Wir beginnen heute mit einer neuen Predigtreihe, und ich bin schon sehr gespannt, was die nächsten Wochen mit dem Buch Ruth für uns bereithalten werden.
Für diejenigen, die sich fragen, wo sie das Buch in ihrer Bibel finden können: Im Alten Testament steht es recht weit am Anfang, nach den fünf Büchern Mose, Joshua und Richter. Dann folgt das Buch Ruth.
Ich muss gestehen, dass das Buch Ruth kein Buch ist, an das ich morgens beim Aufwachen oder abends vor dem Einschlafen sofort denke. Es ist nicht so, dass ich mir sage: „Ach, Ruth, das ist doch ein starkes Bibelbuch. Was würde mir fehlen, wenn ich es nicht hätte?“ Ehrlich gesagt erschien mir das Buch zunächst ziemlich fern und nicht besonders relevant.
Ich weiß nicht, wie es dir geht. Als ich mit einer Schwester aus der Gemeinde darüber sprach, dass ich vorhabe, mit der Gemeinde durch das Buch Ruth zu gehen, kam sofort die Reaktion: „Ja, ein typisches Frauenbuch, so für Frauenfreizeiten.“ Aber ich glaube, dass man daraus auch dann Schätze heben kann, wenn man kein Frau ist. Es ist nicht einfach nur ein Buch für Frauen.
Übrigens, eine interessante Nebenbemerkung: Manchmal, wenn man im Gespräch mit Menschen ist, die wenig mit dem Glauben zu tun haben oder ihm vielleicht sogar ablehnend gegenüberstehen, hört man oft den Vorwurf, das Christentum sei frauenfeindlich. Dabei ist es sehr spannend, dass es im Alten Testament zwei Bücher gibt, deren Überschrift einen Frauennamen trägt: Ruth und Esther. Das ist etwas Außergewöhnliches.
Daraus können wir schließen, dass es keine grundsätzliche Frauenfeindlichkeit gab. Sonst hätte man die Bücher auch nach anderen Personen benennen können, denn es gab im Buch Ruth auch andere Personen. Dennoch trägt das Buch den Namen Ruth, was eine große Wertschätzung gegenüber Frauen ausdrückt.
Ich glaube, dass auch dieses Buch, auch wenn es für mich oder vielleicht für einige von euch unscheinbar wirkt, Schätze bereithält. Im Neuen Testament lesen wir in 2. Timotheus 3,16: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes richtig ist, für jedes gute Werk ausgerüstet.“
So können wir uns auch an Passagen heranwagen, die uns vielleicht zunächst weit entfernt erscheinen.
Unser Thema heute lautet: Hoffnung für Rebellen? Mal sehen, ob daraus ein Ausrufezeichen wird.
Die Verse, mit denen wir uns beschäftigen, stehen im ersten Kapitel, Verse 1 bis 6. Diese möchte ich gerne vorlesen, und ihr könnt an der Wand mitlesen:
„Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Land. Ein Mann von Bethlehem in Juda ging hin, um sich im Gebiet von Moab als Fremder aufzuhalten, er und seine Frau und seine beiden Söhne. Der Name des Mannes war Elimelech, und der Name seiner Frau Naomi – in einigen Übersetzungen Naemi oder Naomi –, das ist nicht egal, man kann es unterschiedlich übersetzen. Meine Übersetzung sagt Naomi. Die Namen seiner beiden Söhne waren Machlon und Kiljon, Ephratiter aus Bethlehem in Juda. Sie kamen im Gebiet von Moab an und blieben dort.
Da starb Elimelech, und so blieb Naomi zurück mit ihren beiden Söhnen. Diese nahmen sich moabitische Frauen. Der Name der einen war Orpa, der der anderen Ruth. Sie wohnten dort etwa zehn Jahre. Dann starben auch Machlon und Kiljon, und die Frau blieb zurück, ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.
Sie machte sich auf, sie und ihre Schwiegertöchter, und kehrte aus dem Gebiet von Moab zurück. Denn sie hatte im Gebiet von Moab gehört, dass der Herr sein Volk heimgesucht habe, um ihnen Brot zu geben.“
Wenn ihr euch in der nächsten Woche einmal Zeit nehmt, könnt ihr das Buch in knapp einer halben Stunde durchlesen. Es ist kein langes Buch – nur vier Kapitel.
Als ich es das erste Mal so gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass die Verse zunächst so vor sich hinplätschern. Da geht jemand hierhin, dann passiert das, und dann geht er wieder dort hin.
Ich glaube aber, dass wir die Tragweite der Aussagen im Alten Testament, im Buch Ruth und auch in diesem Kapitel, in diesen ersten Versen, erst richtig begreifen und verstehen können. Nur so können sie für uns fruchtbar werden – wenn wir dieses Buch im Gesamtkontext, im Gesamtzusammenhang des Alten Testaments sehen.
Wir finden ganz zu Anfang im Vers 1, wie es heißt: „Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten.“ Ja, was sollen Richter denn sonst auch machen?
Für jemanden, der sich im Alten Testament nicht gut auskennt, mag das zunächst verwirrend sein. Man fragt sich: Was soll das? Doch diese Angabe ist wichtig, denn sie ordnet das Buch zeitlich ein. Sie stellt eine Verbindung zu einer Geschichte, zu einer Historie her. Der Leser, insbesondere der hebräische Leser, der das Buch früher gelesen hat, wusste so, zu welcher Zeit die Handlung spielt. Er verstand auch, warum die Informationen, die gleich folgen, in diesem Kontext interessant sind. Denn all das geschah in der Zeit, als die Richter richteten.
Diese Zeitangabe ist zwar eine historische Information, doch sie ist mehr als das. Würde ich jetzt weiter darüber reden, würden wohl drei Viertel von euch wegschlafen, denn niemand möchte einen Geschichtsunterricht hören. Dennoch ist diese Zeitangabe wichtig, denn sie möchte uns auch einen geistlich-moralischen Zustand in Israel vermitteln.
Das war keine beliebige Zeit. Wer das Alte Testament liest, weiß, dass Israel verschiedene Phasen durchlebt hat. Es gab Zeiten des Wohlstands und des Segens, aber auch viele Kriege. Zahlreiche Texte im Alten Testament handeln von Kriegen. Wenn du das Buch Richter liest, das in der Zeit spielt, als die Richter richteten, könnte dieses Buch für uns interessant sein. Doch wenn du das Buch liest, denkst du vielleicht: „Boah, wenn das das ganze Alte Testament wäre, möchte ich nicht weiterlesen.“
Die Richterzeit war eine sehr krasse, schlimme und teilweise brutale Zeit. Die Bibel beschreibt schonungslos, was dort geschah: wie gemordet und geschlachtet wurde, was das Zeug hält, und wie das Volk unterwegs war.
Aus der Sicht eines Historikers müsste man die Richterzeit als eine gottlose Zeit beschreiben. Es gab sehr wenig Gotteserkenntnis und kaum Gottesfurcht. Es gab bessere Zeiten in Israel, in denen die Menschen Gott liebten, sein Wort hörten und befolgten. Aber die Richterzeit war nicht so eine Zeit.
Wenn du dich fragst, was das für eine Zeit war, möchte ich das jetzt mit euch anschauen, damit wir die Aussagen besser verstehen. Schlag einfach eine Seite auf, und du kannst am letzten Vers des Richterbuches erkennen, wie der Autor diese Zeit zusammenfasst.
Das Richterbuch endet in Kapitel 21, Vers 25 mit den Worten: „In jenen Tagen war kein König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.“
Das ist die Zusammenfassung des Richterbuches. Wenn du dann weiterblätterst, findest du die Geschichte von Ruth, die unmittelbar danach erzählt wird.
„Jeder tat, was recht war in seinen Augen“ – das ist eine Zusammenfassung, bei der du dir vielleicht noch nicht viel vorstellen kannst. Lass uns deshalb eine genauere Beschreibung hören. Die findest du am Anfang des Buches, in Kapitel 2. Richter 2 möchte ich jetzt mit euch aufschlagen.
Nachdem Mose das Volk Israel aus Ägypten geführt hatte und gemeinsam mit Josua Kämpfe geführt wurden, gelangten sie ins Land Israel. Dort kam es zu Tumulten. In Richter 2,10 heißt es, dass eine andere Generation nach Josua und seinen Zeitgenossen aufwuchs, die den Herrn nicht kannte und auch nicht das Werk, das er für Israel in der Vergangenheit getan hatte.
Diese Generation tat, was böse war in den Augen des Herrn, und diente den Baalim. Sie verließen den Herrn, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägypten herausgeführt hatte, und liefen anderen Göttern nach – den Göttern der Völker, die rings um sie lebten. Sie warfen sich vor diesen Göttern nieder und reizten den Herrn zum Zorn.
Ein Beispiel aus der heutigen Zeit zeigt, dass manche Menschen versuchen, fremde Glaubensrichtungen „auszuprobieren“. So sah ich gestern ein Bild, wie deutsche Schüler in Moscheen zum Probebeten gingen und sich dort niederwarfen.
Die Israeliten liefen also anderen Göttern nach, warfen sich vor ihnen nieder und reizten den Herrn zum Zorn. Sie verließen den Herrn und dienten dem Baal und der Astaroth. Diese Namen sind heute vielleicht weniger bekannt, doch es waren große Gottheiten oder Götzen in jener Zeit. Heutzutage könnte man ähnliche Beispiele mit anderen Namen finden.
Daraufhin entbrannte der Zorn des Herrn gegen Israel. Er gab sie in die Hand von Plünderern, die sie ausplünderten, und verkaufte sie in die Hand ihrer Feinde ringsum. So konnten sie ihren Feinden nicht mehr standhalten. Überall, wohin sie auszogen, war die Hand des Herrn gegen sie zum Bösen. Ganz wie der Herr geredet und geschworen hatte, wurden sie bedrängt.
Da ließ der Herr Richter aufstehen, die sie aus der Hand ihrer Plünderer retteten. Doch auch auf diese Richter hörten sie nicht. Stattdessen huldigten sie anderen Göttern und warfen sich vor ihnen nieder. Schnell wichen sie vom Weg ab, den ihre Väter gegangen waren, um den Geboten des Herrn zu gehorchen. Sie handelten nicht so.
Wenn der Herr ihnen Richter erstehen ließ, war er mit dem Richter und rettete sie aus der Hand ihrer Feinde – alle Tage des Richters. Denn der Herr hatte Mitleid wegen ihres Ächzens über die, die sie quälten und bedrängten. Doch sobald der Richter starb, kehrten sie um und trieben es schlimmer als ihre Väter darin, anderen Göttern nachzulaufen, ihnen zu dienen und sich vor ihnen niederzuwerfen. Sie ließen nichts von ihren Taten und ihrem halsstarrigen Wandel fallen.
Das ist eine sehr krasse Beschreibung. Im Alten Testament, wenn man anderen Göttern Ehre bringt außer dem einen Gott, den wir anbeten – dem dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, im Alten Testament Jahwe genannt – dann ist das keine Kleinigkeit. Es wird mit Hurerei beschrieben, dass man sich völlig hingibt und „hurenhaft“ handelt. Das sind starke, drastische Beschreibungen.
Jeder tat, was recht war in seinen Augen. In unserer Passage sehen wir, dass die Richterzeit davon geprägt war. Man tat, was recht war in seinen Augen, und gleichzeitig taten die Söhne Israel, was böse war in den Augen des Herrn. Diese zwei Kontraste werden im Richterbuch immer wieder aufgezeigt: Die einen tun, was recht ist, oder tun nur das, was recht ist in ihren eigenen Augen. Aus Gottes Perspektive ist das jedoch böse.
Im Richterbuch finden wir einen Zyklus, der sich immer und immer wiederholt. Wenn man denkt, es sei vorbei, beginnt er erneut. Er sieht immer gleich aus. Ein kleines Beispiel finden wir in Kapitel 3, Verse 7 bis 9:
Die Söhne Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn, und vergaßen den Herrn, ihren Gott. Sie dienten den Baalim und den Ascheren – das hatten wir schon erwähnt. Das ist Schritt eins: Rebellion.
In Vers 8 entbrannte der Zorn des Herrn gegen Israel – Schritt zwei: Gericht.
In Vers 9 lesen wir, dass die Söhne Israel zum Herrn um Hilfe schrien – Schritt drei: Umkehr.
Dann ließ der Herr den Söhnen Israel einen Retter oder Richter erstehen – Schritt vier: Rettung.
Dieser Zyklus wiederholt sich immer wieder. Man kann das Richterbuch nicht lesen, ohne das zu erkennen. Wenn man die nächsten Seiten aufschlägt, sieht man ständig Rebellion, Gericht Gottes, Umkehr des Volkes und Rettung. Rebellion, Gericht, Umkehr, Rettung – und das immer wieder.
In diesem Zustand befinden wir uns auch heute noch, in diesen Zyklen. In diesen Zyklen befinden sich Elimelech, Naomi und die beiden Söhne. Ruth noch nicht, denn sie ist keine Israelitin – dazu kommen wir noch.
Das ist die Zeit, der geistliche und moralische Zustand: wenig Gotteserkenntnis, Gott wird vergessen, ebenso das, was er getan hat. Man vergisst die Geschichte und die Verheißungen, die Gott gegeben hat. Man vergisst, dass man in einem Land lebt, das Gott gehört, das Gott den Israeliten gegeben hat und in dem er möchte, dass man treu ist und seinen Segen erfährt.
Aber was tut Elimelech? In Ruth 1,1-2 heißt es: "Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Land. Ein Mann von Bethlehem in Juda ging hin, um sich im Gebiet von Moab als Fremder aufzuhalten. Er und seine Frau und seine beiden Söhne. Der Name des Mannes war Elimelech, der Name seiner Frau Naomi, und die Namen seiner beiden Söhne Machlon und Kiljon, Ephratiter aus Bethlehem in Juda. Sie kamen im Gebiet von Moab an und blieben dort."
Was tut Elimelech? Er tut das, was in seinen Augen recht ist. Er zeigt dem Nachbarvolk, dass Elimelech völlig geistlich fertig ist, dass er geistlich überhaupt keine Sensibilität dafür hat, was sein Schritt in den Augen Gottes bedeutet. Er schaut nämlich nur: "Dieser Schritt scheint mir jetzt gut. Ich habe Hunger hier, dort ist das Gras grüner. Ich müsste auf diese Wiese, ich müsste auf diese Weise, denn da habe ich grünes Gras, nicht so wie hier. Hier kriege ich Futter, hier kriege ich Essen, hier habe ich Wohlstand. Ich tue, was recht ist in meinen Augen."
Er überlegt nicht eine Sekunde, ob das dem Herrn vielleicht missfallen könnte. Er gehört zu denen, von denen wir gelesen haben, dass sie Jahwe, den Gott Israels, nicht kennen und die Verheißungen nicht kennen. Und er geht nach Moab. Das ist nicht nur einfach eine Ortsangabe im Navigationsgerät: "Bitte biegen Sie links ab, Sie haben Ihren Bestimmungsort erreicht." "Jetzt bin ich in Moab, Moab ist nett, hier bleibe ich, ich bin zwar ein Fremder, aber hier ist es gut." Das ist mehr als eine Ortsangabe.
Wir lesen das schnell, aber wenn wir das Richterbuch kennen, wenn wir es vorher gelesen haben und in den Kontext einbetten, merken wir: Das ist absurd, es ist völlig falsch, so zu handeln. Lass uns mal Richter 3 lesen, zwei Verse, um zu erkennen, warum das völlig unsinnig ist, was er dort macht. In Richter 3,14-15 heißt es: "Nachdem die Israeliten das taten, was böse in Gottes Augen ist, dienten die Söhne Israel Eglon, dem König von Moab, viele Jahre. Und das war nicht nett, denn es heißt, da schrien die Söhne Israel zu dem Herrn um Hilfe, und der Herr ließ ihnen einen Retter erstehen." Wieder dieser gleiche Zyklus.
Moab ist nicht einfach ein nettes Völkchen, das kommt und ihnen hilft, irgendwie auf die Beine zu kommen, damit sie wieder eine stabile Regierung bekommen. Nein, sie dienen ihm, und das sind Unterdrücker. Diese Unterdrückung, diese politische Gewalt führt dazu, dass sie sagen: "Dieses Volk Moab hat Macht über uns. Sind wir wirklich das Volk, das von anderen überwältigt werden sollte? Oder sollte es vielleicht andersherum sein, dass wir souverän sind, dass wir einen Gott im Himmel haben, der uns helfen kann?"
Sie merken, dass Moab nicht wirklich attraktiv ist, nicht wirklich gut zu ihnen. Sie müssen schreien um Hilfe. Und Gott rettet! Aber was macht Elimelech? Er geht zu den Feinden. Man könnte sagen: "Hast du nicht ein bisschen wenig Verständnis? Du hast so wenig Verständnis." Er möchte doch nur für seine Familie sorgen. Wir lesen ja: "In den Tagen, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Land." Tja, ist das nicht Grund genug, um zu bleiben?
Es ist eine Ironie des Textes, dass in Bethlehem, was übersetzt "Haus des Brotes" heißt, eine Hungersnot entsteht. Das könnte für den sensiblen, gottsensiblen Menschen in Israel vielleicht ein Fingerzeig sein: Im Haus des Brotes ist Hunger. Dort könnte vielleicht etwas faul laufen.
Elimelech kommt in eine Hungersnot. Ich weiß nicht, ob er dafür verantwortlich war. Ich glaube, es ist das ganze Volk, das komisch unterwegs ist, im Chaos lebt, Gott sich von Gott verabschiedet hat, Gott ausgeklammert hat aus ihrem Leben. Dann passiert das. Und dann kommen Dinge ins Leben, Entscheidungen, die das Leben für uns trifft, wo du nichts machen kannst. Plötzlich ist eine Hungersnot da. Das ist vielleicht subjektiv betrachtet Pech.
So gibt es Entscheidungen in unserem Leben, die nicht wir treffen. Vielleicht kennt ihr so etwas: Dinge, die auf einmal passieren, in dein Leben treten, und du fragst dich: "Warum passiert das jetzt? Mich hat niemand gefragt, ob das passiert. Hätte mich jemand gefragt, ob ich hungere, hätte ich gesagt: Nein." So wird eine Entscheidung über dein Leben getroffen, über die du keine Handhabe hast, wo du nichts tun kannst.
Solche Phasen im Leben, solche Entscheidungen, die das Leben für dich trifft, nötigen uns zu Entscheidungen, die wir treffen müssen. Und so steht Elimelech jetzt vor der Wahl: Verlasse ich meine Heimat?
Ein kurzer Zwischenwurf: Hier sind viele Kulturen, viele aus anderen Nationen, und viele aus Deutschland gehen in andere Nationen. Dieses Thema ist nicht eins zu eins übertragbar, dass jeder in seinem Zuhause bleiben soll. Wir reden hier letztendlich über Israel, das Volk Gottes, das ein Land bekommen hat. Hier geht es nicht darum, dass man nicht auswandern darf. Es geht um das geistliche Prinzip, das Gott dem Volk gesagt hat, und das ist das verheißene, das versprochene Land für sie.
Elimelech steht jetzt vor der Wahl in dieser Hungersnot, einer Entscheidung, die er nicht getroffen hat: Was tue ich? Verlasse ich das verheißene Land und suche das gottlose Volk auf, um ein wenig Glück in meinem Leben zu bekommen? Das ist eine Möglichkeit. Die andere Möglichkeit ist: Ich harre aus, ich bete, ich flehe, ich kehre um mit meinem ganzen Volk, und wir bringen das vor die Füße Gottes und sagen: "Herr, du siehst die Not." Und wir warten und vertrauen auf Gott, dass er uns in dieser Not versorgt.
Diese Entscheidungsmöglichkeit haben wir. Diese Entscheidungsmöglichkeit hat Elimelech. Vertraue ich auf den Herrn, dass er so groß ist, dass er trotz Hungersnot meine Familie durchbringen kann? Aber indem er nämlich aus dem Land Gottes hinausgeht, zeigt er seine Untreue und seine Rebellion.
Was wir in der Geschichte von Elimelech und Naomi sehen, ist, dass diese Zyklen, die es für das Volk Israel gibt, dass sie als einzelne Familie dasselbe auch durchleben. Die Geschichte beginnt mit Rebellion. Sie wenden sich von Gott buchstäblich ab.
Ich frage mich, was Elimelech gedacht hat. Hat er nicht gedacht, wird Gott vielleicht hören, wenn ich bete? Im Richterbuch, Kapitel 10, heißt es: "Und die Söhne taten, was böse war in den Augen des Herrn, und der Zorn des Herrn entbrannte gegen Israel aufgrund ihrer Rebellion." In den Versen 10 bis 16 heißt es: "Da schrien die Söhne Israels zum Herrn um Hilfe und sagten: Wir haben gegen dich gesündigt, weil wir unseren Gott verlassen und den Baalim gedient haben. Und der Herr sprach zu den Söhnen Israels: Ist das nicht so? Von den Ägyptern und von den Amoritern, von den Söhnen Ammon, von den Philistern, und als die Sidonier und Amalekiter und Maoniter euch quälten? Und als ihr zu mir schriet, da habe ich euch aus ihrer Hand gerettet. Ihr aber habt mich verlassen und anderen Göttern gedient. Darum werde ich nicht fortfahren, euch zu retten. Geht hin und schreit zu den Göttern um Hilfe, die ihr erwählt habt. Sollen sie euch doch retten zur Zeit eurer Not!"
Da sagten die Söhne Israel zu dem Herrn: "Wir haben gesündigt, tu uns nach allem, was gut ist in deinen Augen, nur rette uns doch am heutigen Tag." Sie entfernten die fremden Götter aus ihrer Mitte und dienten dem Herrn. Da wurde seine Seele ungeduldig über das Elend Israels.
Krass, wie Gott redet, wie er provoziert: "Siehst du deine Entscheidungen? Dann lauf doch zu dem Gott, zu dem du hingegangen bist." Aber der Text sagt, dass Gottes Seele ungeduldig ist und er sich sehnt nach einer Herzenswandlung, nach einer Herzensumkehr. Dass du nicht deine Not als erstes siehst, sondern den Versorger, der dich aus der Not herausretten kann.
Das ist das Verlangen Gottes. Und das sieht Elimelech in seiner Situation nicht. Er sieht einfach nur sein eigenes Verlangen, in dieses feindliche Land zu gehen und Gott untreu zu werden. Aber da ist Essen. Menschlich gesehen, versteht mich nicht falsch, menschlich gesehen kann ich das alles nachvollziehen. Und ich bete, wenn ich in so eine Situation komme, dass ich genau so schlaue Sprüche klopfe wie jetzt: Mir geht es gut.
Aber in Prediger 12,1 heißt es: "Und denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugendzeit, bevor die Tage des Übels kommen und die Jahre herannahen, von denen du sagen wirst: Ich habe keinen Gefallen an ihnen." Wenn du nicht in dieser Situation steckst, dann hör gut zu! Versinke in Gottes Weisheit, auch wenn du jetzt nicht vor dieser Konfrontation stehst.
Denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugendzeit, bevor die Tage des Übels kommen. Denn wenn sie kommen und du nicht vorbereitet bist und keine Beziehung zu deinem Schöpfer hast, dann wirst du in den Tagen des Übels, in denen du sagen wirst: "Sie gefallen mir nicht," nicht standhaft bleiben können und sagen: "Herr, ich bin dir treu, sei du mir treu."
Und Elimelech hat in seiner Jugendzeit nicht auf seinen Schöpfer gehört. Er gehört zu einer Generation, die dachte: "Ich kriege es auch alleine hin, ich schaffe es auch alleine, ich brauche niemanden über mir." Und das ist das größte Paradox, denn es heißt nicht einfach in unserem Text, dass ein Mann nach Moab ging. Es heißt, dass der Mann Elimelech hieß. Elimelech bedeutet auf Hebräisch: "Mein Gott ist König."
Elimelech zieht nicht als Missionar nach Moab, um von seinem tollen Gott zu berichten. Elimelech zieht als sein eigener König los und möchte sich sein eigenes Königreich aufbauen, sein eigenes Königreich basteln, und denkt, dass er damit langfristig Versorgung erfahren wird.
Elimelech fragt nicht nach Gottes Plänen und seinem Willen. Sein Leben hat keinen Anhaltspunkt, dass wirklich sein Gott auch sein König ist. Das ist die Frage für uns: Ist dein Gott wirklich dein König? Ein frommer Name hilft da nicht weiter. Und wir haben die frommen Namen, über unsere Stirn steht "Christ". Fromme Namen verändern nichts.
Seine Familie ist in diesem geistlich katastrophalen Zustand gefangen. Klar, wenn der Mann sagt, hier geht es lang in der Zeit, dann ist man mitgegangen. Das sieht heutzutage ein bisschen anders aus. Aber zu der Zeit war es so.
Dennoch gab es auch im Alten Testament starke Frauen. Es ist nicht so, dass es erst in den letzten 50 Jahren Frauen gab, die aufgestanden sind. Auch im Alten Testament gab es Frauen, die mitgedacht haben. Es gab zu jeder Zeit Frauen, die mitgedacht haben und ihren Mund geöffnet haben.
In dieser Phase hätten Naomi und ihre beiden Söhne zumindest überlegen können: Ist das jetzt richtig, was Vater tun will? Und man sieht, sie sind einfach nur Mitläufer. Sie gehen einfach mit.
Wer nicht um seine Stellung weiß und wer nicht um die Stellung Gottes in seinem Leben weiß, der wird auf krumme Wege kommen. Und das möchte uns Ruth 1, die ersten Verse, mitteilen: Weißt du um deine Stellung? Ist dein Gott König?
Entscheidungen, die das Leben für uns fällt, nötigen uns zu Entscheidungen, die von uns getroffen werden müssen. Oft denken wir, dass die beste Wahl ist, einen anderen Ort zu finden, wo alles besser ist als hier, wo alles besser ist als jetzt in meiner Situation.
Wir sind auf der Suche nach wirklich zeitlich vergänglichem Glück, Wohlstand, Sicherheit. Das scheint bei einigen Christen die Maxime zu sein, das wichtigste Kriterium: Wo kriege ich Wohlstand? Und diesen Weg schlage ich ein.
Aber wenn dein Gott wirklich König ist, dann sollten die langfristig geistlichen Konsequenzen für dich das oberste Kriterium für deine Entscheidungen sein. Wohlstand kommt und geht, aber es gibt einen, der bleibt.
Prüfe, auf welcher Grundlage du Lebensentscheidungen triffst. Ich bewundere Christen, die sagen: "Ich kenne selbst solche Christen, die haben gesagt: Waldemar, ich brauche einen neuen Job. Hier finde ich nichts. Aber ich habe zu Gott gesagt: Herr, ich gehe nicht einfach in eine Bombenfirma und geistlich werde ich arm. Ich werde mir eine Gemeinde suchen, wo Gottes Wort gepredigt wird und wo man geistig wächst. Und wenn ich die gefunden habe, dann werde ich Gott sagen: Herr, an diesem Ort brauche ich Arbeit."
Menschen, die das machen – meine Erfahrungen von dem, was mir geschildert wurde – haben erlebt, dass Gott treu ist. Aber die Frage ist: Was ist deine erste Priorität? Was ist deine Grundlage? Was sind die Kriterien für deine Entscheidung?
Ich habe nichts gegen gute Jobs. Gott segne dich mit einem guten Job, Gott segne dich mit gutem Gehalt, gerne auch mit Sicherheit, Wohlstand und Glück. Aber wenn das das Einzige ist, wenn das das erste Kriterium ist, dann werden wir früher oder später für unsere Entscheidungen bezahlen müssen.
In den Versen 3 bis 5 sehen wir, dass Elimelech sterben musste. Er war der Mann Noomis, und sie blieb zurück mit ihren beiden Söhnen. Diese nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa – nicht Oprah – und die andere Ruth. Sie lebten dort etwa zehn Jahre. Dann starben auch die beiden Söhne, Machlon und Kiljon, und die Frau blieb ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann zurück.
Noomi blieb also mit ihren beiden Söhnen zurück. Wenn ein Hebräer das liest – "sie blieb zurück" – wird er sich daran erinnern: Im Alten Testament stammt dieses Wort "zurückbleiben" von demselben Begriff, der immer wieder für die Gruppe von Menschen verwendet wird, die dem Gericht Gottes entgehen und die Chance zur Umkehr haben. Für Bibelkenner nennt man das den Überrest. Vielleicht ist dieser Begriff schon einmal in der Bibel begegnet.
In den Propheten wird sehr oft von Gott versprochen, dass es einen Überrest geben wird, der verschont bleibt. Dieser Überrest soll in neuen Wegen gehen, weil Gott nicht alle vernichten will. Es ist spannend zu lesen, dass der Hebräer hier denkt: Naomi mit ihren beiden Söhnen blieb zurück. Es bleibt ein Rest, ein Überrest, der wieder vor der Entscheidung steht: Wohin geht es? Mit Gott oder ohne?
Sie hätten sagen können: Das, was hier passiert, sollte uns motivieren, zurück zu Gott zu gehen und treu zu werden. Doch unser Text sagt, dass sie sich noch tiefer in ihre eigenen Pläne verstricken, nicht in Gottes Pläne. Sie fallen noch tiefer in ihre Gedanken darüber, wie das Leben zu funktionieren habe.
Was tun die Söhne? Sie heiraten moabitische Frauen. Für uns heute ist das kein Problem und völlig in Ordnung. Multikulti ist akzeptiert. Aber zu jener Zeit gab es zwei Bünde – das Alte und das Neue Testament – und einen Unterschied in der Zeit.
Im Alten Testament hatte Gott klare Regelungen für die Israeliten. Er sagte: Heirate keine Moabiterin oder Ausländerin. Nicht, weil diese Frauen schlecht wären, nicht, weil sie nicht kochen oder nicht sauber machen könnten – das wäre Blödsinn.
Die Argumentation im Gesetz Mose war eine andere: Wenn du eine ausländische Frau nimmst, dann sind das keine geistlich neutralen Menschen, die sagen: "Was hast du für einen Gott? Mal schauen." Nein, diese Menschen dienen anderen Göttern, sie haben Götzen. Und wenn du dich an diese Frau hängst, machst du den ersten Kompromiss. Dann folgen der zweite, der dritte und der vierte. Am Ende kniest du nicht vor Jahwe, sondern vor einer billigen Statue, die irgendjemand gezimmert hat und behauptet, diese Statue könne hören.
Eigentlich hätten Naomi und die beiden Söhne das wissen müssen, aber sie verstricken sich noch tiefer. Sie leben dort zehn Jahre! Man könnte sagen: Zehn Jahre ging es mehr oder weniger gut. Nicht alles war perfekt, aber sie konnten dort leben und hatten Frauen. Das ist die menschliche Perspektive der zehn Jahre.
Gottes Perspektive ist jedoch eine andere. Unser Text zeigt, dass dieses Leben innerhalb von drei Versen ruiniert wird. Es braucht keine drei Verse, und das Ganze ist im Eimer – die Katastrophe ist perfekt.
Manche denken vielleicht: "Mensch, es läuft, es geht, und ich komme auch alleine klar." Das ist oft eine Klage bei den Psalmisten, die sagen: "Herr, ich schaue auf die Gottlosen. Was sie anfassen, gelingt. Sie haben Wohlstand, Sicherheit. Und was ist mit mir?" Am Ende heißt es oft: "Schau auf ihr Ende."
Wir leben in einer kurzlebigen Zeit, in der wir kaum noch Zeit haben, den Blick zu heben und zu überlegen, was hinter einer Entscheidung steckt. Was sind die Konsequenzen, wenn ich jetzt handle? Oft denken wir nicht darüber nach, sondern schauen nur schnell, was mir jetzt im Augenblick akute Befriedigung bringt. Das nehme ich mir, das brauche ich, das will ich, das ist gut für mich.
Wenn ich sehe, dass es ein-, zwei-, dreimal klappt, vier-, fünf-, sechsmal, zehn Jahre lang – es geht. Selbst wenn Entscheidungen, die das Leben für uns trifft, uns nicht gefallen, wie Hungersnöte oder andere Schwierigkeiten, bleiben wir. Und das möchte uns das Buch Ruth sagen: Wir sind verantwortlich für unsere Entscheidungen und müssen die Konsequenzen tragen.
Wenn wir nicht bereit sind, Kurskorrekturen vorzunehmen, zahlen wir einen höheren Preis für unsere Entscheidungen. Der Preis für Elimelech war schon hoch. Doch wenn du deine Kurskorrektur aufschiebst, wird der Weg zurück nicht einfacher. Die innere Hürde, die Umkehr zu schaffen, wird immer höher.
Kennen wir das nicht vom Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15)? Er sagt zu seinem Vater: "Vater, gib mir mein Erbe. Ich erkläre dich für tot, gib mir mein Erbe, und ich gehe." Und es klappt irgendwie – bis alles weg ist, bis alles verzockt ist. Der Moment der Umkehr kommt, und er sagt: "Mensch, ich war dumm." Aber innerlich ist die Hürde schon so groß, so hoch, dass er denkt: "Es ist besser, zu den Schweinen zu gehen als zurück zu den Juden."
Wir haben vielleicht nicht mehr viel mit Juden zu tun, aber sprich mal mit einem Muslim und frage ihn: "Willst du Schweine hüten?" Er wird eher den Kopf schütteln. Doch der verlorene Sohn sagt: "Ich gehe zu den Schweinen." Er war schon so tief verstrickt und verstrickt sich immer tiefer in seine eigenen Pläne. Er ist nicht bereit einzugestehen, dass es nicht korrekt war.
Das erinnert mich an einen Fall von Steuerhinterziehung, den ich nicht beim Namen nennen möchte, bei einem sehr populären Mann in unserem Land. Zuerst waren es 3,5 Millionen hinterzogene Steuern, dann einige Tage später 15 Millionen, später 18,5 Millionen. Am Ende waren es 27 Millionen, schließlich 28,5 Millionen. Von 3,5 Millionen auf 28,5 Millionen! Vielleicht kann ich mit 3,5 Euro und 28,5 Euro mithalten.
Vielleicht ging es euch auch so, aber ich hatte das Gefühl, jeder im Land dachte: "Sag es doch einfach raus, komm, pack aus." Das ist doch lächerlich. Du machst dich zum Affen und hast jeden Tag ein Update: Wie viel mehr, wie viel mehr, wie viel mehr.
Natürlich ist es einfacher, auf dem Sofa zu sitzen und diesen armen Mann anzuschauen und zu sagen: "Was für ein Lappen." Aber wir haben exakt dasselbe Problem. Niemand braucht seinen Finger zu heben und auf diesen Mann zu zeigen. Wir alle neigen dazu, das zu tun, was recht ist aus unserer Sicht. Die Frage ist: Was ist das für Gott aus seinen Augen?
Ein kluger Pastor und Theologe, dessen Namen ich nicht wirklich aussprechen kann, schrieb dazu: Manchmal ist unser Stolz das größte Hindernis für die Umkehr nach Hause. Wir hassen den Gedanken, mit unserem zertrümmerten Leben zu unseren Familien zurückzukehren und zuzugeben, dass unsere frühere Wahl falsch war.
Irgendwie scheint es leichter, den Schmerz der fortdauernden Leere zu ertragen, als zu bekennen, dass unser Streben nach Erfüllung an einem falschen Ort war. Und genau das erleben wir in den Versen 3 bis 5. Vor allem erlebt es Naomi. Diese Verse bilden eine literarische Klammer: In Vers 3 heißt es, sie blieb mit ihren beiden Söhnen zurück, und in Vers 5 heißt es, sie blieb ohne ihre beiden Söhne zurück.
Am Ende ist Naomi ganz allein. Ihr Weg, sich ein eigenes Königreich zu basteln, führt in die Einsamkeit. Sie blieb ohne Mann und ohne Söhne zurück.
Wo sind die Schwiegertöchter? Sind sie etwa nichts? Darüber werden wir nächste Woche nachdenken. Dieser Vers spricht Bände über die Beziehungskonstellation zwischen Ruth und ihren beiden Schwiegertöchtern. Es heißt nicht, sie war ohne irgendetwas, sondern sie war mit. Naomi war in ihrer Situation allein, isoliert. Die Beziehungen werden wir uns nächste Woche anschauen.
Naomi steht an diesem Punkt, wo sie alles verloren hat, wieder vor der Entscheidung: Versinke ich erneut in meiner Rebellion oder kehre ich endlich um?
Vers 6 sagt: "Und sie machte sich auf, sie und ihre Schwiegertöchter, und kehrte aus dem Gebiet von Moab zurück, denn sie hatte im Gebiet von Moab gehört, dass der Herr sein Volk heimgesucht habe, um ihnen Brot zu geben."
Naomi hört von der Fürsorge Gottes und erkennt wahrscheinlich, dass sich der Zyklus wiederholt – nicht ihr eigener Zyklus, sondern der Israels: Rebellion, Gericht, Umkehr, Rettung! Rebellion, Gericht, Hungersnot. Sie gehen weg, fallen selbst in Rebellion, erleben Gericht, aber keine Rettung. Doch sie hören, dass es Rettung gibt.
Das bedeutet: Dort ist Umkehr geschehen! Sie entscheidet sich in diesem Moment, den Segen Bethlehems nicht zu verpassen. Sie überwindet ihren Stolz, gibt zu, dass kurzfristiges Glück ohne Gott keine Erfüllung bringt, wendet sich um und geht.
Merkst du, wie sich der Prozess von Rebellion, Gericht, Umkehr und Rettung eins zu eins in Naomis Leben widerspiegelt? Sie hat Rebellion erlebt, Gericht in ihrer Familie erfahren und steht nun vor der Umkehr.
Die große Frage ist: Wird sie in ihrem Leben Erneuerung und Rettung finden? Das ist ein gewisses Wagnis für sie.
Darum wird es in den nächsten Wochen im Buch Ruth gehen: Wie Gott mit Naomi umgeht. Gottes Wege mit Naomi sind schmerzhaft. Das möchte ich nicht herunterspielen, als wäre es leicht. Es ist dramatisch. Doch Gott hat alles bedacht und ermessen. Ihm entgeht nichts. Er ist gerecht, aber auch treu.
Naomi erfährt, dass Gott den Hochmütigen widersteht und den Demütigen Gnade gibt. Unsere Verse sagen uns: Ja, es gibt Hoffnung für Rebellen. Es gibt Hoffnung für uns, wenn wir weglaufen, wenn wir verstrickt sind, wenn wir immer weiter wegrennen und denken, es gibt keinen Weg mehr zurück.
Naomi hat es gemacht – sie ist umgekehrt. Egal, wie verstrickt und versunken wir sind, es gibt einen Weg nach Hause. Das müssen wir festhalten. Auch wenn du gerade auf einem guten Weg bist und hier in diesem schönen Raum sitzt: Vielleicht werden Tage kommen, vielleicht kennst du Menschen, die auf Abwege geraten sind. Schreibe sie nicht ab. Es gibt Wege nach Hause.
Das ist unsere christliche Hoffnung, und damit möchte ich schließen. Das Buch Ruth ist zutiefst christlich, obwohl es im Alten Testament steht und Jesus nicht einmal vorkommt.
Denn Jesus Christus ist die Person, die selbst in unser Moab gekommen ist – in das fremde Land, in das feindliche Gebiet, das Gott nicht kennen will. Er ist vom Himmelreich heruntergekommen in dieses Gebiet.
Warum hat er das getan? Um uns echte Erfüllung und echten Segen zu geben. Er ist gekommen, um unser Papierhaus, unser Papierkönigreich niederzureißen und sein himmlisches Königreich anzubrechen.
Das ist sein Ziel. Er ist gekommen, damit wir das Gericht unserer Rebellion nicht tragen müssen. Er ist gekommen, um die Strafe unserer Rebellion auf sich zu nehmen. Am Ende hängt er ganz allein am Kreuz, verlassen und verspottet.
Er ist gekommen, unser Moab, um uns zurück nach Hause zu bringen.
Lasst uns beten.
Herr, ich danke dir für...