Oft träumen wir von einer Gemeinde, in der paradiesische Zustände herrschen. Da ihr noch eine relativ junge und überschaubare Gemeinde seid, habt ihr diesen Traum vielleicht noch immer.
Ich habe mich gefragt, ob es überhaupt fair von mir ist, diesen Traum irgendwie zu zerstören. Wir träumen davon, dass Gemeinde ein Ort völliger Harmonie ist – ohne Diskussionen, ohne Auseinandersetzungen, ohne Streit und Verletzungen. Dass unser Zusammenleben in der Gemeinde nur von einem Satz geprägt ist: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
Das ist unser Traum von Gemeinde. Ich hoffe natürlich, dass dieser Satz im Großen und Ganzen zutrifft. Aber mein Thema heute lautet: Gemeinde ist ein Ort der Auseinandersetzung.
Vielleicht raubt euch das die eine oder andere Illusion. Vielleicht möchtet ihr euch aber auch noch ein bisschen an eurer Illusion festhalten und sagen: „Was der Gerhard da sagt, das muss ja nicht so sein.“
Wir können aber einfach mal in die Bibel schauen, was dort über Gemeinden gesagt wird – zumindest über Gemeinden, wenn sie ein bisschen größer werden.
Das Thema ist: Gemeinde ist ein Ort, an dem es Auseinandersetzungen gibt.
Die Realität der Gemeinde: Auseinandersetzungen als Teil des Gemeindelebens
Timotheus – wir schauen noch einmal in den zweiten Timotheusbrief hinein. Timotheus war nach wie vor in Ephesus. Er war bereits dorthin gegangen, um Ordnung zu schaffen und Dinge durchzusetzen, die die aktuelle Leitung, falls es überhaupt eine funktionierende Leitung gab, offensichtlich nicht durchsetzen konnte.
Die äußeren Verhältnisse waren zu dieser Zeit schwieriger geworden. Es gab immer mehr Druck von außen auf die Christen. Das machte die Lage natürlich nicht einfacher. Auch in der Gemeinde selbst war es offensichtlich nicht mehr leicht, zur ganzen Wahrheit zu stehen. Das war die Ausgangssituation.
Wenn wir nun in 2. Timotheus 2,14 einsteigen, beginnt ein ganz eigener Abschnitt, der sich bis Kapitel 3, Vers 9 erstreckt. Bis dahin waren eher allgemeine Dinge behandelt worden. Dieser Brief ist der letzte von Paulus und stellt sozusagen sein Vermächtnis an Timotheus dar. Er hoffte, Timotheus noch einmal zu sehen und sagte ihm, er solle vor dem Winter kommen. Dabei ging es auch darum, dass Timotheus ein paar Dinge für den Winter mitbringen sollte. Dahinter steckt aber auch die Ahnung, dass Paulus nicht mehr lange leben würde. Er war überzeugt, dass er zum Tode verurteilt und in diesem Gefängnis sterben würde.
Paulus hoffte sehr auf ein Wiedersehen, doch dieser Brief ist sein letzter. Er hat schon viel von seinem Vermächtnis hineingepackt, falls es nicht mehr zu einem persönlichen Treffen kommt. Das gilt im Grunde bis Kapitel 2, Vers 13, wo vieles sehr Prinzipielles gesagt wird – zur Entwicklung, Ermutigung und Herausforderung.
Der Rest des Briefes ab Kapitel 3, Vers 10 ist der Teil, in dem Paulus tatsächlich noch einmal deutlich macht, dass er das Gefängnis nicht überleben wird. Er legt Timotheus noch einmal Dinge ans Herz.
Im mittleren Teil des Briefes geht es um die Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation in Ephesus und Umgebung. Was muss Timotheus gerade bewältigen? Welche Verantwortung trägt er in der Gemeinde und in der gesamten Gemeindebewegung, die durch das Missionsteam entstanden ist?
Wir tauchen jetzt tiefer in die aktuelle Situation ein, wie sie im Brief dargestellt wird. Was prägt diese Zeit? Was ist die Herausforderung für Timotheus?
Zum Beispiel heißt es in Kapitel 2, Vers 16: „Die ungöttlichen Lehrgespräche vermeide.“ Es gab also Dinge, die Timotheus vermeiden sollte. Ich finde die Übersetzung hier nicht ganz glücklich, habe aber keine bessere gesucht. Im Deutschen klingt „vermeiden“ so, als wolle man sich persönlich davor schützen. Doch darum geht es hier nicht in erster Linie.
Vielmehr soll Timotheus verhindern, dass sich bestimmte Dinge in der Gemeinde ausbreiten. Er soll dafür sorgen, dass diese Themen in der Gemeinde keine Rolle spielen oder keine Fuß fassen. Seine Aufgabe war es, solche Dinge abzuwenden.
In Vers 23 heißt es: „Die törichten und ungereimten Streitfragen aber weise ab.“ Es ging also nicht nur darum, die Gemeinde abzuschirmen, sondern Timotheus musste auch aktiv eingreifen und deutlich machen: „Das möchten wir hier nicht haben.“
Ein Schritt weiter, in Kapitel 3, Vers 5, beschreibt Paulus Menschen, die für die zukünftigen Zeiten charakteristisch sind. Er deutet aber an, dass solche Personen bereits jetzt versuchen, Einfluss auf die Gemeinde zu nehmen und dass es sie dort schon gibt. Der Vers endet mit dem Hinweis an Timotheus: „Von diesen wende dich ab.“
Das bedeutet, Timotheus sollte bestimmte Themen und Streitpunkte aus der Gemeinde fernhalten oder sogar aus ihr verdrängen. Er sollte sich auch von bestimmten Personen distanzieren.
Das ist ein anderes Bild als das einer harmonischen Gemeinde. Es ist eine Gemeinde, die von Auseinandersetzungen geprägt ist und sowohl von außen als auch von innen geschützt werden muss.
Darum geht es in diesem Abschnitt. Wir können heute natürlich nicht den gesamten Abschnitt bis Kapitel 3, Vers 9 betrachten, sondern nur einige Verse und den Einstieg in dieses Thema der Auseinandersetzung.
Herausforderungen in einer wachsenden Gemeinde
Typisch in diesem Zusammenhang – und das passt vielleicht auch zu meiner Einleitung – ist Vers 20, wo Paulus sagt: „in einem großen Haus“. So beschreibt er, wie er die Gemeindebewegung empfindet, die wir begonnen haben. Sie ist zu einem großen, unübersichtlichen Haushalt geworden, in dem man nicht mehr jedes Detail kontrollieren oder im Blick behalten kann.
Das ist die Situation in größeren Gemeinden. Der eine oder andere von euch war vielleicht schon einmal in einer größeren Gemeinde. Dort ist es genau so: Es ist ein großes Haus mit vielen verschiedenen Menschen und Einflüssen. In diesem Fall sprach Paulus sogar von einer Bewegung aus verschiedenen Gemeinden in verschiedenen römischen Provinzen. Aber auch in einer einzelnen Gemeinde, wenn sie größer wird, ist es so: Es ist ein großes Haus, in dem viele unterschiedliche Menschen leben und viele verschiedene Einflüsse wirken.
Diese Menschen haben Kontakte nach außen, zu anderen Gläubigen oder auch zu Leuten, die auf sie einwirken. All diese Einflüsse gelangen in die Gemeinde hinein. Man muss sie verarbeiten, mit den Leuten sprechen und darauf achten, dass sich ungute Dinge nicht verbreiten. So ist die Situation in einem großen Haus.
Deshalb ist das vielleicht heute eine Vorbereitung für euch auf die nähere Zukunft, wenn das Haus hier größer wird. Es ist gut, darauf vorbereitet zu sein.
Ein Schlüsselsatz in diesem Brief, auf den ich noch einmal zurückkommen möchte, steht in Kapitel 1, Vers 13. Paulus gibt Timotheus eine grundsätzliche Aufforderung, die ich vorlese: „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind.“
Das bedeutet: Halte die ganze Wahrheit fest. Das ist die grundlegende Motivation für das, was du tun musst. Du musst darauf achten, dass die ganze Wahrheit bewahrt wird – dieses Gesamtbild, um das es geht. Weder sollen falsche Dinge in die Gemeinde gelangen, noch darf ein Teil der Wahrheit so überbetont werden, dass andere wichtige Aspekte völlig in den Hintergrund geraten.
Halte fest das Bild gesunder Worte, also das ausgewogene Muster, das alles umfasst, was dem Herrn wichtig ist. Das ist dein Auftrag. Die Geschichte zeigt immer wieder die Tendenz, dass dieses Gleichgewicht verschoben wird. Timotheus, es ist dein Auftrag, das zu bewahren.
In Vers 14 heißt es: „Bewahre das schöne anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.“ Bewahre die Botschaft, die ein Teil dieses anvertrauten Gutes ist – die Botschaft, die Jesus uns gegeben hat.
Timotheus, bewahre die Gemeinde und die Gemeinden. Das ist ein kostbares anvertrautes Gut, das Jesus uns und speziell dir in der Zukunft anvertraut hat.
Darum geht es: Es geht um Bewahren und Festhalten. Es ist nicht mehr nur eine Zeit des Aufbruchs, wie noch einige Jahre zuvor, sondern hier ist ein großes Haus entstanden, eine große Bewegung. Es konnte nicht einfach immer weitergehen, sondern es musste auch Energie darauf verwendet werden, wichtige Dinge zu bewahren.
Gerade in dieser Zeit, zum Ende von Paulus’ Leben, werden diese Stichworte immer wichtiger: bewahren und festhalten.
Unnötige Streitigkeiten vermeiden
Bevor Paulus mit dem Thema der notwendigen Auseinandersetzungen beginnt, macht er gewissermaßen ein Vorwort. Er sagt, dass manche Auseinandersetzungen vollkommen unnötig sind.
Timotheus, bevor du also damit anfängst, Auseinandersetzungen zu führen, die an vielen Stellen notwendig sind, um die Lehre zu bewahren, das Muster zu bewahren und die Gemeinden zu schützen, ist eines wichtig: Es gibt Auseinandersetzungen, die unnötig und schädlich sind.
Manchmal ist nicht das Thema das Problem, sondern der Streit selbst. Es gibt Fälle, in denen das Thema das Problem ist und man sich damit auseinandersetzen muss. Aber bei vielen Themen ist der Streit das größere Problem als das Thema.
Ich lese dazu 2. Timotheus 2,14: "Dies bringe in Erinnerung, indem du ernstlich vor dem Herrn bezeugst." Das ist wichtig und soll in der Gemeinde betont werden. Es ist ganz entscheidend, dass die Gemeinde das versteht. Bezeuge das ernstlich vor dem Herrn und führe keine Wortstreitereien, die zu nichts nütze sind, sondern zum Verderben der Zuhörer führen.
Dieser Satz enthält sehr viel Bedeutung. Was ist damit gemeint? In meiner Übersetzung steht „Wortstreit“. Das ist doppelsinnig. Es kann ein Streit mit Worten sein, aber auch ein Streit über Worte. Und wie oft wird über Worte gestritten? Ich weiß nicht, ob das heute noch so häufig vorkommt, aber ich habe das in der Vergangenheit öfter erlebt.
Es gibt Leute, die sagen: "In unserer Gemeinde ist es so und so." Aber das ist die Gemeinde des Herrn, nicht unsere Gemeinde. Paulus schreibt doch an die Gemeinde der Thessalonicher. Hättest du da auch gesagt: "Paulus, das ist die Gemeinde des Herrn, nicht die Gemeinde der Thessalonicher"? Er macht das sogar zweimal in zwei Briefen.
Das ist jetzt ein anderes Niveau, und da wollen wir uns nicht weiter damit beschäftigen. Man kann nicht wirklich über Worte streiten und sich daran aufhängen. Das muss, glaube ich, nicht sein.
Aber es gibt Dinge, bei denen man sich wirklich überlegen muss: Ist das denn streitwürdig? Ich möchte euch einfach ein paar Beispiele aus verschiedenen Themenbereichen nennen, die ich wild zusammengestellt habe.
Beispiele für unnötige Streitigkeiten
Ich liebe das Wort Verlobung. Denn Verlobung sagt etwas aus. Es bedeutet, dass ein Mann und eine Frau entschieden haben, ihren Lebensweg gemeinsam zu gehen, dass sie ein Ehepaar werden wollen, dass sie ihr Leben lang zusammenbleiben wollen und dass sie sich dies vor dem Herrn versprochen haben. Das ist der Inhalt des Wortes Verlobung.
Ich verspreche etwas, ich gelobe etwas, ich verspreche dem anderen die Ehe. Das ist eigentlich ein provozierender Satz, denn so beginnt in der Bibel eine verbindliche Beziehung. Das ist heute ganz unüblich, auch unter Christen. Die Beziehung fängt ja viel früher an. Aber eigentlich gibt es nach biblischen Maßstäben eine Zeit der Prüfung, in der ich mich unterhalten und prüfen muss: Passen wir zusammen?
Ich glaube, in der Bibel treten Menschen in dieser Zeit noch nicht als Paar auf. Versteht ihr, was ich meine? Das ist ein Unterschied. Ob ich Zeit miteinander verbringen muss, vielleicht weil wir an zwei verschiedenen Orten sind, um uns kennenzulernen und miteinander zu reden, oder ob ich mich schon als Paar sehe und als Paar auftrete – das ist ein großer Unterschied.
Nach biblischen Maßstäben wird diese Phase, in der ich mich als Paar sehe und als Paar auftrete, mit der Verlobung erreicht. Wir leben heute in einer Gesellschaft, die ganz anders geprägt ist, mit Subkulturen, die andere Vorstellungen haben.
Wenn du zum Beispiel in eine russlanddeutsche Subkultur kommst, ist Verlobung ein großes Fest, das ein paar Monate vor der Hochzeit stattfindet. Wenn du dort sagst, wir haben uns verlobt, würden alle fragen: Wann ist der Hochzeitstermin? Wann ist das Fest? Wenn du aber sagst, dass das in den nächsten zwei, drei Jahren nicht passieren wird, ist es gefährlich, in so einer Subkultur zu sagen, ich habe mich verlobt, weil du völlig falsche Erwartungen weckst.
Ich habe einen biblischen Begriff, aber vielleicht eine Kultur, in der dieser Begriff ein Problem ist. Aus meiner persönlichen Sicht, wie ich euch gerade erzählt habe, wie Partnerschaft zustande kommt – biblisch gesehen – kann ich immer, wenn jemand sagt, wir haben entschieden, dass wir irgendwann mal heiraten und wir sind irgendwie ein Paar, fragen: Warum seid ihr nicht verlobt?
Ich kann mich um dieses Wort streiten und immer wieder darauf eingehen. Das ist irgendwie ein Wortstreit. Was ich eigentlich vermitteln möchte, ist: Eine biblische Partnerschaft fängt mit Verbindlichkeit an. Eine biblische Partnerschaft ist kein Testlauf, um zu überlegen, ob ich irgendwann verbindlich werde. Das möchte ich hier rüberbringen, nicht nur eine Vokabel.
Natürlich ist es wichtig, die richtigen Vokabeln zu verwenden, die wirklich etwas aussagen. Gute, treffende Vokabeln bewirken etwas bei mir und signalisieren auch etwas in meiner Umgebung. Es ist natürlich gut, biblische Vokabeln zu verwenden. Das Wort Verlobung kommt nun mal in der Bibel vor.
Darum habe ich damit angefangen und gesagt, ich liebe das Wort, weil es etwas vom Prinzip aussagt. Aber man muss nicht in jeder Situation um Worte streiten.
Ein anderes Beispiel, vielleicht noch schwieriger: die Unverlierbarkeit des Heils. Das ist ein großes Diskussionsthema unter Christen. Wenn ich wirklich Christ geworden bin und gerettet bin, kann ich dann theoretisch mein Heil noch einmal verlieren, oder ist es sicher?
Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und sage: Ich bin überzeugt, dass, wenn ich wirklich gerettet bin und wirklich dem Herrn Jesus gehöre, ich mein Heil nicht verlieren kann.
Gut, jetzt gibt es Geschwister in der Gemeinde, die das anders sehen. Die sagen, und das kann ich verstehen und nachvollziehen: Jemand ist zu Jesus gekommen, hat sich entschieden, die Rettung anzunehmen und zu glauben. In dem Moment ist er gläubig und gerettet.
Aber es kann passieren, dass er sich irgendwann in der Zukunft sagt: Das war alles ein Riesenirrtum, ich glaube nicht mal, dass es Gott gibt. Ich möchte diese Phase meines Lebens hinter mir lassen und entscheide mich dagegen. Dann ist er nicht mehr gläubig.
Diese Geschwister sagen, in dem Moment, wo er nicht mehr gläubig ist, ist er auch nicht mehr gerettet. Das heißt, er hat sein Heil verloren.
Okay, ich kann mich mit ihnen über das Prinzip der Unverlierbarkeit des Heils streiten. Oder ich kann mich zurücklehnen und fragen: Wie groß ist eigentlich der Unterschied zwischen uns? Was glaubt er genau?
Der, der das glaubt, sagt: Normalerweise glaube ich, dass das Heil nicht verlierbar ist, aber wenn sich jemand wieder dagegen entscheidet, dann schon. Er glaubt also, dass jemand gerettet war, sich aber später dagegen entschieden hat und deshalb nicht mehr gerettet ist.
Was würde ich in den meisten Fällen glauben? Ich würde mit dem Johannesbrief glauben, dass diese Leute nie wirklich gerettet waren. Dass es von ihnen und von uns eine Fehleinschätzung war.
Was ist unser Endergebnis? Wir glauben beide, dass die Person gerade nicht gläubig ist und wahrscheinlich verloren geht. Er glaubt, dass sie mal gläubig war, ich glaube, dass sie es nicht war. Im Moment schätzen wir die Situation ganz genauso ein.
Muss ich darüber streiten? Nur weil in den Evangelien manchmal Sätze stehen, die so klingen, als könnte jemand sein Heil verlieren, müssen wir nicht ständig erklären, warum das nicht so gemeint ist. Das ist mühsam, wenn es nur auf dieser Ebene bleibt.
Wir müssen nicht um Worte streiten, nicht um Dinge, bei denen wir eigentlich ganz nah beieinander sind, sondern nur ein Stück weit anders definieren. Das ist oft nicht zielführend.
Ich bezeuge ernstlich, vor dem Herrn, dass ich keinen Wortstreit führen möchte.
Ein drittes Beispiel: Ich bin persönlich überzeugt, dass die Sprachenrede, die an Pfingsten stattfand und im Neuen Testament erwähnt wird, ursprünglich ein Zeichen für Ungläubige war, speziell für ungläubige Juden. Das ist ein Thema für sich, das ich jetzt nicht lange ausführen will.
Paulus sagt im 1. Korinther 14, dass die Korinther damit etwas gemacht haben, wofür es nicht gedacht war. Er gibt bestimmte Regeln für die Gemeinde und sagt, wenn jemand das unbedingt machen will, soll er es zuhause tun und die Gemeinde verschonen.
Ich habe das schon betont. Du kannst diesen Satz unterschiedlich auffassen. Du kannst sagen: Meine Güte, was macht ihr für einen Quatsch? Lasst die Gemeinde in Ruhe, macht das zuhause! Oder du kannst sagen: Für zuhause ist es eigentlich gut, ihr könntet es ruhig machen.
Wenn jemand den Satz so auffasst, dann soll er das tun. Er muss mich nicht darüber streiten, solange er es nicht in die Gemeinde hineinträgt und dort unbiblisch praktiziert.
Ich kann diesen Satz unterschiedlich verstehen. Ich habe eine persönliche Überzeugung, wie man es verstehen kann. Aber wenn die Gemeinde in Ruhe gelassen wird, muss ich mich nicht darüber streiten.
Man könnte sicher noch viele weitere Beispiele finden. Das waren nur einige praktische theologische Beispiele, bei denen der Streit schlimmer ist als das Thema.
Das ist hier der Punkt, mit dem Paulus in diesem Kapitel über Auseinandersetzungen in der Gemeinde einsteigt. Wir müssen das manchmal im Hinterkopf behalten, weil wir so unsere Lieblingsthemen und Lieblingstheologien haben.
Wir müssen manchmal überlegen: Was ist wichtig und was ist nicht mehr wichtig? Wir werden gleich zu wichtigen Themen kommen.
Oft ist es besser, sagt Paulus hier – ich lese gleich den nächsten Vers vor – es ist oft besser, die Prinzipien zu lernen, die dahinterstehen. Prinzipien von Verbindlichkeit, Prinzipien, was es heißt, wirklich gerettet zu sein, was da passiert, Prinzipien, wie man vernünftig mit Gott redet, all solche Dinge.
Solche Prinzipien zu lernen ist wichtiger, als immer wieder an solchen Punkten direkt einzuhaken. Es ist oft viel wichtiger, auch wie ich Dinge sage und wie ich Grundlagen lege, anstatt dass es so aussieht, als stünde hier nur Meinung gegen Meinung.
Das schreibt Paulus in Vers 15: "Befleißige dich, dich selbst Gott als bewährt darzustellen als einen Arbeiter, der sich nicht schämen muss, der das Wort der Wahrheit recht teilt."
Er sagt: Du musst dir, Timotheus, die Arbeit machen. Hier kommt das Wort "Arbeiter" vor. Du musst dir die Mühe machen, die Prinzipien des Wortes Gottes sauber zu lernen, die Prinzipien, die hinter den Begriffen stehen, um die man so schnell streiten kann.
Das ist Mühe, das ist Arbeit, sagt Paulus. Du musst dir diese Arbeit machen, wenn du deinen Job machen willst, und du musst die Arbeit gründlich machen. Arbeit gründlich zu machen ist anstrengend.
Das Beispiel, das er hier nimmt, liest man oft schnell, aber es ist aus dem Alltag. Paulus war kein Optiker, sondern Zeltmacher. Das ist sein Thema.
Zeltmacher steht wahrscheinlich für Lederarbeiter, aber vielleicht haben sie auch mit sehr dicken Stoffen gearbeitet. Dann musst du genau schneiden, damit zwei Planen aneinanderpassen, die du zusammennähen willst.
Das ist das Bild, das Paulus hier benutzt. Er selbst hat so gearbeitet, Timotheus hat es oft mitbekommen. Sie hatten noch ein führendes Ehepaar in der Gemeinde in Ephesus, Priska und Aquilla, die ebenfalls Zeltmacher waren und wussten, wovon die Rede war.
Du musst gerade schneiden, sonst passt es hinterher nicht. Du musst dir die Mühe machen, denn nur wenn dein Zelt hinterher dicht ist, hast du gute Arbeit geleistet, für die du dich nicht schämen musst.
Das ist, was hier steht. Du sollst ein Arbeiter sein, der sich bewährt hat und sich nicht schämen muss, weil er das Wort Gottes gerade geschnitten und die Prinzipien richtig gelehrt hat.
Paulus sagt: Das ist total wichtig, das musst du tun.
Natürlich geht es nicht darum, immer alles stehen zu lassen. Es geht oft darum, wie man Dinge anspricht und wie gründlich man Prinzipien lehrt.
Klare Formulierungen sind oft sehr hilfreich. Sie helfen mir, meinen Stand zu definieren, und anderen, zu verstehen, worum es geht.
Diese ständigen kleinen Streitereien in Gemeinden – Paulus sagt in Vers 14: Sie sind zu nichts nützlich, sondern zum Schaden der Zuhörer.
Was denken Leute, wenn Christen sich dauernd einhaken und an jeder Formulierung etwas zu kritisieren haben? Sie denken, Christen sind Besserwisser, die an jeder Kleinigkeit etwas auszusetzen haben.
Oder sie denken, im Christentum ist vieles unklar, es gibt so viele verschiedene Meinungen, dass man sich offensichtlich nicht darauf verlassen kann.
Oder jemand kommt neu in die Gemeinde und denkt: Hier gibt es mehrere Parteien, ich muss mich für eine entscheiden.
Das sind alles negative Eindrücke, wenn Leute in Gemeinden kommen – egal ob Gläubige von anderswo, junge Gläubige oder Interessierte.
Paulus sagt: Das ist zum Verderben der Zuhörer. Der Schaden ist viel größer als der Nutzen an dieser Stelle.
Aber das war eigentlich sein Vorwort. Es geht schon um Dinge, mit denen man sich auseinandersetzen sollte. Deshalb lesen wir jetzt noch einmal weiter.
Vers 16: "Die ungöttlichen, leeren Geschwätz aber meide; denn sie werden zu weiterer Gottlosigkeit fortschreiten, und ihr Wort wird um sich fressen wie ein Krebs."
Er sagt, es gibt Dinge und Tendenzen in der Christenheit und um die Christenheit herum, und es gibt Lehren, vor denen du die Gemeinde wirklich beschützen musst.
Da musst du Grenzen setzen. Du musst dafür sorgen, dass solche Dinge in deiner Gemeinde, für die du verantwortlich bist, keinen Fuß fassen können.
Was sind das für Dinge? Warum sind sie auf einem anderen Niveau als die Beispiele, die ich vorher genannt habe? Welche Prinzipien sind mit der Lehre des Wortes Gottes nicht vereinbar?
Das sind vor allem Dinge, die an irgendeiner Stelle die Grundlage des Glaubens betreffen. Interessanterweise sind das bei Gott sehr viele Dinge, die mit Moral zu tun haben.
Gott hat uns zur Heiligkeit berufen, und er möchte absolut nicht, dass die moralischen Maßstäbe seiner Leute und seiner Gemeinde relativiert werden.
Das ist ein häufiges Thema im Neuen Testament.
Es sind natürlich auch Dinge, die den Glauben der Geschwister und ihr Leben mit Gott schädigen können.
Vielleicht ganz kurz ein Vers aus 1. Timotheus, auf den wir gleich noch zurückkommen: 1. Timotheus 1,19 fordert Timotheus auf, den Glauben zu bewahren und ein gutes Gewissen, das einige von sich gestoßen haben und so Schiffbruch erlitten haben.
Es ist wichtig, Timotheus, für Dinge zu kämpfen, die die Grundlagen des Glaubens betreffen, für Prinzipien der Heiligkeit Gottes und für Prinzipien, durch die der Glaube von Menschen nicht geschädigt wird.
Das sind Dinge, die du nicht einfach stehen lassen kannst, denen du nicht einfach ihren Lauf lassen darfst. Timotheus, da musst du eingreifen.
Beispiele für gefährliche Lehren und notwendige Abgrenzung
Da gibt es vier Beispiele. Wir machen mal ein paar Beispiele, die ähnlich sind wie die, die ich vorhin genannt habe.
Wir hatten vorhin ein Beispiel mit verbindlicher Beziehung und Verlobung. Was momentan in der Christenheit verbreitet ist, ist wahrscheinlich noch nicht bis zu euch gekommen. Aber in der Christenheit gibt es eine verbreitete Lehre: Es ist okay, wenn du als Paar schon zusammenlebst, wenn ihr euch verbindlich entschieden habt, euch treu zu sein. Dann müsst ihr nicht heiraten oder müsst noch nicht heiraten. Das ist sehr verbreitet, viele Gemeinden akzeptieren das inzwischen.
Wenn du umziehst, dort ankommst und sagst: „Wir sind nicht verheiratet, wir leben zusammen und haben uns ewige Treue geschworen“, dann sagen viele: „Ja, das ist für uns okay.“ Ich glaube, das ist ein Punkt, der für die Bibel nicht okay ist. Paulus hätte gesagt, das passt nicht zur Heiligkeit Gottes. Er hätte gesagt, Timotheus, solche Lehren musst du aus der Gemeinde fernhalten. Du musst dafür sorgen, dass sich so etwas nicht ausbreitet.
Nehmen wir das Beispiel der Unverlierbarkeit des Heils. Manche meinen, wenn jemand in die Gemeinde kommt, der nicht nur lehrt, dass man sich gegen den Glauben entscheiden kann und verloren gehen kann, sondern der auch sagt: Wenn Jesus wiederkommt und dich in dem Augenblick vor dem Fernseher erwischt, nimmt er dich nicht mit.
Dem muss man nicht lachen, denn solche Lehren gibt es wirklich. Oder etwas in dieser Richtung: Wenn du gesündigt hast und gerade dem Herrn untreu warst, eine schlechte Phase mit dem Herrn hattest und er kommt wieder, dann gehst du verloren, wenn er in diesem Moment wiederkommt.
Das sind sehr verbreitete Lehren, besonders in osteuropäischen Gemeinden. Dort versucht man mit diesem Angstprinzip irgendwie Treue zu erzeugen – oder ich weiß nicht, ob „Treue“ das richtige Wort ist. Da muss man sagen: Hier wird es schwierig. Hier werden Leute unter Druck gesetzt und ihnen wird Angst gemacht. Das schadet letzten Endes ihrem Glauben. Das ist ein Schritt zu weit. Da ist eine Grenze überschritten.
Hier kann man nicht mehr sagen, das sei nur ein Wortstreit oder der Streit sei schlimmer als das Thema. Hier wird das Thema gefährlicher. Wenn ich mich damit auseinandersetze, ist das anders.
Oder nehmen wir das Thema Sprachenreden. Du kommst in eine Gemeinderichtung, in der das wirklich praktiziert wird. Dort wird dir gesagt: Wenn das in deiner Gemeinde nicht so praktiziert wird, dann ist der Heilige Geist bei euch nicht gegenwärtig. Oder: Wenn du das nicht persönlich praktizierst und noch nie in fremden Sprachen übernatürlich geredet hast, dann hast du den Heiligen Geist gar nicht.
Das ist ein anderes Thema, als wenn jemand sagt: „Ich mache das mal zu Hause.“ Hier werden Menschen verunsichert, ob sie überhaupt gläubig sind. Da ist eine Grenze überschritten, die Menschen schadet. Timotheus musste darum kämpfen.
Solche Dinge musst du vermeiden. Wenn solche Lehren erst einmal in deiner Gemeinde oder Jugendgruppe Fuß gefasst haben, werden sie um sich greifen. Diese Übersetzung hier sagt: „Wie Krebs.“ Wahrscheinlich war damals etwas anderes gemeint, vielleicht eine andere Krankheit. Aber es wird um sich greifen, wie Krebs sich im Körper ausbreitet. Das ist sehr gefährlich, Timotheus.
Er stellt das so in den Raum, und wir müssen uns überlegen: Was bedeutet das? Was ging wohl in Timotheus’ Kopf vor, als er diesen Satz gelesen hat? Timotheus, das sind Dinge, die musst du vermeiden.
Wie vermeide ich die denn jetzt? Paulus hat ja nicht gesagt, wie er das machen soll. Er hat einfach diesen Satz in die Runde geworfen oder Timotheus hingeworfen. Ich kann mir vorstellen, was dabei in Timotheus vorging.
Ich meine, vermeiden. Okay, ich kann dieses Thema vermeiden, indem ich, wenn jemand mit mir darüber diskutieren will, das Thema wechsle oder das Gespräch abbreche. Dann habe ich für mich dieses Thema, diese schlechte Lehre, erst einmal vermieden.
Wenn ich aber befürchte, dass es dann zu Diskussionen mit anderen Leuten in der Gemeinde kommt, hat das vielleicht nicht ausgereicht, um es auch für die Gemeinde zu vermeiden.
Dann kann ich auf der nächsten Stufe sagen: „Wir als Gemeinde sehen das anders“ und versuchen, die eigene Sicht zu erklären und hoffen, dass das etwas nützt.
Wenn ich den Eindruck habe, dass das auch nichts bringt, kann ich sagen: „Ich möchte nicht, dass du in der Gemeinde deine Meinung verbreitest, weil wir das anders sehen.“ Das ist der nächste Schritt des Vermeidens.
Wenn ich den Eindruck habe, dass die Person nicht darauf eingeht und es trotzdem tut, habe ich noch zwei weitere Möglichkeiten.
Ich kann sagen: „Der braucht einfach Hilfe, und wir müssen das aushalten.“ Dann kann ich die Gemeinde warnen: „Wir versuchen, ihn eine Weile oder vielleicht länger auszuhalten. Vielleicht schaffen wir es, ihn zu überzeugen, aber wir müssen euch warnen: Er hat an dieser Stelle falsche Lehren. Lasst euch nicht darauf ein.“
Oder wenn ich denke, dass das alles nichts nützt, muss ich ihn bitten, nicht mehr zu kommen.
Das sind verschiedene Stufen, die alle in diesem einen Wort „vermeiden“ stecken, je nachdem, um wen es sich handelt. Timotheus muss sich überlegen, welche Eskalationsstufe er anwenden muss – in welchem Fall.
Das ist eine große Verantwortung. Es gibt keine einfache Liste, wie man das handhaben soll. Paulus sagt ihm nur: Du musst solche Themen möglichst aus der Gemeinde fernhalten und die Gemeinde davor beschützen. Das ist eine große Verantwortung, der er gerecht werden muss.
Okay, Vers 17: „Ihr Wort wird um sich fressen wie Krebs.“ Jetzt erklärt Paulus, wer das ist, deren Wort sich ausbreitet. Es gab nämlich einen ganz konkreten Anlass, warum er das schreibt – ein ganz konkretes Thema, zu dem er diese allgemeinen Dinge gesagt hat.
Da waren nämlich zwei Leute unterwegs, Hymenäus und Philetus, die von der Wahrheit abgeirrt sind, indem sie sagen, die Auferstehung sei schon geschehen und zerstören den Glauben einiger.
Das ist eigentlich eine Nebenbemerkung, in diesem Fall eine konkrete Bemerkung. Aber es ist ein spannender Fall, weil hier jemand mit Namen Hymenäus auftaucht, der ein paar Jahre vorher schon einmal erwähnt wurde.
1. Timotheus 1,19-20 haben wir gerade schon gelesen. Ich lese das noch einmal: „Indem du den Glauben bewahrst und ein gutes Gewissen, das einige von sich gestoßen und so Schiffbruch erlitten haben im Glauben, unter denen Hymenäus und Alexander sind, die ich dem Satan überliefert habe, damit sie durch Zucht unterwiesen würden, nicht zu lästern.“
Also gab es damals schon einen Hymenäus, ich weiß nicht, ob er in Ephesus war, wahrscheinlich einer von den kleinen asiatischen Gemeinden, mit einem Kollegen namens Alexander. Dieser hatte damals schon den Glauben von Leuten zerstört.
Paulus sagt, diese Leute haben definitiv Schiffbruch erlitten.
Jetzt taucht wieder ein Hymenäus auf. Man kann sich überlegen, ob es dieselbe Person ist.
Wenn du nachliest, wirst du feststellen, dass die meisten Leute sagen, Hymenäus ist wahrscheinlich dieselbe Person. Im Gegensatz zu Alexander, denn Alexander war damals ein sehr häufiger Name. Alexander der Große war berühmt, und viele nannten ihre Söhne so.
Deshalb ist es unsicher, ob es immer derselbe Alexander ist.
Aber Hymenäus war damals ein sehr seltener Name. Heute kennt man kaum jemanden mit diesem Namen. Vielleicht ist das auch kein gutes Vorbild, darum ist er unter Christen nicht verbreitet.
Da er hier im gleichen Umfeld auftaucht, ist es sehr wahrscheinlich, dass es dieselbe Person ist.
So etwas war passiert: Paulus hatte Hymenäus und Alexander aus einer Gemeinde ausgeschlossen.
Jetzt waren sie wahrscheinlich irgendwo außerhalb der Gemeinde, hatten sich einen neuen Kollegen gesucht und schleusten von außen ihre Lehren und Ideen weiterhin in Gemeinden ein, mit denen sie noch Kontakt hatten.
Damit mussten sich die Gemeinden auseinandersetzen.
Und was hat Hymenäus gelehrt? Dass die Auferstehung schon geschehen sei.
Was immer man darunter versteht: Wahrscheinlich hat er gesagt, die Auferstehung sei etwas Symbolisches, das im Neuen Testament steht. Es bedeutet, dass man ein ganz neues Leben anfängt, aber es gibt kein Leben nach dem Tod.
Das Leben hier auf der Erde ist alles, was es gibt. Danach kommt der Tod, und dann ist alles vorbei für den normalen Menschen.
Wahrscheinlich war das die Lehre.
Das hat große Auswirkungen auf die Menschen.
Warum sollte ich Christ sein und weiterleben, wenn es schwierig wird? Warum sollte ich nicht den leichteren Weg gehen?
Wenn es keine Belohnung oder kein Leben nach dem Tod gibt, dann lohnt sich das Leben als Christ nur, solange es schön ist und mir Frieden und Freude bringt.
Wo es schwierig wird und Opfer fordert, wozu das Ganze?
Das ist die Konsequenz.
Paulus sagt: Der Glaube von Leuten wird zerstört. Du musst etwas gegen diese leeren Unternehmen tun. Du musst eingreifen.
Du musst die Gemeinde vor diesen Leuten und ihren Lehren bewahren.
Das war die konkrete Situation. Daran hängt Paulus seine allgemeinen Ermahnungen an Timotheus, die sich durch diesen ganzen Abschnitt bis Kapitel 3, Vers 9 ziehen.
Vielfalt und Reinheit in der Gemeinde
Okay, drei Verse möchte ich mit euch noch anschauen, Vers zwanzig. Ich hatte es am Anfang kurz erwähnt: In einem großen Haus sind nicht nur goldene und silberne Gefäße oder Geräte, sondern auch hölzerne und welche aus Ton.
Es ist ein großes Haus, eine große Gemeindebewegung, eine große Gemeinde. Es gibt Leute, die sehr attraktive und nützliche Mitarbeiter sind – Silber und Gold, sehr attraktiv. Man merkt, dass jemand eine Gabe hat, man merkt das Charisma. Wenn der eine eine Kinderstundengeschichte erzählt, kleben die Kinder an seinen Lippen. Also Leute, die sehr attraktiv sind, die für die Gemeinde etwas hermachen.
Dann gibt es Geräte, die nicht aus Silber und Gold sind, sondern aus Holz oder Ton. Sind die weniger nützlich? Nein, ich bin ganz froh, dass nicht ständig nur goldenes Geschirr verwendet wird. Man weiß nicht, wie das heute bei der Agnes ist, ob es da goldene oder silberne Teller und Gabeln gibt, gell? Ich kann mich mit anderen Materialien sehr gut anfreunden. Keramik zum Beispiel – es gibt supercoole Keramik, die oft einfach praktisch ist.
Es gibt sehr nützliche Mitarbeiter in der Gemeinde, die nicht so attraktiv sind, die nicht so ins Auge fallen. Ich meine damit nicht nur, dass hier alle toll aussehen – das meine ich nicht mit Attraktivität –, sondern dass es einfach nicht gleich auffällt, wie wertvoll diese Leute für die Gemeinde sind. Sie tun einfach ihren Job und sind nützlich.
Paulus sagt: Es gibt eine andere Ebene. Es gibt die einen, die zur Ehre sind, und die anderen zur Unehre. Jetzt muss man kurz überlegen, wenn man das liest: Meint er, die goldenen und silbernen Gefäße sind zur Ehre für die Gemeinde, und die hölzernen und tönernen Gefäße eher eine Schande?
Wenn du weiterliest, merkst du, dass Paulus genau diesen Gedankenprozess provozieren will und dann sagt: Nein, das ist nicht der Punkt. Es ist nicht zur Unehre, wenn du nur nützlich bist, aber nicht auffällig oder attraktiv. Das ist nicht der Punkt, um den es im Haus Gottes geht.
Der Punkt, ob du zur Ehre oder zur Unehre bist, ist etwas ganz anderes. Wenn wir weiterlesen: „Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Haus an, zu jedem guten Werk bereitet.“ Er sagt also: Ob jemand zur Ehre oder zur Unehre ist, hat mit Reinheit zu tun, nicht mit dem Material. Es hat mit Heiligkeit zu tun, nicht damit, wie toll jemand aussieht.
Es ist eben nicht einfach ein Parallelismus, wie Paulus ihn oft verwendet, sondern hier liegt die Aufmerksamkeit auf etwas ganz anderem. Das Entscheidende ist Reinheit.
Überleg mal: Du kommst aus einem wirklich reichen Haushalt. Stell dir vor, du bist in einer Zeit geboren, in der es noch keine zentrale Wasserversorgung gab. Wenn man aufs Klo musste, musste man noch aus dem Haus über den Hof in so ein kleines Häuschen. Manche haben vielleicht schon davon gehört, dass es solche Lebensverhältnisse mal gab. Manche leben vielleicht sogar noch in Ländern, wo das heute noch so ist.
Es gab die Gewohnheit, gerade für Frauen, die nachts öfter mal raus mussten, nicht immer über den Hof gehen zu müssen. Deshalb gab es so etwas wie einen Nachttopf. Den hatte man unter dem Bett und konnte ihn nachts benutzen. Normalerweise wurde der Inhalt morgens entsorgt.
Jetzt stell dir vor, du kommst aus einem richtig tollen Haus, in dem sogar die Nachttöpfe aus Gold sind. Das ist cool, weil so ein Ding nützlich ist. Du kannst damit angeben: „Bei uns sind sogar die Nachttöpfe aus Gold.“ Aber wenn du Besuch einlädst und ihn durch deine Wohnung führst und irgendwo steht der goldene Nachttopf noch mit Inhalt, dann kann ich dir versprechen: Das ist kein Gefäß zur Ehre, sondern zur Unehre – trotz Gold.
Genau das möchte Paulus hier sagen.
Noch ein Beispiel, weil Nachttöpfe habt ihr nicht mehr, okay? Stell dir vor, du hast eine Terrine aus Meißner Porzellan von 1783. Wenn du die einem Antiquitätenhändler anbieten würdest, würden ihm die Augen rausfallen. Und daran hast du serviert. Stell dir vor, du bekommst Besuch und die krasse Terrine steht auf dem Tisch mit Nudeln von vorgestern und einem leichten grünen Überzug. Cool? Nein!
Es ist genau derselbe Punkt: So kostbar etwas sein kann, wenn es nicht rein ist, dann ist es nicht zur Ehre. Und das ist der Punkt, den Paulus hier macht. Es geht um Reinheit.
Es geht nicht darum, wie attraktiv jemand aussieht oder wie charismatisch er auftreten kann – im positiven Sinne charismatisch. Letztlich geht es im Haus Gottes, selbst wenn es ein großes Haus geworden ist, um Heiligkeit, um moralische Reinheit.
Es geht um Reinheit der Lehre. Hier ging es um Reinheit der Lehre – dass Leute nicht solche Irrlehren verbreiten, wie damals, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Darauf müssen wir in der Gemeinde achten: dass Leute gesunde, reine biblische Lehre haben, vertreten und beigebracht bekommen.
Timotheus ist ein Arbeiter, der in gerader Richtung schneidet, der seine Arbeit gut macht. Uns geht es um Reinheit in unserem Verhalten, dass wir gut miteinander umgehen, dass niemand unterdrückt oder gedisst wird in unserer Gemeinschaft.
Es geht natürlich auch um moralische Reinheit. Manchmal ist es wichtig, sich zu distanzieren. Hier steht tatsächlich: Wenn sich jemand von diesen Dingen reinigt, also von den falschen Lehren, dann wird er ein Gefäß zur Ehre sein.
Es geht wirklich darum, dass man sich von Menschen distanziert – nicht von jedem Menschen, der sich aus irgendeinem Grund verunreinigt hat, sondern von denen, die diese falschen Lehren verbreiten und in die Gemeinde hineintragen.
Paulus sagt zu Timotheus: Es ist wichtig, dass du dich davon distanzierst. Es kann sogar wichtig sein, dass du die Gemeinde und die einzelnen Gläubigen dazu ermutigst, sich von diesen Irrlehrern zu distanzieren.
Das kann wichtig sein, damit sie wieder einen klaren Blick bekommen und Gefäße sind, die rein, heilig und nützlich dem Haus Gottes sind.
Das ist eine ganz wichtige Aufgabe – und sie ist eine ganz wichtige Aufgabe für dich, Timotheus, in dieser großen Gemeinde und in dieser großen Gemeindebewegung.
Der feste Grund und die Verantwortung der Gemeinde
Letzter Vers, Vers 19: So ist das Siegel – der Kernvers in diesem Abschnitt – das, worum es geht. Paulus sagt, der feste Grund Gottes steht. Gott hat Seinen Willen kundgetan, er hat ein Evangelium verkündigt, eine Botschaft, auch für Gläubige. Der feste Grund steht, und er hat dieses Siegel, diese Inschrift.
Hier geht es, glaube ich, nicht um ein aufgeklebtes Siegel, sondern um etwas, das in diesen festen Grund, in diesen Grundstein der Gemeinde eingeschrieben ist. Das sind zwei Sätze, die eingemeißelt sind. Der eine Satz lautet: Der Herr kennt diesen Ansatz.
Demotis, vielleicht bist du manchmal unsicher, wer überhaupt wirklich gläubig ist in deiner Gemeinde, je nachdem, wie stark jemand von all dem beeinflusst worden ist, was in die Gemeinde hineinströmt. Letzten Endes, ganz unterm Strich, haben wir viele Kriterien. Von vielen können wir mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit sagen: Ja, das passt. Aber ganz unterm Strich gilt: Der Herr kennt diesen Ansatz.
Doch, Timotheus, auf diesem Grundstein steht ein zweiter Satz: Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit. Das ist das, was wir beurteilen müssen.
Wenn jemand sagt: Ich bin Christ, dann gibt es einfach bestimmte Kriterien von Heiligkeit, Reinheit und Glaubensüberzeugung, die wir in der Gemeinde erwarten müssen. Diese gehören dazu und sind essentiell. Das können wir beurteilen. Und wenn es so weit kommt, dass wir sagen: Mit diesen Überzeugungen, die du jetzt vertrittst, kannst du nicht mehr in der Gemeinde sein, heißt das nicht, dass wir nicht glauben, dass du gläubig bist.
Vielleicht vermuten wir, dass du gar nicht wirklich gläubig bist, aber das müssen wir gar nicht beurteilen. Paulus sagt, was wir beurteilen müssen, sind bestimmte Mindestanforderungen an jemanden, der sich zum Namen des Herrn bekennt. Das müssen wir beurteilen, um die Gemeinde zu beschützen und um Menschen vielleicht auch selbst zu helfen, indem sie aufgerüttelt werden. Das ist unsere Verantwortung.
Diese zwei Sätze dürfen wir nicht vergessen: Der Herr kennt diesen Ansatz. Wir müssen nicht immer beurteilen, ob jemand gläubig ist oder nicht. Manchmal sind wir vielleicht im Zweifel, und manchmal bleibt das auch so. Aber wer den Namen des Herrn nennt, der soll abstehen von der Ungerechtigkeit. Das ist etwas, das wir beurteilen müssen und womit wir entsprechend in der Gemeinde umgehen müssen.
Die Gemeinde ist ein Ort der Auseinandersetzung. Sie ist ein Ort, der angegriffen wird – nicht nur von Leuten, die Christen verfolgen, sondern auch von solchen, die die Glaubensüberzeugungen und moralischen Überzeugungen untergraben wollen. Die Gemeinde müssen wir verteidigen.
Dabei dürfen wir nie vergessen: Egal, ob wir den Eindruck haben, wir leben in den schlimmsten Zeiten aller Zeiten – es gibt auch Themen, bei denen der Streit schlimmer ist als das Thema selbst. Wir dürfen uns nicht in eine verbiesterte Haltung hineinsteigern lassen, in der wir plötzlich gegen alles sind und auf alles draufhüpfen, weil wir ständig denken, irgendetwas verteidigen zu müssen.
Wir müssen unterscheiden. Es gibt Themen, die wichtig sind – Heiligkeit, gesunde Überzeugung. Und es gibt Themen, bei denen wir sagen können: Okay, wir lehren die Prinzipien, und nicht alles ist eine Katastrophe. Das werdet ihr mehr und mehr praktizieren müssen, je größer die Gemeinde wird.
