Herr, am Ende eines langen Tages hast du wieder das letzte Wort, und das ist gut so. Wir haben viel geredet und viel getan. Doch nun wird es Zeit, dass wir fragen, was du willst. Ein Wort von dir kann uns immer wieder Stille und Frieden schenken.
Wir wollen vor dir ausbreiten, was dieser Tag in sich geschlossen hat: viel Unnützes, viel Falsches, viel Unrecht. Auch Verletzungen und Verwundungen durch andere legen wir dir vor. Herr, vergib uns und bring du zurecht, was wir nicht zurechtbringen konnten. Amen.
Ach, das sollten wir vielleicht noch sagen: Wir sind froh, dass die Leute aus dem Tschad angekommen sind. Einer, ein Landwirtsschleicher, ist dort geblieben und wollte weiter im Tschad arbeiten. Die anderen sind hier. Man weiß ja nie, was die Regierung vorhat.
Auch Frau Dr. Katzwinkel, die mit ihrer Anna im Olga Hospital war und von der Rettungsflugwacht in Lebensgefahr geholt wurde, konnte nach fünf Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Das ist ein großes Wunder Gottes. Der Vater ist Arzt, und es war ganz gefährlich.
Wir sind sehr dankbar, dass diese Möglichkeit besteht und auch, dass wir das nicht bezahlen müssen. Die Rettungsflugwacht ist uns ein großer Helfer. Durch einen einfachen Mitgliedsbeitrag ist das pauschal für alle unsere Leute eine große Sache. Wenn das Kindlein nicht stirbt, sondern plötzlich von zwei Ärzten geholt wird, ist das sehr schön.
Hier im Olgäle wurde sie fachmännisch betreut. Manche von Ihnen haben auch daran gedacht, und wir sind sehr froh, dass ihre Gebete immer wieder spürbar sind.
Gottes Heilsplan und die Bedeutung des Evangeliums
Wir sind nun bei Epheser 3, Verse 14 bis 21. Beim letzten Mal hatten wir den Bericht von Hanna Rose aus Abyssee besprochen. Inzwischen ist diese Geschichte immer wieder in den Fernsehnachrichten aufgetaucht, da sie sehr aktuell ist. Sabine Cromer ist ebenfalls hier, aber sie hoffen, bald wieder fliehen zu können.
In den Versen 14 bis 21 hatten wir über den Ratsschluss des Geheimnisses gesprochen. Das Evangelium ist also kein Rätsel, sondern Gottes Plan. Ich hoffe, dass Sie am Sonntag, wie ich im Gottesdienst darauf hingewiesen habe, die Worte aus Sacharja 12 bis 14 gelesen haben. Dort zeigt sich Gottes Ratsschluss, sein Heilsrats und Plan über sein Volk Israel. In Sacharja 9 geht es um die Weltmission bis zu den Völkern.
Sie werden feststellen, wie sich das Buch Ezechiel, das Buch Daniel und das Buch Jesaja immer wieder ähnlich darstellen. Das prophetische Wort sagt uns auch viel über den Ratschluss Gottes. Paulus hat entdeckt, dass jetzt die Zeit des Ratschlusses ist, in der den Heidenvölkern das Evangelium gepredigt wird.
Er hat einen mutigen Schritt getan durch die Erleuchtung Gottes. Wir brauchen nicht das ganze Zeremonialgesetz, so wie Jesus auch immer wieder gewarnt hat, dass man sich in der Fülle der Vorschriften der Pharisäer und Sadduzäer verliert. Vielmehr ist nur eines wichtig: bei Jesus zu bleiben.
Ich möchte Sie herzlich bitten, in Ihrem Leben immer wieder darauf zu achten, dass dies das Wichtigste ist: bei Jesus bleiben. Das heißt, er starb für mich und ist auferstanden. Ich darf sein Kind sein.
Durch 2000 Jahre Christenheit war es oft so, dass alle hinzukamen und sagten: „Ja, aber jetzt ist noch die Taufe wichtig, oder das Priesteramt, oder die Beichte.“ Viele Dinge sind wichtig, aber sie können nicht die Bedeutung der Erlösungstat Jesu übertreffen.
Auch heute gibt es unter entschiedenen Christen eine große Not, dass alles Mögliche als wichtig angesehen wird. Unsere jungen Leute starten wie eine Rakete durch, wenn man ihnen sagt, sie müssten jetzt dies tun, eine bestimmte Gebetshaltung einnehmen oder zu einem bestimmten Evangelisten gehen, der die Lösung hat. Die jungen Leute sagen dann: „Ha, jetzt ist es, ihr seid alle falsch, dort ist alles richtig.“
Das passiert sehr schnell, und sie können diese Leute, die in diesem Rausch sind, kaum zurückholen. Jedes Wort ist unnütz, denn sie verachten dich nur, weil du „ganz unten“ bist.
Wichtig ist, dass wir immer wieder wissen: Es ist nur wichtig, dass ich zu Christus komme und den Zugang ergreife. So wie Paulus es im Römerbrief beschreibt, bin ich gerechtfertigt durch das Opferblut Jesu. Er ist der Auferstandene, der jetzt in mir wirkt.
Sein Heiliger Geist erfüllt und leitet mich, wie es in Römer 8 deutlich beschrieben ist. Und das hat Auswirkungen auf meinen Alltag. Das ist wichtig.
Auch hier in Epheser 3 haben wir diese Mitte: Wir gehören dazu, weil Christus uns versöhnt hat und ich durch Christus Zugang habe. Christus ist der Schlüssel.
Kein Priesteramt kann das möglich machen, keine Kirchenzugehörigkeit. Wenn immer wieder Leute kommen und sagen, „das gehört auch noch dazu“, dann ist das nicht richtig.
Christus allein ist der Mittler, er ist der Zugang. Wer ihn hat, hat den Zugang zum Vater. Das muss in der Verkündigung so bleiben.
Ich bin mit Freude Mitglied einer evangelischen Gemeinde. Aber wir müssen immer wieder aufpassen, dass diese Zugehörigkeit nicht die Bedeutung des Heils in Jesus erhält.
Fragen wie diese sind zweitrangig und nebensächlich im Vergleich zu dem, was Jesus uns bedeutet.
Das Gebet als Ausdruck des Glaubens und der Beziehung zu Gott
Und nun von Vers 14 bis 22:
Der halben beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist, über alles, was da Kinder heißt, im Himmel und auf Erden. Ich bitte, dass er euch Kraft gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen.
Dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist.
Auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann, über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Ich muss zuerst ein Wort zum Gebet sagen. Wir tun uns schwer beim Beten. Wie ist das bei Ihnen? Wenn Sie sich still nehmen zum Gebet, können Sie beten oder sind dann auch Ihre wirren Gedanken plötzlich wieder da? Finden Sie keine Ruhe und keine Stille, um Ihre Gedanken zu ordnen?
Wir schlafen ja auch abends sehr schnell ein, ohne Gebet. Wo nehmen Sie sich Zeit zum Gebet? Die Jünger haben Jesus beobachtet und sich gewundert, wie lange Jesus gebetet hat. Nun ist es nicht eine Pflicht, das Gebet mit der Stoppuhr zu messen. Also war es interessant, dass Jesus das nötig brauchte – interessant, dass wir es nicht brauchen.
Dann haben sie Jesus gebeten, er solle sie doch lehren zu beten. Das kann man gar nicht so einfach. Obwohl Beten eigentlich sehr leicht ist und Jesus uns Mut macht: Betet ohne Unterlass! Übrigens hat Jesus uns gar keine Vorschriften gegeben. Es gibt ja viele, die uns Vorschriften machen, dass man nur Lobpreis beten dürfe oder Ähnliches. Das gibt es im Evangelium nie, das sind alles Menschengebote.
Jesus sagt: Bittet! Man darf drängend bitten, wie man in Not ist, bitten usw. Aber Jesus macht uns deutlich, dass man mit Glauben und Vertrauen beten darf. Und das ist etwas ganz anderes als die Bitten der Baalspriester auf dem Karmel, als Elija sie herausfordert zu dem Gottesurteil auf dem Karmel, die ihren Leib quälen und kasteien, indem sie sich Schmerzen zufügen und meinen, sie müssten Gott erweichen.
Wir brauchen Gott nicht zu erweichen, sondern wir haben Zugang. Deshalb ist das das erste Mal dieses vertrauensvolle, gläubige Beten. Das finden wir in all den Worten Jesu, der uns schon lehrt zu beten: Unser Vater.
Jetzt ist das ja eine Sache, die uns die Psychologen dauernd sagen, dass man das gar nicht mehr sagen dürfe. Das ist interessant. Wir hatten mal einen Rundfunkgottesdienst hier zur Eröffnung der Allianz-Gebetswoche im Deutschlandfunk, und Herr Kuhn war dabei. Er hat gesagt: „Also das müssen Sie rausmachen, Vater dürfen Sie heute nicht mehr erwähnen, das sind viel zu viele Hörer, die da allergisch reagieren.“ Also man darf Gott nicht mehr als Vater bezeichnen.
Interessant, die Leute haben ja das Ohr am Puls der Zeit. Es stimmt, dass wahrscheinlich 98 Prozent der Menschen schlechte Erfahrungen mit ihrem Vater gemacht haben – Hosenspann oder was es damals gab, oder eine Ohrfeige im falschen Moment usw. Bloß das ist ja gar nicht der Grund. Es ist interessant, dass wir gar nicht mehr die Bilder fassen – das große Vertrauen, das ich zu einem Menschen habe, und das sind Vater und Mutter, zu dem ich unmittelbar kommen darf.
Und jeder, der weiß, dessen Eltern tot sind, dass es dann vielleicht noch in der Ehe eine Nähe gibt, aber dass es ganz besondere Geschenke der vertrauten Nähe und Offenheit sind. Und dass das Gebet dort einen Platz hat und eben anders ist, als wenn ich bei der Stadt Stuttgart bei irgendeinem Amt etwas will. Da kann ich mir die Füße wundlaufen und bis da überhaupt einer zuhört, muss ich eine Nummer ziehen und leuchte da oben irgendwann mal auf, dass ich eintreten darf.
Das Gebet hat damit nichts zu tun. Sondern ich darf jederzeit vortreten, darf reinkommen, darf alles sagen und wissen: Er ist der Herr, der die Macht hat über die ganze Welt.
Paulus ist uns hier ein Vorbild im Gebet. Wir sehen in den Briefen sehr viel, wie Paulus hauptsächlich im Gebet gearbeitet hat. Er war ja ein Missionar, ein Evangelist, und wir meinen, das ist hauptsächlich einer, der mit dem Mund arbeitet, vielleicht noch mit den Füßen, weil er weite Wegstrecken auf der Wanderschaft erledigt. Paulus war in erster Linie ein Beter.
Und wo überall etwas geschieht, ist es durchs Gebet. Es ist nicht immer wieder eine Gefahr. Auch bei uns war es heute wieder turbulent, was unsere Mitarbeiter oben in unseren Büros geleistet haben, bei Hilfe für Brüder, bei christlichen Fachkräften. Doch das Entscheidende ist nur durch Gebet geschehen: Eine Tür, die sich öffnet, eine Lösung, die geschenkt wird.
Alles, was man regeln kann, kann man nicht mit Briefen machen, da muss Gott überall das tun. Und das gilt auch für Ihr Leben. Und dann vor allem das Schwierigste: den Zugang zum Menschen. Den können Sie doch gar nie finden. Wie wollen Sie das Herz eines Menschen verändern? Sie haben Schwierigkeiten, es gibt Spannungen. Wie wollen Sie das machen?
Sie können es doch nur durchs Gebet machen, weil Gott den Schlüssel hat. Wir sollten ganz anders damit rechnen und auch ganz anders davon reden. Letzte Woche bei der Sitzung des Hauptvorstands der Evangelischen Allianz habe ich das gern benutzt. Ich war am frühen Morgen noch in Wiedenest, da hatten wir ein paar Dinge zu besprechen über ein paar Gemeinschaftsprojekte. Die Zeit war sehr knapp, und Wilhelm Kunz hat gleich gesagt, der dortige Missionsleiter: „Bevor wir anfangen, wollen wir doch miteinander beten.“
So wunderschön! Es soll doch bei uns ein Brauch sein, nicht irgendwie eine fromme Sitte, sondern dass wir sagen: „Jetzt haben wir wenig Zeit, wir müssen einiges sinnvoll besprechen, wir wollen nichts vergessen, wir wollen unsere Gedanken auch richtig haben – lassen Sie uns doch miteinander beten.“
Und das dürfen Sie sich auch vornehmen. Wenn Sie das meinen, das sei etwas Unnatürliches, dann lassen Sie die Finger davon. Aber ich denke auch an einen Krankenbesucher, der sagt: „Ich möchte noch mit Ihnen beten.“ Wenn das einigermaßen Leute sind, die das wollen, dann fragen Sie: „Darf ich noch mit Ihnen beten?“ Ich denke, dass viele Leute sagen, sie werden froh sein.
Das Gebet ist eine Gabe, die wir auch Menschen wieder zeigen dürfen, wenn wir mit ihnen beten. Sie dürfen nicht das Wort Jesu nehmen, dass wir nicht an den Ecken stehen sollten und beten und nur noch im Kämmerlein. Das ist ein Missverständnis. Das war ja dort, wo das Gebet zur Demonstration der Frömmigkeit dient, so wie ein Moslem sich protzig in den Weg stellt, seinen Gebetszeppich ausrollt und sagt: „Ich bete! Und das Auto kann jetzt mal warten, ich bete!“
Das ist etwas ganz anderes. Wir machen das ja nicht theatralisch, aber wir dürfen das tun, weil das Gebet so viel bewirkt, gerade auch dort, wo wir am Ende sind mit unseren Möglichkeiten. Sie wissen doch, dass es auch schön ist, wenn Sie es einem sagen: „Ich bete für Sie“, und dass nicht eine Flüsterei bei Ihnen ist.
Ich bin überzeugt, Sie können das oft sogar rekonstruieren, wie das war, wie aus dem Gebet heraus Sie spürbar merken, wie Veränderungen geschehen sind. Ganz wunderbar, wie man das erlebt und erfährt.
Die Bedeutung von Gebetshaltungen und das Beugen der Knie
Ich beuge meine Knie; die Gebetshaltungen sind uns nicht so wichtig. Trotzdem möchte ich sagen: Ich war eigentlich froh, dass ich in meiner Vikarszeit noch Jugendgruppen gefunden habe, damals im Hohenlohischen oben, wo man kniend gebetet hat. Ich bete gern kniend und würde das auch gern in Gebetsgemeinschaften tun.
Ich habe immer davor zurückgeschreckt, weil ich die Kluft zu anderen, die aus allgemeinen kirchlichen Traditionen kommen, nicht noch größer machen wollte. Aber ich habe mich immer gefreut, wenn ich in Weiklerhausen Gottesdienst gehalten habe in der Gebetsgemeinschaft, wo wir vor dem Gottesdienst kniend gebetet haben. Es ist eine biblische Haltung, die ausdrückt, dass ein stolzer Mensch sich beugt.
Die Gebetshaltungen haben ihren Sinn, gerade heute, wo viele wieder sagen, man müsse die Hände ausstrecken. Sie dürfen die Hände ausstrecken, wenn es ihnen viel hilft. Mir gefällt aber eigentlich auch die gebeugte Gebetshaltung, weil ich damit vor Gott sage: Ich bin nur Staub und Asche.
Um das einmal zu erwähnen: Die gefalteten Hände haben ja auch einen tiefen Sinn. Das findet sich schon in der alten ägyptischen Darstellung. Sie können es in den Reliefs sehen. Es war in vielen Religionen so. Es bedeutet die Sklavenhaltung, die gefesselten Hände, die Hände, die in den Schoß gelegt und dann gefesselt sind.
Ich möchte jetzt nicht wirken, sondern ich möchte mich vor dem mächtigen Gott beugen. Das ist auch etwas Schönes. Wir finden verschiedene Gebetshaltungen, und jeder Streit darüber ist sinnlos. Es ist bloß dumm, wenn wir meinen, an dieser Form hänge mehr als ein Symbol. Es ist nur ein Symbol und hat deshalb absolut keine Bedeutung für irgendwelche geistlichen Erweckungen.
Symbole haben einen gewissen Sinn, so wie man einen Adventskranz aufstellen kann und einen Weihnachtsbaum mit Lichtern schmückt. Es ist alles schön. Wenn man meint, man müsse eine Kerze anzünden, um richtig zu glauben, dann wird es kritisch. Wir wollen die Symbole nicht überbewerten, aber es ist schön, und sie haben für unseren Leib und unsere Konzentration eine Bedeutung. So dürfen Sie auch Formen wählen.
Paulus hat gerne kniend gebetet. Es ist ein Ausdruck, dass der große, stolze Mensch bittet vor Gott. In unserer Zeit ist es sicher die Hauptschwierigkeit, dass der emanzipierte, freie Mensch nichts mehr über sich duldet. Das ist ein Hauptproblem vieler unserer Zeitgenossen: Sie können nicht mehr akzeptieren, dass Gott derjenige ist, dem sie Rechenschaft geben müssen.
Das Gebet ist der Ausdruck dafür, dass ich meine Knie vor Gott beuge. Dabei beugen wir unsere Knie vor keinem Menschen. Das ist schön beim Daniel zu sehen: Wie der Trompetenstoß kommt, und der Perserkönig sagt, man müsse sich niederwerfen. Daniel und seine Freunde blieben stehen.
Wir beugen also nicht unsere Knie vor Menschen. Das war bei den Reformatoren ganz wichtig, es war bei den Hugenotten ein Kampf. Heute hat man fast wenig Verständnis dafür, dass sie sich immer geweigert haben, im Gottesdienst bei der Wandlung niederzuknien.
Sie kennen den Ablauf beim katholischen Gottesdienst: Wenn der Priester die Worte spricht, sagen die Katholiken, dass sich jetzt das Brot in den Leib Christi verwandelt. Dann knien die Katholiken nieder, um diesem Leib Christi ihre Ehrfurcht zu erweisen. Die Reformatoren blieben stehen.
Das war auf den Galerenschiffen so, wo die evangelischen Gutsbesitzer, Grafen und Herren waren. Morgens wurde eine Messe auf dem Galerenschiff abgehalten, und sie knieten nicht nieder. Jedes Mal wurden sie von einem Türken mit einem großen Schiffseil ausgeprügelt, weil sie sagten: „Ich beuge meine Knie nicht vor einem Stück Brot; Christus ist für mich woanders.“
Das sind Dinge, die sehr wesentlich sind. Wir vergessen das oft. Es hat mich in eine unangenehme Situation gebracht, als in meiner ersten Schwarzwaldgemeinde die katholische Kirche eingeweiht wurde. Wir hatten mittags unser großes Jugendtreffen, und es war wichtig, dass zum ersten Mal in der Geschichte dieses Ortes, wo das Verhältnis zwischen Katholiken und Evangelischen sehr schwierig war, auf Anregung der Bürger vorgesehen war, dass der evangelische Pfarrer ein Grußwort sagt.
Ich sagte, ich könne nachmittags bei der Festfeier nicht dabei sein. Dann entschied der Bischof von Rottenburg, dass ich vor seiner Predigt das Grußwort sagen solle. Das sei bis dahin noch nie vorgekommen, und diese Ehre wurde mir zuteil. Ich saß in der ersten Reihe neben dem Bischof von Rottenburg.
Es kam zur Wandlung, zur Monstranz, und ich blieb stehen, während die ganze Kirche niederfiel. Mir war das in Fleisch und Blut übergegangen: Ich kann nicht vor einem Stück Brot niederfallen. Ich will meine Knie vor Christus beugen, aber nicht vor diesem.
Das sind Dinge, die auch in unserer Zeit nicht einfach gegenstandslos sind. Vielleicht ist das lieblos, aber es gibt solche Momente. Mir wurde das erst im Verlauf des Gottesdienstes deutlich: Wir wollen vor Menschen unsere Knie nicht beugen. Wir brauchen nicht vor Menschen anbeten und sie bewundern. Aber wir wollen uns vor Gott immer wieder beugen. Das macht uns auch stolz und mutig.
Paulus hat sich ja nicht vor den schicken Herren gebeugt. Wenn Sie einmal seinen Prozess lesen, in der Apostelgeschichte 24, sehen Sie, wie der Landpfleger ihn vorführen ließ. Paulus sagte unerschrocken vor dem Gericht, was er zu sagen hatte. Er hat nicht vor den piekfeinen Leuten gekuscht. Er verkündete das Evangelium ohne Angst.
Doch vor Gott war er ein solcher, der die Knie geprägt hat. Das hat eine große Bedeutung. Da liegt mehr drin als ein Symbolgehalt. Wir sollten uns auch überlegen: Das Wort „Vater“, etwa das Wort „Heiliger Vater“, kann nicht nur auf Gott angewandt werden. Es wird keinem Menschen, auch keinem noch so erhabenen Bischof, etwa in Rom, zugestanden, dass er mit „Heiliger Vater“ betitelt wird.
„Heiliger Vater“ sind für uns ganz große Begriffe. Paulus hat das Vateramt Gottes so groß genommen, dass er meinte, wir müssen alles entschuldigen. Sie nennen hier jetzt vielleicht irgendeine antikatholische Welle. Wir freuen uns immer wieder, dass unter uns auch viele Katholiken sind. Wir wollen das immer wieder deutlich sagen: Es geht uns nicht um eine Konfession, sondern um die biblischen Grundwahrheiten, an denen wir festhalten wollen.
Wir kennen alle die Vorläufigkeit der Kirchen. Der rechte Vater ist über alles, was Kinder heißt, im Himmel und auf Erden. Alle irdischen Väter sind sehr oft krumme Gestalten. Jedes Kind hat irgendwo diese Macken an sich. Das liegt auch daran, dass Kinder das Elternhaus verlassen – und das ist gut so.
Deshalb ist Gott der rechte Vater. Wir müssen immer wieder aufpassen: Gott ist nicht so etwas Ähnliches wie wir in unserem Vateramt. Wenn wir ganz gute Väter sind, spiegeln wir nur einen kleinen Schatten vom göttlichen Vateramt wider, das Urbild. So wie die Kerze ein kleines Stück vom Sonnenlicht hat, so ist das irdische Vateramt seine Leuchtkraft von der göttlichen Vatergüte.
Gott ist ganz anders, viel, viel größer als wir irdischen Väter. Es ist falsch, wenn Sie an irgendeine Vatergestalt auf Erden denken. Das sehen Sie ja beim verlorenen Sohn. So handelt kein Vater, wie dieser Vater handelt.
Deshalb dürfen wir zu ihm kommen und mit kindlichem Vertrauen zu ihm sprechen. Sein Vateramt sehe ich am wunderbarsten immer wieder in der Mitte meines Glaubens darin, dass er seinen Sohn dahingibt, diesen Opfertod am Kreuz.
Dass das Kreuz in der Mitte unserer Kirchen steht, ist nicht bloß ein Symbol. Für mich ist darin die Vatergüte so wunderbar sichtbar. Er hat mich lieb, er vergisst mich nicht. Heute Nacht, wenn die Schwermutsgedanken kommen, hat er sie bei ihrem Namen gerufen. Er stößt sie nicht hinaus. Er brennt in seiner Liebe, er schläft und schlummert nicht.
Dieses Kreuz ist das Siegel seiner Liebe. Sie sind nie abgeschrieben, sie sind gesucht, sie sind eingehüllt in seine Barmherzigkeit. Kein irdischer Vater macht so etwas – nie. Er ist der rechte Vater.
Sie müssen immer wieder aufpassen, die biblischen Wahrheiten immer erst durch das Kreuz Jesu leuchten zu lassen. Dort ist alles gebündelt, ob Sie das Wort Liebe Gottes nehmen, Barmherzigkeit Gottes, Treue Gottes oder alles, was Sie kennen. All das wird erst durch das Kreuz verständlich.
Ohne das Kreuz haben Sie nie die Tiefe erfasst. Da bleibt es immer ein kompliziertes Wort. Dort merken Sie, wie Ihr Vater ist.
Der innere Mensch und seine Stärkung durch den Geist Gottes
Und nun bietet er – was bietet er? Wir dürfen alles von Gott empfangen, aber Paulus liegt besonders daran, dass man stark wird am inwendigen Menschen. Das ist eine komplizierte Redeweise.
Was ist der inwendige Mensch? Normalerweise denken wir, der Mensch besteht aus Körper und Seele – das ist unsere übliche Vorstellung vom Menschen. Paulus sagt jedoch etwas Interessantes, was er aus dem Alten Testament übernimmt: Es gibt einen äußeren Menschen und einen inneren Menschen. Den inneren Menschen kennen wir normalerweise kaum.
Der äußere Mensch ist das, was wir mit Cremes behandeln, mit dem Kamm pflegen, kleiden und versorgen. Doch der äußere Mensch verfällt. Paulus schreibt an einer Stelle: „Wenn auch der äußere Mensch verfällt, wird der innere von Tag zu Tag erneuert.“ Was heißt das? Der äußere Mensch ist also der Körper, der im Alter müder und sterblicher wird. Gleichzeitig gibt es einen inneren Menschen, den wir vielleicht noch gar nicht so genau beobachtet haben.
Daher ist Paulus das ganz wichtig. In 2. Korinther 4,16 sagt er das wunderbar über den äußeren Menschen: „Unser Trübsal, unser Leiden ist deshalb gut, weil dadurch der innere Mensch gestärkt wird.“ Das haben Sie sicher schon oft bemerkt, wie Menschen unter äußerem Leiden innerlich gereift sind. Das versteht man oft nicht, weil man eigentlich meint, diese Menschen müssten durch äußere Leiden kaputtgehen.
Doch Gott kann wirken, und das geschieht nicht automatisch. Es gibt auch Menschen, die im Leiden nur bitter werden. Das kann man oft beobachten. Aber glaubende Menschen müssen im Leiden reifen. Mir ist gerade jemand begegnet, der langzeitpflegebedürftig ist. Ich wundere mich immer wieder über meine Mutter, wie geduldig sie ist. Ich könnte das selbst nie so. Und das ist oft ein Reifungsprozess, wenn Gott den inneren Menschen stark werden lässt.
Wir legen viel zu viel Wert auf den äußeren Menschen. Das kennzeichnet unsere Zeit, die sich nur auf das Äußere konzentriert und den inneren Menschen vernachlässigt. 2. Korinther 4,6 – das ganze Kapitel ist eines der schönsten bei Paulus – beschreibt, wie unser ganzes Leben äußerlich vergeht.
Eine weitere Stelle zum inneren Menschen findet sich bei Petrus. Er schreibt vom „verborgenen Menschen des Herzens“ in 1. Petrus 3,4. Dort heißt es, wir sollten uns nicht auf äußeren Schmuck konzentrieren. Das bedeutet nicht, dass man sich ab morgen mit wirren Haaren auf die Straße stellen muss oder keine Ketten und schöne Kleider mehr tragen darf. Aber wir sollten dem äußeren Schmuck nicht zu viel Bedeutung beimessen.
Es steht: „Euer Schmuck soll nicht äußerlich sein, sondern der verborgene Mensch des Herzens mit unvergänglichem Schmuck des sanften und stillen Geistes.“ Das ist kostbar vor Gott. Es gibt also ein inneres Wachstum unseres inneren Menschen. Das hängt sehr mit unserer Seele und unserem Wesen zusammen.
Jetzt müssen wir aufpassen. Man kann den inneren Menschen auch ständig kaputt machen – zum Beispiel durch die schrecklichen Bilder, die uns heute überall begegnen. Das Fernsehen ist heute oft ein Zerstörer der Nation. Es fördert Prostitution und zeigt uns ein Volk der gierigen Lust. Es ist wahnsinnig, was in unseren Fernsehfilmen gezeigt wird.
Ich habe das Programm nicht angesehen, aber ich bin überzeugt, dass man heute Abend vier bis fünf Ehebrüche bis ins letzte Detail am Fernsehschirm beobachten kann. Uns wird alles zugemutet – jede Szene von Perversion und allem Möglichen. Das alles geht in unseren inneren Menschen hinein und macht ihn kaputt.
Wir müssen aufpassen, welche Eindrücke wir zulassen. Kann der innere Mensch sich entwickeln und entfalten? Wenn Sie einen Garten haben, wissen Sie, dass Blumen und Sträucher gepflegt und gehegt werden müssen. Schädlinge müssen ferngehalten werden. Der innere Mensch kann sehr Schaden nehmen.
Manchmal wundern wir uns, was aus uns herauskommt. Wir erschrecken auch über die Abgründe, die sich in unserem Innersten auftun. Paulus war es wichtig, dass Menschen an ihrem inneren Menschen reifen und überhaupt noch wissen, was wichtig ist.
In Römer 7,22 sagt Paulus: „Ich habe Lust zum Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen.“ Das ist der innere Mensch. Offenbar hat jeder Mensch irgendwo in seinem Gewissen ein Ahnen von Gott. Er kann den inneren Menschen vollends zerstören oder ihn durch Gottes Geist wachsen lassen.
Dann beginnt der Geist Gottes ein Erneuerungswerk. Gerade dort, wo wir Freude am Schönen, am Lieben und am Guten haben, merken wir, wie schwach der innere Mensch ist. Er beherrscht den äußeren Menschen nicht. Deshalb war Paulus wichtig, dass in uns eine Erneuerung geschieht. Dann entsteht eine Spannung zwischen dem äußeren und dem inneren Menschen. Das ist leider so, aber darum ist es so wichtig, dass der innere Mensch stark wird.
Durch seinen Geist – den Geist Gottes – wird er stark. Christus will uns seinen Geist geben. Er soll kräftig werden „nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit“. Was heißt das? Das ist Jesu Gabe. Er will gerne austeilen. Jesus sagt: „Wer durstig ist, komme zu mir und trinke.“ Er macht dich stark.
Mir ist es auch schön, wenn ich weiß, dass Sie nach einer Bibelstunde wieder in Hauskreisen sind, das Gehörte weitergeben und es in der Seelsorge den Schwachen zusprechen. Sie dürfen es annehmen – Christus stärkt dich. Du brauchst keine Angst zu haben. Du darfst zunehmen, wachsen und reifen.
Unser Fleisch schwächt, unser Äußeres – mit Fleisch meint Paulus unsere ganze irdische Daseinsform – schwächt den inneren Menschen und macht ihn untätig. Aber Gottes Geist macht ihn stark.
Diese Herrlichkeit ist wichtig. Immer wenn ich an die Weihnachtsgeschichte denke, sehe ich die Herrlichkeit, die in Bethlehem aufgeleuchtet ist, wie auf dem Hirtenfeld. Das ist der Lichtglanz Gottes. Im Griechischen heißt das Doxa Gottes. Genau dasselbe Wort findet sich auch im Hebräischen, etwa dort, wo Jesaja im Tempel die Nähe Gottes erlebt: „Heilig, heilig ist Gott der Herr!“ Wenn uns die Nähe Gottes erfüllt, ist das so wichtig, dass wir in der Gegenwart Gottes bleiben und darin beharren.
Es gibt so schöne Lieder, zum Beispiel „Lass mich in deiner Gegenwart bleiben“:
„Gott ist gegenwärtig, du durchdringst alles,
lass dein schönstes Licht mein Gesicht berühren,
wie die zarten Blumen willig sich entfalten
und der Sonne still halten,
lass mich so still und froh deine Strahlen fassen
und dich wirken lassen.“
Das heißt, ich will es einfach so leben. Ich habe den Eindruck, viele leiden heute unter Konzentrationsschwierigkeiten und seelischen Störungen. Wir brauchen Ruhe, wir brauchen Stille in der Gegenwart Gottes.
Natürlich bin ich kein Mensch, der das im Gottesdienst immer anbieten kann. Manche finden das vielleicht gerade in einer Liturgie, und dann müssen sie es eben so annehmen, wie es ist. Aber sie können es auch zu Hause tun oder irgendwo anders. Das ist wunderschön.
Ich möchte aber nicht, dass es nur musikalisch erlebt wird. Ich habe nichts gegen Musik, aber es darf nicht nur im Gefühl hängen bleiben. Es muss im Wort wurzeln. Gerade Stille und Gebet sind Momente, in denen der innere Mensch sich entfalten kann.
Darum ist es wichtig, dass alte Dinge, die das Gewissen belasten, weggenommen werden. Es muss vergeben sein, weg sein. Dann kann der innere Mensch wachsen, und Freude und Friede können wieder in unser Leben kommen.
Wenn wir oft sagen: „Ich finde keine Ruhe mehr, keine Entspannung, die Sorgen drücken mich“, dann ist das kein Wunder.
Ich weiß nicht, wie es bei Ihrer Ernährung aussieht, aber ich hoffe, Sie essen gesund. Was wir heute oft konsumieren – Eindrücke, Bilder und so weiter – kann niemand verkraften.
Wir müssen darauf achten, dass der innere Mensch leben kann. Für unsere Kinder ist das besonders wichtig. Sie wissen doch, wie lebendig Kinder werden, wenn sie wieder Natur sehen, in der Wiese spielen.
Wir sind hier nicht nur umweltgeschädigt. Viel schlimmer ist die Umweltschädigung in unseren Köpfen: die Einflüsse, Werte, die wir aufnehmen, was wir in Illustrierten lesen, im Rundfunk hören, die Menschenmeinungen, die Gottlosigkeit und Sünde, die über uns hereinbrechen.
Wir sind verführbar durch all die Bilder, die uns nicht mehr aus dem Kopf gehen. Es ist wichtig, dass der innere Mensch wieder wachsen kann.
Früher war es schön, wenn man noch Stille hatte, wenn die letzten Gedanken aus dem Wort Gottes kamen und nicht aus den aufwühlenden Fernsehnachrichten. Das ist alles eine Frage unseres Lebensstils.
Ich weiß auch nicht, wie man da herauskommt. Aber es ist so schön, dass in der Bibel steht, dass Christus durch den Glauben im Herzen wohnt. Christus wohnt durch den Glauben. Er bringt es immer auf den Punkt: Nichts anderes ist wichtig, als dass ich Christus bitte: „Komm zu mir!“ Dann kommt er in mein Herz und wohnt in mir.
Wichtig ist nur, dass eine Reinigung erfolgt. Er zieht nicht in ein Haus ein, das voll ist mit Gerümpel. Er will, dass wir uns reinigen, und dann zieht er ein.
Dann sind wir in der Liebe eingewurzelt. Mit Christus geschieht die Verwurzelung durch Liebe.
Wir hatten das irgendwo mal in einer Bibelstunde oder im Gottesdienst: Alles läuft nur durch die Liebe zu Jesus. Das ist der springende Punkt.
Jesus zu lieben ist besser als alles Wissen.
Ich verstehe, Menschen zu lieben, das Geld zu lieben und mich selbst zu lieben. Aber Christus zu lieben – ja, genau, ihn zu lieben mehr als alles andere auf der Welt.
„Du bist mir das Liebste, nicht so: Wir werden lieber auf Erden als du der Liebste, Jesus mein.“
Dadurch wurzelt er in mein Leben ein, dadurch dringt er in mich ein, und da kann er Raum greifen.
Das sind Schlüsselstellen in unserer Bibel.
Die Rolle von Vernunft und Liebe im Glauben
Und jetzt kommt noch eine Sache zur Wissenschaft, zum Denken. Es gibt Leute, die sagen, das ganze Denken sei schon gefährlich. Das stimmt: Unsere Vernunft ist eine gefährliche Sache. Luther hat ja immer die Vernunft als eine Hure bezeichnet, die mit jedem geht. Man kann sie überall gebrauchen. Vielleicht ist Ihnen nicht bewusst, wie leicht man einen Irren führen kann und wie leicht man da reinfällt, weil unser Denken oft nicht kritisch genug ist.
Dennoch ist die Vernunft etwas Schönes, wenn sie im Gehorsam Jesu bleibt. Und das ist ja bei den Theologen das allergefährlichste. Deshalb ist das Begreifen des Geheimnisses Christi nur möglich, wenn es in der Demut geschieht. Wenn Theologie nicht betend getan wird, kommt das heraus, was im vielen Religionsunterricht herauskommt: eine Gotteslästerei. Wenn es nicht in der Anbetung Jesu geschieht, wie soll ich denn über Gott reden können, anders als in der Ehrfurcht?
Frau Katzwinkel hat erzählt, dass ihr Mann sie entbunden hat. Das heißt, er bewundert sie. Ich bewundere die Männer immer, denn das ist eigentlich etwas, was kein Mann kann, weil seine Frau ja kein Gegenstand ist – es ist Liebe. Und wie viel mehr müsste uns einer sagen: Ich kann nicht über Gott einfach so denken, wie ich sonst über irgendjemanden denke, über einen Politiker oder so. Sondern das ist ja irgendwo eine Liebesbeziehung.
Deshalb kann es nur in der Demut sein, in der Liebe, im Staunen, im Bewundern, in der Anbetung. Heute jagen wir unsere ganzen Theologen durch eine kritische Wissenschaft, die von vornherein die Kritik als das Mittel der Erkenntnis hat. Das kann nie gut gehen. Wenn wir so einen halben Tag leben würden, wären wir geschiedene Leute. Ich kann nicht durch Kritik Liebe entdecken, das geht nicht. Wenn ich sage: Ich traue dir nicht, ich weiß nicht, und ich möchte immer denken, ob es nicht doch irgendwo falsch ist – ich kann nur unter Liebe leben. Das ist der falsche Ansatz, der kann nicht herauskommen.
Ich kann nur aus der Anbetung Gottes sein. Und das schreibt er hier und sagt: Ihr könnt dann die ganze Tiefe erkennen, wenn ihr in der Liebe Gottes drinbleibt. Und auch dann könnt ihr die Liebe Christi erkennen, die doch alle Erkenntnisse übertrifft. Dann ist es in der Tat so, dass ein Glaubender, der Jesus liebt, mehr von der ganzen Gottesoffenbarung begreift als ein Theologe, der doch ganze Folianten vollgeschrieben hat. Denn die Liebe Christi übertrifft alle Erkenntnisse.
Das ist ein Glaubenssatz, der schon hart ist und unser Denken wirklich sprengt. Es ist wichtig, dass man das noch einmal erwähnt: Ich sehe nur durch die Liebe richtig. Wir lassen es uns gefallen, wenn andere sagen, sie haben einen primitiven Zugang zur Bibel. Aber Sie müssen wissen, dass jeder kritische Theologe Sie um Ihr Jesusverhältnis beneidet. Darum ist manchmal auch in der Kirche die Auseinandersetzung so hart.
Wir müssen sehr vorsichtig sein, wie wir das sagen, weil wir es ja nicht hochmütig meinen. Aber in der Tat sagen die meisten, für mich bedeutet Jesus nichts, er war nur ein normaler Mensch. Sie haben das verloren, was sie einmal in ihrer Jugend gefunden haben, als sie zum Glauben kamen. Und das ist eine Not.
Hier steht: Ihr könnt mit allen Heiligen begreifen die Breite, die Länge, die Höhe und die Tiefe. Ich habe noch, bevor ich hier wegging, eine Predigt von Fritz von Bodelschwing aufgeschlagen. Das ist hochinteressant. Fritz von Bodelschwing war ja der Sohn vom Gründer von Bethel. Das war der Bodelschwing, der damals zu Hitler ging und die Euthanasie stoppte – ein ungeheuer mutiger Mann, der hätte Reichsbischof werden sollen. Dann hatte Hitler dessen Pfarrer Müller damals hingeholt. Der Bodelschwing war der Mann.
Er hatte eine ganz besondere Gabe, so einen Predigtmann wie Fritz von Bodelschwing findet man kaum noch. Die liebe ich ganz besonders, weil so hat überhaupt niemand mehr gepredigt – so anschaulich, bildhaft. Ich habe immer gesagt, so eine Predigt müsste mal zur Reserve in unserer Kirche liegen, falls ich mal kurzfristig ausfalle, zum Beispiel bei Krankheit. So eine Notpredigt, die man dann lesen kann, denn die kann man sofort verstehen. Er hat ja immer vor Kranken gepredigt.
Zu diesem Abschnitt, nur über die Verse 18 und 19, anlässlich einer theologischen Woche in Bethel – da gibt es doch die kirchliche Hochschule, die heute auch ganz kritisch-liberal ist – war selbst der Theologe Adolf Schlatter dabei. Dann predigt Bodelschwing über diesen Vers und sagt: Wir wollen die Vernunft nicht missachten. Es gibt Leute, die sagen, die Vernunft sei nicht wichtig. Sie ist eine Gottesgabe.
Dann erzählt er, wie er zu seinen kranken Kindern geht. Wie da so ein Kind, das er vierzehn Tage nicht besucht hat, weil er auf Reisen war, sich freut und sagt: Du bist da. Wenn er durch die Haare streichelt, so muss dein Verhältnis mit Jesus sein, sonst ist all deine Vernunft nichts.
Darf ich es Ihnen einfach mit der Autorität Bodelschwing sagen? Das ist eine solche Tiefe gewesen. Das war ein Mann, der auch Hitler gegenüber sofort seinen klaren Widerstand angekündigt hat und in mutiger Entschlossenheit Hitler ins Gesicht geschleudert hat: „Sie morden die Geisteskranken, und wir werden das nicht zulassen.“ Das war eine Erkenntnis, wo die anderen alle keine Erkenntnis hatten.
So ist seine Predigt voll mit Beispielen. Wir müssen aufpassen, dass wir aus dem Glauben nicht ein ganz schwieriges Denkgebäude machen und dann auch meinen, dass das, was mit den komischen Lehren und Modebegriffen unserer Zeit gefüllt ist, ganz einfach Christus liebhaben bedeutet.
Zu ihm kommen, so wie diese Sünderin, die da ihre Haare vor Jesus ausbreitet, seine Füße benetzt mit Tränen und ihn einfach liebhat, weil ihr die Sünden vergeben wurden und die von Jesus nicht lassen kann.
Dann schenkt der Herr auch Erkenntnis, und da reift der innere Mensch. Auch die Vernunft darunter wird geweckt, und man wird darüber klug und weise.