Die Vielfalt der Ausstrahlung im Glauben
Wir Menschen haben alle eine Ausstrahlung. Normalerweise sind wir uns selbst nicht klar darüber, ob diese sehr positiv oder negativ ist.
Ich habe zum Beispiel den alten Bischof Otto Dibelius erlebt, einen tüchtigen Mann, der in jeder Ansprache das Wort von Zinzendorf zitierte: „Wir sind des Heilands fröhliche Leute.“ Er hat es jedoch so zitiert, als hätte man zu ihm gesagt: „Zu Befehl, Herr Generalassistent!“
Von ihm wird berichtet, dass er Jochen Klepper, den Schriftsteller und Liederdichter, besucht hat. Dabei soll er gesagt haben, Klepper möge doch für die Bekennende Kirche, damals im Dritten Reich, neue Bekenntnislieder schaffen. Jochen Klepper schrieb nach diesem Besuch in sein Tagebuch: „Diese Leute werden mich nie singen lehren!“
Nicht jeder, der evangelisiert oder es zumindest versucht, kann dies auch erfolgreich übertragen. Und nicht alle, die eine Gabe zum Evangelisieren haben, können automatisch eine seelsorgerliche Aussprache leiten oder bloß Trost spenden. Es kann nicht jeder alles.
Ich habe bei Wilhelm Busch sehr viel gelernt, obwohl ich zwischen 17 und 22 Jahren kaum viel von ihm annehmen konnte. Damals dachte ich: Diese Streiterei, dieses kirchenpolitische „Warum denn?“ Nachher habe ich verstanden, warum er es getan hat.
Als junger Mensch konnte ich viel mehr von seinem Bruder, Johannes Busch, annehmen, der seelsorgerlich gesprochen hat. Es gibt auch verschiedene Altersstufen, in denen man etwas annehmen kann.
Wilhelm Busch hatte eine Gabe zum Evangelisieren. Das merkt man an den Tonbändern, die heute, 30 Jahre nach seinem Tod, noch verkauft werden, sowie an seinen Büchern. Wenn er jedoch nach der Evangelisation in eine Aussprache gehen wollte, haben seine Mitarbeiter vom Weigelhaus Essen gesagt: „Pastor Busch, gehen Sie bloß weg! Wenn Sie eine Antwort geben, klingt das immer so, als würde es heißen: ‚Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen.‘ Sie sind viel zu aufgeregt.“ Er antwortete darauf: „Ich bin überhaupt nicht aufgeregt. Was wollen Sie denn?“
Also: Nicht jeder kann alles. Wir haben oft eine Ausstrahlung, die dem Missionarischen sogar hinderlich sein kann. Deshalb möchte ich dazu etwas sagen.
Die Wahrnehmbarkeit missionarischer Ausstrahlung
Begegnung mit Menschen und ihre Ausstrahlung
Menschen mit missionarischer Ausstrahlung. Noch einmal: Wir haben eine Ausstrahlung.
Im Jahr 66 konnte kein Posaunentag in Ulm stattfinden, weil das Ulmer Münster renoviert wurde. Deshalb haben wir den Posaunentag auf drei große Regionalposauntage aufgeteilt, einer davon in Freudenstadt.
Ich bin samstags dorthin gefahren, bin durch die Stadt gelaufen und wurde angesprochen. Die Person sagte: „Sie sind doch Christ?“ Ich war kurz bestürzt, denn ich trug keinen schwarzen Anzug. Dann fragte die Person: „Kann ich Sie morgen sprechen?“ Ich antwortete: „Ja.“
Es war ein Mensch mit einer sehr schweren dämonischen Belastung. Später fragte ich ihn, wie er eigentlich darauf gekommen sei, mich anzusprechen. Er sagte: „Das sieht man einem Menschen doch aus zehn Metern Entfernung an, ob er den Namen angerufen hat.“
Dieser Mensch selbst konnte den Namen Jesus nicht mehr aussprechen. Aber Leute, auch das kleine Stoßgebet am Morgen – man sieht es uns an, ob wir unter dem Schutz des Namens Jesus stehen. Das strahlt aus. Zumindest diejenigen mit dämonischer Belastung wissen es. So wie die Menschen bei Jesus wussten, dass er der Sohn Gottes ist.
Also, wir haben eine Ausstrahlung.
Ruhe und Verbundenheit als Ausstrahlung
Ganz deutlich wurde mir in Nairobi: 75 war ein Tollhaus. Damals gab es noch Nachwirkungen der 68er-Revolution, die durch den ganzen Weltkreis gingen. Auch durch die Ökumene entstand eine wahnsinnige Verwirrung.
Unter den 3000 Delegierten, Presseleuten und Besuchern im großen Kenyatta Center, wenn ich suchte, wo der Rolf Hiller und der Peter Beierhaus saßen, brauchte ich nur schnell zu schauen. Wo immer eine ruhige Insel im Trubel war, dort war bestimmt der Rolf Hiller oder der Peter Beierhaus.
Wenn wir mit dem Herrn verbunden sind, gibt es eine Ausstrahlung. Man sollte das, was unser Herr uns schenkt, nicht zu gering einschätzen. Es genügt einfach, dass wir sagen: Herr Jesus. Aber...
Beispiele missionarischer Ausstrahlung
Vom Tiefpunkt zum Evangelisten
Nun gibt es eine besondere missionarische Ausstrahlung. Ich möchte einfach von ein paar Menschen erzählen, die mir begegnet sind.
Einer der eindrücklichsten Evangelisten Amerikas sah gut aus, fast wie ein Filmschauspieler. An unserem College, einem guten lutherischen College, sagten einige der College-Mädchen: „Da kann man nicht hingehen, der ist ja alkoholabhängig.“ Ich habe dann seine Geschichte gehört.
Er war Militärgeistlicher im Zweiten Weltkrieg. Eines Morgens wurde er geweckt, weil ein einsames Flugzeug auf der Piste stand, irgendwo auf Midway. Die Enola Gay, die jetzt in Washington D.C. ausgestellt ist, war das Flugzeug, das die erste Atombombe nach Hiroshima brachte. Er sprach ein Gebet: „Herr, schütze die Männer auf ihrer Mission.“ Amerika heißt ja Mission, also so etwas wie ein Auftrag.
Als dann die ersten Fernaufklärer-Fotos von der Zerstörung in Hiroshima kamen, fiel er in eine tiefe Depression. Er fragte sich: „Herr, was habe ich angerichtet, als ich um Segen gebetet habe für diese Massenvernichtung?“ Er geriet in den Alkohol, verlor sein Pfarramt. Doch dann hat ihn aus dem Tief wieder der Herr Jesus gefunden, und er wurde Evangelist.
Ich habe verstanden: Er begann einmal einen Abend mit den Worten: „I am a normal man“ – ich bin ein normaler Mensch. „I love to drive a fast car“ – ich liebe es, schnell Auto zu fahren. „I love to go hunting“ – ich gehe gern jagen. „I love my wife, but the joy of my life is to serve Jesus“ – ich liebe meine Frau, aber die Freude meines Lebens ist es, Jesus zu dienen. Die Freude meines Lebens ist, dass Jesus mich noch einmal brauchen kann.
Die großen Evangelisten, bei denen wir oft rätseln, was das Geheimnis ihres Wirkens ist, sind von Jesus aus dem Dreck herausgerettet worden. Nun wollen wir nicht alle in Pfützen liegen und durch alle Nachtlokale Stuttgarts oder Hamburgs ziehen, damit der Herr uns retten kann und wir dann richtige Evangelisten mit Ausstrahlung werden.
Aber wir müssen das lassen, wie es Paulus sagt: „Ich bin eigentlich der Letzte vom Letzten. Ich habe die Gemeinde Jesu verfolgt.“ Deshalb hat der Herr ihn in besonderer Weise stark gemacht. Es ist das Geheimnis des Wirkens Gottes, dass er denen, die er aus dem letzten Dreck gerettet hat, oft ein besonderes Amt anvertraut – werbend und überzeugend einzuladen zu Jesus.
Und da brauchen wir anderen nicht zu denken, wir müssten jetzt alles nachmachen oder imitieren. Sondern wir können einfach Gott dankbar sein, dass er solche Wunder in der Gemeinde tut.
Timotheus hatte eine andere Gabe als Paulus und war sein Schüler. Paulus hat ihn in sein Amt eingesetzt, damit wir das auch anerkennen können. Da gibt es eine missionarische Ausstrahlung.
Die Kraft der persönlichen Zuwendung
Ein anderer Typ von missionarischer Ausstrahlung
Wir saßen an einem Abend im Kreis der Landesmitarbeiter des Jugendwerks zusammen. Ich habe gesagt, jetzt soll mal jeder erzählen von Menschen, die ihm eigentlich zum Glauben geholfen haben.
Da hat Walter Reisser, damals Jungscharreferent, angefangen und gesagt: „Ja, also, ich habe große Schwierigkeiten gehabt. Mein Vater ist im Krieg geblieben, und meine Mutter ist mit mir nicht fertig geworden. Und da kam die Zeit, wo ich sehr den Mädchen nachgelaufen bin.“
Es hat angefangen damit, dass wir ein Krippenspiel machten. Ich war der Josef und habe mich wie üblich in die Maria verliebt. Das waren damals die Zeiten, wie wir überhaupt junge Mädchen kennenlernten. Die heutigen haben es viel einfacher, nicht? Wir mussten immer das Krippenspiel abwarten.
Der Walter Sommer hat zum Beispiel den Verkündigungsengel geheiratet. Dann kam die Zeit, wo Walter also bei Sainte Maria war und zu lange ausblieb. Die Mutter hatte große Sorgen und sagte dem Jungmännerkreisleiter, einem begabten Ingenieur: „Und als eines Nachts um halb drei, an einer kalten Januarnacht, einige Zeit nach Weihnachten, mitten im kalten Winter, Walter Reisser nach Hause kommt und zur Haustür hinein will, löst sich eine Gestalt aus dem Eingang der Haustür.“
Diese Gestalt war Rudi Holzner, sein Jungmännerkreisleiter. Er sagte: „Walter, du sollst bloß wissen, ich denke an dich.“ Da hat Walter gesagt: „Ab dem Augenblick ist mein Leben anders geworden.“ Nicht, weil Rudi da war, sondern weil er so viele Stunden in der Kälte auf ihn gewartet hat, nur um ihm zu signalisieren: „Du, da ist noch einer, der an dich denkt.“
Kaum hatte Walter Reisser das gesagt, meldete sich Karl Ludwig Fink von Gehrstätte zu Wort: „Den kenne ich auch, der hat nachher in Gehrstätte gewohnt. Und der entscheidende Augenblick meines Lebens war, als ich nicht mehr in den Jungmännerkreis ging und wegblieb, dass eines Tages Rudi Holzner zu mir kam – mit seinem Fahrrad.“
Rudi Holzner hatte vom Krieg einen Holzfuß, so unterhalb des Knies. Trotzdem ist er immer ganz stramm gelaufen. Mit seinem Fuß kam er zu Karl Ludwig und sagte: „Komm, wir laufen ein bisschen.“
Da sind sie eine Runde zum Ort hinaus gelaufen, zur Linde. Rudi sagte: „Ich begleite dich jetzt heim, Karl Ludwig.“ Und Karl Ludwig antwortete: „Wenn du mich begleitest, dann begleite ich dich auch heim.“ So sind sie bis nachts um eins von Heimat zur Linde gelaufen – Rudi mit seinem Holzfuß.
Karl Ludwig sagte: „Das war der entscheidende Einschnitt meines Lebens, dass jemand Zeit für mich hatte und sich für mich interessierte, obwohl wahrscheinlich jeder Schritt wehgetan hat.“
Es ist überhaupt nichts Evangelistisches gefallen. Man wusste, wo Karl Ludwig stand. Aber dieses Signal in beiden Fällen war für mich interessant: Menschen, die nach der ganzen Mitarbeit standen, sagten, da war einer da, der an uns dachte. Der merkte, dass wir vom Mümmener Kreis wegblieben, dass eine Krise da war, und einfach nur signalisierte: „Du, ich bin für dich da.“
Die stille Kraft eines Leiters
Wenn ich gefragt werde, wen ich zu den großen Evangelisten Württembergs zähle, würde ich Dr. Alfred Zechnall nennen. Er war ein sehr begabter Diplom-Ingenieur.
Er führte den Betrieb Omnitypie, den heute Hans Wille noch teilweise leitet. Dieser Betrieb war eigentlich der führende Druckbetrieb. Alles, was wir heute an unseren Offset-Maschinen haben, wurde dort erfunden. Zum ersten Mal konnte man auf diese Weise drucktechnisch all die Reproduktionen machen.
Alfred hat seinen führenden Druckbetrieb fast in den Ruin getrieben, weil er sich für das Reich Gottes eingesetzt hat. Nach dem Krieg sagte er, man dürfe nicht einfach jeden zum Pfarrer machen, der zufällig Pfarrer werden wolle. Deshalb richtete er Auswahllager ein, damals auf dem Dulkhäuschen oder in Leutzaussen, bevor die jungen Leute ins Seminar kamen.
Er kümmerte sich um den Hymnuschor in Stuttgart, als dieser in der Krise war. Es waren vor allem junge Burschen. Außerdem war er Leiter des Stuttgarter Jungmännerwerks. Ich erinnere mich, als ich Praktikant war, musste man das Gehalt bei ihm abholen. Es betrug damals 100 Mark im Monat.
Alfred fragte immer: „Wie geht das denn?“ Und dann schwieg er. Aus Verzweiflung, weil man nicht lange still sitzen konnte, fing man einfach an zu sprechen. Seine große seelsorgerliche und missionarische Gabe war es, zu schweigen und dann zu sagen: „Jetzt beten wir darüber.“
Bei seiner Beerdigung war so ein Heer von Männern, dass man merkte: Er hat mehr erreicht als wahrscheinlich Billy Graham mit seiner missionarischen Ausstrahlung. Obwohl Alfred ein ganz stiller Mann war, wollte er etwas mit jungen Menschen erreichen. Er wollte sie zum Herrn führen und fragen: „Wo steht ihr denn? Wie geht es euch?“
Opfer zu bringen, war für ihn glaubhaft – mit seiner Zeit und seinem Betrieb. Nicht jeder kann seinen Betrieb leiden lassen, aber das sind eben einzelne Gaben.
Missionarische Ausstrahlung im Beruf und Familie
Menschen mit missionarischer Ausstrahlung
Es gibt Menschen mit missionarischer Ausstrahlung, die in ihrem Beruf überaus tüchtig sind. Wenn ich an die Esslinger denke, fallen mir Hans Karl Riedl und Prinz Liebrich ein, auch der Fabrikant in Denkendorf. Bisher habe ich von Männern erzählt, aber ich könnte auch viel von Frauen berichten, die eine missionarische Ausstrahlung haben. Dabei muss ich vielleicht zuerst an meine Mutter denken.
Sie hat nie ein Amt in der Gemeinde übernommen. Die Gemeindediakone und Pfarrer baten sie, Besuchsdienstfrau zu werden oder den Frauenkreis zu leiten. Doch sie lehnte ab und sagte: „Ich möchte für meine Familie da sein und ein offenes Haus haben.“
Es waren sechs Geschwister, fünf Brüder und eine Schwester. Sie war von Anfang an da, als der Erste das Haus verlassen musste, sei es zum Praktikum oder zur Schule. Morgens hat sie mit uns Andacht gehalten. Ihr Lebensprinzip war wichtig für uns. Als wir Latein lernten, ließ sie ein großes Schild anfertigen mit der Aufschrift: „Pueri estote laetantes“ – „Burschenzeit auch fröhlich“, also fröhliches Christsein.
Bei uns war eigentlich nie etwas ausdrücklich verboten, aber vieles hat man von selbst nicht getan. Es war klar: Das geht nicht. Dennoch waren immer Unternehmungen geplant. Mein Vater war selten zu Hause. Nach dem Krieg baute er ein ganzes berufliches Schulwesen in Württemberg auf, bis hin zu den Fachschulen. Er war im Landtag und lebte bewusst als Christ.
Wenn heute manche Pfarrer klagen oder predigen, sie hätten keine Zeit für die Familie, dann sage ich: Wer einen ernsthaften Beruf hat – ob Rechtsanwalt, Arzt, Metzger oder Bäcker – der hat nicht viel Zeit für die Familie. Deshalb muss auch die Frau mit anpacken und die Familie mittragen. Wir sollten nicht zu zimperlich sein.
Die Mutter sagte uns: „Seid stolz und betet für den Vater, damit wir ihn mittragen können.“ Der Vater sagte: „Ich bin sonntags da.“ Und da wollte er, dass seine Kinder auch da sind. Das war schwierig, weil wir Jugendkreise hatten und oft unterwegs waren. Aber man wusste: Sonntags, nach dem Gottesdienst, wollte er uns eine Stunde erzählen, was er erlebt hatte und wo er als Christ stand. Er ließ uns teilhaben an dem, was er im öffentlichen und politischen Bereich bewirkte.
Es war ihm fast unangenehm, dass drei seiner Söhne Theologen wurden. Er sagte: „Wir brauchen doch Christen in ganz normalen, weltlichen Berufen, die als Ferment dazwischen sind.“
Ich möchte für die Mutter sagen: Damals hatten wir noch nicht viele kirchliche Räume. Wir lebten in einer Mansardenwohnung in der Stuttgarter Möspstraße. Doch die Mutter sagte: „Alle Mitarbeiterkreise selbstverständlich bei uns.“ Das war das Geheimnis unserer Mitarbeiterkreise. Sie fanden nicht in Gemeinderäumen oder Gemeinschaftsräumen statt, sondern in einer Wohnung.
Das, was wir heute in manchen Hauskreisen erleben, dass es erst dann richtig gemütlich wird, wenn es zu Hause ist, war bei uns schon so. Man stellte sechs verschiedene Arten von Stühlen in den Raum und musste fast die Wände einreißen, um den Mitarbeiterkreis abzuhalten. Alle Nichtverwandten, die in Stuttgart waren, kamen dazu.
Wir hatten immer am Tisch viele Leute. Wenn Zweigehaus-Studenten in Stuttgart waren, kamen sie sonntags zum Tisch. Nach dem Essen sagte der Vater: „Es wird eine Stunde lang gesungen.“ Wir begannen mit Volksliedern. Ich habe einen reichen Schatz an wunderbaren Volksliedern, und es tut mir leid, dass ich es meinen Kindern nicht vermittelt habe.
Dann sangen wir Studentenlieder und geistliche Lieder – über Reichslieder, Choräle, mit Violine und Trompete. Alles, was Odom hatte, konnte mitmachen. Es war sehr laut.
Als ich dann in Schorndorf Pfarrer war, sagte jemand zu mir: „Sind Sie mit den Schiffwuchs-Verwandten in der Stuttgarter Möspstraße?“ Ich antwortete: „Ja, da gehöre ich dazu.“ Und sie sagte: „Wir haben im ganzen Viertel sonntags mittags die Fenster geöffnet, um zu hören, was Sie gesungen haben.“
Damals gab es noch keinen Fernseher. Aber es kann auch missionarisch sein, anderen Anteil zu geben – durch das Lied, durch das gesungene Lied. Früher war es viel wichtiger, wenn jemand fremd kam, etwa in eine Lehrstelle oder zum Studium, dass man ihn an christliche Familien vermittelte. So hatte er ein Zuhause und ging nicht unter.
Missionarisch kann es auch sein, ein offenes Haus zu haben. Das ist ganz, ganz wichtig.
Unterschiedliche Stile in der Evangelisation
Als Kurt Heimbucher einmal eine Bibelwoche in Schöndorf hielt, war es eine insgesamt interessante Evangelisation mit Horst Marquardt und Kurt Heimbucher. In der Allianz äußerten die Freikirchler den Wunsch: „Wir wollen eigentlich einen Evangelisten, der nach vorne ruft.“ Die Landeskirche hingegen sagte: „Wir wollen einen Evangelisten, der hoffentlich nicht nach vorne ruft zur Entscheidung.“
So fanden fünf Abende mit Horst Marquardt statt, der nach vorne rief und sagte, er komme nur, wenn er nach vorne rufen dürfe. Daraufhin wurde Kurt Heimbucher eingeladen, der wiederum sagte, er komme nur, wenn er nicht nach vorne rufen müsse.
Der Erfolg war, dass die Allianz fast gespalten wurde. Am Ende sagten die Freikirchler: „Es hat so gesegnet angefangen mit Horst Marquardt, der nach vorne gerufen hat. Und dann ist alles kaputtgegangen durch Kurt Heimbucher, der das nicht mehr gemacht hat.“ Die Landeskirchler hingegen meinten: „Das war ja furchtbar, die Seelenmassage am Anfang, aber Gott sei Dank kam Kurt Heimbucher.“
Natürlich gab es auch Leute, die bei diesem Mischmasch nicht gekommen sind. Damals gab es noch den Fabrikanten und Industriellen Peter Hahn, damals Geschäftsführer und Finanzmeister der Allianz. Er baute all die Peter-Hahn-Geschäfte in ganz Europa mit Naturprodukten und Ähnlichem auf. Er lud all seine Prokuristen und Geschäftsführer zu einem Abend in seine Villa ein – um zehn Uhr gab es ein tolles kaltes Buffet. Kurt Heimbucher war ebenfalls eingeladen.
Peter Hahn sagte: „Wir haben heute einen besonderen Gast. Kurt Heimbucher, vielleicht könnten Sie ein wenig aus Ihrem Leben erzählen.“ Daraufhin packte Kurt Heimbucher aus und erzählte evangelistisch von seinen Erlebnissen mit Gott. Ich sehe noch die Gesichter der Prokuristen vor mir – nicht abgelehnt, aber sie hätten den Weg zu einer Evangelisation nicht gefunden.
Doch in ein Privathaus einzuladen und einen Zeugen Jesu dazwischen zu setzen, um als Hausherr oder als Mutter ins Gespräch zu kommen, war ein anderer Weg. So war es meiner Mutter immer wichtig, bei allen Gesprächen zu sagen, was sozusagen im Reich Gottes wieder läuft, was sie persönlich erfahren hat und welches Wort Gottes sie getröstet hat.
Wir sollten auch die häusliche, die ganz normale Evangelisation nutzen.
Missionarische Ausstrahlung im Alltag und Gemeinschaft
Ein letzter Bereich: Menschen mit missionarischer Ausstrahlungskraft
Wir hatten in Schorndorf viele Kreise und Gruppen. Ich war überaus dankbar für den schönen, großen EC bei der Süddeutschen Gemeinschaft und auch für die kleine Jugendgruppe bei den Altbietisten. Es gibt einfach junge Leute, die mehr engagiert sind. Man kann vorher bei den Konfirmanden gar nicht genau sagen, wo sie ihre geistliche Heimat finden.
Man ist manchmal überrascht über den Stil. Ein junger Mann aus dem kleinen Kreis der Altbietisten, der wirklich schön geistlich gewachsen war, musste sich mit 17 Jahren einer schweren Kopfoperation unterziehen. Die Eltern haben mich ins Katharinenhospital geholt. Vor der dritten Operation wussten die Ärzte nicht mehr weiter. Das Gehirnwasser floss einfach nicht richtig ab, und der junge Mann hatte keine Kraft mehr.
Es war das erste Mal, dass ich die Hand auflegte, ein Gebet sprach und erlebte, wie unser Gott segnen kann. Am nächsten Tag sagte der Professor, man müsse nicht operieren, alles sei in Ordnung. Er wisse jetzt, was los sei. Aber ab diesem Tag ging der junge Mann nicht mehr in seine Gemeinschaft zurück. Das ist etwas, was Zinzendorf schon erlebt hat: Es gibt Heilungen, bei denen die Menschen später geistlich Rückschritte machen.
Jesus hat diesen jungen Mann später wieder gerufen. Das war eine Ergänzung. Als die EZ-Leute sonntagmorgens ein Gebetsfrühstück einführten, sagte ich, ich brauche euch im Gottesdienst. Sie antworteten, sonntagmorgens nicht. So entstand der Anstoß für unseren Samstagabend-Gottesdienst. Dort waren die EZler und andere vom ZFHM. Die Konfirmanden merkten plötzlich, dass dort andere junge Leute waren, die den Stil mitbestimmten, sie berieten, wie man es machen kann, und manches übernahmen.
Ich möchte besonders von diesem Freitagskreis erzählen. Es war eine Mannschaft, die unsere beiden Söhne und unsere ältere Tochter umfasste: Martin Landmesser, sein Bruder Johannes Landmesser, Ralf Altenburger – tüchtige junge Leute mit schnellen Wagen, aber immer missionarisch voll dabei und mit neuen Ideen. Sie organisierten „Fire on Ice“, worüber später einige unserer engeren Leute sagten, dass man doch nicht mehr in die Stadtkirche gehen könne.
Sie waren damals hellwach. Wenn sie merkten, dass im Übergangswohnheim ein Geschwisterpaar war, das in Bautzen eingesperrt war und herübergekommen ist, fragten sie: Wer besorgt ihnen eine Wohnung? Wer besorgt ihnen Möbel? All das, was bei uns theoretisch immer gesagt wird: Man darf nicht nur das Heil im Auge haben, sondern auch das Wohl. Das ist für jeden normalen Christen selbstverständlich.
Aber es ist nicht selbstverständlich, wenn man evangelisiert oder eine Bibelwoche hält. Die anderen wissen das natürlich nicht. Es kommen Leute zu seelsorgerlichen Aussprachen. Man denkt, jemand sucht Glauben, doch er sagt: „Ich suche eine Vier-Zimmer-Wohnung“ oder „Meine Ehe geht auseinander“ und so weiter. Die ersten und wichtigsten Fragen betreffen eigentlich immer das Wohl.
Wer hilft mir? Können Sie mir einen Rat geben? Mit meinem ältesten Sohn komme ich nicht zurecht. Das Geld ist ausgegangen. Wie kann ich Entschuldigungsmassnahmen treffen? Alle sozialen Nöte tauchen auf, die natürlich auch geistliche Wurzeln haben.
Sie haben erfahren, dass in dieser ganzen Breite etwas bewegt werden muss. Mir ist in diesem Kreis aufgegangen, dass missionarisch auch eine gewisse – versteht mich recht – Weltläufigkeit notwendig sein kann. Jemand sollte bis hin zum Anziehen ein bisschen Pfiff haben, bis hin zum Wagen, den er fährt. Natürlich bin ich auch für einen einfachen Lebensstil, aber es darf nichts Verhocktes sein.
Wenn wir einen schlechten Eindruck hinterlassen, sind wir für viele Leute einfach „out of discussion“. Deshalb bedaure ich, dass ihr alle so schön angezogen seid, während bei unseren Pfarren, die ich besuche, wenn ich in den Pfarrkonvent komme, Normalanzug und Pullover getragen werden. Wenn Geburtstagsbesuche gemacht werden, kommt vorher der Bürgermeister mit Krawatte und der Sparkassenmitarbeiter mit einer Flasche Wein gut gekleidet. Der Pfarrer hingegen kommt mit Birkenstock oder ähnlichem und Jeans.
Nichts gegen Birkenstock; das ist sicher sehr schön und gesund. Aber zum Missionarischen gehört auch, dass man mindestens so gekleidet ist wie der mittlere Angestellte einer kleinstädtischen Sparkasse – mit Rücksicht auf den Kunden. Wir müssen uns überlegen: Der Kunde, um den wir werben, muss uns so viel wert sein, dass er nicht schon all seine Seelenkraft aufbringen muss, um unsere komische Frisur oder Brille zu ertragen, sondern dass wir auf ihn zugehen.
Die Kraft des Gebets als Ausstrahlung
Äußerliche Dinge werden an dieser Stelle erwähnt. Missional ausgerichtete Australier bringen ein letztes Beispiel ein.
Ich habe vorhin den Six Karl Kapf erwähnt, dessen Hauptthema das Gebet war. Dieses Thema prägte sein ganzes Leben. Als er in Tübingen Repetent war und am Fenster stand, sagten die Studenten: "Du brauchst dir gar nicht die Mühe machen, 'Grüß Gott' zu sagen. Er sieht dich doch nicht, er betet gerade."
Kapf war ein Mann, der sehr viele Briefe aus ganz Württemberg erhielt, in denen man ihn bat, Fürbitte zu tun. Wenn er von seinen vielen Hausbesuchen durch die Stuttgarter Straßen ging, sagten die Leute auch: "Man braucht ihm gar nicht guten Tag zu sagen, er grüßt nicht zurück." Denn er brachte all das, was er bei den Besuchen erlebt hatte, im Gebet vor Gott.
Er war ein großer Beter. Eine besondere Würde, die er hatte, drückte er einmal selbst in einer Predigt aus: Was für eine Ehre wäre es, wenn ein Mensch die Gelegenheit hätte, zu jedem Zeitpunkt bei seinem König vorzureiten und Vorsprache halten zu dürfen? Dieses Vorrecht haben wir Christen im Gebet.
Schlussgedanken zur missionarischen Ausstrahlung
Ich habe mit der Geschichte von Freudenstadt begonnen. Es geht um missionarische Ausstrahlung. Man spürt sofort, ob wir nur reden oder wirklich mit dem Herrn verbunden sind.
Die größte Glaubwürdigkeit neben allem, wie guter Kleidung, Wohlbefinden und Heil, ist die Echtheit. Entscheidend ist, ob wir wirklich vom Herrn sprechen oder einfach nur sagen: „Mir ist wohl, mir ist wohl im Herrn.“
Herzlichen Dank.