
Bevor ich beginne, möchte ich ganz am Anfang ein herzliches Dankeschön an euch richten. Ich schätze es sehr, dass ich die Chance habe, ein Herzensthema zu predigen – und das, obwohl ihr wisst, dass wir in diesem Jahr damit nicht fertig werden. Ich kündige euch auch schon an, dass wir nächstes Jahr damit ebenfalls nicht fertig sein werden, sondern, wenn alles gut läuft, erst über das nächste Jahr hinaus.
Ihr seid wirklich eine tolle Gemeinde, dass so etwas möglich ist: ein Thema über einen so langen Zeitraum zu entfalten. Das ist einfach ungewöhnlich, und ich möchte das mal deutlich sagen. Normalerweise wünscht man sich einen Prediger, der mit einer Predigt auf den Punkt kommt – und gut ist es. Ihr hingegen macht jetzt sozusagen das Fass auf und sagt: „Komm ruhig mit zwanzig Punkten über zwei Jahre auf den Punkt, das reicht uns, schön.“
Das ist meine Sehnsucht. Meine Sehnsucht ist das, was Paulus so beschreibt. Ich möchte das gleich vorneweg sagen: Wenn ich dran bin, braucht ihr eine Bibel. Wenn ihr keine Bibel habt, dann solltet ihr zumindest schnell das Skript aus dem Netz anschauen, zum Beispiel auf frogwords.de. Ich werde keine Folien mitbringen, denn es gibt einfach viel zu viele Bibelstellen.
Ihr braucht also, wenn ich dran bin, in Zukunft eure Bibel. Bitte bringt sie mit. Das ist keine Pflicht, aber es ist mein Wunsch. Wir haben ein Thema, bei dem man lehrmäßig tiefer einsteigen muss. Es macht einfach sehr viel Sinn, wenn ihr eure Bibel dabei habt und gleich etwas anstreichen oder euch eine Notiz machen könnt. Das lohnt sich bei diesem Thema wirklich.
Es lohnt sich deshalb, weil mein Wunsch beim Predigen, wie gesagt, ungefähr so klingt: Paulus sagt in Apostelgeschichte 20,27-28: „Deshalb bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich rein bin vom Blut aller, denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“
Das ist meine Idee: den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen. Deshalb mache ich auch ständig neue Sachen und habe kein Portfolio von hundert Standardpredigten, die ich dann in allen Gemeinden abwerfe. Ich bin ständig selbst dabei zu lernen und möchte euch quasi an meinem Lernprozess teilhaben lassen.
Wenn wir also jetzt ein Thema behandeln, das sich anfangs vielleicht total dröge anhört, bei näherem Hinsehen aber gar nicht mehr so langweilig ist, dann liegt das daran, dass dieses Thema – das Reich Gottes – im Zentrum des Neuen Testaments steht.
Ich möchte euch heute in diesem ersten Auftaktvortrag, in dieser Auftaktpredigt, mit hineinnehmen und euch zeigen, wie zentral dieser Begriff ist. Vielleicht geht es euch am Ende der Predigt so, dass ihr euch fragt: Warum hat noch keiner oder nur ganz selten darüber gepredigt? Das ist eine gute Frage, wirklich eine gute Frage.
Wenn wir uns die Frage stellen, wer eigentlich als Erster über das Thema Reich Gottes gepredigt hat, stoßen wir in Matthäus 3 sofort auf Johannes den Täufer.
Johannes der Täufer, der als der größte Prophet des Alten Bundes gilt, war der Vorläufer des Messias und sein Herold. Er hat Folgendes gepredigt: Matthäus Kapitel 3, Verse 1 und 2: „In jenen Tagen aber kommt Johannes der Täufer und predigt in der Wüste von Judäa.“
Was predigt Johannes nun? Er sagt: „Tut Buße! Warum? Denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“
Man sieht also Johannes in der Wüste predigen: „Tut Buße, kehrt um, Stopp, Schluss, andere Richtung!“ Denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.
Nun könnte jemand sagen: „Hier steht ja gar nichts vom Reich Gottes, sondern vom Reich der Himmel. Ist das denn dasselbe?“
Das Reich der Himmel und das Reich Gottes sind tatsächlich dasselbe. Die kurze Antwort darauf lautet Ja, und zwar deshalb, weil die Evangelien an unterschiedliche Zielgruppen geschrieben wurden.
Matthäus richtet sein Evangelium an Juden. Diese sind daran gewöhnt, den Namen Gottes so wenig wie möglich auszusprechen. Deshalb wird der Begriff „Gott“ oft durch andere Begriffe ersetzt, zum Beispiel durch „Himmel“.
Es gibt also Stellen in der Bibel, an denen das Wort „Himmel“ steht, aber eigentlich Gott gemeint ist. Und jeder versteht auch, dass Gott gemeint ist.
Ich habe euch drei Beispiele mitgebracht, also drei Stellen, an denen ganz klar „Himmel“ steht, aber Gott gemeint ist.
In Johannes 3,27 sagt Johannes der Täufer: „Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts empfangen, auch nicht eins, es sei ihm denn aus dem Himmel gegeben.“ Johannes sagt also, dass das, was du in deinem Leben hast, dir aus dem Himmel gegeben ist.
Die Frage lautet: Woher kommt das? Ihr merkt, „aus dem Himmel“ bedeutet so viel wie „von Gott“.
Oder hier Lukas 15,21: Das ist die ganz bekannte Stelle vom verlorenen Sohn, einem der bekanntesten Gleichnisse in der Bibel. Der verlorene Sohn kehrt mittendrin um, und da heißt es: „Der Sohn aber, das ist der verlorene Sohn, sprach zu ihm: ‚Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.‘“
Wir merken hier, dass mit „Himmel“ nicht die Stratosphäre gemeint ist, sondern Gott. Der verlorene Sohn möchte sich bei seinem Vater entschuldigen und sagt: „Ich habe gegen den Himmel gesündigt.“
Oder Matthäus 21,25: Jesus wird von seinen Gegnern gefragt: „Woher war die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von Menschen?“
Es geht also darum, wer hinter Johannes dem Täufer steckt, wer ihn beauftragt hat zu taufen. War es der Himmel, also Gott, oder waren es Menschen?
Die Gegner überlegen bei sich selbst und sagen: „Wenn wir sagen ‚vom Himmel‘, also von Gott, wird er uns fragen: ‚Warum habt ihr denn nicht geglaubt?‘“
Mir geht es mit diesen drei Stellen – und es gibt bei weitem mehr – erst einmal nur darum, dass ihr eine Sache versteht: In der Bibel kann das Wort „Himmel“ stehen, und es kann einfach mal Gott gemeint sein.
Das liegt daran, dass die Juden so viel Ehrfurcht vor dem Begriff „Gott“ hatten, dass sie ihn durch andere Begriffe ersetzt haben.
Deswegen ist es so, dass wenn ihr in der Bibel „Reich Gottes“ findet, das völlig identisch ist mit „Reich des Himmels“.
Das sind Synonyme, austauschbare Begriffe, die für dasselbe Königreich stehen.
Um das zu beweisen, muss man eigentlich, wenn man das jetzt mal studieren wollte, nur eine Sache tun: Man müsste sich anschauen, wie in der Bibel ein Ereignis beschrieben wird, bei dem ein Evangelist den Begriff „Reich der Himmel“ verwendet, und wo dasselbe Ereignis bei einem anderen Evangelisten mit „Reich Gottes“ beschrieben wird.
Wenn ich dasselbe Ereignis habe und der eine sagt „Reich der Himmel“ und der andere „Reich Gottes“, dann muss das eigentlich dasselbe sein, oder? Also machen wir das mal. Wir schauen uns drei Ereignisse an, drei Beispiele, bei denen man sofort merkt: Ah, es geht wirklich um dasselbe.
In Matthäus 13, einem Kapitel, das voller Gleichnisse rund ums Himmelreich ist, heißt es in einem Gleichnis, Matthäus 13, Vers 31: „Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Reich der Himmel gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf einen Acker säte.“ Reich der Himmel wie ein Senfkorn.
Jetzt schauen wir uns an, wie Markus dasselbe Gleichnis beschreibt. Das ist in Markus Kapitel 4, Verse 30 und 31: „Und er sprach: Wie sollen wir das Reich Gottes vergleichen, oder mit welchem Gleichnis wollen wir es darstellen? Es ist wie ein Senfkorn, das, wenn es auf die Erde gesät wird, kleiner ist als alle Arten von Samen, die auf der Erde sind.“
Ihr merkt: Matthäus verwendet im Gleichnis „Reich der Himmel“ und „Senfkorn“, Markus verwendet dasselbe Gleichnis, aber spricht vom „Reich Gottes“ und ebenfalls vom „Senfkorn“. Es ist das gleiche Gleichnis, das gleiche Reich, die Begriffe sind austauschbar.
Oder hier ein weiteres Beispiel: Matthäus Kapitel 8, Vers 11. Da geht es um die Frage, wer alles ins Reich der Himmel kommt. Dort steht: „Ich sage euch aber, dass viele von Osten und Westen kommen und mit Abraham und Isaak und Jakob zu Tisch liegen werden im Reich der Himmel.“ Jesus sagt also zu seinen Leuten: Wenn ihr denkt, ihr seid die einzigen, die ins Reich der Himmel hineinkommen, dann habt ihr euch völlig verkalkuliert. Es werden ganz viele von Osten und Westen mit Abraham, Isaak und Jakob dort sein.
Jetzt hören wir uns das Gleiche bei Lukas an, Lukas 13, Verse 28 und 29. Dort wird beschrieben, dass es Weinen und Zähneknirschen geben wird, wenn ihr Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes seht, euch aber draußen hinausgeworfen werdet. „Und sie werden kommen von Osten und Westen und von Norden und Süden und zu Tisch liegen im Reich Gottes.“
Matthäus spricht vom Reich der Himmel und davon, dass die Menschen von überall herkommen. Es wird also ein Reich sein, dessen Einwohner wirklich weltweit von überall herkommen. Lukas beschreibt genau dasselbe, nur dass er vom Reich Gottes spricht, während Matthäus vom Reich der Himmel spricht.
Vielleicht noch ein letztes Beispiel, das schön ist: In Matthäus 19, Vers 14 heißt es: „Jesus aber sprach: Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Reich der Himmel.“ Warum „Himmel“? Weil Matthäus diesen Begriff stark verwendet. Ich persönlich glaube auch, dass Jesus als Jude eher „Reich der Himmel“ gesagt hat als „Reich Gottes“. Aber gemeint ist dasselbe.
In Markus Kapitel 10, Vers 14, steht genau dasselbe noch einmal: „Als aber Jesus es sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen, wehrt ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.“
An der Stelle ist das logisch. Markus spricht wahrscheinlich mit einer römischen Zuhörerschaft und verwendet den Begriff „Reich Gottes“, damit seine Zuhörer nicht verwirrt sind. Matthäus spricht eher eine jüdische Zuhörerschaft an und verwendet vorrangig den Begriff „Reich der Himmel“.
Was ihr bitte mitnehmt, ist: Diese beiden Begriffe sind austauschbar. Versucht bitte nicht, eine Theologie zu bauen, die die beiden Begriffe irgendwie gegeneinander ausspielt. Das kann nicht funktionieren.
Und wenn ihr am Ende dann so etwas wie eine Sargnagelstelle braucht – eine Stelle, die die Diskussion endgültig beendet –, dann habe ich dafür ein Beispiel. Für mich ist eine Sargnagelstelle eine Bibelstelle, die klar und eindeutig zeigt, worum es geht.
Wenn jetzt jemand immer noch unsicher ist oder nicht ganz versteht, was ich meine, dann bringe ich eine Stelle, in der der Herr Jesus in einem und demselben Zusammenhang beide Begriffe verwendet – und zwar synonym. Der Herr Jesus kann also zwischen beiden Begriffen hin- und herschalten.
Das hat er zum Beispiel in Matthäus 19 gemacht, genauer gesagt in den Versen 23 und 24. Dort geht es um die Frage, wie schwer es für die Reichen ist, in das Reich Gottes hineinzukommen.
Hört euch mal Jesus an: Er spricht die ganze Zeit über dasselbe Thema, nämlich was es bedeutet, gerettet zu werden. In Matthäus 19, Vers 23 heißt es: „Jesus aber sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch, schwer wird ein Reicher in das Reich der Himmel hineinkommen.“
Es ist also schwer für die Reichen, in das Reich Gottes hineinzukommen. Und dann sagt Jesus in Vers 24: „Wiederum aber sage ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.“
Innerhalb von nur zwei Versen, beim selben Thema, verwendet Jesus also beide Begriffe: „Reich der Himmel“ und „Reich Gottes“. Warum tut er das? Weil die Begriffe austauschbar sind. Das ist ein bisschen Rhetorik – man sagt einfach nicht immer dasselbe Wort, um die Aussage lebendiger zu machen.
Das habt ihr jetzt mitgenommen: „Reich Gottes“ und „Reich der Himmel“ sind dieselben Begriffe. Das soll erst einmal genügen, um zu zeigen, dass es in der Bibel tatsächlich nur ein Reich gibt.
Und dieses Reich wird mit dem Kommen des Herrn Jesus aufgerichtet. Deshalb sagt Johannes der Täufer: Das Reich der Himmel oder das Reich Gottes ist nahe gekommen.
Und dieses Reich wird in der Bibel ganz unterschiedlich benannt. Es wird mal Reich Gottes genannt, mal Reich der Himmel. Wenn ihr jedoch weiterlest, werdet ihr feststellen, dass es auch das Reich Christi und Gottes genannt wird, oder das Reich des Vaters, das Reich unseres Vaters David, das Reich seines geliebten Sohnes und so weiter.
Es sind einfach unterschiedliche Bezeichnungen für immer dasselbe. Es geht immer um dasselbe Reich.
Bitte nehmt das ganz am Anfang mit, denn sonst geratet ihr an dieser Stelle schnell in eine Bredouille. Wenn man versucht, Dinge zu fein voneinander zu trennen, die eigentlich zusammengehören, entstehen manchmal ganz wilde, große Konstrukte – Denkgebäude, die dann wenig noch mit der Bibel zu tun haben.
Kommen wir noch einmal zurück zu Johannes dem Täufer. In Matthäus 3 heißt es: „In jenen Tagen aber kommt Johannes der Täufer und predigt in der Wüste von Judäa und spricht: ‚Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.‘“
Hier stoßen wir zum ersten Mal auf den Begriff „Reich Gottes“ oder „Reich der Himmel“ – und zwar im Predigtdienst von Johannes dem Täufer. Wie bereits erwähnt, war er der größte Prophet des Alten Bundes. Er bringt das Reich der Himmel als Argument dafür, dass Menschen Buße tun sollen. Das heißt: „Tut Buße, kehrt zu Gott um, denn das Reich der Himmel steht vor der Tür.“ Das ist sein zentrales Argument.
Spannend ist, dass Johannes der Täufer irgendwann ins Gefängnis kommt. Wenn man so will, übernimmt dann Jesus den Staffelstab von Johannes. Johannes predigt und tauft zunächst, und für eine Weile tut Jesus das mit seinen Jüngern parallel. Dann wird Johannes ins Gefängnis geworfen, und Jesus beginnt, richtig öffentlich zu predigen.
In Markus 1,14-15 heißt es dazu: „Nachdem Johannes überliefert war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes.“ Johannes der Täufer ist also überliefert – wir haben das in unserem Podcast verfolgt, und sind genau an dieser Stelle.
Jesus geht nach Galiläa und predigt das Evangelium Gottes. Was sagt Jesus in Markus 1,15? Er sagt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahegekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ Johannes predigt also: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium, denn das Reich Gottes ist nahegekommen.“ Und Jesus sagt genau dasselbe.
Wir sehen hier zwei Prediger, absolute Ausnahmeprediger, und wenn man sich anschaut, was sie gepredigt haben, ist das Zentrum ihrer Botschaft das Reich Gottes. Deshalb muss dieses Thema auch im Zentrum unseres Glaubens stehen – und ebenso im Zentrum der Evangelisation.
Jesus sagt, die Zeit ist erfüllt. Wenn jemand so etwas sagt, kann das nur bedeuten, dass bei den Zuhörern eine Erwartungshaltung vorhanden war, die jetzt tatsächlich erfüllt werden kann.
Diese Erwartungshaltung kommt daher, dass Gott im Alten Testament versprochen hatte, ein Reich aufzurichten. Um das zu verstehen, muss man an verschiedenen Stellen im Alten Testament nachlesen, vor allem bei den Propheten Daniel.
Daniel ist ein Prophet, der ungefähr zwischen 580 und 550 v. Chr. seine Hauptprophetien verkündet. Er ist ein Geschichtsprophet. Das bedeutet, er beschreibt die Geschichte, die nach seiner Zeit kommt. Gott offenbart ihm die Abläufe der Weltgeschichte. Zum Beispiel sieht er in einer Vision eine große Statue. Diese Statue besteht aus verschiedenen Segmenten, die die Abfolge der kommenden Reiche darstellen: von Babylon über Medopersien, Griechenland bis Rom.
In diesem Bild von der Statue wird ein Stein losgebrochen. Dieser Stein trifft die Statue unten an den Knöcheln, zermalmt sie vollständig und wächst dann zu einem riesigen Berg heran, der alles ausfüllt. Man hat also die Weltreiche in Form einer Statue, und dann einen Stein, der losbricht, alles zerstört und an die Stelle der Statue tritt – nur viel größer und mächtiger.
Dieses Bild interpretiere ich persönlich so, dass das letzte Königreich, das Daniel sieht, das Römische Reich ist. Das sind die Füße der Statue, eine Mischung aus Eisen und Lehm. Es wird beschrieben als ein Reich mit ganz verschiedenen Einflüssen.
Genau das war im ersten Jahrhundert der Fall. Das Römische Reich war nicht mehr typisch römisch, sondern eine wilde Mischung aus griechischen, persischen und babylonischen Einflüssen. Zum Beispiel wurde Griechisch gesprochen, die Idee, den Kaiser zu vergöttlichen, stammt aus persischen Traditionen. Auch die Siebentagewoche bei den Römern geht auf Babylon zurück – ein regelrechter Mischmasch.
Im ersten Jahrhundert existierte also dieses Römische Reich, und nun kommt die Prophetie aus Daniel 2,44:
„In den Tagen dieser Könige wird der König des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird.“
Zuerst haben wir die Statue als Geschichtsprophetie. Menschen, die mitdenken, sagen: „Huch, wir sind ja genau bei den Füßen angekommen!“ Und über diese Zeit wird gesagt:
„In den Tagen dieser Könige wird der König des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird. Dieses Königreich wird keinem anderen Volk überlassen werden. Es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber wird es ewig bestehen.“
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahegekommen. Auch wenn die Juden an dieser Stelle natürlich ein sehr politisches, jüdisch-nationales Reich erwarteten – und nicht das, was durch Jesus entstand – ist trotzdem klar: Es mag sein, dass das, was kommt, ihr Vorstellungsvermögen übersteigt. Aber es ist dennoch das, was kommt: ein Reich mit einem König.
Und derselbe Daniel, der dieses Bild mit der Statue gesehen hat, hat noch viele weitere Geschichtsprophetien. Unter anderem gibt es eine, in der dieselben Weltreiche erneut dargestellt werden, diesmal in Form von Tieren. Am Ende dieser Tiere wird ein Mensch gegenübergestellt.
Die Tiere symbolisieren die Weltreiche, dann folgt ein Gericht. In Daniel 7,13-14 heißt es: „Ich schaute in Visionen der Nacht und sah, mit den Wolken des Himmels kam einer wie der Sohn eines Menschen.“ Auf der einen Seite stehen also die Weltreiche als grausame Tiere, und dann, in Daniel 7,13, erscheint ein anderer, der wie ein Mensch kommt.
Er kam zu dem Alten an Tagen, und man brachte ihn vor ihn. Ihm wurde Herrschaft und Ehre und Königtum gegeben, und alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum so, dass es nicht zerstört wird.
Wenn ihr Bibelleser seid, wisst ihr, dass sich Jesus oft als „Sohn des Menschen“ bezeichnet hat. Das ist ein messianischer Titel, der mit dem Anspruch verbunden ist, hier aus Daniel 7 heraus König zu sein – ein ewiger König.
Da kommt einer zu dem Alten an Tagen. Das ist Gott der Vater, und der, der zu Gott kommt, ist niemand anderes als der Herr Jesus. Gott der Vater gibt ihm – und wir wissen warum, wegen Golgatha, logisch, weil er den Sieg errungen hat – diese Vision kann Daniel noch nicht im Detail verstehen, er sieht nur die Vision. Wir können sie mit Leben füllen.
Gott der Vater gibt dem Sohn Herrschaft, Ehre und Königtum – ein ewiger König. Darum geht es im Christentum. Ich weiß nicht, was du denkst, worum sich das Christentum dreht, aber es dreht sich um einen König.
Und das ist genau das, was Gott wiederum David versprochen hatte, und zwar viele Jahrhunderte vorher. Gott kam zu David und sagte: „Dein Haus und dein Königtum sollen vor dir Bestand haben für ewig. Dein Thron soll feststehen für ewig.“
Diese Zusage aus 2. Samuel 7,16 an David ist eine Zusage an ein Volk, das gerade gar nichts davon erlebt. Ihr müsst euch vorstellen: Sie warten darauf, dass endlich Gottes König seine Herrschaft antritt. Sie warten darauf, dass der Thron Davids wieder mit einem legitimen Nachfahren Davids als König besetzt wird.
Aber in Wirklichkeit, als Jesus geboren wird, sitzt auf dem Thron ein Herodes der Große. Er ist nicht einmal richtig Jude, er wäre es gerne, doch er wurde nie als solcher wirklich anerkannt. Zu der Zeit, als die Geschichte mit Jesus und Johannes dem Täufer spielt, ist nichts Jüdisches mehr auf dem Thron.
Da regiert ein Pontius Pilatus, ein römischer Statthalter, ein waschechter Heide. Könnt ihr euch vorstellen, wie frustrierend das ist? Du hast diese Erwartungshaltung: Gott wird sein Reich aufrichten, Gott wird seinen König einsetzen. Aber du siehst nur Fremdherrschaft.
Und dann kommt Johannes und sagt: „Ja, die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahegekommen, es geht los.“ Was das mit den Herzen der Leute macht, diese Erwartungshaltung, die da war, merkt man auch zwischen dem Alten und Neuen Testament, wenn man liest, was da geschrieben wurde.
Vielleicht habt ihr schon von Qumran gehört. Die Texte von Qumran sprechen davon, dass dieser König kommt. Es gibt auch Texte, ich habe euch eine Stelle aus den Psalmen Salomos mitgebracht. Diese sind nicht in der Bibel, sondern apokryphe Literatur zwischen Altem und Neuem Testament.
Es geht mir nur darum, dass ihr versteht, wie die Leute damals gedacht haben und was in ihren Herzen los war im Blick auf diesen kommenden König. In Psalm Salomos 17,21 heißt es: „Siehe, Herr, richte ihnen ihren König auf, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du bestimmt hast, als König zu herrschen über Israel, deinen Knecht. Herr, richte uns den König auf!“
Das ist die Hoffnung, die da im Raum steht. Das ist das, wonach man sich sehnt, das ist die Erwartungshaltung. Und sie ist durchaus gerechtfertigt. Gott hatte im Alten Testament versprochen, sein Reich aufzurichten – der Stein, der kommt und die Weltreiche zerschmettert und zu einem großen Berg wird, der Menschensohn, der zum Alten an Tagen kommt und dem die Herrschaft und das Königtum übergeben wird.
Es ist richtig, darauf zu hoffen, und es ist richtig, es zu erwarten.
Oder hört euch an, was Gabriel zu Maria sagt. Das greift voll in dieses Thema hinein: Lukas 1,31. Da kommt der Engel zu Maria, um ihr zu verkünden, dass sie schwanger werden wird. Es heißt dort:
„Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden, und der Herr, Gott, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.“
Also hast du eine junge Frau, eine gläubige Frau, die du für die Idee gewinnen willst, schwanger zu werden – und zwar mit dem Sohn Gottes. Du stellst ihr kurz vor, wer das Kind sein wird, das sie zur Welt bringen soll: Er wird groß sein, Sohn Gottes genannt werden und den Thron seines Vaters David wieder besteigen.
Und dann heißt es weiter in Vers 33:
„Und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und seines Königtums wird kein Ende sein.“
Merkt ihr, der König wird kommen, das war irgendwie allen klar. Dann kommt dieser Johannes der Täufer und predigt: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahegekommen.“
Ich glaube, wir brauchen nicht viel Phantasie, um uns vorzustellen, was das auslöst, wenn so etwas gepredigt wird: Das Reich der Himmel ist nahegekommen! Hey, es geht bald los! Nach Jahrhunderten des Wartens will Gott jetzt sein Reich aufrichten.
Ich wollte euch heute in die Zentralität dieses Begriffs mit hineinnehmen. Ich habe mit der Erwartungshaltung begonnen, dass ihr versteht: Dieses Reich-Gottes-Denken kommt nicht aus dem Nichts. Es war schon da. Es war eher ein Begriff, der gefüllt war, und man hatte erwartet, dass es langsam losgeht.
Wenn es dann losgeht und wir uns anschauen, was Jesus und die Apostel predigen, fällt auf, dass nicht nur Johannes der Täufer über das Reich Gottes spricht. Sondern das tun schlichtweg alle, mit denen wir es im Neuen Testament zu tun haben.
Ich hatte das vorhin schon bei einer Stelle erwähnt, bei den Gleichnisreden. Jesus predigt vom Reich Gottes und bringt ein Gleichnis nach dem anderen. Das ist fast schon zu viel. Es gibt viele Stellen, die sagen: „Mit dem Reich Gottes ist es so wie…“ oder „Das Reich Gottes gleicht…“. Wie sollen wir das Reich Gottes vergleichen? In einem Monat, wenn ich wieder da bin, werde ich das Matthäusevangelium durchgehen. Achtet nur auf diese Stellen und darauf, wie oft vom Reich Gottes die Rede ist. Das ist wirklich beeindruckend.
Wenn man das verstanden hat, ist es auch nicht mehr schwer zu begreifen, dass Jesus, wenn er seine Jünger losschickt – mal zwölf, mal siebzig – ihnen genau sagt, was sie predigen sollen. Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht langweilig, weil die Antwort immer die gleiche ist.
Bei den Zwölfen heißt es in Lukas 9,2: „Und er sandte sie aus, das Reich Gottes zu predigen und die Kranken gesund zu machen.“ Die Jünger ziehen also los und predigen das Reich Gottes. Was sonst?
Bei den Siebzig heißt es in Lukas 10,9: „Heilt die Kranken darin und sagt zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“
Merkt ihr das? Wir denken oft, sie predigen das Evangelium und vielleicht etwas in der Art. Nein, sie predigen das Reich Gottes. Das ist der Inhalt ihrer Predigt.
Und wenn du dich fragst, worüber Jesus eigentlich kurz vor seinem Tod mit Pilatus spricht, dann geht es wieder ums Reich Gottes. Genauer gesagt, geht es um die Natur dieses Reiches.
In Johannes 18,36 sagt der Herr Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Wie wir noch sehen werden, bedeutet das nicht, dass es nicht in dieser Welt ist, sondern dass es nicht von dieser Welt ist. Es ist nicht so, wie alle anderen Reiche sind.
Jesus erklärt weiter: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht überliefert würde. Jetzt aber ist mein Reich nicht von hier.“
Merkt ihr, Jesus hätte sich mit Pilatus über alles Mögliche unterhalten können. Aber er bleibt beim Zentrum: dem Reich Gottes.
Hast du dir schon einmal die Frage gestellt, worüber Jesus nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern spricht? Zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt liegen vierzig Tage. Diese Zeit muss gut genutzt werden, damit Jesus seinen Jüngern alles mitgeben kann, was sie brauchen, um danach Weltgeschichte zu schreiben.
Worum geht es in Apostelgeschichte 1,3? Was ist das Thema, das Jesus seinen Jüngern beibringt?
In Apostelgeschichte 1,3 heißt es: „Diesen hat er sich auch nach seinem Leiden in vielen sicheren Kennzeichen lebendig dargestellt, indem er sich vierzig Tage hindurch von ihnen sehen ließ und über die Dinge redete, die das Reich Gottes betreffen.“
Jesus nimmt sich also vierzig Tage Zeit, um noch einmal mit seinen Jüngern über all die Dinge zu sprechen, die das Reich Gottes betreffen. Er möchte, dass sie diesen Aspekt wirklich verstehen, weil er so zentral ist.
Und es bleibt nicht nur bei Jesus, wenn ich mir anschaue, was der Apostel Paulus gepredigt hat. Paulus trifft sich mit den Ältesten von Ephesus. In Apostelgeschichte 20 lesen wir davon, wie er quasi Abschied von ihnen nimmt.
In Apostelgeschichte 20,25 beschreibt er seinen Dienst und sagt: „Und nun siehe ich, dass ihr alle, unter denen ich umhergegangen bin und das Reich Gottes gepredigt habe...“ Wenn man Paulus fragen würde: „Was predigst du eigentlich?“ – dann würde er antworten, dass er das Reich Gottes predigt. Das ist die große Überschrift über alle seine Predigten.
Noch ganz am Ende der Apostelgeschichte, in Apostelgeschichte 28, wo Paulus in Rom im Hausarrest sitzt, heißt es in Vers 31, dass er das Reich Gottes predigte. Dort steht: „Er predigte das Reich Gottes und lehrte die Dinge, die den Herrn Jesus Christus betreffen.“
Es scheint so zu sein, dass, wenn man die Dinge lehrt, die den Herrn Jesus Christus betreffen, es nicht anders geht, als dass man das Reich Gottes predigt.
Und jetzt könnte man vielleicht sagen: Okay, das Thema ist halt eher etwas für Lehrer. Das ist so „fancy stuff“ für die, die sich tief in die Materie einarbeiten wollen.
Wisst ihr, wer im Neuen Testament Evangelist genannt wird? Es gibt tatsächlich nur eine einzige Person, die diesen Titel trägt: Philippus. Philippus wird in Apostelgeschichte 21,8 explizit als Evangelist bezeichnet.
Wisst ihr, was ein Evangelist predigt? Wahrscheinlich würde jeder sagen: ein nettes Evangelium, was denn sonst? Deshalb heißt er ja Evangelist.
Ich zeige euch aber mal, was Philippus predigt. Er ist unter anderem dafür verantwortlich, dass sich viele Samariter bekehren. In Apostelgeschichte 8 kommt er zu den Samaritern, und dort heißt es in Vers 12: „Als sie aber dem Philippus glaubten, der das Evangelium vom Reich Gottes und dem Namen Christi verkündigte, ließen sie sich taufen.“
Ist das nicht bemerkenswert? Schon wieder das Reich Gottes! Selbst wenn du das Evangelium predigst, kommst du am Reich Gottes nicht vorbei.
Oder anders ausgedrückt: Es gibt keine Verkündigung des Evangeliums, ohne dass klar wird, was das Reich Gottes ist und damit zu tun hat. Man könnte auch sagen: Es gibt kein Evangelium ohne König. Es gibt kein Evangelium, ohne dass ich den Leuten sage, dass ein Herrschaftswechsel bevorsteht. Es gibt kein Evangelium ohne Loyalität und ohne Unterwerfung.
Das ist von Anfang an klar in der Art und Weise, wie diese Begriffe eingeführt werden.
Für heute mag das genügen. Viele Bibelstellen drücken den Wunsch aus, dass ihr zwei Dinge bei diesem riesigen Thema „Reich Gottes“ mitnehmt.
Erstens: Das Reich Gottes beziehungsweise das Reich der Himmel ist ein absolut zentraler Gedanke des Neuen Testaments. Bitte nehmt das heute mit. Egal, wo ihr reinschaut, ihr werdet diesem Begriff begegnen.
Zweitens: Zu diesem Begriff gibt es im jüdischen Volk, zu Recht, eine riesige Erwartungshaltung. Im Alten Testament gibt es Propheten, die auf einen König hinweisen – einen König, der die Herrschaft des Reiches Gottes über diese Welt aufrichtet. Ein König, der, um noch eine Stelle aus 4. Mose zu zitieren, aus Jakob kommt, sein Zepter erhebt und seine Feinde besiegt.
Vielleicht bleibt heute noch die Frage offen: „Jürgen, du hast gesagt, dass das Reich Gottes so super wichtig ist. Was ist denn jetzt genau das Reich Gottes?“ Ich hoffe, dass diese Frage euch noch ein bisschen kitzelt. Und was ist es denn eigentlich nicht? Genau das werden wir beim nächsten Mal behandeln.
Bis dahin vielen Dank.
Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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