Dankbarkeit und Vertrauen im Lobgesang
Herr Jesus Christus, wie gut ist es, dass wir dich und den Vater mit unserem Gesang ehren dürfen. Es ist schön, dass wir an diesem Morgen hier sind und uns schon an dem freuen können, was du uns in diesen ersten Stunden geschenkt hast.
Wir haben so viel Grund, dich zu ehren und deinen Namen großzumachen. Danke dir von ganzem Herzen auch für das fröhliche Singen miteinander. Dabei übersehen wir nicht, dass manch einem unter uns ganz anders zumute ist. Nicht alle können so fröhlich singen. Manche sind mit großen Lasten, viel Dunkelheit und vielem Schweren gekommen.
Doch auch in der Dunkelheit dürfen wir dich ehren, indem wir auf dich vertrauen, uns ganz an dich hängen und an dir festhalten. Manchmal tun wir das mit großer Mühe, und doch dürfen wir erleben, dass du da bist, uns hältst und trägst – besonders dort, wo es uns schwerfällt.
Dafür danken wir dir noch einmal besonders an diesem Morgen, auch wenn es in uns dunkel aussieht. Wir wissen dennoch, dass wir von dir gehalten und bei dir geborgen sind. Dafür ehren wir dich und wollen dir herzlich danken.
Jetzt danken wir für diese gemeinsame Stunde. Wir danken für die Geschwister Schäffbuch, dass sie nun hier sind und du sie bewahrt hast. Besonders danken wir auch für dein Wort, das du uns an diesem Morgen geben willst.
Sei du selbst gegenwärtig und rede zu uns durch dein lebendiges Wort, damit es das bewirken kann, wozu es von dir gedacht ist. Danke, dass du uns reich segnen wirst! Amen!
Die Bedeutung der Musik im Glaubensleben
Wo wir heute mit Christen in unserem Land zusammenkommen, erleben wir, dass das Singen zu einer großen Herausforderung geworden ist. In fast allen Gemeinden sagen viele Menschen, sie können nicht mehr mitsingen.
Gestern hat mich ein Mann angerufen, dem ich sehr verbunden bin. Er berichtete von der großen Kundgebung im Stadion in Stuttgart am vergangenen Donnerstag. Dort gab es ein Lied, bei dem er mit großer Mühe noch mitsingen konnte. Alle anderen Lieder waren ihm fremd.
Es herrscht eine große Verunsicherung: Was soll das Lied überhaupt bedeuten? Deshalb einige einleitende Bemerkungen.
Musik ist eine Macht ohnegleichen. Es gibt keine Diktatur auf dieser Welt, die Musik nicht für ihre schrecklichen Ziele nutzt. Hitler und Stalin haben sie gebraucht. Wenn man in der Bibel liest, zum Beispiel das Buch Daniel, bevor die Männer in den Feuerofen geworfen wurden, dann sieht man, dass die Könige von Babel mit allen Musikinstrumenten einen Druck ausgeübt haben – mit lauten Trompeten und Pauken –, damit man vor den Götzen niederfällt. Das muss einen unheimlichen Eindruck gemacht haben.
Heute erleben wir bei jungen Menschen, dass sie fremdbestimmt sind von dämonischen Mächten durch okkulte Musik, die ihr Herz gefangen nimmt. Der Teufel hat längst die schlimmsten Lieder in die Köpfe gegeben. Ich habe zum Beispiel noch das Lied „Heiß über Afrikas Sonne“ im Kopf. Der Boden oder die Wüste, die Sonne glüht, unsere Panzermotoren singen ihr Lied – solche Lieder gehen einfach nicht mehr aus dem Kopf, weil Musik eine unheimliche Kraft hat.
Darum ist es interessant, wie Gott Musik benutzt, um sein Lob zu verkünden. Und nicht nur das: Musik dient auch dazu, uns den Glauben bewusst zu machen. Darum soll es zuerst einmal gehen: um uns und unseren Glauben.
Lieder als Grundsäulen des Glaubens
Ich habe entdeckt, dass die Lieder eigentlich die Grundsäulen unseres Glaubens sind. Wenn wir an die Lieder zurückdenken, können wir uns die großen Heilswahrheiten unseres Glaubens bis in die dunkelsten und einsamsten Stunden unseres Lebens zurückerinnern.
Deshalb wird meine Frau vor dem späteren Bibelwort zuerst ein paar praktische Beispiele aus den Liedern zeigen. Die alten Lieder sind eine große Schatzgrube. Wenn wir verstehen, wo sie entstanden sind, merken wir, dass sie in der Tiefe entstanden sind. Sie wurden durch erlebte Erfahrungen des Glaubens geprägt.
Die Lieder sind natürlich zunächst Lob, Dank und Anbetung. Aber sie sind noch viel mehr. Sie sind Zuspruch, Ermahnung, Glaubensstärkung, Trost und ein Zwiegespräch mit unserem Gott.
Persönliche Glaubenserfahrungen in Liedern
Ich habe besondere Erfahrungen gemacht. Ich war im Norden bei meinen Schwestern zu Besuch, ganz oben, kurz vor der Nordsee. In der Nacht musste ich mit dem Notarzt ins Krankenhaus. Man wusste nicht, was auf mich zukommt. Mein Mann war 700 Kilometer weiter südlich bei einem Dienst. So stand ich in der Notaufnahme und fragte mich, was jetzt geschieht.
In diesem Moment kam mir nur ein Satz in den Sinn: „Mir fällt kein Haar vom Haupt.“ Ohn Gottes Willen! Der Herr hat alles unter seiner Kontrolle. Er weiß, was jetzt kommt, wie es weitergeht, wie ich wieder nach Hause komme und wie überhaupt all die Dinge verlaufen, die gerade geschehen.
Dieser Satz stammt aus einer Zeile eines Liedes, das leider nur noch in unserem alten Gesangbuch zu finden ist. Auch das neue Gesangbuch enthält viele Lieder, die wir heute kaum noch nutzen. Zumindest bei uns ist das so. Ich weiß nicht, wie es bei Ihren Gesangbüchern aussieht, aber viele wertvolle Lieder sind hinten angestellt und werden nicht mehr gesungen.
Heute singt man neue Lieder, heute jubelt man. Man braucht diese schweren, tiefsinnigen Lieder kaum noch.
Das Beispiel Philipp Friedrich Hiller
Ein Philipp Friedrich Hiller war ein Dichter aus dem Schwabenland, der von Gott schwer geprüft wurde. Gott nahm ihm das Wichtigste, was er für seinen Dienst brauchte – nämlich seine Stimme.
Was tut ein Pfarrer ohne Stimme, wenn er nicht mehr reden kann, wenn er nicht mehr verständlich sprechen kann? Hiller bat Gott inständig darum und rang mit ihm. Er sagte, es müsse doch Gottes Wille sein, dass er wieder predigen und die gute Nachricht weitergeben könne. Doch Gott handelte anders.
Stattdessen gab Gott ihm durch seine Lieder unheimlich viel Trost, Glaubensstärkung, Hilfe und tiefe Erfahrungen weiter. Dieses Lied möchte ich Ihnen vorlesen. Ich weiß nicht einmal, ob Sie es überhaupt kennen: „Es jammre, wer nicht glaubt.“
Man kann tatsächlich jammern. Unsere Welt ist voll von Dingen, über die man klagen kann – die ganze Entwicklung in der Welt. Aber wir haben den Glauben.
„Es jammre, wer nicht glaubt, ich will mich stillen, mir fällt kein Haar vom Haupt, um Gottes Willen. In Jesus habe ich hier das beste Leben, und sterbe ich, wird er mir ein besseres geben.
Es sorge, wer nicht traut, mir soll genügen, wovon mir jetzt so Kraut, das wird Gott fügen. Er weiß, was nötig sei, so mag er sorgen, mir ist des Vaters Treu auch nicht verborgen.
Es zage, wer nicht hofft, ich will mich fassen, er hat mich schon so oft erfahren lassen, er hört Gebet in Not, wann sie am größten, sein Geist kann auch im Tod mit Jesus trösten.
Und so weine ich, wenn ich weine, doch noch mit Loben. Das Loben schickt sich fein zu solchen Proben.“
Man kann den Kummer sich vom Herzen singen. Das haben wir auch über unsere Liederdichter geschrieben: den Kummer sich vom Herzen singen. Kummer drückt einen immer wieder, aber wir dürfen ihn loswerden – und eben auch mit den herrlichen Liedern.
Man kann den Kummer sich vom Herzen singen. Nur Jesus freut mich. Dort wird es klingen.
Jochen Klepper und sein Glaubenslied
Das war der Hiller, ein weiteres Lied, das mir sehr tief und nahe geht – ein Lied von Jochen Klepper. Sie kennen wahrscheinlich auch seine Lebensgeschichte. Er hatte eine jüdische Frau, die ihm sehr wichtig war. Sie war für ihn alles, ohne sie konnte er nicht leben. Im Dritten Reich hatte sie kein Lebensrecht und wurde verfolgt.
Zuerst musste sie den gelben Judenstern tragen. Man legte ihm nahe, er solle diese Frau verlassen, dann könne er Karriere machen als Journalist und Schriftsteller im Rundfunk. Doch er sagte nein: „Das ist meine Frau, ich brauche sie. Wir haben vor Gott den Bund geschlossen.“ Er kämpfte um ihr Leben, doch er verlor. Sie sollte deportiert und in einem Konzentrationslager vernichtet werden.
Da übergab er den Ausweg nur noch in Gottes Hände. Lieber wollte er ein Ende machen, als in die Hände dieser schrecklichen Nazischergen zu fallen. Er schrieb ein wunderbares Lied, das nur selten gesungen wird, aber eine große Stärkung für unseren Glauben ist.
Sieh nicht an, was du selber bist in deiner Schuld und Schwäche,
sieh den an, der gekommen ist, damit er für dich spreche.
Sieh an, was dir heut' widerfährt, heut', da dein Heiland eingekehrt,
dich wieder heimzubringen, auf Adlers starken Schwingen.
Sieh nicht, wie arm du Sünder bist, der du dich selbst beraubst,
sieh auf den Helfer Jesus Christ, und wenn du ihm nur glaubtest,
dass nichts als sein Erbarmen frommt und dass er zu retten kommt,
darfst du der Schuld vergessen, sei sie auch unermessen.
Ein Glaube, der sich an den Herrn hängt und weiß, er hat alles für mich getan,
er vergibt auch meine Schuld, er ist der, der mir den Himmel aufschließt.
Das Lied von Allendorf als Mahnung
Und dann ein weiteres Lied, ein Lied von Allendorf. Vielleicht kennen Sie es: Es wurde im Fürstenhof entdeckt. Es heißt, man geht irgendwo unter, man passt sich der Welt an. Deshalb lautet das Lied:
„Herr, habe Acht auf mich und reiß mich kräftiglich von allen Dingen,
denn ein gefesseltes Herz kann sich ja himmelwärts durchaus nicht schwingen.
Herr, habe Acht auf mich, schaff, dass mein Herze sich im Grund bekehre,
trifft vom verborgenen Bann dein Auge noch was an, Herr, das zerstöre.
Herr, habe Acht auf mich! Hast du allmächtiglich den Strick zerrissen,
so lass dem Feind zum Trotz mich deinen starken Schutz nun stets genießen.
Herr, habe Acht auf mich! Die Schlange müht sich mit ihren Tücken,
ein Herz, das du befreit, von der Einfältigkeit bald zu verrücken.“
Auch dieser Vers ist sehr eindrücklich:
„Herr, habe Acht auf mich, die Welt legt listiglich in solchen Dingen,
die sie unschuldig nennt, weil sie sich selbst nicht kennt, viel Netz und Schlingen.“
Ich denke, da sind wir heute alle sehr umkämpft. Wir denken: „Ach, man macht heute vieles, man kann nicht mehr so einseitig und so extrem sein.“ Aber wir müssen heute im 21. Jahrhundert daran denken, dass Allendorf das schon viel, viel früher geschrieben hat.
Die Welt legt listiglich in Dingen, die sie unschuldig nennt, Stricke aus. Diese wollen uns wegziehen von der eindeutigen Glaubenshaltung zu unserem Herrn.
Bertha Schmidt-Eller und die Glaubensflamme
Und noch ein letztes Lied von Bertha Schmidt-Eller. Manche kennen vielleicht noch ihre Bücher. Sie hat viele schöne Geschichten geschrieben. Bertha Schmidt-Eller hat ein schweres Leben gehabt.
Als sie drei Jahre alt war, starb ihre Mutter. Sie war das jüngste von acht Kindern. Der Vater musste erneut heiraten. Die Stiefmutter trat ein schweres Erbe an und versuchte mit Strenge und Strenge, diese große Kinderschar zu bändigen und zum Guten zu erziehen. Die Kinder litten sehr darunter, weil sie die Liebe der Mutter vermissten.
Bertha floh aus diesem für sie so freudlosen Elternhaus in eine Ehe mit einem Mann, der 38 Jahre älter war. Doch sie kam vom Regen in die Traufe und merkte nach einiger Zeit: Es geht nicht, diese Ehe ist die Hölle. Sie hatte ein kleines Kind, doch sie sagte: Wir gehen beide kaputt. Deshalb musste sie sich trennen.
Was eine Scheidung für eine gläubige Frau damals bedeutete, war ganz, ganz schlimm. Dann kam das Dritte Reich. Sie konnte mit ihren Büchern nicht mehr ankommen. Sie wusste nicht mehr, wovon sie leben sollte. Einen Beruf hatte sie nicht, nur die Schriftstellerei. Die frommen Bücher waren nicht mehr erwünscht, und sie war am Ende. Sie wusste nicht mehr, wie sie ihr Kind durchbringen konnte.
Noch schlimmer wurde es, als ihr Kind krank wurde. In ihrer letzten Verzweiflung ging sie zu einem Arzt und sagte: Wenn Sie mir nicht helfen, stirbt das Kind, aber ich habe kein Geld. Gott ebnete ihr den Weg. Der Arzt sagte: Ich suche gerade jemanden, eine Helferin für meine Praxis. Wenn Sie wollen, können Sie bei mir anfangen.
So half Gott ihr Schritt für Schritt weiter. In großer Not merkte sie: Mein Glaube flackert immer wieder, er droht aufzugeben. Deshalb dichtete sie dieses Lied:
Zünde an dein Feuer, Herr,
es soll brennen in meinem Herzen,
diese Glaubensflamme,
es soll doch nicht nur so ein Flämmchen sein,
das immer am Erlöschen ist.
Zünde an dein Feuer, Herr,
im Herzen mir,
hell soll es brennen, lieber Heil an dir.
Dann diese ganze Hingabe:
Was ich bin und habe,
soll dein eigen sein,
in deine Hände schließe fest mich ein.
Das war der Grund, warum sie merkte: Da kann ich meinen Glauben gründen. Da kann ich mein Leben in der Geborgenheit beim Herrn Jesus führen.
Und dann dieser Refrain:
Quelle des Lebens und der Freude,
Quelle,
Du machst das Dunkel meiner Seele hell.
Das Dunkel war immer wieder da,
aber du machst es hell, Herr,
du hörst mein Beten,
hilfst aus aller Not,
Jesus, mein Heiland, mein Herr und Gott.
Die zentrale Rolle der Lieder im Glaubensleben
Wenn man diese Lieder neu zu Herzen nimmt, merkt man, welche erlebte Glaubenserfahrung darin steckt. Man erkennt, was Menschen mit ihrem Herrn erlebt haben und dass sie diese Erfahrungen auch an uns weitergeben wollten.
Die Lieder haben also viel mit unserem Leben zu tun – und zwar nicht nur der Lobpreis. Die meisten Lieder richten sich an uns. Sie sind unser Zuspruch.
Beispiele dafür sind Lieder wie „Befiehl du deine Wege“ oder „Was dein Herz erkränkt“. Diese Lieder sind wie eine Predigt für mich, besonders wenn ich nachts wach liege. Sie sagen: „Gib dich zufrieden und sei still in dem Gott deines Lebens.“ Das ist Ermahnung und Zuspruch zugleich.
Die großen Heilstatsachen unseres Herrn werden uns durch diese Lieder zugesprochen. Deshalb sind sie so wichtig. Dem wollen wir noch ein wenig nachgehen und untersuchen, warum die Lieder eine so starke Bedeutung haben.
Die Kraft biblischer Worte in Liedern
Es wurde neulich gebeten, in einem Korntal, in einem großen Altenheim, über das Lied „Ich bin Jesus Schäflein“ zu sprechen. Das ist ja kein Lobpreis, sondern eine Erzählung meines Glaubens.
Dabei habe ich etwas erlebt, das ich mir nie hätte vorstellen können: Wie diese alten Menschen in ihrer großen Schwachheit erzählten, was ihnen dieses Lied im Leben bedeutet hat. Sie berichteten von einer Großtante, von Flucht und Vertreibung, Bombenkrieg und all den Krankheiten, von Einsamkeit und Schwermut. Und dann war da dieses Lied.
Warum hat ein solches Lied eine so große Bedeutung? Weil der Wortgehalt so groß ist. Es gibt ja drei Melodien zu diesem Lied „Ich bin Jesus Schäflein“: Nicht nur die württembergische von Silcher, sondern auch eine norddeutsche Melodie und eine Herrnhuter Melodie.
„Nicht die Töne machen selig“, sagte mir einmal ein erfahrener ehemaliger Hauptmann aus dem Militär. „Nicht die Töne machen selig, sondern die Worte“, hat er mir mitgegeben, als ich junger Vikar war.
Was sind denn diese Worte? Das sind biblische Gehaltsworte, Wahrheitsworte des Wortes Gottes. Und nirgends kann man die Kraft der Lieder so sehr entdecken wie darin, dass sie uns biblische Wahrheiten vermitteln, ihnen Fülle geben.
Manchmal könnte man es mit dem Stift daneben schreiben: In einem Vers finden sich bis zu zwölf Bibelstellen, die in genialer Weise zusammengeformt sind und uns die Vielfalt des biblischen Zeugnisses vor Augen führen.
Die Entstehung von Glaubensliedern unter Druck
Und wir wollen Ihnen in diesen Tagen einfach die Augen öffnen – gerade heute, bei diesem Thema. So etwas kann man nicht am Schreibtisch erfinden. Auch beim Wandern im Wald lässt sich das nicht dichten. Man kann es nur unter Druck dichten, wenn es darum geht, was jetzt gilt und was einen noch hält.
Ich möchte dazu einen Abschnitt aus Kolosser 3 lesen, weil besonders Vers 16 später wichtig wird.
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als sein herrlicher Adel, als die Heiligen und Geliebten, das herzliche Erbarmen, die Freundlichkeit, die Demut, die Sanftmut und die Geduld. Ertragt einander und vergebt euch gegenseitig. Wenn jemand Klage gegen den anderen hat, so vergebt einander, wie der Herr euch vergeben hat. Über alles aber zieht an die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist.
Lasst den Frieden Christi, zu dem ihr auch berufen seid, in euren Herzen regieren, und seid dankbar. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen. Lehrt und ermahnt einander mit aller Weisheit – mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern.
Das ist unser Vers, den wir heute brauchen: Singt Gott dankbar in euren Herzen! Und alles, was ihr tut – mit Worten oder mit Werken – das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
(Kolosser 3,12-17)Die transformative Kraft des Wortes Gottes
Es gibt keinen Christen, der keine Schwierigkeiten mit seinem praktischen Christsein hat – sei es mit der Geduld, der Barmherzigkeit, der Liebe oder der Freundlichkeit. Es geht darum, wie wir das herrliche Evangelium in unserem Leben umsetzen und praktisch leben.
Viele sagen, wir reden viel zu theoretisch über die großen Glaubenswahrheiten. Entscheidend ist vielmehr, wie wir diese im Alltag praktizieren und wie wir Jesus nachfolgen.
Jetzt kommt Paulus endlich auf das Thema zu sprechen, das uns besonders beschäftigt: Wie lebt man heute als Christ in dieser Welt? Was sagt er dazu? Es gibt nur ein Rezept: „Lasst das Wort von Christus reichlich unter euch wohnen“ (Kolosser 3,16).
Er fordert uns nicht auf, uns mit unserem Willen anzustrengen, zu kämpfen oder zu ringen, um dieses neue Wesen zu formen. Stattdessen sagt er: „Lasst das Wort von Christus reichlich unter euch wohnen!“
Das ist interessant. Es gibt keine so starke Kraft, die unser ganzes Wesen verändert, wie das Wort Gottes.
Die pädagogische Kraft des Wortes Gottes
Sehr interessant: Nach den napoleonischen Kriegen liefen Tausende von Straßenkindern und obdachlosen Kindern durch Europas Straßen. Diese Kinder plünderten, waren in der Prostitution tätig und stahlen, was das Zeug hielt – manche waren neun, zehn oder elf Jahre alt. Es herrschte eine große Not.
Der Staat sperrte sie einfach weg. In Beugen bei Basel gab es jedoch Christian Heinrich Zeller, der meinte, man könne die Kinder nur unter dem Einfluss des Wortes Gottes verändern. Er begann dort im Schloss von Beugen ein Kinderheim.
Christian Heinrich Zeller dichtete ein Lied mit dem Titel „Treuer Heiland, wir sind hier“. Darin heißt es:
„Zeige deines Wortes Kraft an uns armen Wesen,
zeige, wie es neu uns schafft,
kranke Macht genesen,
Jesus, dein allmächtig Wort,
fahr in uns zu wirken fort,
wie es mir ganz genesen.“
Das Wort Gottes hat die Kraft, den Charakter von Menschen zu verändern. Genau das sagt Paulus hier in Kolosser 3,16: Das Wort Gottes schafft das, weil es wirksam ist und durchdringt.
Du kannst dich mit deinem Willen gar nicht verändern. Wie viele Vorsätze hat man sich schon gegeben? Doch das Wort Gottes formt Menschen um.
Die Wirkung des Wortes Gottes im Leben
Mich hat es immer beeindruckt, dass junge Leute, nachdem sie eine Weile in einem Bibelkreis waren, einen ganz anderen Sprachschatz hatten. Sie wurden ganz anders in ihrem Herzen und in ihrem Wesen.
Wenn man die Bibel liest, verändert das den Charakter. Man wird dankbar und erkennt die großen Wirkungen Gottes im eigenen Leben.
Damals hat das Werk von Christian Heinrich Zeller unheimlich viele Nachahmungen gefunden. Überall entstanden Kinderheime, die oft bis heute noch bestehen. In Karlsruhe gibt es die Hartstifter, in Korntal das Kinderheim, und in Tuttlingen ebenfalls. Überall war die Entdeckung dieselbe: Das einzige Mittel, um Menschen zu verändern, ist das Wort Gottes.
Das war die Pädagogik der Pietisten damals und ist für uns heute eigentlich wieder eine neue Erkenntnis. Warum? Weil das Wort Gottes nicht leer ist, sondern bewirkt, wozu es gesandt ist. Das Wort Gottes ist eine Kraft und eine Macht.
Die Bedeutung des Wortes Gottes für den Glauben
Darum ist es in unseren Gemeinden so wichtig, dass wir mit dem Wort Gottes leben und dass unser Glaube das Wort Gottes wirksam werden lässt. Es kann nicht leer zurückkommen, sondern wird tun, wozu es gesandt ist. So heißt es in Jesaja 55: Das Wort Gottes hat eine ungeheure Kraft.
Als Jesus einmal seine Jünger fragte, ob sie auch weggehen wollten, antworteten sie: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens, Worte voller Kraft.“ Diese Worte voller Kraft sind es, die uns Jesus nahebringen – durch das Wort Gottes, nicht durch ein Gefühl. Durch das Wort Gottes können wir glauben, denn das Wort Gottes ist das Geheimnis voller Geist und Leben. So heißt es im Johannesevangelium: Das Wort ist voller Geist und Leben. Der Geist Gottes ist im Wort Gottes enthalten.
Deshalb merken Sie, wenn auf einem Friedhof eine Ansprache ohne das Wort Gottes gehalten wird, dass etwas fehlt. Das Wort Gottes gibt uns auf einmal Kraft, den Tod zu überwinden. Sie erleben das, wenn Sie an einem Krankenbett oder gar an einem Sterbebett sitzen. Sie sprechen zu einem Kranken oder Sterbenden: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Und der Betroffene sagt plötzlich: „Das ist das Größte, das hält mich.“
Das Wort Gottes ist die größte Kraft, weil der Heilige Geist im Wort Gottes wirkt. Ihr seid neugeboren aus der Kraft des Wortes, aus dem Samen des Wortes Gottes – dem Samenkorn, das aufgeht und Glauben schafft, weil der Geist Gottes so im Wort wirkt.
Darum ist es für uns so wichtig, dieses Wort Gottes präsent zu haben. Man kann es nie schöner präsent haben als in einer schönen Gedichtform und noch dazu mit musikalischer Umrahmung, sodass es uns im Ohr nachklingt und wir es immer wieder hören und verstehen.
Das ist für uns das wichtigste Mittel, unseren Glauben aufzubauen, denn ohne das Wort Gottes kann ich gar nicht glauben. Es ist das Fundament meines Glaubens. Durch das Wort kommen wir Christus nahe.
Das Wort Gottes als Fundament der Gemeinde
Im zweiten Petrusbrief hat Petrus uns wunderbar gesagt: Wir haben alles, was uns zum göttlichen Leben dient. Eine göttliche Kraft hat uns zur Frömmigkeit geschenkt. Durch sie sind uns die kostbaren und allergrößten Verheißungen gegeben.
Durch das Wort Gottes können wir glauben. Deshalb ist es so wichtig, dass das Wort Gottes reichlich unter uns wohnt. Wie kann es denn anders wohnen als im Lied? Darum ist es für mich immer wichtig, dass wir Lieder singen, in denen das Wort Gottes ganz reichlich zu uns sprechen kann. So kann das Wort Gottes uns reichlich aufrichten und trösten. Es bewirkt und schafft etwas, und das ist sehr wichtig.
Das Wort Gottes ist ein Licht. Im zweiten Petrusbrief heißt es auch, dass es das prophetische Wort ist, durch das wir Erkenntnis erlangen können. Es hat Kraft und, wie früher oft gesagt wurde, es erbaut uns. Als Student hat man gesagt: Wir wollen doch nicht nur erbaulich reden. Dummes Gespräch ist ein Bibelwort, das sagt: Erbaulichkeit ist wichtig.
Wir sollen auf dem Grund der Gemeinde erbaut werden. Wir sollen eingefügt werden in dieses Mauerwerk. Das geschieht durch das Wort Gottes. So wird unser Glaube in der Gemeinde richtig verwurzelt und auch in der Gemeinschaft der Glaubenden fest verbunden. Das hat eine ganz große Bedeutung.
Die Ermutigung durch geistliche Lieder
Wenn Sie in Ihrer Bibel nachschlagen, finden Sie in Epheser 4,12, dass der Leib Christi erbaut werden soll. Dort heißt es auch in Epheser 5,4,12, dass er erbaut wird. In Epheser 5,19 werden wir ermuntert, einander mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern zu ermutigen. Singt und spielt dem Herrn in euren Herzen.
Es ist inzwischen 50 Jahre her, dass ich ganz jung im Schwarzwald in einem Pfarramt tätig war. Damals hat mir ein Schweizer ein paar Karten gegeben. Diese stammten von einem lieben alten Mann namens Heinz Hügli, der damals noch ein junger Mann war. Auf den Karten stand: „Nimm, gib weiter!“ Die Karten haben mir sehr gefallen. Sie waren sehr schlicht gestaltet. Oft sind unsere Bibelspruchkarten ja künstlerisch verziert oder modisch gestaltet, entweder altmodisch oder schrecklich neumodisch, je nachdem. Aber diese Karten enthielten nur nüchterne Bibelworte. Das war so schön.
Ich habe die Karten immer noch. Erst neulich kam ich durch einen Schweizer wieder in Verbindung mit ihnen. Er hat mir noch einmal einen ganzen Satz geschickt. Er ist inzwischen ein alter Mann geworden. Ich benutze die Karten sehr gerne, weil man sie oft bei einem Krankenbesuch einfach da lassen kann. Die herrlichen Trostworte auf den Karten erbauen und ermutigen die Kranken.
Dann schrieb er mir traurig, dass heute fast niemand mehr Bibelworte weitergeben möchte. Wir haben ja oft die eigenartige Angewohnheit, zu meinen, wir könnten das Evangelium mit eigenen Worten selbst sagen. Wissen Sie, ich hatte auch einmal diesen verrückten Gedanken, als ich jung war. Ich dachte, ich möchte nicht immer die alten Sprüche sagen. Doch an einem Sterbebett eines jungen Mannes habe ich gelernt, dass nur die großen Bibelworte Kraft haben.
Die Worte „Ob ich schon wanderte durchs finstere Tal, fürchte ich kein Unglück“ geben Kraft. Nirgendwo wirkt der Geist Gottes so stark wie dort. Deshalb bin ich ganz sicher, dass die alten Lieder nicht sterben werden. Ich bin nur traurig, dass unsere Kinder und Enkel sie nicht mehr auswendig lernen. Es wurde sogar verpönt, dass man sie auswendig lernen muss. Dabei ist es wichtig, sie parat zu haben, wenn man im Notarztwagen liegt oder nach einer Operation auf der Intensivstation in großer Schwäche ist.
Die Worte müssen einfach da sein. Aber schon vorher formen sie uns und unseren Glauben. Wir sollten den Tag mit diesen großen Gottesworten beginnen, so wie wir uns richten und anziehen. Mit ihnen können wir uns aufrichten, trösten und ermahnen.
Die Bedeutung der Tradition und des Erlebten im Glauben
Und was machen wir uns denn dann bewusst? Meine Frau hat bereits unseren schwäbischen Nationalhymnendichter Philipp Friedrich Hiller erwähnt.
Was ist denn die Nationalhymne der Württemberger? Mir fällt „Erbarmung, Widerfahren, Erbarmung der nicht mehr“ ein. Das ist doch die Grundlage.
Wissen Sie, wenn ich sonst darüber nachdenke, warum ich es so schwer habe, warum mir das widerfährt und ich den anderen beneide – ich war am Sonntag in einem Gottesdienst, wo der Prediger uns das so eindrücklich gezeigt hat: Warum muss ich denn so viel Leid tragen?
Es ist doch die falsche Blickrichtung.
„Mir ist Erbarmung“ – wie die Fahrenderbarmung, deren ich nicht wert bin. Und Gott hat in seiner Güte mir so viel geschenkt. Ich darf ganz gewiss sein, dass er das beste Leben schenkt, so wie es auch in diesem Lied heißt: „Es jamre, wer nicht glaubt.“
Das kann ich immer nur von Menschen lernen, die das in dunklen Stunden ihres Lebens durchlebt haben, es erfahren haben und auch so weitergeben können.
Die Bedeutung der Lieder im Alltag
Oder wenn Sie am Morgen beginnen, auch die Lieder, die meine Frau erwähnt, können jetzt eine große Bedeutung in Ihrem Leben haben.
Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält.
Und Sie stehen am Morgen da, vor ganz schwierigen Entscheidungen, und sagen: „Jetzt, Herr Jesus, vielen Dank, dass ich es auf kurze Weise wieder merken kann.“
Die Bedeutung der Losungen und Gesangbücher
Vor vielen Jahren führte ich einen Briefwechsel mit den Herausgebern des Losungsbüchleins. Damals begann es damit, dass nur noch ein Vers abgedruckt wurde. Im alten Losungsbüchlein, das nur noch wenige aus sehr alten Ausgaben kennen, standen immer zwei Verse. Im englischen Losungsbüchlein sind bis heute ebenfalls zwei Verse enthalten.
Im deutschen Losungsbüchlein ist es zwar auch so, doch oft werden die Verse ersetzt. Manchmal geschieht das durch Worte, die ich nicht einmal vorlesen kann, weil ich sie nicht als treffend empfinde. Häufig enthalten sie eine sehr merkwürdige Theologie.
Deshalb ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass im Losungsbüchlein die großen Heilstatsachen Gottes für uns anklingen. Dann nehmen wir unser Gesangbuch zur Hand. Das Gesangbuch ist das herrlichste Andachtsbuch, das wir aus vielen Generationen haben.
„Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“ Wenn der Feind mit aller Macht anstürmt, was sollen wir dann tun? Deshalb ist es so wichtig: „Lasst das Wort von Christus reichlich unter euch wohnen, lehrt und vermahnt euch selbst.“
Die Herausforderung des geistlichen Lebens
Ja, wie vermahnen wir uns denn? Ihr müsst euch selbst mahnen. Darum ist das geistliche Leben in unseren Tagen so abgestorben.
Wir haben den geistlichen Grundwasserspiegel so stark absinken lassen. Deshalb brauchen wir uns nicht darüber zu beklagen, dass in der Welt viele Menschen gar nicht mehr nach Gott fragen.
Wir sollten Buße tun, weil bei uns der geistliche Grundwasserspiegel im Leben ganz dünn und dürftig geworden ist. Es stellt sich die Frage, ob uns das überhaupt noch bewusst ist und ob wir die Versöhnung mit Gott haben – dass Christus für uns gestorben ist.
Das ist doch der Grund, auf dem ich stehe, und deshalb habe ich Gewissheit und kann mich rühmen.
Philipp Friedrich Hiller und das Streben nach Heiligung
Wenn ich noch einmal Philipp Friede Hiller erwähnen möchte, dann an dieser Stelle: Er hat ja zwei Jahrgänge Gedichte verfasst. Das ist eigentlich ein Andachtsbuch, das voll von Liedern ist. In diesem Andachtsbuch mit zwei vollen Jahrgängen finden sich 365 Andachten und zweimal 365 Lieder in dem sogenannten Liederkästlein.
Das ist so genial – ein Andachtsbuch ohne Gleichen, auch heute noch. Wenn man es liest, beschreibt er zum Beispiel das Streben des Christen nach der Heiligung seines Lebens. Das ist ein brennendes Thema, das in unseren Gemeinden leider oft verschwunden ist. Doch genau das war auch das, was Paulus bewegte.
Wie kommt die Liebe in mein Leben? Wie die Geduld, die Barmherzigkeit? Wie werde ich ein neuer Mensch? Dann sagt er: „Ich will streben nach dem Leben, wo ich selig bin. Ich will ringen, einzudringen, bis ich es gewinne.“
Im letzten Vers heißt es: „Du musst ziehen, mein Bemühen ist zu mangelhaft. Ich kann doch nur durch deine Gnade gerettet werden.“
Das ist auch die Heiligung meines Lebens: indem ich das Wort Gottes erkenne und sage: Herr, du nimmst mich heute auf, und ich darf in deine Gnade fallen und mich von dir beschenken lassen. Das ist so herrlich für mich, dass ich das wissen und auch glauben kann – erlebt, erlebt, das ist erlebt.
Und darum werden die Lieder für uns erst richtig wichtig, weil man weiß, dass es jemand ist, der das wirklich erlebt hat.
Die Bedeutung von Wahrheit und Tradition im Glauben
In unseren Tagen ist es manchmal schlimm, wie mit unwahren Geschichten nachgeholfen wird. In der christlichen Gemeinde kursiert seit einigen Jahren eine unheilvolle Geschichte, die noch gar nicht so lange zurückliegt. Es geht um die Behauptung, Julia Hausmann sei verlobt gewesen. Das ist natürlich eine Lüge und frei erfunden.
Julia Hausmann war nie verlobt, erst recht nicht mit einem Missionar in Afrika. Diese Geschichte wird oft bei Trauungen erzählt, und zwar als eine traurige Geschichte. Doch Julia Hausmann wird in dieser Erzählung nie wirklich erwähnt. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen diese Illusion nehmen muss.
In der ganzen Geschichte wird nie erzählt, wo genau sich das abgespielt haben soll, in welchem Jahr, wie der Bräutigam hieß oder wie die Mission genannt wurde. Auch wird nicht gesagt, in welchem Hafen in Afrika das passieren soll. Es steht nur, dass die Palmen sich im Wind wiegen. Aber was war denn wirklich bei Julia Hausmann?
Das können Sie in allen alten Büchern nachlesen: Julia Hausmann litt unter schweren Migräneanfällen. Wer Migräne hat, weiß, wie belastend das oft im Leben sein kann. Und dass eine Frau das besingt, zeigt, wie man manchmal gar nicht mehr aus eigener Kraft kann. Sie lebte die ganze Zeit mit ihrer jüngeren Schwester zusammen, auch das wird in der Geschichte kaum erwähnt.
Julia Hausmann war in Petersburg, das liegt an der Ostsee im Baltikum. Dort hat sie viel durchgemacht. Für uns ist das heute eine große Stärkung: So wie bei uns auch, wenn man offen zugibt, kraftlos zu sein und nicht mehr kann. Dann kann man sich trösten lassen – der Herr ist da. Man kann sich in seine starke Hand fallenlassen.
Darum ist es so wichtig für uns, in das Erlebte einzutauchen und den großen Schatz derer zu entdecken, die das schon für uns erkannt haben: das Glaubenszeugnis der vergangenen Generationen.
Die Balance zwischen Moderne und Tradition im Glauben
Es ist heute eine interessante Sache, dass wir in der ganzen Christenheit, egal wo wir in der Gemeinde sind – sei es freikirchlich, landeskirchlich oder in einer Gemeinschaft –, überall das Bestreben besteht, in unsere Zeit hineinzupassen. Wir wollen moderne, aktuelle Christen sein. Doch dabei vergessen wir manchmal, dass wir auch in den großen Strom der Tradition hineinpassen wollen.
Ich möchte nicht anders glauben als Friedrich von Bodelschwingh, Johannes Calvin, Martin Luther, Ludwig Hofacker und all die anderen, die Väter des Glaubens. So dürfen wir doch an ihren Erfahrungen teilhaben. Unsere Welt ist doch gar nicht anders geworden. Das böse Herz des Menschen ist so aktuell wie eh und je, und die Gottlosigkeit schreitet voran.
Aber dass der Glaube eine Realität ist und das Wort Gottes eine erfahrbare Macht, das ist entscheidend wichtig. Die Wahrheit, die absolute Wahrheit des Wortes Gottes, von der Jesus spricht – Gottes Wort ist die Wahrheit, wie es in Johannes 17 heißt: „Dein Wort ist die Wahrheit.“ Das erfahren Sie genau in dem Zuspruch dieser herrlichen Glaubenslieder.
Er lebt für uns, für die Spannungen unseres Lebens, für die Herausforderungen, in denen wir stehen, und ganz besonders auch zum Weitersagen für die Menschen, die noch nicht glauben können.
Die Wirkung alter Lieder auf Ungläubige
Es ist eine interessante Sache. Neulich sagte mir der Leiter der Liebenzeller Mission, die in all ihren Gottesdiensten nur neue Lieder verwendet, er sei überzeugt, dass die neuen Lieder die Ungläubigen gar nicht ansprechen.
Das ist eine Behauptung, dass die neuen Lieder die Ungläubigen ansprechen. Ich glaube das gar nicht.
Ich habe nichts dagegen, dass man neue Lieder singt. Aber wenn wir Leute erreichen wollen, die nicht glauben, werden sie plötzlich eine Erfahrung machen: Sie kennen viele der Lieder bereits.
Zum Beispiel „Stern, auf den ich schaue“, das man vielleicht im Gesangsverein oder in einer weltlichen Verbindung gesungen hat. Dort sind sie oft noch ganz bewusst vorhanden – Lieder des Glaubens, Lieder des Vertrauens.
Ein Beispiel aus der Gemeinde
Nur ein kleines Beispiel: Ein Mann aus unserer Gemeinde war in seiner Jugend bei der SS, so wie viele junge Leute damals. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft durfte er nicht studieren, das war ihm verboten. Er hatte ein Handwerksbuch und baute ein großartiges Geschäft auf.
Er ließ seine Kinder konfirmieren, selbst aber ging er nicht in die Kirche. Später bekam er schweren Krebs. Als ich ihn zum Schluss auf dem Sterbebett besuchte, weiß ich gar nicht mehr, wie ich anfing, aber ich begann, ihm eines dieser alten Lieder vorzusingen: "Jesus Schäflein bin ich dein."
Plötzlich sprach er mit und sagte: "Erkennen Sie dieses Lied? Das hat meine Großmutter mit uns gesungen." Es ist ein Geheimnis, dass viele Menschen aus der vorherigen Generation diese herrlichen Lieder oft im Kopf haben, die bei ihnen weiterleben.
Die Entstehung des Liedes „Gott ist die Liebe“
Und so ist es auch mit einem Lied, das wir in den Gemeinden heute kaum noch singen: „Gott ist die Liebe, er liebt auch mich.“
Wissen Sie, wie dieses Lied entstanden ist? Der August Rische war ein junger Mann und Schwiegersohn von Volken in Nümbrecht. Er studierte bei August Hulluck, der damals ein entschiedener Kämpfer gegen die liberale Theologie in Halle war. Hulluck war ein genialer Theologe, der neunzehn Sprachen fließend sprach. Er war ein großer Mann, weil er den Menschen die Augen für die Sünde öffnete – etwas, das in unseren Tagen fast völlig verloren gegangen ist.
Er sprach von der Sünde als der „Höllenvater“ der Selbsterkenntnis. Tatsächlich kann man sich nicht anders bekehren, als dass man zuerst den schrecklichen Abgrund in sich entdeckt. Man erkennt, dass sich in meinem bösen Herzen alles sammelt, was der Teufel an Bösem vermag. Nur durch die Gnade von Jesus wird man davon gerettet.
Dann hat August Rische das Licht gedichtet.
Die Bedeutung der Erweckungsbewegungslieder
Ich lag in Banden durch Sünde und konnte mich nicht befreien. Doch er sandte Jesus, den treuen Heiland.
Dieses Lied ist kein einfaches Kinderlied für den Kindergarten, sondern auch ein Lied für gestandene Männer. Ich selbst bin zum Glauben gekommen und bin heute noch dankbar dafür, dass man bei Wilhelm Busch auf den Freizeiten diese herrlichen Lieder der Erweckungsbewegung bewahrt hat. Diese Lieder handeln von Befreiung und der rettenden Macht, und wir kennen sie auch aus der Blaukreuzarbeit.
Jesus kam, um uns zu erlösen. Das können wir nicht aus eigener Kraft erzwingen; wir können nur die Gnade ergreifen und annehmen. Das ist das Evangelium. Es ist biblische Wahrheit, dass man diese Erfahrung macht, sie weitergibt und immer wieder neu entdeckt.
Deshalb ist es für mich so wichtig, dass wir diese Lieder mit ihrem großen Schatz neu entdecken. Wir sind die Beschenkten und dürfen das weitertragen und anderen zeigen. Sie können dies durch das Zeugnis ihres Lebens ergänzen, besonders dort, wo Ihnen dieser Glaube in Ihrem Leben so viel bedeutet hat.
Schlussgebet und Ausblick
Wir wollen noch beten.
Du treuer Gott und Herr, wir danken dir für das, was du uns auch durch vergangene Generationen geschenkt hast, aber auch bis heute, hinein in unsere Tage. Durch diese Lieder geben andere wieder, was sie in deinem Wort und in deiner Güte und Liebe gefunden haben.
Wir danken dir, Herr, dass du ein lebendig wirkender Herr bist. Wir möchten dich bitten, dass das Wort Gottes auch in unserem Leben Wurzel fasst und eindringlich wirkt. Auch wenn wir in der Einsamkeit, in Not und Druck sind, möge dein Wort uns den Frieden geben, den die Welt nicht kennt.
Hilf uns, dass du uns durch die Kraft deines Wortes veränderst und zu neuen Menschen machst. Lass dich in unseren Herzen wohnen. Hilf uns, dass wir dein Wort reichlich unter uns wohnen lassen und dass wir die Gabe der Musik und der Dichtkunst benutzen, um deinen Namen großzumachen und dein Evangelium herauszustellen.
Ganz herzlichen Dank, dass du uns das schenkst und gibst. Amen!
Wir machen morgen früh weiter mit dem Thema „Das Lied in der Anfechtung“ – die Anfechtung als ein notvoller Punkt des Lebens. Da stolpert man im Glauben. Gerade in dieser Situation ist das Lied wichtig, das uns heute im Glauben wachsen lässt, ein Lied, das wir aus dem Wort Gottes erleben.
