Die argumentative Strategie von Atheisten und ihre Grenzen
Der hier besprochene Beitrag zeigt die typische Argumentationsweise von Atheisten. Dort, wo die eigentlichen Argumente ausgehen, konzentriert man sich auf nebensächliche Fragen.
Die Hauptaussage meiner Darstellung über den Atheismus besteht darin, dass es keine Argumente gegen Gott gibt. Interessanterweise wurde dies in dem hier besprochenen Beitrag nicht einmal in Frage gestellt. Atheisten haben demnach keine wirklich überzeugenden Argumente gegen die Existenz Gottes. Das ist meine Behauptung, und dieser wurde in diesem Beitrag nicht widersprochen. Somit kann ich das im Grunde genommen auch als Bestätigung auffassen.
Stattdessen versucht man, sich auf eine nebensächliche Interpretation des Werkes von Richard Dawkins zu konzentrieren – und das auch noch auf eine durchaus etwas oberflächliche Art und Weise. Es soll der Eindruck erweckt werden, als ob es sich bei Richard Dawkins’ Buch Der Gotteswahn um eine seriöse wissenschaftliche Studie handelt und als ob Richard Dawkins tatsächlich nur auf wissenschaftlicher Ebene argumentiert.
Für jeden, der dieses knapp sechshundert Seiten lange Buch gelesen hat, ist jedoch eindeutig erkennbar, dass dem nicht so ist. Deshalb möchte ich hier zu Anfang einige Ausschnitte aus Richard Dawkins’ Buch vorlesen, um damit zu verdeutlichen, was er selbst sagt und was er beabsichtigt.
Richard Dawkins’ polemische Darstellung des Glaubens
So schreibt er beispielsweise auf Seite 18: „Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man das Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, nennt man das Religion. Wenn dieses Buch die von mir beabsichtigte Wirkung hat, werden Leser, die es als religiöse Menschen zur Hand genommen haben, es als Altheisten wieder zuschlagen. Eingefleischte Gläubige sind natürlich keinem Argument zugänglich. Ihr Widerstand wurde in jahrhundertelanger kindlicher Indoktrination aufgebaut, und die Methoden, mit denen das geschehen ist, sind in Jahrhunderten gereift.
Nach meiner Überzeugung gibt es jedoch viele aufgeschlossene Menschen, die in ihrer Kindheit nicht allzu heimtückisch indoktriniert wurden, die die Indoktrination aus anderen Gründen nicht aufgenommen haben oder deren angeborene Intelligenz stark genug war, um sich darüber hinwegzusetzen. Hier wird schon ganz deutlich, dass der Gegner, derjenige, der an Gott glaubt, hier diffamiert wird. Das heißt, der Kluge, der Mensch glaubt nicht an Gott, glaubt, dass es Gott nicht gibt. Derjenige hingegen, der an Gott glaubt, so wird hier behauptet, tue das in erster Linie wegen der elterlichen Indoktrination.
Auf Seite 45 beschreibt Richard Dawkins dann den Gott des Alten Testaments als einen, so wörtlich, kleinlichen, ungerechten, nachtragenden Überwachungsfanatiker, einen rachsüchtigen, blutrünstigen, ethnischen Säuberer, einen frauenfeindlichen, homophoben, rassistischen, kinder- und völkermordenden, ekligen, größenwahnsinnigen, sadomasochistischen, launischen, böshhaften Tyrannen. Auch das ist sicherlich keine wissenschaftliche Beschreibung, sondern eher eine sehr emotional ausgerichtete.
Etwas weiter, auf Seite 97, spricht er dann davon, dass Glaube an Gott Aberglaube sei. Dieser Aberglaube wirke wie ein krank machender Virus (Seite 260). Auf Seite 260 wird dann gesagt, der Glaube an Gott sei eine Fehlfunktion der Evolution. Oder auf Seite 110 kann man dann lesen, dass man Gott auch als einen alles überragenden Stinker bezeichnen könnte.
Auf Seite 329 spricht Dawkins von albernen Sabbatvorschriften, oder auf Seite 254 bezeichnet er seine Gesprächspartner als verlogene Kreationisten. Überzeugte Christen werden mit ihm verglichen mit gemeingefährlichen Fundamentalisten, massenmordenden Fanatikern (Seiten 60, 64, 254 und auch noch anderen).
Atheisten werden hingegen bei Dawkins mehrfach zusammengebracht mit Menschen, die höhere Bildung haben, intelligenter sind und nachdenklicher sind. Also hier ist die Sache, glaube ich, schon klar: Dawkins ist nicht derjenige, der seinen Gesprächspartner wirklich ernst nimmt oder auf Augenhöhe begegnet, sondern einer, der die Absicht hat – und das steht wörtlich in seinem Buch – die Menschen zum Atheismus zu bekehren. Und da sind ihm viele Mittel recht.
Er argumentiert eigentlich über einen Sachbereich, der gar nicht zu seinem Fachbereich gehört. Denn man müsste ja jetzt erwarten, wenn Richard Dawkins über Glauben und Gott schreibt, dass er wenigstens Theologie, vergleichende Religionswissenschaft oder Philosophie studiert hätte. Aber er spricht hier ja als ein Biologe zu den Menschen, und bekanntermaßen ist die Frage nach Gott kein Inhalt der Biologie, weil der Biologie schlichtweg die Mittel fehlen, die Existenz oder Nichtexistenz Gottes zu untersuchen.
Kritik an Dawkins’ Umgang mit Wissenschaftlern und Studien
Deshalb ist es umso auffälliger, dass Richard Dawkins auf Seite 137 sich mit der Frage beschäftigt, ob Wissenschaftler christlich oder nichtchristlich sind. Er leitet das Kapitel mit einem Zitat von Bertrand Russell ein. Darin schreibt Russell, dass intellektuell hervorragende Menschen in ihrer großen Mehrheit nicht an die christliche Religion glauben. In der Öffentlichkeit halten sie diese Tatsache jedoch geheim, weil sie Angst haben, ihr Einkommen zu verlieren.
Hier ist die Sache klar: Es geht nicht darum, die Frage zu stellen, ob es Gott gibt oder nicht. Vielmehr soll lediglich darüber gesprochen werden, ob Wissenschaftler, insbesondere Naturwissenschaftler, an Gott glauben oder nicht, ob sie Atheisten sind oder nicht.
Dann beginnt Dawkins in diesem Kapitel zu sagen, es gäbe Menschen, die an Gott glauben, mit dem Hinweis darauf, dass auch manche Naturwissenschaftler an Gott glauben. Auffällig ist, dass kein einziges Zitat oder Belegstelle dafür gebracht wird. Wahrscheinlich würde es Richard Dawkins schwerfallen, ernstzunehmende Diskussionspartner zu finden, die behaupten, es existiere Gott, weil Naturwissenschaftler an Gott glauben. Das heißt, er baut hier einen Pappkameraden auf, mit dem er sich im folgenden Kapitel auseinandersetzt.
Im Weiteren geht es dann darum, dass er zunächst die Naturwissenschaftler, die von sich selbst bekennen, an Gott zu glauben, diffamiert. Das beginnt beispielsweise mit Newton. Ich zitiere Seite 138: Newton behauptete tatsächlich, er sei religiös, und das gleiche taten bis zum 19. Jahrhundert fast alle. Denn erst dann ließ, was meiner Überzeugung nach bedeutsam ist gegenüber früheren Jahrhunderten, der gesellschaftliche und juristische Druck nach, sich zur Religion zu bekennen.
Hier wird der Eindruck erweckt, dass Isaac Newton sich nur wegen gesellschaftlicher Konventionen zum Glauben bekannte. Fälschlicherweise wird noch auf das 19. Jahrhundert verwiesen, obwohl Newton natürlich früher lebte. Jeder, der eine Biografie von Newton gelesen hat, wird feststellen, dass Newton das nicht nur behauptete, weil seine Umgebung das von ihm erwartete. Er sagte selbst in seinen eigenen Werken, dass seine theologischen Auseinandersetzungen ihm sogar wichtiger seien als die naturwissenschaftlichen.
Später wird auf den bekannten Naturwissenschaftler Michael Faraday eingegangen. Dabei wird nicht nur gesagt, er glaube an Gott, sondern ihm wird gleich unterstellt, er gehöre zu einer Sekte (nachzulesen auf Seite 138, 139). Auch William Thomson, Lord Kelvin, wird erwähnt. Er glaubte ebenfalls an Gott, doch es wird angemerkt, dass er sich auch in naturwissenschaftlichen Dingen geirrt habe und deshalb nicht so ernst zu nehmen sei.
Richard Dawkins geht tatsächlich auf zwei Studien zur Religiosität von Wissenschaftlern ein. Allerdings sind diese Untersuchungen nur von begrenzter Aussagekraft. Zum einen zitiert er eine Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. Diese wird von Dawkins meiner Einschätzung nach zumindest teilweise fehlinterpretiert.
Dort zitiert Dawkins, dass von den US-amerikanischen Naturwissenschaftlern, die bei ihren Kollegen als hochqualifiziert gelten, nur sieben Prozent an einen persönlichen Gott glauben. Dann fährt er fort: Dieses überwältigende Übergewicht der Atheisten ist genau das Gegenteil zum Profil der amerikanischen Gesamtbevölkerung.
Hier muss man sagen, dass es sich um eine Missinterpretation handelt. Er spricht davon, dass sieben Prozent an einen persönlichen Gott glauben, und zählt dann plötzlich alle anderen zu Atheisten. Aber was ist mit den Agnostikern? Was ist mit denen, die Gott nur für eine Kraft oder Energie halten? Oder mit denen, die einfach keine Antwort gegeben haben? Diese werden hier ignoriert. Es werden einfach alle, die nicht an einen persönlichen Gott glauben, als Atheisten bezeichnet. Das ist sicherlich von zweifelhafter Qualität.
Dann geht Dawkins auf eine zweite Studie ein, die sich mit Wissenschaftlern im Commonwealth, also Großbritanniens und einiger anderer Länder, beschäftigt. Dort wurden insgesamt rund 250 Naturwissenschaftler befragt, von denen lediglich 23 antworteten. Daraus schließt Dawkins, dass die meisten Naturwissenschaftler nicht an Gott glauben.
250 befragte Naturwissenschaftler, und das nur in einigen begrenzten Regionen der Welt. Was ist mit den Naturwissenschaftlern beispielsweise in Teilen Südamerikas, in den meisten Ländern Europas, in China oder in Russland? All das wird nicht erwähnt.
Daher glaube ich, dass diese beiden ausführlicher zitierten Statistiken keine wirkliche Aussagekraft darüber haben, was Naturwissenschaftler tatsächlich glauben oder nicht.
Die fehlende Logik in Dawkins’ Argumentation zur Existenz Gottes
Dass er allerdings den Eindruck hat, dass die meisten Naturwissenschaftler nicht an Gott glauben und dass dies für ihn ein Argument gegen die Existenz Gottes ist, zeigt sich auch im weiteren Verlauf seines Buchs. So macht er beispielsweise auf Seite 318 noch einmal deutlich, dass höhere Intelligenz, Nachdenklichkeit und höhere Bildung besondere Eigenschaften von Atheisten seien.
Er versucht immer wieder klarzumachen, dass Menschen, die an den Atheismus glauben, gebildeter und wissenschaftlicher seien und es deshalb keinen Gott gebe. Doch genau das, was ich in meinem ersten Beitrag deutlich gemacht habe, ist ein Fehlargument. Denn ganz gleich, ob ein, mehrere oder alle Naturwissenschaftler glauben, es gebe keinen Gott, sagt das über die Existenz Gottes rein gar nichts aus.
Mit derselben Argumentation könnte ich sagen: Vor 200 Jahren haben die meisten Naturwissenschaftler an die Existenz Gottes geglaubt. Das sagt aber auch nichts darüber aus, ob es Gott damals tatsächlich gab. Oder wer weiß schon, ob in zweihundert Jahren die meisten Naturwissenschaftler wieder an die Existenz Gottes glauben werden.
Dann könnte man ja nicht einfach sagen: Gott existiert, er existiert nicht, oder er existiert. Richard Dawkins hätte es in seinem Buch ganz einfach machen können. Er hätte sagen können, der Glaube und die Überzeugung der Naturwissenschaftler sagen nichts über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes aus. Genau das tut er jedoch nicht.
Stattdessen versucht er, Wissenschaftler, die von Gott überzeugt sind, zu diffamieren oder ihnen zu unterstellen, sie glaubten nur der Gesellschaft zuliebe an Gott. Gleichzeitig sucht er auf der anderen Seite nach Punkten für seine Argumentation, dass ein Großteil der gegenwärtigen Naturwissenschaftler nicht von der Existenz Gottes überzeugt sei.
Diese Argumentation empfinde ich jedoch nicht als überzeugend.