Einleitung: Trost und Mut durch das Leben Josefs
Wie vielen Menschen hat dieses Lied schon Trost und Mut gegeben?
Es ist genauso wie bei dem Mann, der im Mittelpunkt unserer heutigen Predigt steht: Joseph. Er wird auf einen völlig schrecklichen Weg geführt – nicht vom Schicksal, sondern von Gott. Dieser Weg führt ihn hinunter in die Tiefe.
Wir lesen aus 1. Mose 39.
Josefs Erniedrigung und Gottes Begleitung
Josef wurde hinab nach Ägypten geführt und von Potiphar gekauft. Potiphar war ein ägyptischer Mann des Pharao Kemrach und Oberster der Leibwache. Das bedeutet eigentlich, dass er der Oberste der Scharfrichter war, also der Schlächter. Er war gleichzeitig verantwortlich für die Schlachthöfe, also sowohl für die Tierschlachtung als auch für die Menschenschlachtung. Zudem hatte er die oberste Gerichtsbarkeit und war für die Fleischversorgung auf dem Markt zuständig.
Potiphar kaufte Josef von den Ismailitern, die ihn nach Ägypten gebracht hatten. Der Herr war mit Josef, sodass er ein Mann wurde, dem alles gelang. Josef war im Haus seines Herrn, des Ägypters. Als sein Herr sah, dass der Herr mit ihm war und alles, was er tat, gelang, fand Josef Gnade vor seinem Herrn und wurde sein Diener.
Daraufhin setzte ihn sein Herr über sein ganzes Haus. Alles, was er hatte, legte er in Josefs Hände. Von der Zeit an, als er Josef über sein Haus und alle seine Güter gesetzt hatte, segnete der Herr das Haus des Ägypters um Josefs Willen. Es war lauter Segen des Herrn in allem, was er hatte, sowohl zu Hause als auch auf dem Feld.
Darum ließ der Ägypter alles, was er hatte, unter Josefs Händen und kümmerte sich um nichts, außer um das, was er aß und trank.
Versuchung und Widerstand
Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht. Es begab sich danach, dass die Frau seines Herrn ihre Augen auf Josef warf und sprach: „Lege dich zu mir!“
Er weigerte sich jedoch und antwortete ihr: „Siehe, mein Herr kümmert sich um nichts, was im Hause ist, denn alles, was er hat, hat er unter meine Hände getan. Er ist in diesem Hause nichts, nicht größer als ich, und er hat mir nichts vorenthalten außer dir, weil du seine Frau bist. Wie sollte ich denn nun ein solch großes Übeltun begehen und gegen Gott sündigen?“
Sie bedrängte Josef täglich mit solchen Worten, doch er gehorchte ihr nicht und legte sich nicht zu ihr.
Eines Tages begab es sich, dass Josef in das Haus ging, um seine Arbeit zu tun, und kein Mensch vom Gesinde des Hauses dabei war. Da ergriff sie ihn an seinem Kleid und sprach: „Lege dich zu mir!“
Aber er ließ das Kleid in ihrer Hand, floh und lief zum Haus hinaus.
Falsche Anschuldigung und Gefangenschaft
Als sie nun sah, dass er sein Kleid in ihrer Hand ließ und hinausflog, rief sie das Gesinde ihres Hauses und sprach zu ihnen: „Seht, er hat uns den hebräischen Mann hergebracht, damit er seinen Mutwillen mit uns treibe.“
Er kam zu mir herein und wollte sich zu mir legen. Aber ich rief mit lauter Stimme. Als er hörte, dass ich ein Geschrei machte und rief, ließ er sein Kleid bei mir und floh hinaus.
Sie legte sein Kleid neben sich, bis sein Herr heimkam. Dann sagte sie zu ihm dieselben Worte und sprach: „Der hebräische Knecht, den du uns hergebracht hast, kam zu mir herein und wollte seinen Mutwillen mit mir treiben. Als ich aber ein Geschrei machte und rief, ließ er sein Kleid bei mir und floh hinaus.“
Als sein Herr die Worte seiner Frau hörte, die sie ihm sagte, sprach er: „So hat ein Knecht an mir getan.“ Er wurde sehr zornig. Da nahm ihn sein Herr und legte ihn ins Gefängnis, in dem die Gefangenen des Königs waren. Dort lag er im Gefängnis.
Es war ein Wunder, dass dieser Oberst Schlechter ihn nicht abgeschlachtet hat.
Gottes Segen trotz Gefangenschaft
Aber der Herr war mit ihm, neigte die Herzen zu ihm und ließ ihn Gnade finden vor dem Amtmann über das Gefängnis. So gab der Amtmann ihm alle Gefangenen im Gefängnis unter seine Hand. Alles, was dort geschah, musste durch Joseph geschehen.
Der Amtmann über das Gefängnis kümmerte sich um nichts, denn der Herr war mit Joseph. Was er auch tat, der Herr gab ihm Erfolg.
Herr, zeige uns das Geheimnis eines glücklichen Lebens. Amen.
Das Streben nach wahrem Glück
In Kriminalromanen wird oft eine Spannung aufgebaut: Eine Gang stiehlt eine große Geldbeute und flieht mit den Geldsäcken. Doch wenn sie endlich in ihrem finsteren Versteck im Wald sind und die Säcke öffnen, finden sie nur Papier darin. Das führt zu Ärger.
So geht es uns manchmal im Leben, wenn wir dem großen Glück nachjagen. Jeder von uns hat ein Bild davon, wie das Glück im Leben eigentlich aussehen müsste. Man rennt ihm nach, reißt den Sack auf – und ist enttäuscht, weil nicht das herauskommt, was man erwartet hat.
Bei der Vorbereitung einer Predigt versuche ich immer, mich in Sie hineinzudenken. Dabei habe ich mir Gedanken gemacht und festgestellt: Es stimmt wohl, dass wir heute Morgen gar keine großen Ansprüche mehr haben. Was wir einst als große Erwartung oder großen Glückstraum hatten, hat sich oft nicht erfüllt.
Deshalb sind wir heute eher anspruchslos geworden. Wir haben nur noch kleine Wünsche und kleine Bitten, die erfüllt werden mögen. Das große Glück überlassen wir den Jungen, die noch mehr Ideen und mehr Spannkraft fürs Leben haben. Für uns ist zu viel zerbrochen.
Doch das Wort vom Glück finden Sie immer wieder in der Bibel. Jesus gebraucht es gleich zu Beginn der Bergpredigt mehrfach in seinen Seligpreisungen: „Glücklich ist der, der…“ Er beschreibt, wer glücklich wird und was in unserem Leben geschehen muss.
Sie dürfen sich nicht damit abfinden, dass es so ist, wie Sie es gerade empfinden. Sie müssen Glück haben – volles, erfülltes Glück.
Die Quelle des wahren Glücks: Beziehung zu Gott
Aber nun möchte ich denen, die beim letzten Mal nicht dabei waren, zur Wiederholung noch einmal etwas aus unserer ersten Predigt sagen. Wir haben herausgefunden, dass der Mensch so geschaffen ist, dass er sein Glück nur in einer ganz persönlichen und vertrauten Beziehung zum lebendigen Gott finden kann.
Man kann einen Menschen mit allen Gütern dieser Welt füllen, so wie man eine Kiste mit allen möglichen Gaben füllt. Doch das macht ihn nicht satt und nicht glücklich. Der Mensch findet letztlich nur Erfüllung und Glück in einer persönlichen Vertrauensbeziehung zum lebendigen Gott.
Ich denke, dass das jeder Ungläubige schon irgendwie spürt, dass da etwas Wahres dran ist. Schauen Sie sich zum Beispiel ein verliebtes Paar an: Wie sie sich anstrahlen! Wenn man sie fragt, ob sie Geld haben, sagen sie: „Das ist uns doch egal.“ Wenn man fragt, ob sie eine Wohnung haben, antworten sie: „Nein, aber das macht uns nichts, wir haben alles.“ Warum? Was haben sie denn? Sie haben in der persönlichen Beziehung ihre Erfüllung gefunden.
Natürlich wissen wir auch, dass diese menschliche Liebe Enttäuschungen mit sich bringen kann. Es gibt keinen Menschen, der in der irdischen Liebe die ganze Erfüllung für sein Leben findet. Der Mensch ist zwar zu einer wunderbaren Partnerschaft angelegt, zu einem viel größeren Bund. Dieser liegt aber in der vertrauten Glaubensverbindung mit dem lebendigen Gott.
Über diese Verbindung möchte ich heute sprechen. Darin liegt das ganze Glück des Lebens.
Glück in der Erniedrigung: Josefs Lebensweg
Die Bibel ist wunderbar. Wenn sie uns das nun entfaltet, zeigt sie uns das nicht an irgendwelchen großen Gestalten, die im Leben viel hatten, sondern an einem ganz Armen, zu kurz gekommenen Menschen. An einem, dem übel mitgespielt wurde – an Josef. Hier sieht man, wie man das ganze Lebensglück allein in Gott findet.
Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Ich beobachte das zuerst in der Erniedrigung. Dieses Glück, das man in Gott hat, erlebt man erst in der Erniedrigung. Josef war eine Zeit lang in seinem Leben auch sehr stolz gewesen. Er war das Muttersöhnchen seiner Eltern und wurde aus dem Geschwisterkreis herausgezogen und ganz einseitig hervorgehoben. Das ist schlimm, wenn Eltern Lieblingskinder haben.
Doch eines Tages zerbrach das auch im Leben Josefs. Sie warfen ihn in den Brunnen, rissen ihm die Kleider vom Leib und verkauften ihn wie einen Sklaven. Was seitdem geschah, liegt für uns im Dunkeln. Die Bibel überspringt, wie er von den ismailitischen Sklavenhändlern nach Ägypten gebracht wurde, wo man ihn nachts gefesselt ablegte.
Plötzlich bricht über dieses wunderbare Leben große Not herein. Hier haben wir einen Menschen, der doch eine Persönlichkeit war, degradiert und entwürdigt wurde – zu einem Nichts gemacht. Weniger als ein Stück Vieh. Erst in dieser Tiefe wird deutlich, wie das Glück allein in Gott liegt.
Wir können uns in solch eine Situation kaum hineinversetzen. Vielleicht ahnen es diejenigen, die jetzt unter uns sind und aus einer Arbeitsstelle hinausgeflogen sind, weil dort rationalisiert wurde und sie nicht mehr gebraucht wurden. Sie sagen: „Ich war ja nichts mehr wert.“ Dann ahnen sie ein Stück weit, was Josef damals bewegt hat, für den niemand mehr etwas herlegen wollte.
Wir können ganz klar sagen, dass auch Potiphar nicht viel bezahlt hat. Es wird nicht erzählt, dass man diesen Sklaven als Hauslehrer hätte benutzen können oder dass er sonst über besondere Begabungen verfügte. Er war einfach eine Arbeitskraft für den Hausbetrieb, ein Hirtenjunge, der aus Palästina kam. Die Ägypter redeten voller Verachtung von den Hebräern.
So wurde Josef verkauft – das war sein Lebensschicksal. Doch in dieser letzten Verlassenheit hatte Josef etwas, was viele Menschen unserer Welt nicht mehr haben, was viele Entrechtete nicht mehr haben: Der Herr war mit ihm, und der Herr ließ es ihm gelingen.
Es steht kein Wort darüber, dass Josef sein Heil versucht hätte, indem er gegen das System opponierte, das Menschen so knebelt. Das hätte ohnehin keinen Wert gehabt. Ganz anders wird es dargestellt: Das geringe und kleine Leben Josefs war erfüllt von einem hellen Schein.
Ich bin so froh, dass ich das heute predigen darf: Es gibt eine Wirkung Gottes bis in die äußeren Dinge unseres Lebens hinein. Josef war schön von Gestalt, und was er tat, ließ der Herr ihm gelingen. Die anderen, die freien Bürger, verblassten neben ihm.
Bibelkenner erinnern sich, dass sie so etwas Ähnliches schon einmal von Daniel gehört haben, der ebenfalls aus einem kriegsgeprägten Lager herausgeholt wurde. Das Glück des Lebens liegt darin, den lebendigen Gott hinter dem eigenen Leben zu haben. Er stattet uns aus und kann uns gebrauchen.
Da lebt ein Mensch an einem verlassenen Platz dieser Welt, wie der letzte Dreck. Doch Gott hat ihn nicht verlassen. Und auf einmal wird dieses stille Leben zu einem Leben, das ausstrahlt. Eines Tages sagt sogar der Chef Josefs: „Ich sehe, dass bei dir der Herr, der lebendige Gott, wirkt.“ Das sagt ein Heide, der von dem, was hier geschieht, beeindruckt ist.
Über diesem Leben Josefs schlingt sich eine ganze Kette von Segen. Die anderen haben daran Anteil. Wenn wir das heute Morgen begreifen könnten, wüssten wir: In der Erniedrigung unseres Lebens ist noch gar nichts Schlimmes passiert.
Wenn uns einer stößt, tritt, beleidigt oder schändet, ist das noch nicht schlimm. Schlimm wird es erst, wenn wir meinen, für unsere Ehre kämpfen zu müssen. Wenn ich den lebendigen Gott hinter mir habe, der mich hält, stützt und für mich eintritt, werden selbst Heiden in meiner Umgebung eines Tages aufschauen und fragen: „Was ist bloß mit ihm los?“
Man wird unentbehrlich für andere. Potiphar übergab Josef die Versorgung seines Hauses. Er gab ihm alles in die Hand. Josef durfte alles tun, was er hatte. Der Segen Gottes ging von Josef auf dieses Haus weiter.
Das hat Jesus gemeint, wenn er sagt, dass wir Segensträger in der Welt sind, dass wir hineingestellt sind wie Salz in der Welt. Alles läuft auf die eine Frage hinaus: Stehe ich jetzt in dieser Verbindung mit ihm?
Segen und Gehorsam als Voraussetzung
Das haben wir am letzten Sonntag deutlich gehört: Der Mensch ist nur auf Gott hin geschaffen und als Bild Gottes erschaffen. Nun wollen wir dies an einem besonders schweren Schicksal prüfen, um zu sehen, wie es in Wirklichkeit aussieht. Dabei zeigt sich, dass Gott auf eine für uns beschämende Weise erfüllt.
Ich möchte heute Morgen darum bitten, dafür zu sorgen, dass Sie ungehindert im Segen Gottes stehen. Solange wir mit Gott im Unfrieden leben und ihm ungehorsam sind, kann der Segen Gottes nicht fließen. Er wird blockiert. Unsere Kinder können nicht daran teilhaben, und auch unsere Freunde haben nichts davon.
Wir müssen zuerst den ungehinderten Segen Gottes durch unser Leben fließen lassen können. Das Zweite, was dann noch dazugehört, ist, dass dieser Segen Gottes in alle Bereiche unseres Lebens hineinmünden kann. Das bedeutet, dass ich meine Berufsarbeit in seinem Namen tue, meine Freizeitgestaltung, meine Gespräche und meine Hobbys ebenfalls in seinem Namen ausübe.
Hier darf ich den Segen Gottes leibhaftig spüren. Es wird anschaulich erzählt, wie alles von diesem großen Schenken Gottes überfließt.
Unverdiente Zuneigung inmitten von Verfolgung
Wir haben hier manchmal von der Kanzel gepredigt, wie selbstverständlich für einen Christen die Verfolgung im Namen Jesu und um des Namens Jesu willen ist, dass er geschmäht wird. Und jetzt haben wir heute so ein Wort.
Aber wir wollen wissen: Es gibt Zeiten, in denen uns Gott tatsächlich unverdiente Zuneigung von Menschen schenkt. Er lenkt die Herzen der Menschen. Und auch das steht da, dass sogar die anderen Menschen ihm freundlich gesinnt waren.
Genau das Gleiche lesen wir bei Jesus: Er nahm zu an Gnade bei Gott und den Menschen. Gott hat es gerne, dass wir nicht nur die Verpönten und die Verlachten sind, sondern dass wir auch über lange Zeit unseres Lebens hinweg in dieser Welt unverdiente Liebe und Freundlichkeit bekommen.
Diese Liebe, die uns von Menschen entgegengebracht wird, gehört eigentlich gar nicht uns. Es ist eine Liebe, die wir bekommen, weil Menschen den Segen Gottes über uns erfahren.
Wir sollten auch all die menschliche Zuneigung wieder dort zuordnen können, wo sie hingehört, nämlich zu Gott hin, der uns diesen Segen gegeben hat.
Versuchung und Standhaftigkeit
Das Zweite, das ich entfalten möchte, ist die Versuchung. Das Erste war die Erniedrigung.
Wir sehen nun Josef in einer zweiten Situation, nämlich in der Versuchung. Man versteht vieles besser aus dieser Geschichte, wenn man den hebräischen Text kennt. Dort steht, dass Potiphar ein Eunuch war, also ein Entmannter. Weil er damals am ägyptischen Hof lebte, gab es diese schrecklichen Bräuche.
So verstehen wir auch etwas von dieser Frau, die eine Scheinehe führt und der ein Lebensrecht verwehrt wird. Die Versuchungssituation wird dadurch viel klarer, wenn wir all das vor Augen haben. Die Frau Potiphar sagt ja: „Darf ich denn nicht diesen Menschen auch nehmen? Mir ist im Leben so viel versagt. Sind wir nicht von Gott einfach zusammengeführt? Dann ergibt sich das doch gleichsam so.“
Sie begehrt Josef nicht einfach als hebräischen Hirtenjungen, sondern als Segensträger. Er ist ihr so lieb geworden, weil in seiner Hand alles gelingt.
Als Christen tragen wir besonders eine schwere Versuchung, die weit über das Geschlechtliche hinausgeht. Die Welt um uns greift eines Tages nach uns und sagt: „Komm doch, wir zwei verbinden uns!“
Man könnte die ganze Kirchengeschichte durchgehen und würde die Versuchungsgeschichte Josephs durch die Frau Potiphar ganz neu sehen. Die letzten zweitausend Jahre waren eigentlich eine Zeit, in der entweder die Welt die Christen in den Arm nahm und sagte: „Wir zwei zusammen, komm, wir vermählen uns!“
Oder es gab Christen, die sagten: „Nein, wir können nicht verwischen, was uns trennt – Christengemeinde und Bürgergemeinde, Auftrag Jesu und Weltauftrag.“ Dann trennten sie sich, und daraus entstand eine furchtbare Feindschaft.
Ich bin überzeugt, dass heute alle Ideologien den Arm um uns legen würden und sagen: „Kommt doch, wir können euch alle brauchen, ihr Christen.“
Die innere Entscheidung in der Versuchung
Ich möchte den Text nun stärker auf unser persönliches Leben beziehen und sagen: Joseph gerät hier in eine Versuchungssituation, die sehr überzeugend ist. Er könnte in seinem Kopf denken: Warum eigentlich nicht? Ich nehme doch niemandem etwas weg. Diese Ehe ist ja sowieso keine richtige, die meine Herrin führt. Einmal ist kein Mal, warum also nicht? Jeder Mensch ist auf Lust gebaut, und ich habe doch mein Recht darauf.
Dann kommt jener verhängnisvolle Tag. Nicht nur, dass sie ihn lange bedrängt, Joseph war nicht das Bild an Keuschheit, das Sie sich vielleicht vorstellen. Das steht so nicht in der Bibel. Dort heißt es nicht, er habe sich etwas ausgedacht, sondern dass er sich weigerte. Ein innerer Kampf spielt sich in ihm ab. Er kann das kaum mehr ertragen, weil es ihn so belastet. Er muss mit sich ringen, um dieser Stimme überhaupt entkommen zu können.
Und dann kommt jener verhängnisvolle Tag. Ausgerechnet an diesem Tag ist niemand im Haus, der letzte Sklave ist weg. Ausgerechnet an diesem Tag funktioniert alles, alles läuft glatt. Und dann kommt sie so geschickt. Eigentlich könnte alles ablaufen.
Warum hat Joseph nicht eingewilligt? Was war sein Grund? Oft wird als Grund angegeben, dass Joseph seinen Herrn nicht so riskieren konnte. Tatsächlich ist das eine gemeine Sache. Manche sagen heute auch, ich darf ja in diese Ehe einbrechen, sie ist ja schon lange keine Ehe mehr. Dieses Argument wäre hier noch gültig, was Joseph nennt: „Ich kann mich nicht an meinem Herrn versündigen.“ Es ist eine Schufterei, den Schwächeren auszustechen. Je schwächer eine Ehe ist, desto gemeiner ist es, da hineinzubrechen.
Aber das war nicht Josephs letztes Argument. Es war nicht seine Keuschheit, die ihn hielt, nicht ein trotziges „Du kannst machen, was du willst, Frau Potiphar, mich kriegst du nicht herum.“ Nein, so steht Joseph gar nicht da. Als der Angefochtene sagt er nur: „Ich kann nicht gegen Gott sündigen.“ Das heißt: Ich kann mein Verhältnis zu Gott nicht zerstören, denn darin liegt mein ganzes Glück.
Das war es also. Joseph hatte, lange bevor die Gebote Gottes am Sinai verkündet wurden, ein Gefühl dafür, was ihn von Gott trennt. Dass es zu dieser Situation kam, war grässlich. Ein Bibelausleger sagt: Daran sieht man, wie gefährlich die Situation war. Gott ließ Joseph nur so weit in die Versuchung hinein, dass er in diesem Augenblick schier hemmungslos verloren gewesen wäre. So wie unser Herr Jesus in der Versuchung geführt wurde, wo es ganz nur noch um den einen Punkt geht: Gott mehr lieben als alles andere.
Wenn Sie mich fragen, wo das Lebensglück liegt, dann möchte ich sagen: Wir stehen nicht nur in der Erniedrigung, sondern auch in der Versuchungssituation. Da kommt eine Stimme zu uns und sagt: „Komm doch!“ Dann bietet sie uns das ganze Leben.
Woran sind Christen eigentlich gescheitert, wenn sie vom Glauben abgefallen sind? Nie an einer klaren Gebotsübertretung, zumindest nicht oft. Kaum haben sie es selbst bemerkt. Ganz selten hat sich jemand losgerissen, weil er sagte: „Ich will nicht mehr an Jesus glauben“ oder „Ich kann nicht mehr an Jesus glauben.“ Es war diese Versuchungssituation.
Dann habe ich nur noch ein Argument in meiner Hand: Jesus allein ist mir das Größte und er allein. Viele sagen, das kann ich doch vermischen. In diesen Augenblicken weiß ich, dass ich es nicht vermischen kann. Es geht hier um eine Trennung, um eine Scheidung, und das mitten durch unser Herz, unseren Willen und unser Gefühl.
Joseph kann sich nur noch losreißen. Er lässt sogar seinen Mantel zurück. Er kümmert sich nicht um Sitte und Anstand, nur darum, sein Leben zu retten. Ich kenne Christen, die zu klaren Entscheidungen in ihrem Leben gekommen sind und sich von manchem losgesagt haben, nur um ihr Leben zu retten.
In der Bibel steht nie, dass man entsagungsvoll leben muss. Aber Joseph weiß, wo seine Versuchung liegt. Er kann sich nur noch so, wie er ist, losreißen und fliehen, um sein Leben zu retten.
Wo liegt das Glück meines Lebens? In der Versuchungssituation, in einer ganz klaren Entscheidung. Wenn ich daran denke, wie viele Menschen heute hier in unserem Gottesdienst sitzen und wenn wir jetzt die Gelegenheit hätten, seelsorgerlich darüber zu reden, in den schweren Versuchungssituationen, in denen Sie stehen, dann darf ich nicht einmal die Unwahrheit gebrauchen. Ich würde manches in meinem Beruf lösen.
Auf der anderen Seite: Wie kann ich gegen Gott sündigen? Es geht um dein Leben. Das sind nur kleine Fragen, bei denen ich sage: Kann ich nicht einmal für kurze Zeit meinem Glauben untreu werden und nur hier einen kleinen Weg beschreiten, wenn ja so viele andere auch gegangen sind? Es geht nicht. Wenn man sein Glück verliert, das allein in Gott liegt.
Versuchungen der Welt und die klare Entscheidung
Nun werden Sie natürlich denken, dass auch mein heutiges Thema so gestellt war, wie es mein Glück liefert, im Blick auf die ganze Versuchung der Frau Potifer. Ich möchte dies nur am Rande berühren.
Das, was uns die Welt an Versuchungen bietet – sei es geschlechtlicher Art, materieller Art oder durch Schönheit und Reichtum –, ist in den Augen der Welt Betrug. Ein reicher Mann, der täglich herrlich lebt und sich an Freuden erfreut, zeigt, dass dies eine Lüge ist, die mich nicht erfüllt, mir nichts gibt und mich nicht satt macht.
In der Versuchungssituation hilft nur der eine Blick hin zu dem Herrn, dem ich gehöre. Dann heißt es, sich loszureißen und klare, klare Schnitte zu machen, loszusagen, damit man sein Leben rettet und es ihm allein eigen macht.
Jesus hat das Wort gesagt: Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt? Das wäre eine Sache, wenn man wirklich die ganze Welt gewinnen könnte. Aber niemand hat sie ganz gehabt – nicht einmal ein Preuße, nicht einmal ein Kater. Jesus sagt, wenn man die ganze Welt auf einen Satz hat und dabei Schaden an seiner Seele nimmt, ist man der Betrogene.
Das wollte ich allen jungen Menschen heute eindringlich mit auf den Weg geben: An kleinen Entscheidungen ihres täglichen Lebens fällt die größte Entscheidung, ob sie glücklich werden.
Und bei Joseph heißt es: Fliehe lieber, als dass du dein Glück verlierst.
Feindschaft und Verleumdung
Noch ein letzter Punkt in der Feindschaft: Er hatte in der Erniedrigung, in der Versuchung, in der Feindschaft zu leiden. Nun schlagen die Gefühle dieser Frau um. Die Bibel kann uns das so meisterhaft schildern. Wer die Bibel liest, hat das beste Aufklärungsbuch gelesen.
In dem Augenblick, in dem diese Frau sich verlassen fühlt, erstarrt bei ihr alles und wird bitter. Nun rächt sie sich – es ist ihre einzige Rettung, sich zu rächen. Hier läuft ja der Zeuge davon, der einzige Zeuge, den es von dieser Begegnung gibt. Deshalb muss sie jetzt vorgehen.
Dann nimmt sie den Mantel, den sie in der Hand hält, den Josef ihr heruntergerissen hat, und macht ihn zu einer Anklage gegen Josef. Sie ruft und sagt: „Da schaut her, da war er!“ Ein Jude natürlich – hier kommt der Antisemitismus zum Vorschein, der so alt ist wie die Erwählung Israels.
Dann ruft sie: „Kommt, der war’s!“ Eine gemeine Frau, die sogar vor den Sklaven andere Dinge ausspielt. Wer den biblischen Text genau beobachtet, merkt, dass sie zuerst bei den Sklaven sagt: „Da, der da, den mein Mann euch zum Chef hingesetzt hat.“
Sie spielt das noch aus und sagt, das war so ein Herrenmensch, der den Chefposten bei euch hatte. Damit weckt sie die Instinkte der Untergebenen – nicht die der Oberschicht, nicht die der Hochmütigen, die mit weißem Hemd herumlaufen. Sie weiß, dass sie damit bei den Sklaven weiterkommt.
Als ihr Mann kommt, sagt sie das nämlich nicht mehr. Dann sagt sie: „Du, weißt du, einer von denen ganz da unten, einer von den Sklaven.“ So spielt sie mit allen Gefühlen, die es gibt.
Leben in Feindschaft als Christ
Und sie fragen jetzt: Wo liegt eigentlich das Lebensglück? Ich muss es Ihnen an diesem Beispiel noch deutlich zeigen, dass ein Christenleben, wenn es konsequent für den Herrn gelebt wird, immer ein Leben in der Feindschaft ist.
Es ist heute schwierig für uns zu sagen, wo wir in unserer freien Zeit so viel Zuneigung bekommen, wo wir als Christen geschätzt und geliebt sind. Aber wenn dann Tage der Verachtung kommen, möchte ich Ihnen anbieten, dass Sie darauf vorbereitet sind.
Wir waren unserer Stuttgarter Zeitung sehr dankbar, dass sie gestern die Richtigstellung brachte. Am Freitagabend hatte ich nicht mehr damit gerechnet, dass diese Verunglimpfung unserer Evangelisation noch korrigiert werden könnte. Es ging um das Letzte in diesem Streit.
Wir wissen, dass wir in der Welt nicht darauf hoffen dürfen, Gerechtigkeit zu erfahren, selbst wenn wir das Recht für uns beanspruchen können und die Wahrheit auf unserer Seite ist. Es wird uns ein Mantel hingestreckt, mit der Behauptung, der Beweis sei doch da, dass wir diejenigen sind, die die Welt zerstören. Joseph kann nichts mehr sagen angesichts dieses erdrückenden Beweismaterials.
Schon seinem Vater haben sie einen Mantel hingelegt, der mit Blut befleckt war, und auch dieses Beweisstück war nicht echt. So manches Beweisstück, das im Lauf der Zeit vorgelegt wird, ist nicht echt, und es gibt keine Möglichkeit zur Rechtfertigung.
Ich verstehe den Weg, den Jesus uns zeigt: Er führt uns auf den Spuren, die er selbst zum Kreuz ging, der nicht widersprach und nicht schalt. Die Frage ist, ob wir überhaupt noch damit rechnen und ob wir unseren Brüdern treu bleiben, auch wenn andere Schimpf und Schande über sie ausgießen.
Joseph geht seinen Weg ganz ruhig weiter. Was das bedeutet? Er hat kein Solidaritätskomitee, das vor dem Gefängnis für ihn demonstriert. Er ist der einsamste und verlassenste Mensch dort, auch im Gefängnis.
Warum gab es diesen Hass? Weil er Nein gesagt hat. Und der ganze Hass, der Christen trifft, kommt immer an der Stelle, wo sie Nein sagen. Wenn Sie das in Ihrem Kopf einmal überprüfen, ob das stimmt, was ich Ihnen hier predige, dann erinnern Sie sich heute Nachmittag wieder daran, warum Christen Schmach erleiden, warum manche beschimpft werden und warum es das Schimpfwort „Pietist“ gibt.
Warum? Weil Christen Nein sagen: „Ich kann hier nicht mehr mit meinem Gewissen mitgehen.“ Dann bricht der Hass der Welt los. Christen sagen um ihres Glaubens willen Nein, dann stehen sie draußen, und die Welt lacht. Sie rotten sich zusammen und sagen: „Da habt ihr es doch!“
Es ist ja wunderbar, dass Joseph sein Glück hat.
Gottes Gegenwart im Gefängnis
Wenn ich nur dich habe, frage ich nichts nach Himmel und Erde. Auch wenn mir Leib und Seele verschmachten, bist du doch Gott. Du bist zu jeder Zeit der Trost meines Herzens und mein Teil.
Selbst die Segenskette reißt ab über dem Hause Potiphars. Doch daran hängt unser Glück nicht. Das Glück hängt allein an ihm, in der Verbindung mit dem lebendigen Gott.
Und so wandert Josef mit diesem Gott an diesen finsteren Ort, in das dunkle Gefängnis hinein, wo die Ratten durch die Zellen huschen. Dort ist nun der lebendige Gott eingekehrt.
Es ist wie eine Verwandlung der Welt: Was vorher eine düstere, schmutzige Zelle war, wird plötzlich zum Reich Gottes. Der Herr war mit ihm, und dort gibt es Verständigung.
Ich kann mir vorstellen, wie die Gefangenen mit den Aufsehern verkehrten und sich anbrüllten. Dann kommt Josef, und plötzlich entstehen menschliche Beziehungen. Es entsteht Vertrauen, und Menschen achten einander, denn der Herr war mit Josef. Was er tat, gelang ihm, denn der Herr gab ihm Glück.
Schlusswunsch und Gebet
Ich wünsche Ihnen zum Abschluss, dass Sie dies in Ihrem Leben entdecken: Ob Sie auf der Höhe stehen wie Joseph im Hause Potiphars, auf der höchsten Stellung mit großer Ehre bekleidet sind – das ist eine Gabe Gottes – oder ob Sie durch die Tiefe gehen, das Glück hängt letztlich nicht an diesen Gaben, die der Herr uns gibt.
Das Glück hängt allein in ihm. Wo ein Mensch ihn findet, hat er alles.
Lassen Sie uns beten: Lieber Vater, wir danken dir für die vielen Gaben, die du auch in unser Leben hineingelegt hast. Wir sind mit so vielen Gütern beschenkt. Heute Morgen möchten wir dir dafür danken: für unser Leben, unsere Gesundheit, Essen und Trinken, unsere Familien, aus denen wir kommen, unsere Wohnungen.
Diese Zeit des Friedens, in der wir leben, ist ein unverdientes Geschenk. Heute haben wir ganz neu begriffen, warum du uns das gibst. Herr, wir bitten dich: Lass diese Dinge uns nicht zur Versuchung werden. Gib uns immer diesen unbestechlichen Blick, damit wir dafür nicht die Glaubensbeziehung mit dir eintauschen.
Erhalte uns in der ganzen Einfalt, dass uns nichts lieber und größer wird als du allein. Lass es keine Trübung geben zwischen dir und uns im Gehorsam, in der Treue und in der Nachfolge.
Du kennst auch die unter uns, die gerade jetzt ganz stark angefochten sind. Wir wissen, dass du Versuchungen zulässt. Aber du kannst auch stärken und festmachen. Das bitten wir, dass das auch mit unserem Glauben geschieht. Lass uns Versuchungen durchschauen und erkennen, dass es leere Versprechungen sind, die uns nichts bieten können.
Bewahre auch deine Gemeinde in der ganzen Welt in dieser Einfalt bei dir – auch unsere Kirche, auch unsere Gemeinde. Lass uns nicht in der Zeit der offenen Türen die Welt gewinnen und unseren Auftrag verlieren.
Herr, gib uns immer wieder Warner und Mahner in unserer Mitte, die uns an das erinnern, was Not tut.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,
und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Wenn wir nun um den Segen Gottes bitten, erinnern wir uns daran, was bei Josef alles in diesen Segen eingeschlossen war: bis hinein in das Gelingen der Berufsarbeit, bis hin zu menschlichen Kontakten, die in einer ganz anderen Weise geschehen konnten, weil der Herr mit ihm war.
Das ist nicht nur ein Wunsch, sondern das will der Herr auf uns alle jetzt legen:
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Herr, hebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden!