificat, das Maria im Neuen Testament singt, in Lukas 1. Es sind ganz wunderbare Loblieder, die sehr konkret das Eingreifen unseres Herrn in einer ausweglosen und hoffnungslosen Lage zeigen.
Der Lobgesang der Hanna: Gottes Macht und Gerechtigkeit
Erstens Ampel 2,1-10
Und Hannah betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn. Das ist in der Bibelsprache so schön, dass man richtig wieder den Kopf strecken kann. Wenn wir bedrückt sind, dann rutschen wir ja ganz herunter und gehen mit gesenktem Haupt. Ich kann wieder hochstrecken, habe wieder Mut und Zuversicht.
Mein Mund hat sich weit aufgetan über meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand heilig wie der Herr; außer dir ist keiner, und kein Fels ist wie unser Gott. Lasst euer Großes rühmen und trotzen!
Es ist ein Zeichen des Antichristen, wie er im 2. Thessalonicher bezeichnet wird, dass er sich wieder Gott brüstet. Und das erleben wir in unserer Zeit so häufig: sterbliche Menschen, bei denen das Lüftlein des Todes weht, spielen sich plötzlich auf, als wären sie die Herren der Welt.
Da sagt Hannah: Lasst euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde! Denn der Herr ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hungerlitten hungern nicht mehr. Die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, ist dahin.
Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt und erhöht.
Er hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, sodass er ihn setzt unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lässt.
Die Bedeutung der Armut vor Gott
Zu den Armen muss ich noch etwas sagen. Es gibt heute eine Richtung in der Christenheit, die das Thema der Armen besonders hervorhebt. Sie sagt: Die Armen haben eine besondere Stellung bei Gott. Unser Herz geht ganz mit den Armen. Wenn man das einmal miterlebt, so wie ich es oft in den Slumgebieten der Welt erlebt habe, bekommt man keinen Frieden mehr angesichts der Armut.
In der Bibel ist jedoch eine andere Art von Armut gemeint. Im Hebräischen spricht man von den Anawim, den vor Gott Armen. Diese kennen wir aus der Bergpredigt – es sind die geistlich Armen, die sich so hilflos vor Gott fühlen. Das sind ebenfalls die Armen, an die wir zunächst denken sollten. Diese Haltung spielt in der Bibel eine ganz wichtige Rolle.
Die Armen sind diejenigen, die mit leeren Händen vor Gott stehen. Über dieser Haltung liegt die große Verheißung des Eingreifens Gottes: Er wird den Armen unter die Fürsten setzen und ihnen den Thron der Ehre verleihen. Denn die Grundfesten der Welt gehören dem Herrn, und er hat die Erde darauf gesetzt. Er wird die Füße seiner Heiligen behüten, aber die Gottlosen werden zugrunde gehen in Finsternis.
Die Gottlosen sind die Lästerer und Prahler, die sich erheben wie Gott. Sie sollen in Finsternis zunichte werden. Viel Macht hilft ihnen nicht. Diejenigen, die mit dem Herrn hadern, sollen zugrunde gehen. Der Höchste im Himmel wird sie zerschmettern. Der Herr wird am Ende der Welt richten. Er wird seinem König Macht geben und das Haupt seines Gesalbten erhöhen.
Zeugnisse von Hoffnung in ausweglosen Situationen
Ich möchte immer gern aus der Welt beginnen, in der wir leben, dort, wo Sie auch Ihre Erfahrungen machen.
Einmal saß ich bei einer Missionskonferenz, bei der Christen aus Russland von ihren Erlebnissen in den Straflagern berichteten. Das muss eine furchtbar trostlose Zeit gewesen sein. Wenn man sich bei der heutigen Kälte vorstellt, wie es damals in Sibirien war, wird einem das Ausmaß der Hoffnungslosigkeit deutlich. Dort saß man ohne jede Aussicht darauf, dass sich etwas ändern könnte.
Ein Russlanddeutscher erzählte von seiner Zeit in einer Krankenbaracke eines Straflagers. Diese Geschichte vergesse ich nicht. Neben ihm lag ein Luftwaffenhauptmann der sowjetischen Armee. Warum dieser Offizier ins Straflager kam, hat er nicht erzählt. Doch irgendetwas musste geschehen sein, das ihn zu dieser Strafe verurteilte. Er war tuberkulosekrank und spürte, dass er sterben würde.
Der russlanddeutsche Christ berichtete fröhlich, dass er den ganzen Tag mit diesem Offizier sprechen konnte. Er erzählte ihm, dass man keine Hoffnungslosigkeit kennt, wenn man Jesus kennt. Trotz der wirklich aussichtslosen Lage im Straflager gab er ihm Worte mit auf den Weg, die man nur von den Russlanddeutschen lernen kann: „In der dunkelsten Nacht leuchten die Sterne am hellsten.“ Er sagte zu ihm, dass er in seiner Krankheit und Hoffnungslosigkeit Jesus kennenlernen müsse.
Es wäre schön, wenn auch Sie ein solcher Zeuge sein könnten.
Ich denke oft an unsere Krankenhäuser, besonders angesichts der Kürzungen. Viele Krankenhausfahrstellen sind weggefallen. In dem Krankenhaus, das in meiner alten Gemeinde lag, wurde einfach beschlossen, an den Seelsorgern zu sparen. Dabei suchen gerade viele Menschen Trost und sind verzweifelt. Sie wissen oft nicht mehr, was mit ihrem Leben geschehen soll.
Wir sollten ihnen sagen können: Jesus hat dein Schicksal in seiner Hand.
Jesus als Herr über Leben und Tod
Und ich finde es sehr wichtig, wenn wir zu Jesus „Herr“ sagen. Wenn wir Jesus als „Herr“ ansprechen, übertragen wir den Gottesnamen aus dem Alten Testament auf ihn.
Im Alten Testament wird sechstausend Mal „Gott, der Herr“ oder „Adonai, der Herr“ genannt. Im Neuen Testament ist dies der Name für den Kyrios Jesus. Jesus ist der Messiaskönig, der absolute Gewalt über alles hat, was geschieht.
Er herrscht nicht nur über die tobenden Wellen auf dem See Genezareth und den Sturm, über den er gebietet, sondern auch über meinen Tod. Er kann mich aus dem Sterben lösen, kennt meine Situation und kontrolliert sie. Er will alles regieren.
Es ist etwas ganz Wunderbares, wenn Hannah von dem Herrn spricht. Das ist der Grund ihrer Freude: Gott ist der absolute Herrscher über die Welt. Diese Gewissheit wird noch einmal bestätigt durch unser kindliches Vertrauen zu Jesus.
Er hat meine Situation in seiner Hand.
Persönliche Erfahrungen mit Hoffnung und Vertrauen
Ich muss Ihnen gestehen, dass ich auch oft in hoffnungslosen Situationen verzweifelt war. Meine vier Töchter haben innerhalb von zwei Jahren kurz hintereinander geheiratet. Als dann die Jüngste aus dem Haus war und die ganze Freude begann, das Heim eingerichtet wurde und die Kinder kamen – wir haben ja 22 Enkelkinder –, fühlten wir uns sehr reich beschenkt durch die vier Töchter.
Für die Großeltern ist das nicht mehr so aufregend wie bei der Geburt der eigenen Kinder. Dennoch haben wir mitgelitten, besonders bei einer Tochter, die gerade in Stuttgart lebte. Sie ging zu einer Schwangerschaftsuntersuchung, und plötzlich kam im Marienhospital die Diagnose: ein doppelter Herzschlag beim Baby. Das sei ein sehr gefährlicher Befund. Man müsse sie sofort nach Heidelberg in die Universitätsklinik überweisen.
Das war natürlich ein großer Schreck für die junge Familie. Der Mann fuhr sofort mit seiner Frau nach Heidelberg. Dort standen fünf Professoren um die arme, schwankende Mutter herum. Die Ärzte erklärten, was heutzutage alles getan werden müsse. Sie sagten, das Kind sei schwerbehindert, und es müsse sofort ein Kaiserschnitt gemacht werden. So ging das Ganze Schritt für Schritt vor sich.
Ich musste damals für eine Missionsreise nach Westafrika und war 14 Tage ohne Verbindung nach Hause. Ich ließ die Tochter in dieser schwierigen Lage zurück. Mein Schwiegersohn entschied schließlich, das Risiko nicht einzugehen. Er wollte das Kind lieber in der Universitätsklinik in Tübingen untersuchen lassen, weil dort sein Schwager als Frauenarzt arbeitet. Er meinte, das müsse man noch einmal genau ansehen.
Ich war auf der Reise sehr besorgt. Wissen Sie, das Vaterherz – wir Männer sind oft weicher als die Frauen. Wir sind das schwache Geschlecht, auch wenn Sie das vielleicht noch nicht bemerkt haben. Für mich war es eine große Tortur, diese Last zu tragen.
In Ghana traf ich eine Frau, die wunderbare Arbeit unter Prostituierten leistete. Sie nahm die Frauen auf, machte mit ihnen Handarbeit. Plötzlich fragte sie mich: „Hast du auch etwas, das dich bedrückt?“ Ich antwortete: „Ja, ich habe etwas sehr Schweres, meine Tochter.“
Darauf sagte diese Frau nur: „Aber Jesus hat doch alles unter seiner Kontrolle.“ Ich hätte vor Freude jubeln können. Später wurde ein ganz gesundes Kind geboren. Der Junge ist jetzt 15 Jahre alt, ohne jede Behinderung. Er lag in der ersten Woche nach der Geburt in der Kinderklinik in Tübingen. Es war eine ärztliche Fehldiagnose – oder ein Wunder Gottes, wie Sie es nennen wollen.
Ich möchte Ihnen sagen: Tun Sie diesen Dienst, anderen immer wieder zu sagen, dass Jesus die Situation unter Kontrolle hat. Auch wenn das Kind behindert ist, auch dann. Wenn wir all das sehen, was wir vorher nicht erdenken können, führt Jesus uns und trägt uns durch die tiefsten Täler und die größten Erschütterungen hindurch.
Dankbarkeit für gelebten Glauben
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, bin ich sehr dankbar für die Menschen, denen ich begegnet bin und die mir den praktischen Glauben so vorgelebt haben. Dazu gehörte auch mein Vater, ein Wirtschaftspolitiker, der in allen Situationen gesagt hat: „Ich will alles nur mit Jesus tun.“ Das ist etwas ganz Wunderbares, wenn man so ins Leben hineingeht und sagt: „Ich will das in allen meinen Entscheidungen und in allem, was ich tun muss, so leben.“
Zu den schweren Erlebnissen, die ich als Dreizehnjähriger miterlebt habe, gehörte die schwere Erkrankung meiner 87-jährigen Großmutter Johanna Busch, der Mutter von Wilhelm Busch und Johannes Busch. Sie bekam einen schrecklichen Mundkrebs. In Hülben sagten die Leute oft: „Wenn ich das Grit hätte mit meiner Gosch, das wäre etwas anderes.“ Aber meine Großmutter war eine Frau, die so viel Liebe ausgestrahlt hat. Doch Gott geht manchmal andere Wege, als wir denken.
Nach der Bestrahlung war die Situation furchtbar schlimm. Der Hals war offen, und man kann es kaum beschreiben. In diesem ganzen Elend und den schrecklichen Schmerzen kam ein alter Onkel zu Besuch. Als junger Mann habe ich die alten Onkel nicht so geschätzt wie die Gleichaltrigen, aber als dieser Onkel in das Krankenzimmer ging, sagte er nur den Vers eines Osterliedes:
„Wie tief Kreuztrübsal oder Pein,
mein Heiland greift allmächtig drein,
reißt mich heraus mit seiner Hand,
wer mich will halten wird zu Schand.
Lebt Christus, was bin ich betrübt,
ich weiß, dass er mich herzlich liebt,
wenn mir gleich alle Welt stirbt ab,
genug, dass ich Christus bei mir habe, Halleluja!“
Das ist so schön an unseren Liedern. Johann Hermann, der um 1630 im Krieg unheimlich gelitten hat, hat dieses Lied gedichtet. Er war der herzliebste Jesus, der schon in jungen Jahren kaum noch sprechen konnte, weil er an einer Lungenkrankheit litt und der Hals zuging. Doch er hat uns diese Jubellieder geschenkt, die uns in der Freude zeigen, dass Jesus alles verändert, was in unserer Welt hoffnungslos und aussichtslos ist. Und das ist tatsächlich so.
Die Not der Hanna und ihre Antwort
Und jetzt wenden wir uns Hanna zu. Was war ihre Not? Es könnte leicht missverstanden werden: „Ah, sie hat kein Kind.“
Ich muss Ihnen als Seelsorger sagen, dass die Not heute sehr groß ist. Etwa zehn Prozent der Ehepaare bekommen keine Kinder. Und sie leiden darunter sehr, auch in der Gemeinde. Passen Sie nur auf: Wenn Sie nur andeuten, „Wollen Sie kein Kind?“ oder Ähnliches, dann können Sie auf Jahre hinaus viel kaputt machen. Viele wagen es gar nicht, darüber zu sprechen.
Es wäre so gut, wenn die Menschen sich anvertrauen und von ihrem Schmerz reden könnten. Gerade wenn sie von Arzt zu Arzt gehen und alles Mögliche ausprobieren, ist das oft nicht angenehm. Es gibt viele Maßnahmen, die man ergreifen kann, um schwanger zu werden, doch das ist oft belastend.
Ich möchte immer wieder betonen: Es ist heute eigentlich nicht mehr so schlimm wie damals. Früher galt eine Frau nur etwas, wenn sie Kinder gebären konnte. Heute ist das ganz bestimmt nicht mehr so. Das wissen wir auch durch die Gleichberechtigung von Frauen und Singles.
Dennoch weiß ich, dass es auch heute noch eine große Not ist. Man müsste fast Seelsorge und Seelsorgefreizeiten speziell für Paare anbieten, die keine Kinder haben. Denn oft fühlen sie sich mit ihrem Schmerz sehr allein gelassen.
Bei Hanna war die Situation besonders schlimm: Ihr Mann nahm einfach eine zweite Frau. Es ist leider oft so, dass auf dem sexuellen Gebiet solche Dinge leicht zum Protz und Wettbewerb werden. „Ich bin ein richtiger Mann, und ich kann das.“
Elkanah nahm also Peninna als zweite Frau zu Hanna. Und nun geschah das Unglück: Peninna bekam Kinder wie Hasen, eins nach dem anderen, jedes Jahr. Und sie prahlte und spottete: „Du bist ja keine richtige Frau, du wirst ja nicht schwanger.“
Das führte zu großem Leid. Das ist auch das Schreckliche, wenn Ehen auseinandergehen oder ein neuer Partner kommt. Oft spielt sich dann Gehässigkeit ab, und viel Schmerz entsteht. Hanna litt sehr darunter.
Wir wollen festhalten: Wir können nicht alles von Hannas Geschichte auf unsere Situation übertragen. Ich möchte denen unter Ihnen, die darunter leiden und sagen: „Gott hat mir das versagt“, sagen, dass Gott auf andere Weise entschädigt.
Hanna bekam zwar ein Kind, aber das geschieht nicht bei allen Gläubigen so. Viele, die ich kenne, haben durch ihre Kinderlosigkeit eine besondere Aufgabe gefunden. Sie sind dadurch frei, dem Herrn auf besondere Weise zu dienen.
Wir müssen auch bedenken: Das Allerschwerste ist, wenn Eltern Kinder haben und diese böse Wege gehen. Was habe ich erlebt: Fromme Leute, die sagten: „Ich kann nur beten, dass die Polizei bald meinen Sohn aufgreift.“ Das ist schwer, wenn man Kinder hat, die sich falsch entscheiden.
Dabei haben die Eltern oft nichts falsch gemacht, sie können gar nichts tun. Es ist ein großes Elend, wenn gläubige Eltern anrufen und sagen: „Meine Tochter ist unten in der Altstadt und ist Prostituierte.“ Da kann man nichts machen. Sie wird auf die Eltern so wenig hören wie auf andere.
Sie hat auch großes Leid. Was ist also schlimmer: Kinder zu haben oder keine Kinder zu haben?
Gebet und Gottes Nähe in der Not
Das Schlimme war, wie sehr Hanna in ihrem Schmerz litt. Es ist gut, dass wir solche Situationen einmal mitfühlen können. Hanna geht zum Heiligtum nach Silo. Dort weint sie und klagt Gott ihre Not.
Man sieht, es gibt keine Hoffnungslosigkeit. Ob Gott ihr nun ein Kind schenkt oder nicht, das weiß ich nicht. Ich habe es aber ans Herz Gottes hingelegt. Ich möchte Ihnen auch immer wieder sagen: Es genügt, wenn Sie allein bei Gott beten. Manche meinen, eine Gebetsseele zähle bei Gott erst, wenn hunderttausende mitbeten. Das ist nicht so.
Was Sie im Seufzen Gott sagen, ist ins Herz Gottes hineingeredet. Und das macht bei Gott gar nichts aus, ob einer sein Herz ausschüttet oder viele es tun. Es ist schön, wenn man eine Gebetsgemeinschaft hat, aber das Wichtige ist, dass ich es vor Gott sage.
Die Zustände im Heiligtum von Silo
Damals herrschten grauenhafte Zustände im Heiligtum in Silo. Das erklärt, warum es immer wieder zu solchen Verfallserscheinungen kommt. Man hat oft den Eindruck, eine Erweckung dauere nur etwa 25 Jahre. Danach brechen das Heidentum und die Verweltlichung in den Kirchen und christlichen Gemeinschaften wieder auf. So kann das Heiligtum völlig verwahrlosen.
Manchmal ist es sogar so, dass es in der Welt nicht so schlimme Zustände gibt wie gerade dort im Heiligtum, wo die Ehre Gottes mit Füßen getreten wird. Die Lampe Gottes war noch nicht ganz erloschen. Der alte Eli war ein wenig trottelig und datterig. Er war nicht mehr ganz auf der Höhe. Der alte Mann wusste noch einiges, wie wir gleich hören werden. Aber seine Söhne verhielten sich sehr schlimm. Sie hurten und klauten, was das Zeug hielt, und machten alles lächerlich.
Wenn die Leute kamen und sagten, ihr könnt doch das Opferfleisch nicht wegnehmen, es ist doch Gott gegeben, dann lachten sie sie nur aus. Diese Entartung im Heiligtum ist immer wichtig zu bedenken, besonders wenn wir unter einer Gemeinde leiden, die sich oft in einem trostlosen Zustand befindet. Professor Berger aus Heidelberg hat gesagt, dass siebzig Prozent der Pfarrer keine persönliche Beziehung zu Christus haben. Ich habe das noch nicht statistisch erfasst, aber es ist erschütternd.
Umso wunderbarer ist es, dass Gott trotz der schrecklichen Zustände im Heiligtum in seiner Güte hört und dem Verzweifelten nahekommt. Das ist wirklich wunderbar! Es ist für uns immer wieder interessant, dass Gott gerade dieser Hanna begegnet, obwohl dort solche grässlichen Priester wirkten. Gott geht dem suchenden Menschen entgegen.
Der alte Eli hat es gar nicht böse gemeint. Er dachte, die Frau sei betrunken. Deshalb redet er sie an und sagt: „Lass den Wein von dir, den du getrunken hast!“ Doch sie antwortet: „Ich bin nicht betrunken.“ Da regt sich etwas im alten Priester. Als er hört, was sie sagt, wünscht er ihr: „Gott gebe dir Frieden.“
Es ist wunderbar, dass er diesem angefochtenen Menschen noch diesen letzten Rest mitgeben kann. Ich möchte immer wieder betonen, dass Gott in seiner Güte die Hand noch nicht völlig abgezogen hat. Das ist die schöne Formulierung: Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Gott war noch irgendwo ein bisschen gegenwärtig.
Ach, wie wunderbar ist Gott! Er könnte ja schon alles verdammen und wegwerfen. Aber in seiner Güte geht Gott Hanna nach, sucht sie und läuft ihr nach. In dieser ganzen Not, in der sie ihre Last zu Gott hinausschreit, erlebt sie, dass Gott ihr Gebet erhört.
Die Wunder Gottes im Alltag
Gott kann Wunder tun, und er tut Wunder. Übrigens war der ganze heutige Tag voller Wunder Gottes. Wir sollten auch all die Dinge anerkennen, wie zum Beispiel, dass ich gesund bin, dass ich leben kann und dass mir bei der Autofahrt kein Unglück widerfahren ist. Ebenso, dass mich Krankheitskeime, Viren und alles andere nicht angegriffen haben. Wir sollten uns bewusst machen, wie sehr wir von der Wundergüte Gottes umgeben sind.
Gott kann in ganz bedrängten Situationen Heilungen bewirken, aber er muss es nicht. Wir wissen, dass wir seine Entscheidungen hochhalten wollen. Und wie es heißt: „Herr, dein Wille geschehe.“ Doch Hanna erlebt auf wunderbare Weise, dass dieses Kind geboren wird.
Interessant ist, wie sie an diesem Kind nicht hängt. Es geht hier um den Knaben, der später bei Elisa ist, der Witwe von Zabat. Hanna gibt das Kind wieder zurück ans Heiligtum. Das war ein großer Schritt. Wie liebevoll schneiden wir als Eltern oft die ersten Haarbüschel unserer Kinder ab, kleben sie ins Album und bewahren sie als Erinnerung. Doch Hanna klammert sich nicht an die Gabe Gottes.
Sonst wäre ihr Herr ein Verwerter, der mein Leben nicht wichtig nimmt. Es ist jetzt ganz wichtig, dass wir unsere Kinder nicht als „Göttchen“ benutzen. Stattdessen sollten wir sehen, dass, wenn Gott uns so gebraucht, wir es zulassen und Gott zur Ehre handeln lassen – so wie es Hanna tut.
Die Freude am lebendigen Gott
Aber wunderbar ist, wie sie in diesem herrlichen Psalm betet. Ich bin fröhlich, wenn ich sehe, wie sie uns so gebraucht hat.
Ich habe den lebendigen Gott erlebt und möchte den Mund weit auftun. Ich will es allen Menschen sagen, wie ich es erfahren habe. Dieser Gott ist ein Fels, auf den man bauen kann, und er wankt nicht unter den Füßen. Niemand ist diesem Gott gleich.
Wir haben ganz feste Zuversicht auf ihn. Wir finden Zuflucht bei ihm und Erhörung bei ihm.
Das ist der erste Teil, den ich zeigen möchte: Wie Hannah dieses große Wunder erlebt hat. Es gibt einen lebendigen Gott, und dieser lebendige Gott kümmert sich um mein Leben. Das müssen Sie wissen – auch um die Kleinigkeiten, um das, was mich bedrängt, um das, was mir Not macht und meine Sorgen. Ich darf bei ihm alles ausschütten.
Ganz toll ist, dass Jesus das nochmals bestätigt hat: Die Haare auf eurem Haupt sind alle gezählt. Jetzt schauen Sie mal, wie wenig ich noch habe, aber der Herr weiß es. Der Herr kennt auch diese kleinen Details. Dabei wäre es ja nicht wichtig, aber der Herr kennt selbst die unwichtigen Details meines Lebens.
Ich darf mit ihm über alles reden, und in dieser großen Freude gibt es keine Hoffnungslosigkeit.
Kritik am Prahlen und Aufruf zur Demut
Jetzt geht es um einen zweiten Punkt bei Hanna. Sie setzt sich mit dem Prahlen der Menschen auseinander.
In unserer heutigen Zeit habe ich es schon bei der Verlesung dieses Abschnitts angedeutet: Dieses Protzen, Prahlen und Rühmen zieht sich tief hinein. Ich bin ein wenig traurig, dass ich es immer häufiger auch in unserer Christenheit höre, selbst bei bibeltreuen Leuten. Oft wird so stark angegeben, bevor man überhaupt etwas begonnen hat. Man sagt, es sei eine ganz tolle Sache, großartig und weltbewegend.
Früher war es üblich, in der Nachfolge Jesu demütig zu bleiben. Es ist gut, wenn wir dabei bleiben – demütig. Was sind wir denn? Wir leben nicht von großen Sprüchen. Das dürfen Fußballspieler oder Politiker machen, aber bei Christen war es eigentlich immer gut, zu sagen: Wir wissen oft nicht, was wir tun sollen. Wir sind oft hilflos, und unsere Gemeinden sind schwach und gering, wie Paulus es im 1. Korintherbrief beschreibt. Wenn man unsere Versammlung anschaut, obwohl dort so tolle Leute sind, sagt Paulus nicht viel Großes oder Edles. Was vor der Welt verachtet ist, hat Gott erwählt.
Ich denke, wir sollten nicht meinen, wir könnten die Leute mit großen Sprüchen anziehen. Das machen die Werbeleute. Sie locken mit falschen Versprechungen. Neulich hat das Oberlandesgericht MediaMarkt verurteilt, weil dort falsche Zahlen bei Angeboten standen. Sie boten einen Plattenspieler für 269 Euro an. Das Gericht stellte fest, dass er in anderen Läden sogar noch weniger als der Neupreis kostete. So kann man prahlen und den Leuten manches auf dem Papier verkaufen.
Wir Christen sollten so leben, dass andere uns nicht höher einschätzen, als sie uns wirklich sehen. Deshalb sagt Hanna auch etwas zum Rühmen von Peninna, der Nebenfrau. Das hat Hanna sehr wehgetan, denn Peninna prahlte mit ihren Kindern. Ihr Mann Elkana schöpfte beim Essen immer die Teller für Peninna aus, und das machte Hanna traurig, denn Elkana hatte Hanna lieb.
Doch Hanna sagt: Das ganze Prahlen, Protzen und Angeben in der Welt ist gar nicht wichtig. Das Schöne ist, dass wir Christen hinter die Kulissen schauen und sagen: Es interessiert uns nicht, was eine gottlose Welt sagt und meint. Auch wenn sie noch so sehr lästert und höhnt gegen den lebendigen Gott.
Jetzt kann man all die biblischen Geschichten wiedersehen. Wie war das, als die Glaubenden ihre Not dem Herrn sagten? Wenn Hiskia seinen Brief vor dem Herrn ausbreitet, sagt er: Lass doch die Soldaten da draußen vor der Mauer reden, was sie wollen. Bei uns ist der Herr, das ist das Wichtige, und er hat uns seine Zusagen gegeben.
Mir gefällt immer eine Stelle in Zephanja 3, einem Propheten, den wir jetzt nicht aufschlagen müssen. Dort sagt Gott: „Ich will die stolzen Prahler von dir tun im Volke Gottes.“ Ist es schlimm, wenn sie ihr Maul so weit aufreißen und Großes reden? Das gibt es immer wieder, dass Evangelisten prahlen, wie viele sie schon gesund gemacht haben. Aber es ist erbärmlich, wenn später herauskommt, dass sie auch wieder in Sünde gefallen sind – so wie wir alle. Wir leben doch alle von der Gnade.
Das Größte in unserem Leben ist, die Gnade des Herrn Jesus zu kennen. Das rühmt Hanna. Im Reich Gottes gibt es nur kleine Leute, die aber einen wunderbaren Heiland haben. Deshalb sagt sie: Lasst euer großes Rühmen und freches Reden nicht aus eurem Mund kommen.
Mich hat das immer beeindruckt, gerade wenn ich die Missionsgeschichte verfolge. Was für kleine Leute waren das! Paul Gerhardt war bis zu seinem 46. Lebensjahr arbeitslos – und das als Theologe, ein ganz kleiner Mann. Joachim Neander hatte als Theologe keine Anstellung, aber er schrieb herrliche Lieder wie „Loben den Herrn, den mächtigen König der Ehren“.
Er besuchte die Lateinschule in Düsseldorf und machte dort Spaziergänge an der Düssel entlang. Deshalb heißt das Tal Neandertal. Später wurde dort der Neandertaler, der Urmensch, nach ihm benannt. Nach zwei Jahren haben ihn seine Eltern rausgeschmissen, weil er so gläubig war. Er kehrte zurück nach Bremen, wo er nur gelegentlich morgens um fünf Uhr einen Frühgottesdienst halten durfte. Dann hat der Herr ihn heimgerufen.
Das war sein Leben – ein ganz armes Leben. Doch seine Lieder sind so kraftvoll, als stünde er da und sagte: „Hier bin ich, Ehrenkönig.“ Und wie viele herrliche Lieder von Neander haben wir im Gesangbuch!
Wissen Sie, wenn Jesus etwas aus unserem Leben macht, ist es gar nicht wichtig, ob die Leute uns loben und rühmen. Darauf sollten wir keinen Wert legen. Das Größte ist, dass der Heiland Jesus uns liebt und unser schwaches, fehlbares Leben zu seinem Dienst gebrauchen will.
Ermutigung zur Demut und Vertrauen
Und jetzt bekommen wir Mut. Da sagt Hanna: Wenn der Herr so handelt, dass er gerade solche Leute gebraucht, dann gibt uns das Zuversicht und Mut.
Sie kennen das, wie oft Paulus dieses Thema wieder aufgegriffen hat. Paulus wollte ja auch für Jesus ein großer Mann sein. Doch dann muss er erleben, wie in Korinth Sekten auftreten, die sich als Superapostel bezeichnen. Sie sagen: „Wir sind super, und Paulus ist so armselig und kümmerlich.“
Wir können uns kaum vorstellen, dass der große Paulus offenbar so schwach wirkte. Doch dann kommt er zu diesem Triumph: „Lass dir genügen an meiner Gnade; meine Kraft vollendet sich in deiner Schwäche.“ Das ist für uns jetzt die Ermutigung von Hanna, die aus ihrem schwachen Leben heraus entdeckt: „Ach, der Herr macht es doch recht mit mir.“ Und sie sagt, dass sie sich gar nicht mehr von diesen großen Leuten beeindrucken lassen will.
In der Apostelgeschichte steht von Herodes, dass er eine Rede gehalten hat. Das war nicht Herodes der Große, sondern sein Nachfolger etwa vierzig Jahre nach der Geburt von Jesus. Dieser hat ganz groß getönt, doch dann kam ein Schlag, und er fiel von seinem Thron. Die Würmer fraßen seinen Leib.
Wissen Sie, so ist das mit dem großen Getöne. Das hat unseren Vätern und Müttern sehr geholfen, wenn die Hitleransprachen über das Radio liefen: „Lass doch den reden! Der Herr ist im Himmel und lenkt die Geschichte.“
Wir müssen wieder lernen, uns nicht von Zahlen beeindrucken zu lassen. Sondern auch die kleine Gruppe zu ehren und die schwache Gemeinde. Dort ist unser Platz, dort gehören wir hin. Wenn sich zwei oder drei im Namen von Jesus versammeln und Jesus mitten unter ihnen ist, dann sind wir ganz stark und unüberwindlich.
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Jetzt kommen die Armen, die vor Gott arm sind, die vor Gott nichts vorweisen können, als ihre Hände aufzutun und zu sagen: „Heiland, jetzt bist du dran. Jetzt überlasse ich dir das Feld.“
Das ist Hoffnung, das ist die Zuversicht, die wir haben.
Zeugnis in der heutigen Welt
Ich beobachte zurzeit immer wieder bei jungen Leuten, dass sie meinen, man könne der Welt mit irgendetwas imponieren. Ich habe ein bisschen Sorge. Es ist ja vielleicht alles gut gemeint mit den vielen Fußballübertragungen, die jetzt in den Gemeindehäusern stattfinden. Aber hoffentlich hat niemand den Hintergedanken, dass man damit der Welt imponieren möchte. Sonst könnten sie uns vielleicht noch das Evangelium aus der Hand nehmen.
Deshalb glaube ich das gar nicht. Man kann der Welt gar nicht imponieren. Man kann es nur in der ganzen Schwachheit tun. Sie können sagen und erzählen: Ich habe es erlebt, Jesus ist der Heiland, und er kümmert sich um dich.
Meine große Bitte ist immer wieder, dass Sie dieses Zeugnis in der ganzen schlichten Weise den Türken sagen, den Türken in Ihrer Nachbarschaft. Reden Sie nicht über den Islam, sondern sagen Sie den Türken, die weder etwas wissen von Vergebung noch von Heilsgewissheit, dass Jesus alle Macht hat und dass man sich ihm anvertrauen kann. Wenn es Krankheitsnöte gibt, sagen Sie: Darf ich mit Ihnen beten? Rufen Sie den Namen Jesus an. Sie werden sehr, sehr nachdenkliche Menschen erleben.
In der ganzen Welt, in allen Religionen – im Hinduismus, im Buddhismus und im Islam – ist das schlichteste Jesuszeugnis aus unserem Leben das einzig Wirksame. Die ganzen Religionsstreitigkeiten nützen nichts, sie führen nur zu verbitterten Herzen. Aber dort, wo Sie es weitersagen, so wie Sie es erlebt haben, da geschieht etwas.
Auch unsere Heiden wollen das gelebt wissen, wenn sie im Krankenzimmer liegen. In meiner Gemeinde ist es einmal so passiert, dass eine Frau durch den offenen Abend in Stuttgart eine tolle Jugendarbeit zum Glauben kam. Ihr Mann lag im Krankenhaus, aber er war nicht so missionarisch und gab kein Zeugnis. Die Frau hat das immer genutzt, wenn sie ins Krankenhaus kam. Sie ist nicht nur zu ihrem Mann gegangen, sondern auch zu den Nebenbetten. Sie hat gefragt, was ihnen fehlt, zugehört und in einer ganz schlichten Weise Jesus verkündigt.
Dieser Mann lebte gerade in dem Gebiet, in dem ich heute wohne, in Stuttgart-Häslach. Dort leben etwa 80 Ausländer, und es ist sozusagen der "roteste" Stadtteil von Stuttgart. Er war der oberste Vereinsmeier, den es dort gab. Durch das schlichte Zeugnis dieser Frau hat er Jesus gefunden. Ich durfte ihn dann noch auf seinem Sterbebett begleiten, als er das Abendmahl empfing und sein Leben Jesus übergab. Er wollte noch alles erleben, obwohl er Jahrzehnte lang in keiner Kirche war.
Wir ahnen oft nicht, wie die Leute in ihrer Hoffnungslosigkeit, wenn Jesus ihnen die Augen öffnet, zum Glauben kommen und was dann geschieht. Ich möchte Ihnen einfach Mut machen, denn es ist wirklich so trostlos. Die Leute haben keine Hoffnung im Leben und im Sterben. Das nützt alles nichts. Sie verdrängen diese Fragen und können nicht einmal darüber reden. Wenn Sie das Evangelium in einer fröhlichen, schlichten und echten Weise weitergeben, dann kommt es an.
Sagen Sie es mit Ihren ungelenken Worten. Das ist das Allerwunderbarste und Herrlichste, so wie es Hanna sagt. Aber das Wichtigste ist, dass sie sagt: Ja, der Herr führt in die Hölle und wieder heraus. Deshalb haben wir dieses Zeugnis: Der Herr macht tot und macht lebendig.
Umgang mit Leid und Tod
Eine ganz merkwürdige Erfahrung habe ich in meiner Gemeinde gemacht: Die wunderbarsten Bekehrungen aus großer Gottferne sind durch schwere Erlebnisse geschehen.
Wir hatten zwei Männer, die ganz weit weg von Gott waren. In beiden Fällen ist die Tochter tödlich verunglückt. Dennoch haben beide Männer durch dieses Ereignis Jesus gefunden.
Oft ist es also so, dass das schwere Erleben die Menschen zu Nachfolgern macht – nicht das Wunder, dass die Tochter noch einmal lebendig wurde. Gott hat viele Wege, wie er Menschen zu sich führen kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit großem Verständnis und in Liebe da sind.
Es ist sehr schmerzlich, wenn wir erleben, dass der Herr selbst auch in den Tod, in die Höllenängste und in die Verzweiflung führt. Dort will er den Menschen begegnen und ihnen seine Nähe erfahren lassen.
Dieses Feld ist ganz wichtig: Wir dürfen uns nicht zurückziehen, sondern müssen gerade dort sein. In dieser Hoffnungslosigkeit sollen wir Jesus bezeugen und von ihm reden.
Glaubensmut und Loslassen
Und noch das Letzte: Ohne Angst leben!
Mir gefällt, wie Hanna ihren kleinen Samuel schließlich wieder in diesem verlotterten Heiligtum abgibt. Das war sicher der kühnste Schritt. Ich hätte gesagt: Hanna, das darfst du nicht tun! Wenn Hofni und Pineas jetzt Einfluss auf deinen Samuel bekommen, was wird dann aus ihm?
Stellen Sie sich das einmal vor: Das war Glaubensmut. Samuel war fünf oder sechs Jahre alt, und sie gab ihn in diese verlotterte Mafia im Haus in Silo. Das konnte doch nur Unglück bringen. Aber sie wusste, dass es einen lebendigen Gott gibt. Sie konnte ihr Kind diesem Herrn anvertrauen.
Und das ist wichtig: dass wir Glaubensmut haben und dann wieder mutige Schritte tun. Es wird so schön erzählt, dass sie jedes Jahr ein Kleidungsstück für Samuel nähte. Doch sie hatte keine Tränen in den Augen, wenn sie ihn zum Abschied brachte. Stattdessen wusste sie, dass er an der schönsten Stelle ist, an der er sein kann – er ist ein Diener Gottes.
Und das ist wirklich das Schönste: Wenn wir unsere Kinder nicht für uns behalten, sondern nur die eine Sehnsucht haben, dass sie mit ihrem ganzen Leben Gott dienen – dem starken Herrn, dem sie gehören.
Mut trotz Bedrohung und Angst
Martin Luther hat einmal gesagt: „Und wenn so viele Teufel in Worms sind wie Dachziegel, ich will trotzdem hineingehen.“
Wir sind hier zwar nicht in einem okkulten Seminar, aber ein Stück davon bekommen wir auch mit. Es muss uns jedoch nicht beschäftigen, wie stark der Teufel in dieser Welt ist. Er hat zwar viel Macht, aber ein einziges Wort kann ihn besiegen. Vor dem Namen Jesus weicht alles zurück.
Deshalb sollten wir uns niemals von Furcht beherrschen lassen, sondern fröhlich unseren Weg gehen.
Oft haben wir natürlich Sorgen: Wie wird es bei uns im Alter sein? Wie ist es, wenn die Krankheit fortschreitet? Ich weiß auch nicht, welche Plagen und Leiden der Herr noch für mich bereithält. Sorgen kann ich nicht, ich kann nur sagen: Ich habe einen lebendigen Herrn, und er macht alles wunderbar und führt es herrlich hinaus.
Das sollten wir auch vielen Menschen heute in einer angsterfüllten Zeit spüren und fühlen lassen.
Vertrauen in Gottes Führung in schweren Zeiten
Wir haben vorhin das Lied von Herrn Schmidt gesungen: „Gott will’s machen, dass die Sachen gehen, wie es heilsam ist. Lass die Wellen höher schwellen, wenn nur du bei Jesus bist.“
Das war in Popfingen, wo der Vikar war. Popfingen am Ipf – das kennen die Schwaben. Es liegt in Ostwürttemberg, drüben. Das war gerade die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs, das einzige Mal, dass sich auf württembergischem Boden die große Weltpolitik bewegte – wenn man vom Zweiten Weltkrieg einmal absieht.
Da war der Herzog von Marlborough im Remstal. Sie haben sich dort getroffen und ihre Feldpläne gemacht. Tausende von Franzosen waren dort. Es war ja vor Oridina, bevor das Rote Kreuz gegründet wurde. Man hat die Verletzten einfach auf dem Schlachtfeld liegen lassen, im Donauried.
Dort fand die große Schlacht mit Tausenden von Verletzten und unzähligen Toten statt – besonders viele Franzosen verloren dort die Schlacht. Anschließend brach Typhus bei den Kranken aus.
Da war der junge Herr Schmidt, der das Lied gedichtet hat. Er ging unermüdlich zu den an Typhus erkrankten Patienten. Er wusste: Der Herr ist da. Er selbst hat keine Krankheit bekommen.
Wissen Sie, das ist der Mut, den ich brauche. Der Mut, den ich brauche, um zu sagen: Ich kann viel wagen – auch was die Infektion betrifft. In meinem ganzen Leben war ich bei vielen alten Kranken, die schwerste Infektionen hatten, ansteckende Krankheiten. Ich habe nie eine Erkältung davon bekommen.
Ich glaube, im Dienst vor dem Herrn holt man sich keine Erkrankungen. Es gab eine Zeit lang eine müßige Diskussion, ob man sich am Abendmahlskelch nicht Aids holen kann. Dann hat jemand gesagt: Ihr holt euch euer Aids woanders, aber nicht am Abendmahlskelch. Das lässt der Herr nicht zu, dass seine Mittel, die er zum Heil hat, uns zum Schaden gereichen.
Und das darf ich wissen: Welchen Dienst ich auch für ihn tue. So finde ich Herrn Schmidt ganz wunderbar, wie er das in seinem Lied umgesetzt hat. Er war ja später bei August Herr Aber. In diesem fröhlichen Glaubensmut wollen wir unser Leben wieder ganz neu ergreifen und sagen: Wir wollen noch vielen Zeugnis geben von ihm.
Beispiel einer Glaubensfrau: Charlotte Reilen
Ich habe Ihnen Beispiele erzählt, um Ihren Kopf nicht ganz zu überfordern. Zum Schluss wollte ich Ihnen noch von Charlotte Reilen berichten. In unserem Gemeindeblatt gab es einen Artikel von einem Historiker, der mit „Ein pietistisches Prachtsweib, vor zweihundert Jahren geboren“ überschrieben war.
Es ist interessant, wie damals mit Kindern umgegangen wurde. Charlotte bekam einige Kinder, aber ihr zweites Kind starb. Sie war sehr weltlich eingestellt und hatte nur ein kleines, nominelles Christentum. Ihr Mann betrieb große Kaufmannsgeschäfte, dort, wo heute Bräuninger am Marktplatz in Stuttgart ist – das Kaufhaus Reilern. Sie waren sehr wohlhabend, doch als das zweite Kind starb, dachte sie, wie viele andere auch, dass Gott sie strafe.
Das ist ein wichtiger Punkt, denn viele Menschen meinen, Gott bestrafe sie bei Leid. Wenn ich im Krankenhaus Heiden besuche, glauben sie oft, Gott räche sich. Der Heide hat Angst, weil er denkt, Gott sei immer hinter ihm her. Wenn etwas Schlimmes passiert, meint er, es werde eine Schuld heimgezahlt. Das entspricht jedoch nicht dem christlichen Glauben, denn sie kennen das Evangelium nicht.
Charlotte Reilen meinte, Gott sei hinter ihr her. Sie ging in die Leonhardskirche, wo ein Erweckungsprediger predigte. Dort fand sie Frieden mit Gott, wurde bekehrt. Ihr Mann sagte daraufhin: „Mit einer verrückten Frau kann ich nicht zusammenleben.“ Sie wurde fromm und ging nach Amerika.
Das war zur Zeit der Befreiungsbewegungen 1848. Ihr Mann ging ebenfalls nach Amerika und traf dort einen schwäbischen Missionar bei der Evangelisation. Das war seine erste Begegnung mit dem Glauben. Doch er war enttäuscht von der Freiheitsbewegung in Amerika, denn es war nicht so ideal, wie man sich das manchmal vorstellt.
Zurück in Stuttgart lauschte er an der Tür, wie der fromme Lehrer Weidle die Kinder unterrichtete. Weidle war ein gottesfürchtiger Mann, der später die Hannische Gemeinschaft in Stuttgart leitete. Beim Zuhören fand auch er Frieden mit Gott und den Glauben an die Lebendigmachung.
Charlotte Reilen und ihr Mann Friedrich Reilen, später Chef der Stuttgarter Zuckerfabrik, prägten das Stuttgart des 19. Jahrhunderts. Sie gründeten das Diakonische Haus und das erste Mädchengymnasium. Damals war ein Gymnasium für Mädchen noch undenkbar.
Charlotte gründete außerdem eine Dienstbotenschule, einen Armenverein und eine Organisation, die die Bibel für die Menschen günstiger machte. Sie setzte sich dafür ein, dass das Bild vom breiten und schmalen Weg verbreitet wurde – die sogenannten „Schardottereien“.
Es ist beeindruckend, wie diese Frau nach dem schweren Erlebnis des Kindstod erkannte: „Nein, ich darf etwas schaffen mit meinem Leben. Ich darf die große Güte Gottes verkündigen.“ Sie wurde in dem damals gottlosen Stuttgart ein Motor für das Zeugnis von Gott.
Viele Missionsvereine in Stuttgart gehen auf Charlotte Reilen zurück. Man kann gar nicht alles aufzählen, was sie bewirkt hat. In einer Zeit, in der Frauen wenig galten, hat der Herr Jesus sie gebraucht und sie wirkte oft mehr als ihr Mann, der sie nur unterstützen konnte.
Das ist das Wunderbare und unsere Ermutigung: Gott will uns gebrauchen. Er hat diese Welt noch nicht abgeschrieben. Wir dürfen Zeugen der Hoffnung, der Zuversicht und des Glaubens sein. Amen.
Schlussgebet
Lieber Herr,
jetzt wollen wir dir ganz herzlich danken, dass du uns zuerst selbst die Hoffnung gibst. So können wir heute Abend mit unseren Sorgen und Lasten einfach zu dir kommen und sie bei dir abladen.
Wir denken an so viele Menschen, die wir kennen und denen diese Freude fehlt. Sie sehen nur die dunkle Wand in der Zukunft, besonders die Kranken und Pflegebedürftigen.
Herr, du kannst all das schenken, damit es so wird wie bei Hanna. Es hängt nicht von materiellen Gaben ab, sondern du musst uns das Herz öffnen und den Blick weiten, damit wir dich, den lebendigen Herrn, vor Augen haben.
Wir danken dir für dein Wort, das wahr ist und sich erfüllt. Du gehst mit jedem von uns in die Nacht und schenkst uns deinen Frieden.
Wir beten auch für diese ganze unruhige Welt mit ihren vielen Katastrophen. Ebenso beten wir für die Gottlosigkeit um uns herum. Ach Herr, lass uns noch einige zu dir führen und gebrauche uns dafür.
Danke auch für diese Stätte des Friedens hier auf der Langensteinbaröh. Danke für alle Mitarbeiter, auch die im Hintergrund arbeiten, wie die Hausdamen, die in der Hausverwaltung tätig sind, im Sekretariat und überall sonst.
Segne alle und gebrauche diese Stätte für viele Menschen als einen Ort deiner Gegenwart.
Amen!
