Die Herausforderung des Gewinnens in der Gemeinde
Der Apostel Paulus hat über diese Stadt gesprochen, in der er zunächst nur schwer Fuß fassen konnte. Er hörte die Verheißung Jesu: „Ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“ Es war also nicht nur ein kleiner Kreis, sondern ein großes Volk.
Deshalb spielen die Worte vom Gewinnen im ersten und zweiten Korintherbrief eine große Rolle. Die Korinther wollten gewinnen und gewinnend auf andere wirken. Sie haben einiges ausprobiert. So wissen wir zum Beispiel, dass sie das Abendmahl, das Herrenmahl, etwas fröhlicher gestaltet haben. Man könnte sagen, sie machten daraus fast ein Feierabendmahl, beinahe ein kaltes Buffet mit herrlichen Getränken.
Paulus schreibt jedoch: „Bis die letzten kommen, sind die ersten schon betrunken.“ Es wurde also reichlich aufgefahren. Unsere Versammlungen könnten sehr attraktiv sein, wenn wir jedes Mal ein großes kaltes Buffet anbieten.
Ich habe erlebt, wie der evangelische Arbeitskreis der CDU zunächst sehr schlecht besucht war. Der damalige Assistent von Minister Stoltenberg, der jetzige Landrat Lessing von Waiblingen, sagte: „Ich kriege das schon hin. Die Stuttgarter Pfarrer werden kommen, sogar zur CDU.“ Sie luden zu einem großen kalten Buffet ein, und fast alle waren da und ließen es sich schmecken.
Auch bei der EKD-Synode gibt es immer einen Empfang des Arbeitskreises der CDU. Als der jetzige Bundespräsident Herzog Vorsitzender war, waren wir in Speyer noch zwölf Leute. Die Presseleute kamen nicht. Da sagte ich: „Ich habe vom Herrn Lessing gelernt, man muss ein großes kaltes Buffet anbieten.“
Heute ist es so, dass, wenn im Rahmen der EKD-Synodaltagung der evangelische Arbeitskreis der CDU seine Versammlung hält, keine Synode mehr an diesem Abend stattfinden kann. Alle – Journalisten, Synodale und Kirchenpräsidenten – strömen zum kalten Buffet.
Es gibt also Mittel, um unsere Versammlungen attraktiv zu machen. Aber Paulus sagt: „So doch nicht, das ist doch nicht unsere Methode.“
Die Suche nach Zeichen und Wundern als Gewinnstrategie
Nun wissen wir, wenn wir den ersten Korintherbrief einigermaßen kennen, dass ein anderer Versuch darin bestand, Zeichen und Wunder zu fordern. Es sollte Ekstase geben, Menschen sollten vom Heiligen Geist getroffen umfallen. Sie sollten in einer Engelsprache sprechen – nicht Englisch, sondern die Sprache der Engel. Das sollte attraktiv wirken.
Paulus sagt dazu: Wenn ein Fremder, ein Unkundiger, zufällig bei euch hereinkommt, wird er denken, dass die Korinther verrückt sind. Er wird sagen: „Das kann es doch nicht sein, wie wir Menschen gewinnen wollen.“
Im zweiten Korintherbrief schreibt Paulus dann über das Gewinnen von Menschen. Wir sind ja auf einem Bibelkurs, daher lesen wir 2. Korinther 5,11: „Weil wir wissen, dass der Herr zu fürchten ist, suchen wir Menschen zu gewinnen.“
Dieses Wort steht in einem Zusammenhang, den wir in der Bibel immer beachten müssen. Es ist nicht zufällig oder isoliert gesagt. Vorher steht, dass wir alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, damit jeder empfange, was er im Leibesleben getan hat – sei es gut oder böse.
Die Frage lautet also: Hast du andere Menschen für Jesus gewonnen? In diesem Zusammenhang wird nicht gefragt, ob wir unseren Glauben gerade so durchbringen konnten. Es geht darum, ob wir dazu beigetragen haben, dass andere gewonnen werden.
Persönliche Erfahrungen mit dem Gewinnen von Menschen
Als mein Bruder Albrecht vor ein paar Jahren gestorben ist, hat mir der Munko geschrieben: „Ich bin Christ geworden, weil dein Bruder Albrecht nach der Konfirmation zwei Jahre lang mich besucht hat und mich immer wieder in den Jugendkreis der Johannesgemeinde eingeladen hat.“
Ich wollte nicht kommen, aber schließlich habe ich gedacht: Na ja, einmal gehe ich mit, man kann ihn ja nicht immer vergeblich kommen lassen. So bin ich hängen geblieben.
Gewinnen bedeutet, einem Menschen zu zeigen, dass er mir wichtig ist, weil der Herr zu fürchten ist. Aber nun ist das nicht das Einzige, was wir sagen können, damit es am letzten, jüngsten Gericht nicht schlimm für uns wird. Ich will doch versuchen, Menschen zu gewinnen, wenn sie zum Vers 14 hinübergehen, denn die Liebe Christi drängt uns.
Der Herr Jesus hat doch die Menschen neben uns, auch die, die so ablehnend scheinen, ungeheuer lieb. Er ist auch für sie gestorben, für sie in die Welt gekommen. Das schöne Wort aus Matthäus 9 lautet: „Als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn derselben, denn sie waren verschmachtet wie Schafe, die keinen Hirten hatten.“
Oh, was denken Sie, wie der Herr Jesus ihre Nachbarn ansieht – den Hausbesitzer, die Kollegen, die so überheblich tun? Der Herr Jesus denkt: „Oh, die armen Leute.“ Die Liebe Christi muss uns drängen, sie zu gewinnen.
Die neue Kreatur und das Amt der Versöhnung
Und dann geht es weiter zum Abschluss von Kapitel 5.
Es kann gar nicht dick genug gedruckt sein in der Bibel: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, es ist Neues geworden. Denken Sie an heute Morgen: Wir sind angeschlossen an den lebendigen Jesus, an seine Kraft, an seine Liebe, an seine Impulse. Die Liebe Christi drängt uns. Da ist Neues da, nicht bloß meine Einstellungen oder meine Überzeugungen. Neues ist geworden.
Aber das alles kommt von Gott. Er hat uns mit sich selbst versöhnt durch Christus und uns das Amt gegeben, von der Versöhnung weiterzusagen. Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst. Er rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu und hat unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet.
Gott hasst die Sünde grenzenlos! Aber er will keinen Sünder so lassen, wie er ist. Er hat Nein gesagt zur Sünde, und ich möchte euch doch herausreißen aus der Macht der Sünde. Das ganze Versöhnungsgeschehen Gottes zeigt: Er könnte die Welt, die er eigentlich, so wie es in der Offenbarung heißt, ausspucken könnte aus seinem Munde, weil wir ihm ein Ekel sind. Doch er hat seinen Sohn zur Sünde gemacht.
Und jetzt merkt doch: Ich möchte mit euch versöhnt leben. Vers 20 sagt: So sind wir nun Botschafter an Christi Statt. Gott ermahnt durch uns. So betteln wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit hätten, die vor Gott gilt.
Das sind lauter Worte, an denen wir lebenslang nie auslernen werden. Gott hat diesen Jesus, der von keiner Sünde wusste, über ihn deutlich gemacht: Nein, Sünde geht nicht. Er hat die ganze sündige Welt und zugleich diesen Jesus zur Quelle der Gerechtigkeit gemacht. Lass uns das weitersagen.
Die Suche nach Kraft in der unsichtbaren Welt
Du kannst aus ganz anderen Quellen leben. Vor fast fünf Jahren wurden wir von der Kirchenleitung in Lämmerbuckel eingeladen. Dort war die gesamte Führungsschicht von Mercedes-Benz versammelt. Wir wollten ihnen sagen, dass sie sozialer sein sollen. Doch sie antworteten uns, dass sie bereits wissen, wie man einen Betrieb führt.
Stattdessen wollten sie von uns Kirchenleuten erfahren, wie man an die Kräfte der unsichtbaren Welt angeschlossen sein kann. Denn der Teufel ist nicht nur am Golf aktiv – damals war gerade der Golfkrieg –, sondern auch in unserer Firma und bei uns zuhause.
Woher bekommen wir eine ganz neue Kraft? Das ist die Frage, die selbst junge Manager von Mercedes-Benz beschäftigt und manchmal auch uns. Wo können wir angeschlossen werden an die Kräfte der ewigen Welt Gottes?
Wir können sagen: Bei Jesus, dem unsere Sünde und unsere ganze sündige Welt nicht zu eklig war. Er hat sich eingehakt, damit niemand denkt, er sei zu schlecht für ihn. So können wir eng verbunden mit ihm sein und in ihm die Gerechtigkeit und die suchende Liebe finden, die es bei ihm gibt.
Deshalb suchen wir Menschen zu gewinnen. Deshalb wollen wir unsere Versammlungen, die Gemeinschaft, EC-Zusammenkünfte und Gottesdienste einladender gestalten.
Die Bedeutung von Gottesdiensten und Versammlungen
Attraktiv wirkt oft nur vordergründig – einladender, werbender.
Ich war vor vielen Jahren Student in einem wichtigen Seminar, das uns Professor Thieleke gehalten hat. Eines Tages fragte er uns, die künftigen Pfarrer: Warum hält man eigentlich jeden Sonntag Gottesdienst und predigt immer wieder über die gleichen Bibelworte?
Man kann es natürlich so machen wie mein Freund Seng von Münzingen. Er sagte, wenn er einen Gottesdienst auslässt, kommt der gleiche Text erst wieder in sechs Jahren dran. Ihr dürft eigentlich keinen Gottesdienst auslassen, oder? Sonst bekommt ihr nur Bröckchen mit. Aber warum? Wenn man die sechs Jahre durch hat, weiß man es doch.
Thieleke hat gesagt: „Ich habe Goethe gelesen, ich weiß, was drinsteht, das brauche ich nicht nochmal lesen. Einen guten Roman lese ich einmal, dann brauche ich ihn nicht nochmal.“ Warum also immer wieder die gleichen Texte?
Bei uns, den vermeintlich gescheiten Studenten, gab es lange Gesichter und wohl auch Ratlosigkeit. Warum haben wir das eigentlich?
Thieleke hat selbst die Antwort gegeben: Weil wir alle Tag um Tag vom lebendigen Jesus weggezogen werden und immer wieder den Aufruf brauchen. Er wartet auf dich, er möchte in dein Leben hineinwirken.
Es reicht eigentlich nicht, hat er gesagt, alle acht Tage einen Gottesdienst zu besuchen. Wir brauchen täglich diesen Impuls, weil wir immer wieder die Gegenwart des suchenden Gottes vergessen.
Die Frage nach dem Sinn und der Teilnahme an Gottesdiensten
Ich habe den Eindruck, dass wir manchmal nicht mehr wissen, warum wir eigentlich unsere EC-Zusammenkünfte, unsere Gemeinschaften und unsere Gottesdienste abhalten. Viele kirchliche Mitarbeiter sind von der fast schizophrenen Frage umgetrieben. Vielleicht geht es auch manchem Stundenbruder so: Würde ich, wenn ich nicht am Sonntag den Gottesdienst halten müsste, als normales Gemeindeglied in den Gottesdienst gehen, den ich selbst halte? Würde ich hingehen, wenn ich nicht am Brüdertisch erwartet würde? Würde ich in die Stünd gehen, wenn meine Geschwister von der Stünd fragen: „Wo ist denn der Helmut heute?“ Würde es mich ziehen? Habe ich den Bedarf? Oder gehe ich aus Zwang, aus Routine, einfach weil es eben so ist?
Warum machen wir unsere Versammlungen in einer gewissen Regelmäßigkeit? Weil ich es brauche. Weil der suchende Gott sein Wort benutzen will, um mich immer wieder ganz neu zu ihm zu ziehen. Wir müssten aus jeder Versammlung herausgehen und uns fragen: Was nehme ich denn mit?
Wir Deutschen sind in großer Gefahr. Weltweit sind wir bekannter als die Schulmeister, die alles besser wissen. Der Unterschied zwischen Gott und einem normalen Deutschen ist: Gott weiß alles, der Deutsche weiß alles besser. Wir gehen alle mit Kritik hinaus. Warum lässt man so alte Lieder singen? Und warum so viele neue Lieder? Warum war die Predigt so lang, und warum war sie so kurz? Warum hat der Schwabe geredet, und warum redet er so komisch Hochdeutsch? Man findet tausend Stellen, an denen man kritisieren kann. Keiner ist so blöd, dass er nicht kritisieren kann. Und wir meinen immer noch, das sei klug.
Die Frage ist: Was nehme ich mit? Was hat der Herr Jesus für mich bereit? Und man kann oft beim liberalsten Prediger noch etwas mitnehmen. Unsere Vorväter des Pietismus haben noch ganz andere tote Zeiten der Kirche erlebt als wir heute. Mein Ururgroßvater Johann Friedrich Kullen hat gesagt: „Da nehme ich vielleicht von einem Gesangbuchlied, von einem Gebet, von einer Schriftlesung etwas mit.“ Was nehme ich mit, wenn Gott mich ruft?
Das ist der Unterschied in Amerika. Die Amerikaner sind darauf eingestellt, wo sie etwas Positives hören, das ihnen hilft. In Amerika werden nicht in der Klassenarbeit die Fehler angestrichen, sondern die glücklichen Lösungen. Wenn eine gute Formulierung oder eine gewandte Lösung bei der Mathematikaufgabe gefunden wird, wird das als Erfolg gewertet.
Wir sollten Menschen sein, die das Positive sehen. Etwas, das uns hilft. Wir sollten selbst wieder ganz neu davon überzeugt sein, dass, wenn wir im Namen Gottes und im Namen Jesu zusammenkommen, der Herr Jesus auch etwas für mich bereit hat, das mir hilft.
Es geht gar nicht zuerst um die anderen. Bei der Evangelisation wird oft kritisiert: „Da werden doch die Frommen herangekarrt.“ Ja, weil sie es zuerst nötig haben. Wir brauchen doch einen neuen Schucker, einen neuen Anstoß. Wir sind oft überheblich, festgefahren, rechthaberisch, scheinheilig. Wir brauchen einen neuen Impuls.
Und wenn wir daran denken, attraktiv zu sein, was hilft den anderen? Nein, was brauche ich? Ich bin oft wie ein ausgetrockneter Schwamm. Was brauche ich? Wo kriege ich etwas mit?
Wir müssten uns also klar werden über die Funktion des Gottesdienstes, über seine Bedeutung und darüber, was wir mit unseren Versammlungen wollen.
Die Entwicklung der Gottesdienstbesuche und ihre Bedeutung
Zur Zeit von Martin Luther war es noch so, dass jeder gezwungen wurde, in die Kirche zu gehen, sonst kam der Büttel.
Später, in der Zeit unserer Großeltern, musste aus jedem Haus mindestens ein Mitglied der Familie zum Gottesdienst kommen.
Heute gibt es diese Gottesdienstpflicht nicht mehr. Selbst die Sitte, dass aus jedem Haus jemand zu einer Beerdigung geht, wenn jemand im Dorf gestorben ist, ist verschwunden oder verschwindet gerade.
Deshalb hat Martin Luther über den Gottesdienst seiner Zeit gesagt, dass nicht alle, die kommen, wirklich Christen sind. Die Predigt müsse eine Anregung zum Glauben sein – so hat er es ausgedrückt. Sie soll einen Impuls, ein Locken hin zum Glauben geben.
Daneben müsse es aber auch eine Versammlung derjenigen geben, die in der Bibel tiefer graben wollen. Diejenigen, die im Glauben und in der Erkenntnis weiterkommen wollen.
Das wurde dann eigentlich erst später mit den pietistischen Stunden und dem, was wir heute als Hauskreise oder Bibelstunden kennen, verwirklicht.
Wenn wir ein solches Konzept für unsere Gottesdienste haben, dann ist das gut.
Die Bedeutung von geistlicher Vertiefung und Gemeinschaft
Im letzten Jahrhundert gab es den Prälaten Sixt Karl Kapff. Er war der erste richtige Pfarrer der Brüdergemeinde Korntal und wurde später Prälat. Allerdings blieb er nur zwei Jahre in diesem Amt, weil er sagte, dass man als Prälat überhaupt nichts in der Kirche ändern könne. Daraufhin bewarb er sich um die Pfarrstelle an der Stiftskirche in Stuttgart und war dort 27 Jahre lang Pfarrer. Er war somit der Vorgänger von Konrad Eisler.
Kapff predigte stets, wie ich es ausdrücken würde, unter seinem Niveau. Er kannte die Bibel sehr gut, predigte aber hauptsächlich über das Gebet. Seine Botschaft lautete: Der Mensch braucht eine Begegnung mit dem großen, ewigen Gott. Man müsse auf die Taborhöhen des Gebets geführt werden. Bis zu dreitausend Menschen kamen in die Stiftskirche, um seinen Predigten zu folgen.
Doch Kapff sagte: „Das reicht nicht, nur ein bisschen religiöses Gefühl in meiner Predigt zu wecken.“ Er wollte mit seiner Predigt nur eine Art Staffel oder Hühnerleiter aufstellen für diejenigen, die etwas suchen. Aber daneben brauche man noch mehr.
Damals gab es die große hanische Stunde in Stuttgart, die altpietistische Stunde. Kapff sagte, dass er selbst gern dorthin ging, aber für Außenstehende seien das zu geheiligte Zirkel, in die man als Fremder nur schwer hineinfände. Auch der Jünglingsverein sei schon zu abgeschlossen und zu fromm, die Mitglieder kennen sich untereinander sehr gut.
Deshalb gründete er den neuen CVJM sowie den Stuttgarter Jugendverein, der mehr soziale Arbeit leistete. Außerdem gründete er Kreise für Frauen und Gruppen, die man heute als Hauskreise bezeichnen würde. Wenn Menschen das Gespräch mit ihm suchten, überlegte er lange, in welchen Kreis sie geistlich passen könnten.
Wir bräuchten also auch ein Konzept, das klärt, was unsere Gottesdienste und größeren Versammlungen leisten können und was unsere Gemeinschaften leisten sollen. Diese sind zur geistlichen Vertiefung da, um Durchblicke in der Lehre und in den Gesamtzusammenhängen zu gewinnen.
Gottesdienste einladender gestalten
Wie können unsere Versammlungen einladender werden? Nicht zuerst durch einige Menschen, sondern durch das verkündigte Wort.
Der Apostel Paulus sagt gerade an dieser Stelle in 1. Korinther 14, wenn ein Unkundiger im Griechischen heißt ein „Idiot“. Das bedeutet aber nicht „Idiot“ im heutigen Sinne, sondern einen Fernstehenden, wir würden heute sagen einen Kirchefremden. Wenn ein solcher in eure Versammlungen kommt, was würde ihn packen?
Auch in 1. Korinther 13 wird über die Liebe gesprochen. Da müssen wir uns noch überlegen, wie man liebevoll Gottesdienste gestalten kann, auch für Außenstehende. Aber die Hauptsache ist das prophetische Wort.
Hat Paulus nicht gemeint, dass jemand im Kaffeesatz liest und sagt, wie in 14 Tagen das Wetter ist oder wie der Krieg in Bosnien weitergeht? Prophetisch heißt in der Bibel nicht Zukunftsweissagung, sondern: Wie ist meine Lage vor Gott?
Bis in den Wortlaut hinein erzählt Paulus in 1. Korinther 14 eigentlich die Geschichte vom Berg Karmel. Dort sagt der Prophet Gottes, Elia: „Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Ihr tut so fromm.“ Ihr meint ja auch ganz ernst, ihr wollt beten, und zugleich lebt ihr wie die Welt. Ihr betet auch den Baal an, und euer Geld ist wichtig, ebenso Erbschaftsgeschichten und eure Ehre.
Wenn dieses prophetische Wort in die Herzen durchdringt, würde auch der Außenstehende auf seine Knie fallen und bekennen, dass bei euch wahrhaft Gott ist.
In unseren Stunden, in unseren Gottesdiensten braucht es neu wieder diese aufdeckende Wahrheit Gottes.
Die Bedeutung der biblischen Auslegung und des prophetischen Wortes
Mir zählt gern das Geschichtliche von Martin von Glems, der Anfang des letzten Jahrhunderts gelebt hat. Sein Pfarrer in Glems bei Metzingen sagte einmal: „Oh, Merde, wie könnt ihr denn in eurer Stunde die Bibel auslegen? Sie haben doch nicht studiert!“
Darauf antwortete er: „Herr Pfarrer, wir lesen das biblische Wort Gottes und vergleichen es mit unserem Leben. Dabei bleibt ein großer Rest übrig, und über diesen Rest reden wir. Verstehen Sie, das ist prophetisches Wort. Da können Sie die Bibel aufschlagen, wo Sie wollen.“
Die vier Männer, die den Gelähmten zu Jesus bringen, die Gichtbrüchen, weil sie sagen, er muss zu Jesus – wo bringt man heute Menschen mit einem solchen Drang zu Jesus? Petrus, der zweifelt: „Ist Jesus der, der mich wirklich auf dem Meer halten kann? Oh Herr Jesus, so einer bin ich doch auch.“
Oder Zachäus, der das Geld hortet und doch von ferne gern Jesus sehen wollte. Lassen Sie sich durch das Wort Gottes aufdecken, wo Sie ein für Jesus Bedürftiger sind.
Das macht unsere Gottesdienste attraktiv.
Die Haltung zur Bibel und zur Welt
Wir haben es uns in der Kirche angewöhnt, und das ist seit 250 Jahren so, Fragezeichen an den biblischen Wortlaut zu machen. Dabei wird hinterfragt, ob man das wirklich so ernst nehmen kann, ob es tatsächlich so passiert ist und ob man das heute noch genauso sagen kann.
Wir, die wir im März vom Pietismus kommen, bestreiten unsere Versammlungen damit, dass wir Fragezeichen an die moderne Welt setzen. Wir fragen uns, ob der ganze Fortschritt wirklich den Wert hat, ob die Menschen, die so sicher leben, tatsächlich glücklich sind. Ebenso stellen wir in Frage, ob Erfolg etwas bringt, ob Geld wirklich glücklich macht, ob die Politiker ehrlich sind und ob die kirchlichen Verantwortlichen wirklich vertrauenswürdig sind.
Davon kann niemand leben: Fragezeichen an die Bibel zu machen oder an die böse Welt. Der lebendige Gott will Fragezeichen an mich machen.
Anforderungen an Pfarrer und Verkündiger
Und wenn ich als Prälat in die Gemeinden gekommen bin und gefragt habe, was für einen Pfarrer sie sich wünschen, wenn der Pfarrer gewechselt hat oder in den Ruhestand ging, dann hieß es normalerweise: Wir wollen einen, der kontaktfähig ist, der Seelsorge betreibt und gut mit den Menschen umgehen kann.
Er soll die Jugendarbeit wieder aufbauen und in der Seniorenarbeit aktiv sein. Natürlich soll auch die Betreuung der Mittelaltrigen gut funktionieren. Die Frau des Pfarrers sollte in der Gemeindearbeit mitwirken, und der Pfarrer selbst sollte nicht älter als vierzig Jahre sein, aber dennoch über ausreichende Lebenserfahrung verfügen. So etwas kann man nicht einfach in Wasseralfingen herstellen.
Deshalb war es auffallend, als Bruder Häfel in Aalen sagte: Wir wollen einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, denen man anmerkt, dass Gott sie zuerst selbst getroffen hat.
Liebe Brüder und Schwestern, unsere Versammlungen, unsere EC-Zusammenkünfte und unsere Gottesdienste basieren darauf, dass derjenige, der das Wort auslegt, zuerst selbst vom Heiligen Gott berührt wurde. Er macht Entdeckungen in der Liebe Jesu. Selbst wenn man fünfundneunzig Jahre alt wird, lernt man an der Bibel nie aus.
Man kann die Bibel auswendig lernen, aber das Reden Gottes durch die Bibel bleibt lebendig. Er benutzt das Wort der Apostel und Propheten als Membran, durch die der lebendige, heute gegenwärtige Gott uns heute auf ganz neue Weise anspricht. So erlebe ich bei jeder Predigt etwas Neues.
Die Bedeutung der Vorbereitung und des Gebets
Als ich mich ein wenig mit Philipp Matthäus Hahn beschäftigt habe, diesem genialen Erfinder von Uhren und Wagen und einer wichtigen Persönlichkeit des Pietismus, hat mich etwas besonders bewegt. Er war ein sehr penibler Mann und hat oft elf Predigten verworfen, bevor er schließlich am Sonntagmorgen die zwölfte vorbereitet hatte. Er merkte immer wieder: „Ich habe es noch nicht, das, was Gott eigentlich sagen will.“
Wir sollten nicht leichtfertig über das Wort Gottes reden. Wir, denen das Wort anvertraut ist, müssen genau hinhorchen: Was will mein Gott mir sagen? Und was will er durch mich sagen, damit Gott selbst sprechen kann, prophetisch sprechen kann?
Alle Schrift ist von Gott eingegeben, so steht es in 2. Timotheus 3,16. Sie ist nützlich zur Lehre, damit uns Zusammenhänge klar werden. Neulich hat Professor Hengel aus Tübingen gesagt: Wir Neutestamentler wissen viel zu wenig über das Alte Testament. Aber hoffentlich sind wir lernbereit, denn wir müssen die Zusammenhänge sehen.
Wenn es im letzten Vers der Bibel heißt: „Wer da dürstet, der komme zu mir und nehme vom Wasser des Lebens umsonst“, dann müssen wir all die Brunnengeschichten im Alten Testament mit einbeziehen. Wie Mose den Felsen gespaltet hat, wie Gott mitten in der Wüste Wasser gab.
Jesus will durstige Menschen tränken, nicht Leute, die sagen: „Wenn alle so wären wie ich, dann wäre es schon gut.“
Die Leitmelodie der Bibel: Der Hirte
Eine Leitmelodie der Bibel ist der Begriff des Hirten. Mose war vierzig Jahre lang Hirte von Herden, von Ziegen in der Wüste, bevor er fähig war, das Volk Gottes zu führen.
Man kann sich vorstellen, wie oft er den alten Ziegen nachgehen musste, die sich über die eigensinnigen Böcke ärgerten. So ist es in jeder Gemeinde, in jedem Jugendkreis: Hirten müssen durch eine harte Schule gehen.
Wenn der Herr Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirte“, dann meint er nicht einfach nur einen lieben Schäfer, wie er oft im Kalender dargestellt wird. Er ist jemand, der harte Arbeit leistet und seine Schafe genau kennt – mit all ihren Schwächen und Eigenheiten.
In den Beziehungen und in allen Schriften, die von Gott eingegeben sind zur Lehre, geht es auch um die Aufdeckung von Schuld. Gott sagt uns: „Du, das ist bei dir doch nicht recht!“ – und das tut er in großer Liebe zu uns.
So muss das Wort des Herrn immer wieder ergehen.
Die Bedeutung der Aufmerksamkeit und des Gebets in Gottesdiensten
Wir müssten nicht einschlafen, wenn der Pfarrer sagt, unser Predigttext steht heute in Hebräer 13. Vielmehr hat Johann Albrecht Bengel oft seinen jungen zwölfjährigen Schülern in Maulbronn gesagt: Kolligite animas – sammelt eure Seelen, jetzt ganze Aufmerksamkeit, jetzt kommt das Entscheidende.
Wir haben auch Kirchenmusikerinnen unter uns, die in der Kirchenmusik tätig sind. Wir müssen uns heute überlegen, wie diejenigen, die zusammenwirken – wenn der Gemeinschaftschor singt und dann jemand spricht – einzelne Zeilen des Liedes aufnehmen.
Vor einem Jahr gab es einen Empfang der baden-württembergischen Landesregierung und der Kirchenleitungen von Baden und Württemberg mit einem Gesprächskonzert von Helmut Rilling, „Jesu meine Freude“. Dabei hat Rilling uns erklärt, wie das Stück aufgebaut ist: Der Anfangschor und der Schlusschor dieser Motette sind gleich, und das Werk läuft dynamisch auf eine Mitte zu.
Dann machte er eine Pause und sagte: „Und die Mitte ist: Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ Dabei fasste er sich an die Brille. Nach einer kurzen Pause wiederholte er: „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ Man hätte sehen sollen, wie das einen richtigen Ruck durch die Versammlung auslöste – selbst bei den anwesenden CDU-Leuten.
Es geht nicht nur darum, ein bisschen christlich zu sein. Wer Christi Geist nicht hat, wer nicht aus dieser Lebensquelle Jesu lebt – das war eine Verkündigung, die besser war, als es Billy Graham hätte machen können.
Wir müssen die Kirchenmusik wirklich ins Bewusstsein heben und erkennen, welchen Anruf Gottes sie enthält. Es ist viel zu schade, dass manche Verse einfach gesungen werden, ohne dass danach klar wird, was man da ewig singt.
Es wird wohl sein dem, der ihn herzlich ehrt. Dienen wir ihm von Herzen und mit Mühe, sodass wir uns bestimmte Gesangbuchzeilen zum Wort Gottes machen lassen. Unsere Gottesdienste würden attraktiver und ansprechender, wenn man merkt, dass nicht einfach nur jemand kritisiert, sondern dass dieser jemand selbst unter der Kritik des heiligen Gottes steht – einer Kritik, wie man sie in unserer Welt sonst nicht hört.
Die Herausforderung der Kritik und die Würde der Gottesdienstbesucher
Zeitungen – man macht alles schlecht. Selbst Beckenbauer ist nicht vor Kritik sicher, ebenso wenig Graf oder Boris Becker. Alle werden kritisiert: Kohl, Scharpingen, La Fontaine erst recht. Aber wo wird denn ein Zeitungsmensch von Gott kritisiert?
Wir sollten diese einzigartigen Menschen sein, die die Würde haben, vom Heiligen Gott selbst kritisiert zu werden. Wir sollten in die Schule Gottes gehen, nicht als die Habenden, sondern als die, die von Gott in heiliger Geduld getragen, zurechtgebracht und geleitet werden.
Jetzt muss ich abkürzen. Ich meine trotzdem, wir sollten versuchen, kürzere Abschnitte zu machen. In der Gemeinschaftsstunde, in der Bibelstunde, können wir uns einen Bibeltext vornehmen, wenn jeder den Text voll vor sich hat. Wilhelm Busch hat immer nur über einen Vers der Bibel gepredigt – im Zusammenhang mit den anderen Versen. Aber wer kann schon, wenn es keine Geschichte ist, keine Erzählung des Neuen Testaments, den ganzen Text aufnehmen?
Wir sollten das wichtigste Wort herausnehmen. Gestern oder vorgestern, bei der Predigt über die Jahreslosung, habe ich nur herausgenommen: „Deine Treue ist groß“. Andere Dinge sind auch wichtig und wurden nebenher ausgelegt, aber ein Wort, das man mitnehmen kann: „Deine Treue ist groß“.
Nicht alles auf einmal hineinpacken – das ist die Gefahr von uns Evangelischen. Wenn von Maria und Martha gepredigt wird, sagt man oft: „Aber auch der barmherzige Samariter ist natürlich wichtig, und dass Martha gedient hat.“ Am Ende kommt dann eine Diakonissenpredigt heraus. Nein! Jetzt hör mal dieses eine Wort: „Eins ist Not“, dem Herrn Jesus zuzuhören. Das andere kommt noch ein andermal dran.
Wir entschärfen immer die Spitze des Evangeliums, indem wir alles bringen wollen. Und es gilt, wenn wir das Wort Gottes lesen und hören, den Vers von Johann Albrecht Bengel: „O Wort des Vaters, rede du und stille meine Sinne.“ Wie oft gehen wir ans Hören des Wortes Gottes, so umgetrieben von all dem, was uns beschäftigt.
Da heißt es in diesem Lied: „Vollführe deine Wunderschlacht in mir durch deines Geistes Macht.“ Tu das Wunder, dass du zur Geltung kommst, nicht dass all das, was mir wichtig ist, so in den Vordergrund tritt, dass ich gar nicht mehr hören kann: „Vollführe deine Wunderschlacht in mir durch deines Geistes Macht.“
Wir müssten uns auch, wenn wir einen Text lesen oder weitergeben, die Frage stellen, die der Tübinger neutestamentliche Professor Adolf Schlatter immer seine Töchter gefragt hat, wenn sie aus der Tübinger Stiftskirche kamen. Nicht: „Was hat er gepredigt?“, sondern: „Was hat er gewollt?“
Wenn wir einen Text lesen, was wollte Paulus mit diesem Abschnitt sagen? „Die Liebe Christi drängt uns.“ Die Leute im Jüngsten Gericht werden einmal gefragt, ob wir es getan haben, ob wir wirklich getrieben waren von der Liebe Christi. Was hat er gewollt?
Die Bibel will nicht bloß etwas erzählen, sie will etwas bewirken. Und oft könnte man uns auch fragen, wenn wir predigen, wenn ich heute meinen Vortrag halte: „Was willst du eigentlich?“ Du sollst der Sprecher darüber sein, wie man attraktiv machen kann. Aber nur das Wort macht entscheidend attraktiv. Was hat er gewollt?
Ich hatte einen Deutschlehrer, der beim Herausgeben der Aufsätze immer fragte: „Geschäftsbuch, was haben Sie eigentlich auf den vier Seiten schreiben wollen?“ Da habe ich gesagt: „Wohl deutlich machen, dass Demokratie eine besondere Funktion hat.“ Darauf sagte er: „Na, schreiben Sie es doch so.“
Wir müssen uns jedes Mal, wenn wir uns versammeln, daran erinnern an das Wunder, dass Jesus, der Sohn Gottes, die Sünde hasst, aber uns Sünder ganz eng zu sich nehmen will. Dass wir aus seiner Lebenskraft, aus seinem Lebenszentrum leben. Das ist das, was die Wiedergeburt ist: dass nicht meine Kräfte mich bestimmen, sondern dass eine ganz neue Kraft hineinkommt.
Praktische Tipps für einladende Versammlungen
Und jetzt noch ein paar ganz praktische Tipps, wie es ein bisschen menschlicher und liebevoller werden könnte.
Stellen Sie sich vor, ein völlig Fremder kommt zum Ulmer Münster oder zur Stadtkirche Schörndorf. Zum Beispiel der Onkel aus Karlsruhe, der wegen der Taufe seines Patenkindes gekommen ist. Dort sieht er Tafeln mit Nummern. Was bedeuten die? Ist das die Sitzreihe, auf der man sitzen soll, oder die Seitenzahl im Gesangbuch? Er versteht nicht, dass es die Nummer im Gesangbuch ist. Woher soll er das auch wissen?
Wo darf man sich eigentlich hinsetzen? Und wenn er sich auf einen Platz setzt, kommt vielleicht jemand und sagt: „Das ist mein Platz.“ So etwas gibt es nicht einmal in der Sauna. Plätze dürfen dort nicht belegt werden. Nicht einmal im Ruheraum, wo jemand sein Handtuch drauflegt. Und wer kommt, darf dann auch sitzen. Wie unfreundlich ist das? Oder setzt sich jemand außen hin, so dass man sich mühsam durchquälen muss, um in die Reihe hineinzukommen?
Ich empfinde es als überaus wohltuend hier in Korntal, wo ich jetzt sein darf. Am Eingang stehen fast wie in Amerika die Ältesten der Gemeinde, begrüßen herzlich und fragen: „Darf ich Ihnen ein Gesangbuch geben?“ Wir haben hier auch noch einen besonderen Korntaler Teil, in dem auch die Psalmen stehen. Also die Nummer vorne ist noch der Psalm. „Darf ich Ihnen einen Platz zeigen?“ Oft geleiten sie einen an einen Platz und sagen: „Darf ich Ihnen auch vorstellen? Das ist Herr Schäfer, der gehört hier zur Gemeinde.“ Dann spricht Herr Schäfer mit einem.
Muss ich stehen bleiben? Wie lange? Drei oder fünf Sekunden? Muss ich bis fünf zählen oder bis sieben? In Korntal setzt man sich. Man bleibt nicht stehen, weil man weiß, dass das für Außenstehende abschreckend wirkt. Man setzt sich hin und steht nach dem Eingangswort zum stillen Gebet auf, vor dem Hauptgebet.
Der Pfarrer sagt von Anfang an: „Wir singen heute das Lied, weil der Predigttext ist ‚Jesus Christus, gestern und heute derselbe, auch in Ewigkeit‘.“ Singend ein Jesuslied, das Lied „Jesus Christus herrscht als König“. Auch die Schriftlesung nimmt das Jesusthema auf, dass wir einen Herrn haben, auf den wir vertrauen können. Sehen Sie, jetzt wird plötzlich klar, warum die Schriftlesung da ist. Man muss viel mehr erklären.
Wir erleben das im Fernsehen: Der Conferencier hat eine große Bedeutung, er erklärt etwas, stellt auch Leute vor, die mitwirken. Wir müssen im Gottesdienst etwas erklären. Warum stellt sich der Pfarrer nicht vor, wer er ist? Viele Leute sind neu da. Wir gestalten unsere Zusammenkünfte so, dass der neu eingeheiratete Vetter aus Kanada, als er mit uns in die schöne Stunde in Hülken ging, sagte: „War ich bei einer Spiritistenversammlung? Was machen die da und warum gerade das?“ und die Leute neigen ihren Kopf.
Menschlicher sein, natürlicher, erklären. Aber wie gesagt, es geht nicht um einzelne Mätzchen, sondern darum, dass wir aufmerksamer sind und auch merken, wie verkrustet manche Traditionen sind. Diese Traditionen lassen sich nur schwer aufbrechen.
Als in Schörndorf der Bruder Fischl sagte: „Vor Beginn der Stunde singen wir ein paar neuere Lieder“, haben gerade die älteren Gemeinschaftsgeschwister gesagt: „Jetzt lasst es nur, wie es ist.“ Und wenn ich in Schörndorf zwischen Teil zwei und drei meiner Predigt gesagt habe: „Jetzt singen wir einen Kanon miteinander“, ist nachher Herr Apotheker Palm, den ich schon erwähnt habe, ein offener Kirchenmann, gekommen und hat gesagt: „Ihr habt die ganze Woche durch Aufregung mit Unvorhergesehenem. Ich möchte eine Stunde lang wissen, wie es hintereinander kommt.“
Das ist die Schwierigkeit: Man ist an eine Sitte gewöhnt, dass es so ablaufen muss. Und trotzdem: Wir haben auch oft die schöne Sitte, dass sich ein Gebetskreis mit dem Prediger vorher trifft. Der Lizenziat Brandenburg in Korntal hat uns immer hinausgejagt und gesagt: „Seid ihr verrückt? Jetzt, wo die Leute reinkommen, sitzt ihr da hinten in der Sakristei raus! Jedes Mütterchen ist wichtig, dass ihr in die Hand geht. Beten könnt ihr eine halbe Stunde vorher, wenn ihr beten wollt.“
Also sollten wir beachten, dass nicht, wenn ihr zu vielen Versammlungen geht, bei Pro Christi und allem Möglichen, die Hauptverantwortlichen sich zehn Minuten vor Beginn irgendwo im Nebenraum zum Gebet sammeln. Das ist gut. Aber wir sollten draußen sein, unter den Leuten, sie begrüßen. Jeder möchte doch, wenn er sich schon einmal aufmacht zu einer Versammlung, auch ernst genommen werden. Dass er da ist, und zwar nicht von irgendeinem kleinen Helfer, sondern von den Verantwortlichen.
Haben wir auch in unseren Kirchen und Gemeinschaftshäusern Leute, die am Parkplatz stehen, die Leute einweisen und da schon deutlich machen: „Ihr seid willkommen“? Oder muss man sich mühsam einen Platz suchen? Ich empfinde es als ungeheuer wohltuend, wenn man zu einer Versammlung kommt und da steht jemand mit einer weißen Binde und sagt: „Dahinter ist noch ein Platz, und wenn Sie da durchfahren“, da merkt man schon: „Ich bin gewollt, ich bin dort empfangen.“
Ein Vorprogramm ist wichtig. Wir haben so viele junge Leute, die eine Begabung für Pantomimen haben. Wir haben einen Jugendchor mit Anziehenteam. Wir müssen auch die Leute hereinnehmen. Natürlich kann es passieren, wie in Korb, wo unser Bruder, der Gemeinschaftspfleger, mit jungen Leuten beim Gottesdienst im Grünen ein Anspiel aufführen wollte. Nachher haben die Stundenleute gesagt: „Das ist doch nichts, wenn man junge Leute, die noch gar nicht recht bekehrt sind, einsetzt, um das Wort Gottes zu verkündigen.“
Hat eigentlich Petrus geglaubt, als der Herr Jesus ihn losgesandt hat? War Judas nicht auch unter den Zwölfen, die der Herr Jesus in Matthäus 10 ausgesandt hat? Hat Thomas damals nicht gezweifelt, als Jesus auferstanden war? Der Herr Jesus treibt sein Werk mit Unfertigen und macht sie durch die Wunder über dem Dienst fertig.
Also müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu kritisch sind mit unserer Einstufung und sagen: „Der kann nicht mitmachen.“ Abkündigungen sind wichtig, damit wir es menschlicher machen. Wenn neulich Bruder Roth in Korntal gesagt hat: „Wir haben am Donnerstag einen Basar mit gebrauchten Kinderkleidern, und da können Sie das Kleid, das Ihnen beim Nachbarskind so gut gefallen hat, zu einem günstigen Preis kaufen.“ Das ist auch Spaß. Das ist einfach. Man muss auch eine wohlige Stimmung haben.
Öfter haben wir heute Morgen schon telefonisch angesprochen: Menschen einladen. Wir haben den besonderen Gottesdienst in Korntal alle vier Wochen, den Gäste-Gottesdienst. „Kommen Sie doch!“ Wir haben einen besonderen Gottesdienst, der interessant ist. Menschen telefonisch einladen, damit sie wissen: Wir sind erwartet.
Ich meine, wir sollten viel öfter bei den Gottesdiensten – das sage ich jetzt sehr für die landeskirchliche Situation – Gelegenheiten schaffen. Warum haben wir bloß den Erntedankgottesdienst und den Heiligabendgottesdienst, bei denen Außenstehende kommen können? Weil es Enkelkinder gibt, die Körbchen bringen? Wir müssten sagen: „Am nächsten Sonntag machen wir einen Gottesdienst für alle, die im Jahr 1996 einen geraden Geburtstag haben.“ Ganz stolz der 48-Jährige und der 26-Jährige, eben mit geradem Geburtstag, und volle Geburtstage alle zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahre. Und alle, die zehn Jahre verheiratet sind, machen einen Dankgottesdienst.
Wir müssen Anlässe schaffen, damit die Leute wissen: „Jetzt bin ich gemeint, da darf ich kommen.“ Damit sie sich auch vor ihrem Arbeitskollegen entschuldigen können, warum sie überhaupt kommen. Wir merken es doch bei Konzerten, wie Menschen kommen, die sonst nie in die Kirche gehen. Da weiß man, da kann man kommen, wird nicht komisch angeschaut.
Anlässe schaffen: Tauferneuerung, für die, die in diesem Jahr einen Menschen verloren haben. Wir wollen im Sommer, wenn so viele Gäste aus Amerika kommen, einen Gottesdienst mit unseren ausländischen Gästen machen. Auch besondere Bonbons hineinnehmen, die einen Anlass schaffen. Gottesdienste wie Gottesdienste im Grünen, Open-Air-Gottesdienste.
Zu mir hat ein Schorn da auf einmal gesagt: „Das ist ein guter Gottesdienst, als wir mal auf dem Marktplatz einen Gottesdienst hatten. Da kann ich auch mit meinem Hund kommen. Er kann auf zwanzig Metern Entfernung stehen bleiben und so tun, als ob er nur zuhört.“
Warum müssen die Leute bei uns immer durch eine Tür, hinter kirchliche Mauern, hinaus ins Freie? Aber es geht um ernstere Dinge.
Neue Gottesdienstformen und Bewegungen
Der Kardinal Martini von Mailand, der vielleicht zukünftiger Papst wird, hat in Italien eine Bewegung ausgelöst. Jeden Donnerstagabend treffen sich Menschen im Mailänder Dom, um zwanzig Minuten lang mit der Bibel zu beten und zu lernen. Er legt kurz Psalm 139 aus und sagt: „Beim nächsten Mal lernen wir: ‚Erforsche mich, Gott, und prüfe mein Herz. Prüfe mich und erfahre, wie ich es meine. Sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Weg.‘“
Beim darauffolgenden Treffen ist dann, so könnte man sich vorstellen, Psalm 23 oder Psalm 51 an der Reihe. Diese Bewegung versammelt inzwischen 12 bis 14 Menschen jeden Donnerstagabend im Mailänder Dom. Mittlerweile wird das Ganze sogar im Fernsehen ausgestrahlt.
Warum führen wir nicht ähnliche Gottesdienste am Donnerstagabend um 19:45 Uhr ein? Gerade wenn die Leute am langen Donnerstag einkaufen waren, könnten 20-minütige Gottesdienste stattfinden – möglichst im Sommer vor der Kirche, zum Beispiel am Hauptportal des Ulmer Münsters. Es geht darum, Gelegenheiten zu schaffen und dabei auch bis ins Kleinste hinein phantasievoll zu sein.
Ein Beispiel: Als ich einmal am Spätnachmittag zum Zahnarzt kam und stark verschwitzt war, habe ich mich noch geduscht und ein neues Hemd angezogen. Die Zahnarzthelferin sagte daraufhin: „Oh, Sie wissen nicht, wie wohltuend es ist, wenn jemand auch mal ein bisschen gut riecht.“
Wir sind heute so stark auf Gerüche eingestellt, dass es uns manchmal sogar stört, wenn der Nebenmann einen Mantel trägt, der den ganzen Sommer im Schrank mit Motorkugeln gehangen hat. Wenn wir einladend sein wollen, sind Gerüche wichtig. Ob man einen alten Waschlappen oder einen neuen benutzt hat, ist dabei nicht so entscheidend.
Wir sollten die Gemeinde beim Singen mehr beteiligen. Man könnte zum Beispiel sagen: „Eigentlich hatten wir vor, Lied 320 zu singen. Wer von Ihnen hat einen Wunsch? Wer hatte letzte Woche Geburtstag und möchte gern ein Lied wünschen?“ So werden die Menschen aktiv eingebunden.
Auch beim Vorprogramm zum Gottesdienst könnte man mehr Beteiligung schaffen. Warum nicht an Weihnachten bei jedem Adventssonntag alle Liedverse singen, in denen Ehrenprädikate Jesu vorkommen? Zum Beispiel: „Zions Hilfe und Abrams Lohn, Jakobs Heil, der Jungfrau Sohn, du Friedefürst Immanuel.“ Wenn die Leute aufmerksam machen, woher die Titel stammen, müssen sie zwar selbst vorbereitet sein, aber nach dem dritten oder vierten Mal wird die Gemeinde merken, dass sie mitmacht. Sie sind dann nicht bloß Zuhörer, sondern gefordert.
Wir sollten uns hier mehr einfallen lassen – sei es durch ein neues Lied oder ein ganz altes, das fast vergessen ist. Wir sollten mehr singen. Früher wurde viel mehr gesungen. In manchen Gemeinschaften wird zwar gesungen, aber in der Kirche gewöhnen wir uns langsam daran ab.
Außer „Sonne der Gerechtigkeit“ und „Preislob und Dank sei Gott dem Herrn“ ist kaum noch ein Lied bekannt. Das ist sehr schade. Wir müssen den Schatz und Reichtum unserer Lieder wieder mehr pflegen und lebendig halten.
Verantwortung für die Nachbarn und Begleitung
Genug, jeder ist für seine Nachbarn verantwortlich – auch beim Hinausgehen, beim Grüßen und ein Stück weit beim Geleiten.
Mein Bruder war lange Geschäftsführer in einer Firma und später Unternehmensberater. Er sagte: Die Sache der Kirche ist gut, aber wenn wir in der Wirtschaft so arbeiten würden wie ihr Kirchenleute, könnten wir nicht einmal ein Stück Seife oder einen Putzlappen verkaufen. Ihr sagt eure Sache, und dann sagt ihr Amen. Danach segnet er euch und sagt: Auf Wiedersehen.
Wir müssen in der Industrie nachgehen und jetzt Menschen, die aufmerksam geworden sind, begleiten. Erst dann merken sie, was wirklich wichtig ist.
Mir hat es geholfen, als mein Freund Hans Schmidt in Tübingen sagte, wie er eine Predigt gefunden hat. Er meinte, das war toll, aber als ich fragte: „Was nimmst du denn mit?“, antwortete er: „Nichts.“ Seitdem höre ich aufmerksamer zu und frage mich: Was nehme ich mit?
Wir brauchen auch solche Tipps: Was hat Ihnen gefallen? Was hat Ihnen gefehlt? Was würde Ihnen eine Hilfe sein?
Ehrlichkeit und Authentizität in der Verkündigung
Allerletztes: Nicht, weil sie erschrecken über die vielen Ratschläge. Wir müssen wir selbst sein.
Der Konrad Eisler, mein Vetter, kann Späßle machen, ich kann keine Späßle machen. Wenn ich versuche, Späßle zu machen, denkt jeder: Was ist jetzt für eine Uferschämtheit dahinter? Das kann nicht jeder. Nicht jeder kann alles machen.
Wir müssen, wie man im Neudeutschen sagt, identisch sein – ehrlich.
Als ich neulich unseren lieben Bruder, den Evangelisten Anton Schulte, gesehen habe, habe ich ihn kaum wiedererkannt. Er hat sein Toupet abgelegt und sieht mit seiner Glatze richtig gut aus. Ich habe gesagt: Lieber Bruder Schulte, jetzt gefallen Sie mir doppelt so gut. Sie sind identisch, richtig der Anton Schulte, wie er ist, mitsamt der Haut auf dem Kopf.
Wir sollen uns nicht verstellen, sondern ehrlich sein, so wie wir sind. Es gibt manche Leute, die sind fröhliche Christen, und es gibt Leute, die sind ehrliche Christen. Wir können uns nicht verstellen.
Aber das, was uns Gott durch sein Wort gegeben hat, was wir im Anschluss an den lebendigen Gott bekommen haben, sollten wir weitergeben – an Liebe und an Geduld mit den Mitmenschen.
Zukunft der christlichen Versammlungen
Ich glaube, dass noch eine große Zukunft vor unseren christlichen Versammlungen liegt.
Im Augenblick ist es schwierig. Die Leute schotten sich ab und bleiben zu Hause hinter ihrem Fernseher. Sie werden jedoch einmal satt sein von dem dummen Brei, den sie fressen müssen, und dann einen Hunger nach geistlicher Kost bekommen.
Nicht nur die Mercedes-Manager – vielleicht waren sie die Ersten, die dies begriffen hatten. Aber wir sollten bereit sein für Menschen, die, wie es in der Bibel heißt, selig sind, weil sie hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, nach dem lebendigen Jesus.
Dann sollten wir nicht abgestandenes Wasser geben, sondern etwas von der lebendigen Quelle weitergeben. Herzlichen Dank!
Es soll jetzt Gelegenheit sein, Fragen zu stellen.
Gespräch und Nachgespräche in der Gemeinde
Der Dank liegt zunächst auf unserer Seite. Ich glaube, dass es oft auch so ist, dass wenn gar nicht so viele Fragen da sind, dies ein gutes Zeichen ist. Es zeigt, dass man manches verstanden hat und in die Praxis umsetzen will.
Auf der anderen Seite wollen wir jetzt auch Ihnen zu Wort kommen lassen, damit Sie Fragen stellen können. Vielleicht haben Sie schon versucht, das gute Wort beim Gestalten von Veranstaltungen zu unterstreichen. Wer eine Frage hat, darf sich melden. Dann gehen unsere Brüder mit dem Mikrofon durch die Reihen, sodass man sie gut versteht.
Herr Präsident! Sie haben zum Schluss in Ihrem Referat gesagt, dass in der Kirche – im Vergleich zur Industrie – oft noch weitergemacht wird. In der Kirche heißt es dagegen meistens: „Amen, Schluss“ und dann wird der Segen gesprochen. Das vermisse ich auch oft. Könnte es nicht ausprobiert werden, dass ein Pfarrer nach dem Gottesdienst einlädt, über die Predigt zu sprechen? Die Gemeindeglieder könnten erzählen, was ihnen gefallen hat oder was ihnen wichtig geworden ist. Andere könnten Kritik äußern oder sagen, was sie nicht verstanden haben. So etwas wäre ein Erlebnis und eine Fortführung des Gottesdienstes – eine Art Nachpredigt.
Sie überlegen sich das ja sicher. Solche Fragestunden sind deshalb schwierig, weil man nie allen, die gefragt haben, zur Zufriedenheit antworten kann. Nachgespräche sind aber ganz wichtig. Meine Erfahrung ist, dass Vorgespräche oft schwierig sind. Wenn man im Hauskreis mit dem Pfarrer oder Prediger zusammen einen Text besprochen hat, ist jeder hinterher oft enttäuscht, wenn der eigene gute Gedanke nicht in der Ansprache auftaucht. Aber man kann nicht alles aufnehmen.
Nachgespräche sind wichtig. Auch wenn man sagt: „Ich habe nur den ersten Teil verstanden, aber dann habe ich den Faden verloren. Könnten Sie mir noch einmal helfen?“ Es ist nicht nur eine Kritik, sondern eine weiterhelfende Frage, wie man das im Leben praktisch umsetzen kann. So wird die Predigt nicht nur kritisiert, sondern hilft weiter.
Ein Nachgespräch halte ich für überaus wichtig. Eigentlich ist der Sinn des Brüdertisches in den Gemeinschaften, wie etwa bei den Altpädist, nicht, dass gesagt wird: „Wie vorher schon gesagt wurde, kann ich mir das sparen.“ Sondern er ist als Ergänzung gedacht.
Von Conthal wird erzählt, dass einmal ein Bruder sehr gesetzlich gesagt hat: „Wir müssen uns als Christen am Riemen reißen und gehorsam sein dem Herrn.“ An diesem Tag saß der Blumhart oben auf der Bank und sagte: „Wir können ja, selbst wenn wir es uns vornehmen, gar nichts tun. Der Herr Jesus muss in uns wirken, gell? So hast du das gemeint, Karl?“ Der Herr Jesus will uns auch helfen, damit wir ganz neue Gesichtspunkte bekommen, mit denen wir ihm eine Freude machen können. So hast du das gemeint, Karl.
Das war in Liebe verpackte Kritik, aber auch eine Ergänzung, die wir gegenseitig brauchen. Das wünsche ich mir viel mehr. Früher hat man mal Dialogpredigten gemacht oder so kleine Späßchen. Aber schon indem wir die Nichttheologen am Gottesdienst beteiligen, wäre es schade, wenn sie nur die Schriftlesung übernehmen. Das, was sie im Gebet aus der Verkündigung und der Schriftlesung aufnehmen, ist wichtig. Wo hat es gezündet? Was wollen sie vor Gott bringen?
Ich finde es fast brutal, wenn man die Laien nur einsetzt, weil man hofft, dass sie Deutsch lesen gelernt haben in der Schule. Nein, sie müssen auch beim Segen eingesetzt werden. Da heißt es immer: „Herr Prälat, den Segen spenden Sie.“ Als ob wir einen besseren Segen sprechen könnten! Nicht nur wir Priester, sondern jeder, der durch die Versöhnung Gottes geheiligt ist, kann den Segen spenden.
Hier müssen wir die Laien noch mehr beteiligen.
Fragen zur Kirchenmitgliedschaft und zur Volkskirche
Jetzt habe ich vorher eine Frage bekommen, ganz heiß: Sollen Pietisten aus der Kirche austreten, wenn sie, wie sie sagen, es nicht mehr verantworten können, eine Kirche, die nicht mehr schriftgemäß lebt, durch Kirchensteuer oder Mitgliedschaft zu unterstützen?
Bischof Dietz Felbinger hat im Jahr 1974 schon gesagt: Es gibt in unseren Zeiten auch einen Austritt aus der Kirche aus Glauben, nicht aus Unglauben. Leute, die so enttäuscht sind über ihre Kirchengemeinde, über die Verkündigung, da sie sagen: „Ich kann das nicht mehr mitverantworten.“ Die Frage hat es immer die Kirche bewegt, Kirchenleute.
Der vorhin erwähnte Adolf Schlatter hat gesagt: Trennt euch nicht von der Kirche, separiert euch nicht. Sondern separiert euch nach innen, schafft Hauskreise, in denen das Evangelium in der Kirche überwintert.
Wir werden uns doch nie vom Volk, in dem wir leben, absondern können, sondern wir sind verantwortlich. Ihr seid Botschafter an Christi Statt für die Welt. Wir sind die Volkskirche, und wir müssen sehen, wo wir am besten in dieses Volk hineinwirken können.
Der Weg in eine Gemeinschaft und erst in eine Freikirche ist für einen Außenstehenden unendlich weit. Für einen Außenstehenden kommt die Freikirche vor wie eine Sekte. Dass er für seine Kollegen sagen muss, sie gehe da an freie evangelische Gemeinde, ist schwierig, sagt uns Peter Strauch sogar.
Wir brauchen euch Landeskirchler, wenn wir überhaupt ProChrist durchführen können. Für die anderen ist alles, was die Freikirche angeht, zu eng für Leute, die es nicht verstehen.
Wann ist der Herr Jesus aus Israel ausgetreten, aus dem Israel, um das die Propheten 2000 Jahre geweint haben? „Bekehrt euch, wendet euch zum Herrn!“ Israel, das Gott strafen musste, dem Gott aus Steinen Kinder erwecken konnte, Israel, über dem Jesus geweint hat. Wie oft habe ich Jerusalem versammeln wollen, wie eine Glucke ihre Küken versammelt, und du hast nicht gewollt.
Und dann sagt Jesus auch: Es sollten meine Zeugen sein. Wo? Zu Jerusalem und in Judäa. Nie aufgegeben, auch um des Unglaubens willen.
Der Apostel Paulus, wenn er aus der Synagoge hinausgeschmissen war, aus dem Volk Israel, hat er in der nächsten Stadt wieder beim Volk Israel angefangen.
Das sind für mich Dinge, bei denen ich sage: Ich muss zu vielem Nein sagen, unter Schmerzen, in der Kirche, die mir viel gegeben hat. Ich habe mir heute Morgen erzählt, was die Kirche, die Volkskirche, für mich geistlich bedeutet hat.
Unser Schmerz ist, wie viel kaputtgeht. Aber das, was etwa noch einmal – sei es erwähnt – durch das Bengelhaus gemacht wird: Wir senden positive Kräfte, positive Fermente, Sauerteig, Hefe in diese Kirche hinein. Das ist uns wichtig.
Ich freue mich, wenn es aus einzelnen Gemeinden heißt, im Oberland: „Es hat es noch nie gegeben, wir hören jetzt fast bloß Gemeinschaftsleute in unserem Kirchengemeinderat.“ Und jetzt ist unser Dekan bereit in Ravensburg, dass wir nächstes Mal bei ProChrist wieder mitmachen.
Sehen Sie, positive Kräfte in den großen Möglichkeiten, die wir in der Volkskirche haben.
Die Kirche war zu allen Zeiten ein Saftladen, steht im Neuen Testament, zwar nicht mit diesen Worten. Paulus sagt: „Ich habe die Christenheit verfolgt.“ Petrus sagt: „Ich habe verleugnet.“ Thomas sagt: „Ich habe nicht geglaubt.“ Alles, was von Menschen berichtet ist, war ein Saftladen. Groß ist bloß Jesus.
Und wenn Sie versuchen, eine eigene heile Kirche aufzumachen, werden Sie am Schluss allein übrig bleiben. Denn solange Sie noch zu zweit sind, werden Sie sich immer über den anderen ärgern, dass der so arg für Allversöhnung ist oder gerade gegen Allversöhnung.
Man kann sich über Stile und Methoden ärgern. Die Volkskirche ist ein Missionsfeld, ist nicht Kirche, nicht Kirche Jesu. Wir wollen als Kirche Jesu auf diesem Feld wirken. Und dadurch, dass wir das Geld abziehen, wird es auch nicht besser.
Es kann der Tag kommen, wo wir aus Gewissensgründen sagen müssen: So nicht. Aber im Augenblick sehe ich die Möglichkeit, besonders bei uns in Württemberg, gegeben, dass wir in diese Volkskirche mit sehr viel Not in der Evangelischen Landeskirche hineinwirken.
Schlussgebet
Jetzt entschuldigen Sie die lange Antwort. Ja, wir wollen nun gemeinsam beten.
Herr Jesus Christus, wir danken dir für dein lebendiges Wort und für alle Erfahrungen, die wir damit machen durften. Wir bitten dich, dass du uns immer wieder neu ansprichst. Hilf uns, hörend zu dir zu kommen und hörend unter dein Wort zu treten.
Gib jedem Einzelnen an seinem Platz viele gute Gedanken. Lass uns anderen so begegnen, dass wir sie gut auf dich hinweisen können. Hilf uns, dein Wort in das Leben anderer zu übersetzen.
Wir danken für diesen Nachmittag und dafür, dass du auch weiterhin mit uns durch diesen Tag gehst. Segne auch Prälat Schiffbruch bei seinen verschiedenen und vielen Diensten.
Wir danken dir, dass wir dir gehören dürfen, zu deiner Gemeinde gehören und dass du dich immer wieder neu in deinem Wort zu uns wendest, uns ansprichst und uns Wegweisung gibst.
Amen.