Wir kommen nun zu Kapitel 17, nachdem wir gestern zum Abschluss noch Kapitel 16 in knappen Zügen besprochen haben.
Ich habe auch Kapitel 17 in drei Teile unterteilt. Dabei habe ich versucht zu zeigen, wie der Gedankengang eine gewisse Parallele zu Kapitel 16 aufweist. Offenbar gab es dort Mangel und Versorgung, dann Abhängigkeit und Genüge sowie ein Gedächtnis der Fürsorge.
Im Kapitel 17 finden wir ebenfalls einen Mangel – Durst – und dieser Durst wird gestillt. Es geht um Durst und Tränke und dann wiederum um Abhängigkeit.
Im zweiten Teil, der Mose und Joshua betrifft, sehen wir Abhängigkeit und Sieg. Zum Schluss gibt es auch hier ein Gedächtnis, denn Gott sagt ausdrücklich, dass sie das, was hier geschah, in ein Gedächtnisbuch schreiben sollen. Außerdem sollen sie daraus lernen, was für die Zukunft folgt.
Durst und Gottes Versorgung im Lager Rephidim
Kapitel 17, Verse 1 bis 7: Durst und das Stillen des Durstes – Durst und Tränke.
Wir lesen diese sieben Verse gemeinsam:
Die ganze Gemeinde der Kinder Israel brach aus der Wüste Sin auf, gemäß dem Befehl des Herrn. Sie zogen weiter und lagerten sich zu Rephidim. Dort gab es kein Wasser zum Trinken für das Volk.
Das Volk haderte mit Mose und sprach: „Gebt uns Wasser, damit wir trinken können!“ Mose antwortete ihnen: „Warum hadert ihr mit mir? Was versucht ihr den Herrn?“
Das Volk dürstete an diesem Ort nach Wasser und murrte erneut gegen Mose: „Warum hast du uns aus Ägypten heraufgeführt? Um mich, meine Kinder und mein Vieh vor Durst sterben zu lassen?“
Mose schrie zum Herrn und sagte: „Was soll ich mit diesem Volk tun? Noch ein wenig, und sie steinigen mich!“
Da sprach der Herr zu Mose: „Gehe vor das Volk hin und nimm von den Ältesten Israels mit dir. Nimm auch den Stab, mit dem du den Strom geschlagen hast, in deine Hand und gehe hin. Siehe, ich werde selbst vor dir auf dem Felsen am Horeb stehen. Du sollst auf den Felsen schlagen, und es wird Wasser herauskommen, damit das Volk trinken kann.“
Mose tat so vor den Augen der Ältesten Israels und gab dem Ort den Namen Massa und Meriba. Das geschah wegen des Harderns der Kinder Israel und weil sie den Herrn versuchten, indem sie fragten, ob der Herr in ihrer Mitte sei oder nicht.
Dies war nicht das erste Mal, dass das Volk Mangel litt. Man müsste meinen, dass das Volk inzwischen gelernt hätte, still auf Gottes Führung und Versorgung zu hoffen und zu vertrauen. Doch es genügt eine einzige kleine Wolke, und der Blick zur Sonne ist verstellt.
Das können wir alle selbst beobachten.
Hier wird uns einmal mehr deutlich – und das möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben – dass das Volk einen Fürbitter braucht.
Es ist nicht das erste Mal, dass Mose betet, wenn das Volk in Not ist und unzufrieden wird. Schon in Kapitel 14 betete Mose, als sie am Schilfmeer standen. In Kapitel 15 betete er, als sie an den bitteren Wassern von Mara waren. Und auch hier in Kapitel 17 betet Mose wieder.
Bei all diesen Gelegenheiten, in Kapitel 14, ebenso hier in Kapitel 17 und auch in Kapitel 16, sehen wir, wie das Volk über Ägypten spricht. Zwar sagen sie nicht offen, dass sie lieber zurückkehren wollen, doch dieses Reden über Ägypten zeigt, dass sie denken, es wäre das Klügste, zurückzugehen.
Das bestätigt, was wir im Zusammenhang mit Kapitel 13 schon gesehen haben: In uns allen ist beständig dieses Ziehen zurück zur Sünde, weg von Gott, zurück ins alte Leben – in das Leben des Eigenwillens und nach unserem eigenen Willen.
Dieses Streben, weg von Gott und zurück ins Leben nach unserem eigenen Willen, muss durch Gottes Gnade überwunden werden.
Die Notwendigkeit eines Fürbitters und die Rolle Jesu Christi
Wir haben von verschiedenen Mitteln gesprochen, die Gott verwendet, um uns zu erziehen. Dabei soll das Ziehen weg von ihm überwunden werden.
Ein wichtiger Punkt, auf den wir jetzt unser Augenmerk richten wollen, ist, dass wir einen Fürbitter bei Gott brauchen. Hätte das Volk Israel nicht Mose als Fürbitter gehabt, wäre es jämmerlich zugrunde gegangen. Und hätten wir nicht einen Fürbitter bei Gott, der sich für uns einsetzt, würden wir auf dem Weg liegen bleiben oder zur Sünde zurückkehren. So würden wir das Ziel niemals erreichen.
Das Neue Testament spricht davon, dass der Herr Jesus Christus unser himmlischer Hoherpriester ist. Vielleicht ist es euch nicht so gegangen wie mir. Mir ging es auf jeden Fall so, dass ich lange nichts mit dem Hohenpriester anfangen konnte. Ich wusste gar nicht recht, was das soll und wozu das gut sein soll. Ich konnte wirklich nichts damit anfangen.
Bald habe ich verstanden, dass Jesus Christus unser Stellvertreter im Gericht ist, unser Retter und auch unser Mittler. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott. Aber ein Hoherpriester? Der Hebräerbrief spricht von Versuchung, Anfechtung und Anfeindung. Er sagt, dass das Volk Gottes einen Hohenpriester hat und dass es diesem Hohenpriester das Bestehen im Stand der Errettung verdankt. Er sorgt durch seinen Dienst dafür, dass das Volk Gottes erhalten bleibt.
Hebräer 7,25 sagt: „Daher vermag er auch völlig zu retten, das heißt hindurch zu retten, hindurch zu retten durch eine Welt der Versuchungen und der Schwierigkeiten.“ Er vermag also völlig zu retten, indem er immer lebt, um sich für sie einzusetzen.
Lassen wir uns nun eine Stelle aus dem Lukasevangelium ansehen, auf die ich gestern nur flüchtig hingewiesen habe. Lukas 22,31-32: „Der Herr aber sprach zu Simon: Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du einst umkehrst, stärke deine Brüder.“
An dem, was Petrus hier erfährt, und an dem, was der Herr zu Petrus sagt, können wir verstehen, was der hohe priesterliche Dienst, seine Fürbitte für uns, bewirkt und warum sie notwendig ist.
Petrus musste wissen, dass der Herr ihn auch nach seinem Fall und schändlichen Versagen nicht verstoßen würde. Der Herr kündigte ihm an: „Du wirst fallen, du wirst rauchen, Petrus.“ Aber er sagte auch: „Ich habe für dich gebetet.“ Wofür hat er gebetet? Dass Petrus’ Glaube nicht aufhört.
Das ist der wahre Grund, warum Petrus nicht wie Judas endet. Judas ging hin und erhängte sich. Er hatte keinen Hohenpriester, der sich für ihn einsetzte. Petrus aber hatte einen Hohenpriester, der für ihn betete. Und das ist der Grund, warum auch bei uns der Glaube nicht aufhört.
Der Hohepriester betet für die Heiligen, für sein Volk, für die Seelen, die der Vater ihm gegeben und anvertraut hat. Im Johannes 17, dem Hohepriesterlichen Gebet, bittet Jesus darum, dass Gott sie bewahre in der Welt – nicht aus der Welt nehme, sondern in der Welt bewahre, hindurchtrage und vollende, damit sie am Ende dort sind, wo er ist und seine Herrlichkeit schauen.
Wir verdanken seiner Fürbitte, dass wir im Stand der Errettung bleiben. Der Glaube würde bei uns aufhören und aussetzen, denn wir haben nicht die Kraft und Fähigkeit, den Glauben selbst zu erneuern und am Leben zu halten.
Gottes Wort, Gottes Geist und die Fürbitte unseres Hohenpriesters sind es, die den Glauben in uns am Leben erhalten und beständig nähren.
Das Bild des brennenden Feuers und die Kraft der Fürbitte
Ihr kennt wahrscheinlich die Pilgerreise von John Bunyan. Er hat sie teilweise in wirklich genialer Weise dargestellt. Vielleicht erinnert ihr euch an das Haus des Auslegers, wo der Pilger in verschiedene Kammern geführt wird. Dort werden ihm verschiedene Dinge anhand von Personen demonstriert.
In einem Zimmer findet sich ein Feuer. Ein Kamel steht dort mit einem Feuer, und jemand schüttet immer wieder Wasser darauf. Obwohl ständig Wasser auf das Feuer gegossen wird, brennt es trotzdem weiter. Es scheint zu erlöschen, aber es flammt immer wieder auf. Der Pilger kann das nicht begreifen und fragt sich, wie das möglich ist.
Später wird er vom Ausleger hinter eine Mauer geführt. Dort sieht er jemanden, der beständig Öl nachgießt. Genau deshalb brennt das Feuer unaufhörlich weiter. So versuchen die Welt und der Satan beständig, den Glauben zu ersticken und zu löschen. Doch da ist jemand, der dafür sorgt, dass der Glaube nicht aufhört zu brennen.
Dieser Jemand ist der Herr selbst. So erklärt der Ausleger dem Pilger die Sache, warum das Feuer nicht erlischt. Das Feuer hätte längst erlöschen müssen. Dass wir in einer Welt der Sünde glauben können, obwohl wir selbst von Natur Sünder sind, ist ein Wunder der Gnade Gottes.
Er sorgt für die Seinen. So ruft Mose zum Herrn, der für dieses Volk sorgt. Dadurch bleibt das Volk erhalten in der Beziehung zu seinem Gott.
Murren als Ausdruck von Undankbarkeit und Gottes Antwort in Gnade
Aber lassen Sie uns hier noch einige Dinge auf uns selbst anwenden.
Die Kinder Israel murren und hadern mit Mose. Das ist sehr naheliegend und entspricht dem, was sie meistens tun. Wenn etwas nicht nach Wunsch läuft oder wir nicht bekommen, was wir brauchen, sei es in der Gemeinde oder anderswo, ist das Erste, was viele tun, die Verantwortlichen anzuklagen. Man denkt: Was fällt denen eigentlich ein? Da mangelt es doch, da müsste längst etwas geändert sein. Das stimmt doch hinten und vorne nicht. Oder am Arbeitsplatz schimpft man über den Arbeitgeber und ist empört: Was fällt dem eigentlich ein?
Mose antwortet hier: Was hat das mit dem Herrn zu tun? Wer sind wir? Wenn wir uns gegen die Umstände auflehnen, sehen wir meist nur die Umstände. Dann suchen wir Schuldige, klagen sie an und merken nicht, dass wir uns damit gegen Gottes Fügung und Leitung auflehnen.
Ich sage damit nicht, dass wir alles einfach hinnehmen und nichts hinterfragen sollen. Aber ich spreche von der Haltung, die sofort reklamieren will und Schuldige sucht, dabei aber vergisst, dass der Herr alles lenkt und zulässt. Alles geschieht in seiner Hand. Deshalb sollten wir uns zuerst beugen, annehmen, was ist, uns demütigen. Dann kann es sein, dass der Herr weiterführt und zeigt, wo etwas geändert werden muss. Aber das muss vom Herrn ausgehen.
So hadern sie gegen Gott. Und Gott hört unser Murren. Er hört es, auch wenn die Geschwister es nicht hören. Manchmal murren wir auch nur in uns hinein oder machen die Faust im Sack, sodass niemand sie sieht. Aber auch unser stummes Murren hört Gott. In seinen Augen ist es so laut, als würden wir es laut schreien.
Murren ist eine ganz üble und böse Sache. Es ist ein Kennzeichen der Gottlosen. Wenn das Volk Gottes murrt, benimmt es sich wie gottlos. Judas spricht von solchen, die unzufrieden sind und nur murren – das sind Gottlose. In Judas 15-16 steht: Der Herr wird kommen, um Gericht auszuführen und alle Gottlosen wegen ihrer gottlosen Werke und harten Worte zu überführen. Diese sind murrende Menschen mit ihrem losen Wandel; das ist ein Kennzeichen der Gottlosen.
Das ist keine Kleinigkeit. Doch schon in Kapitel 16 sehen wir, dass Gottes Antwort auf das Murren wiederum Gnade ist. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir die Gnade Gottes zum Anlass nehmen, uns gehen zu lassen. Dass wir die Gnade Gottes zur Ausrede für Nachlässigkeit machen.
Manche hatten Sorge, dass Christen, wenn sie hören, dass die Errettung aus Gnade geschieht und ein Werk Gottes ist, deshalb glauben, die Errettung sei vollendet, vollkommen und sicher, sich gehen lassen und gegenüber der Sünde gleichgültig werden. Daher dachten manche, die Sache der Errettung müsse man gewissermaßen absichern – mit Drohungen: Wenn du sündigst, verstößt dich Gott doch.
Nein, es gibt nichts, das uns in der Gottesfurcht erhalten kann, außer der Gnade Gottes. Das ist das Mittel, das Gott verwendet. Ja, das ist die einzige wirkliche Kraft zur Heiligkeit: die Gnade.
Im Gebet wurde das vorhin zum Ausdruck gebracht: Was ist es, das uns befestigt? Es ist die Gnade, die in unseren Herzen wirkt – nicht Gebote, nicht Satzungen, sondern wirklich die Gnade. Deshalb müssen wir darauf achten, die Gnade richtig zu verstehen und sie in unseren Herzen regieren zu lassen.
Die Bedeutung der Gnade für Errettung und Heiligung
Paulus sagt im Titusbrief, Kapitel 2, Verse 11 und 12: Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen. Sie unterweist uns und nimmt uns in Zucht. So kann man das vielleicht sogar übersetzen. Das griechische Wort „paideio“ bezeichnet genau das, was man mit einem ungezogenen Knaben tut: ihn erziehen, aber auch züchtigen. Die Gnade Gottes erzieht uns, die Gnade züchtigt uns.
Dann sagt Paulus im Römerbrief, Kapitel 6: Die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. (Römer 6,14) Wenn uns deutlich wird, dass die Errettung ein Werk der Gnade ist, und wenn wir begreifen, dass Gnade bedeutet, dass alles von Gott ausgeht, dann verstehen wir auch, dass wir über die Gnade nicht verfügen können. Wir haben sie nicht in unserer Hand.
Der Mensch kann nicht einfach wählen und sagen: „Ich will ab heute glauben.“ Wir können gar nicht einfach glauben. Der Mensch kann nicht entscheiden: „Ich nehme Gottes Gnade an.“ Das können wir nicht aus eigener Kraft. Wir sind darauf angewiesen, dass Gott sich uns in seiner Gnade zuwendet und unser Herz ihm zuneigt. Wir sind völlig auf ihn angewiesen.
Wir sind in Gottes Hand, nicht Gott in unserer Hand. Auch die Heilsgewissheit liegt nicht in unserer Hand. Man kann versuchen, sich mit Bibelstellen und Argumenten selbst Heilsgewissheit einzureden, aber das hält nicht. Es ist Gottes Geist, der uns Heilsgewissheit gibt. Wir sind wirklich auf Gott, auf sein Wirken und auf seine Gnade angewiesen.
Daraus lerne ich Folgendes: Ich muss mich Gott bedingungslos unterwerfen, denn ich bin in seiner Hand. Ich kann nicht über ihn verfügen, aber er verfügt über mich. So lehrt mich Gottes Gnade, Gott zu fürchten.
Gottes Vergebung als Grund zur Gottesfurcht
Der Psalm 130 sagt in Vers 4: „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet wirst.“
Jemand, der meint, „Ja, Gott vergibt, also müssen wir es nicht so ernst nehmen mit Gottes Heiligkeit und mit der Sünde“, hat Gottes Gnade nicht verstanden. Von einem solchen Menschen müssen wir befürchten, dass er ein Gottloser ist und nicht ein Heiliger.
Ein Heiliger fürchtet Gott gerade deshalb, weil nur Gott die Macht hat zu vergeben. „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet wirst.“
Ich habe das einmal so verglichen, um es besser zu verdeutlichen: Angenommen, du hättest Aids. Es gibt einen Arzt, der diese Krankheit heilen kann, der das Heilmittel besitzt. Ich bin mir ganz sicher, du würdest dich hüten, diesen einen, der als Einziger dich davon heilen kann, zu ärgern. Stattdessen würdest du dich bemühen, dich anständig zu verhalten. Du würdest ihn nicht herausfordern oder ärgern, damit er dir nicht sagt: „Da sind genug andere, die gern geheilt werden. Wenn du so dumm bist, dann bitte sie selbst.“
Gott ist der Einzige, der uns von der Sünde befreien kann, der Einzige, der die Macht hat, Sünden zu vergeben. Das lehrt mich, diesen Gott zu fürchten.
Jesus hat das den Jüngern gelehrt: „Fürchtet nicht die Menschen, fürchtet nicht die, die euren Leib töten können, aber die Seele nicht antasten können. Fürchtet aber den, der eure Seele in der Hölle verderben kann.“ So spricht er zu den Jüngern.
Die Gnade Gottes und die Erkenntnis seiner Gnade demütigen uns mehr als alles andere, wie ich gestern schon sagte. Wenn wir erkennen, wie Gott auf unser Murren, unseren Unglauben, unseren Trotz und unsere Sünde geantwortet hat, erfüllt uns das mit Demut.
Er hat seinen Sohn gegeben – das Manna ist ein Bild für die Gabe des Sohnes Gottes, der der Welt das Leben gibt. Hier sehen wir, dass Gott den Felsen geschlagen hat. Der Sohn musste gerichtet und geschlagen werden – wegen unserer sündigen Art und unserer Sünden.
Das demütigt uns außerordentlich, dass Gott so auf die Sünde geantwortet hat.
Gottes Gnade trotz Israels Sünde im Buch Hesekiel
Ich bin gerade dabei, den Propheten Hesekiel zu lesen. Das ist wirklich ein Brocken. Ich bin immer noch am Kauen und Verdauen und habe noch immer ein ungutes Gefühl dabei im Magen. Ich bin noch lange nicht fertig damit.
Doch etwas, das mich an diesem Propheten beeindruckt hat, ist, wie Gott durch Hesekiel – nachdem er durch ihn wahrscheinlich die Gräuel, die Israel begangen hat, deutlicher vor Augen stellt als irgendein anderer Prophet – immer wieder ganz unvermittelt spricht. Wirklich unvermittelt, nachdem Gott das Volk überführt hat, ihrer Gräuel und Sünden, und auch von den Folgen dieser Sünde gesprochen hat: vom Gericht und von der Zerstreuung.
Dann, ganz unvermittelt und ohne Ankündigung, redet Gott davon, dass er das Volk sammeln, ihm Gutes tun und es in das Land zurückbringen wird. Dabei heißt es auch, dass sie sich ihrer Missetaten schämen werden, wenn Gott ihnen Gutes tut. Ein Beispiel dafür findet sich in Hesekiel Kapitel 16.
Hesekiel 16 ist jenes Kapitel, in dem der Herr in einer so eindringlichen und wirklich unsere Herzen ergreifenden Weise beschreibt, wie er Israel gefunden hat. Israel lag im Blut, und Gott ging vorüber und sprach von Liebe. Er nahm Israel auf wie ein Kind, das ausgesetzt im Blut liegt, wusch es und ging später, nachdem Israel herangewachsen war und zu einer jungen, schönen Frau geworden war, mit ihr einen Ehebund ein.
Diese Vergleiche verwendet der Herr. Danach spricht er davon, wie Israel zur Hure wurde. Das ist furchtbar, furchtbar! Am Ende dieses Kapitels, in Vers 60, steht dann ganz unvermittelt: „Doch ich will meines Bundes mit dir gedenken in den Tagen deiner Jugend. Damals hatte ich dich erwählt und dir Verheißungen gegeben.“
Hier kommt Gott auf seine Gnade zurück. „Ich will meines Bundes mit dir gedenken in den Tagen deiner Jugend. Ich will dir einen ewigen Bund errichten.“ Weiter heißt es: „Du wirst deiner Wege gedenken und dich schämen.“ In Vers 62 steht: „Ich werde meinen Bund mit dir errichten, und du wirst wissen, dass ich der Herr bin, auf dass du eingedenk seiest und dich schämest.“
Diese Abfolge der Gedanken kommt mehrmals im Propheten Hesekiel vor: Gott antwortet mit Gnade. Wenn das Volk geschlagen wird, fließt Wasser, und das Volk trinkt.
Die nächste Prüfung: Kampf gegen Amalek als Zeichen geistlicher Reife
Nun all das geschieht zur Erziehung des Volkes. Wir bekommen jetzt einen Eindruck davon, dass das Volk seit dem Auszug aus Ägypten gewachsen ist – gewachsen in der Gnade, im Glauben und in der Fähigkeit, Verantwortung zu tragen.
Denn die nächste Episode zeigt uns, dass Gott diesem Volk nun die Konfrontation mit dem bewaffneten Feind zumutet. Ganz am Anfang hatten wir ja gelesen, dass Gott sie nicht auf dem kürzesten Weg durchs Philisterland führte, damit sie nicht den Streit säen und nach Ägypten zurückkehren. Damals wären sie überfordert gewesen.
Jetzt aber hat Gott sie geführt, und trotz mehrmaligem Versagen sind sie gewachsen. Denn jetzt kann Gott ihnen zumuten, dem bewaffneten Feind entgegenzutreten.
Kapitel 17, Vers 8 an: Und es kam Amalek und stritt wieder Israel in Rephidim. Mose sprach zu Joshua: „Erwähle uns Männer, und siehe, streite gegen Amalek.“ Morgen will ich auf dem Gipfel des Hügels stehen mit dem Stab Gottes in meiner Hand.
Joshua tat, wie Mose ihm gesagt hatte, um gegen Amalek zu streiten. Mose, Aaron und Hur stiegen auf den Gipfel des Hügels. Es geschah: Wenn Mose seine Hand erhob, hatte Israel die Oberhand. Wenn er seine Hand sinken ließ, hatte Amalek die Oberhand.
Die Hände Moses wurden schwer. Da nahmen sie einen Stein und legten ihn unter ihn, und er setzte sich darauf. Aaron und Hur unterstützten seine Hände, hier einer und dort einer. So blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging.
Joshua schlug Amalek und sein Volk nieder mit der Schärfe des Schwertes. Das ist eine direkte Begegnung mit dem Feind.
Ich habe hier hingeschrieben: Abhängigkeit und Sieg. Mose verkörpert die Abhängigkeit vom Herrn, Joshua den Kampf. In der Abhängigkeit vom Herrn allein können sie überwinden.
Das hatte Gott sie ja beständig lehren wollen: Abhängigkeit von ihm in allem. Ihm verdanken sie alles. Sie sind auf ihn angewiesen, beständig in ihrer Abhängigkeit von ihm. Das ist auch ihr Glück, die Quelle ihrer Kraft.
Ein bleibendes Gedächtnis an Gottes Hilfe im Kampf
Und dann ein Gedächtnis, Verse 14 bis 16, wiederum ein Gedächtnis wie in Kapitel 16.
Der Herr sprach zu Mose: Schreibe dies zum Gedächtnis in ein Buch und lege es in die Ohren Josuas. So soll das Gedächtnis Amaleks gänzlich unter dem Himmel ausgelöscht werden.
Mose baute einen Altar und gab ihm den Namen „Der Herr, mein Panier“. Er sprach: Wenn die Hand am Throne des Herrn ist, wird der Herr Amalek von Geschlecht zu Geschlecht bekämpfen.
Es wird also nicht aufhören, bis wir am Ziel unserer Reise sind. Bei dieser Episode müssen sie kämpfen, bis die Sonne unterging. Solange dieser Tag andauert, besteht diese Auseinandersetzung.
In der Abhängigkeit vom Herrn können wir getrost den Kampf kämpfen, im Wissen, dass wir mit ihm und durch ihn siegen.
Kapitel 18: Gemeinschaft durch Anbetung und Rechtsprechung
Zum Kapitel 18 weiß ich gar nicht viel zu sagen, denn ich verstehe dieses Kapitel nicht. Ich weiß nicht, welchen Stellenwert dieses Kapitel innerhalb der Entfaltung der Gedanken hat.
Ab Kapitel 19 scheint mir die Sache wieder klarer zu werden, doch mit Kapitel 18 kann ich nicht viel anfangen. Sicher hat es prophetische Bedeutung und so weiter. Aber wie es sich in die Abfolge der Gedanken über das Heil einfügt, das bleibt mir noch unklar.
Deshalb setze ich hier nur zwei Titel und sage dazu nicht viel mehr:
Kapitel 18, erstens Jetros Besuch – Gemeinschaft durch Anbetung, zweitens Jetros Rat – Gemeinschaft durch Rechtssprecher. Hier findet Gemeinschaft statt: gemeinsame Anbetung und Rechtsprechung. Ja.
Vorbereitung auf den Bundesschluss am Sinai
Und dann kommen wir zum Kapitel neunzehn, das wir gestern bereits gesehen haben. Wir haben jetzt die Kapitel dreizehn bis achtzehn miteinander gelesen. Man kann diese Abschnitte überschreiben mit: Gott führt sein Volk zu sich.
Dann folgt der Bundesschluss am Sinai. Gott führt das Volk zu sich, um dieses Volk in eine feste Beziehung zu ihm zu bringen.
In der nächsten Stunde werden wir uns mit dem Bundesschluss am Sinai beschäftigen.
Das Muster der Wohnung kann man als das Herz dieses Bundes bezeichnen. Dieses Volk soll in eine Beziehung zu Gott gebracht werden, weil Gott unter diesem Volk wohnen will.
Darauf folgt die Sünde des Volkes, die Gottes Absicht und Vorsatz nicht aufhebt, sondern hinausschiebt.
Anschließend wird beschrieben, wie Gottes Vorsatz verwirklicht wird: Die Wohnung Gottes wird aufgerichtet.
Ich werde das Thema noch einmal aufgreifen. Wer jetzt nicht alles abschreiben konnte, braucht sich keine Sorgen zu machen.
Der Bundesschluss am Sinai umfasst die Kapitel neunzehn bis vierundzwanzig. Ich habe diese acht Kapitel in verschiedene Teile gegliedert.
Jetzt wollen wir noch die Verse eins bis sechs lesen.
Die Absicht des Bundes: Gott führt sein Volk zu sich
Erstens: Die Absicht des Bundes – Kapitel 19, Verse 1 bis 6
Israel lagerte sich in der Wüste, gegenüber dem Berg. Mose stieg hinauf zu Gott, und der Herr rief ihn vom Berg und sprach: „So sollst du zum Hause Jakob sprechen und den Kindern Israel kundtun: Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch getragen habe auf Adlersflügeln und euch zu mir gebracht habe. Und nun, wenn ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern. Denn die ganze Erde ist mein, und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein. Das sind die Worte, die du zu den Kindern Israel reden sollst.“
Die Absicht des Bundes wird hier in knappen Worten zusammengefasst. Zunächst können wir sagen, dass Gott dieses Volk aus Ägypten errettet hat. Er hat es erlöst durch das Blut des Lammes, um es zu sich zu führen. „Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch getragen habe auf Adlersflügeln und euch zu mir gebracht habe.“
Darum geht es auch beim Evangelium. Das Evangelium ist die Kraft Gottes zur Errettung. Errettung bedeutet, dass wir zu Gott gebracht werden. Mit allem, was „zu Gott gebracht werden“ heißt, ist gemeint, dass wir vom Eigenwillen befreit werden und Gottes Willen unterworfen sind. Zu Gott gebracht werden heißt, fortan ihm zu leben.
Zu Gott gebracht werden, in Gottes Gegenwart treten, heißt auch „ein Priester sein“. Denn das ist ein Priester – eine ganz einfache Umschreibung dessen, was ein Priester ist. Diejenigen, die den katholischen Glauben gegen das Leben und den Herrn bezeugen, ist es wichtig, dass sie einem Katholiken sagen können, was ein Priester ist. Ein Priester ist jemand, der in Gottes Gegenwart treten kann und darf – ganz einfach.
Vielleicht braucht dieser Begriff ein bisschen Schonung, etwas Abkühlung. Und wir sind zu Priestern gemacht worden. Das heißt, Gott hat uns erlöst, damit wir zu ihm gebracht werden und in seine Gegenwart treten können.
1. Petrus 3,18: „Denn Christus hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe.“
Darum geht es beim Evangelium: dass wir zu Gott geführt werden. Und da ist alles eingeschlossen, was Gott an Segnungen für uns bereitet hat – zu Gott geführt zu werden. Es geht nicht um den Menschen, nicht um die Bedürfnisse des Menschen, nicht um die Wünsche und Vorstellungen des Menschen. Es geht um Gott.
Wir müssen zu Gott gebracht werden, um fortan ihn zu nehmen. Damit wir in wachsendem Maß wollen, was Gott für uns will, führt und erzieht er uns auf dem Weg. Er hat Israel so geführt, wie er dieses Volk geführt und erzogen hat, damit die Sehnsucht in diesem Volk wuchs und immer größer wurde, Gott zu sein. Ägypten wurde immer unwichtiger, und das Eigene wurde immer unwichtiger, bei Gott zu sein.
Am Ende des Weges, wenn der Herr uns durch diese Zeit geführt hat, dann werden wir reif sein. Dann werden wir nirgends so gern sein wollen wie bei ihm – es sei denn, wir haben dem Herrn die ganze Zeit getrotzt und ihn widerstrebt. Aber wer das tut, da müssen wir uns ohnehin fragen, ob er überhaupt dem Herrn gehört.
Denn wer dem Herrn gehört, den wird der Herr so führen und erziehen, dass in ihm dieser Wunsch und dieses Verlangen wächst, zu sein, wo Gott ist.
Zeugnis eines tiefen Verlangens nach Gottes Gegenwart
Ich habe erst gestern Abend ein sehr bewegendes Zeugnis von einer jungen Frau gehört, einer relativ jungen Frau, die große Not durchgemacht hat. Ihr Mann war mit 41 Jahren gestorben, und kurz nach seinem Tod starb auch ihr jüngstes Kind, ein Säugling.
Diese junge Frau, Esther Bör, geborene Edwards, eine Tochter von Jonathan Edwards, schrieb ihrem Vater am 2. November 1757 einen Brief. Darin heißt es: "I dedicate myself and my children to God with my whole heart." Das bedeutet: Ich habe mich selbst und die Kinder mit meinem ganzen Herzen Gott übergeben.
Einige Tage später, an einem Abend, als sie über die Herrlichkeit sprach, in die ihr Ehemann eingegangen war, wurde ihre Seele von einem so starken Verlangen nach jener Herrlichkeit erfüllt, dass sie aufstehen und sich von ihrer Familie entfernen musste, um ihre Freude zu verbergen.
Als sie allein war, wurde ihre Seele von einem so heftigen Verlangen nach Vollkommenheit und nach dem vollen Genuss Gottes erfüllt, um ihm dort ohne Unterlass zu dienen, dass sie dachte, ihre Natur könne das nicht mehr ertragen. Dieses Verlangen, bei Gott zu sein, war überwältigend.
Solche Erfahrungen sind natürlich außergewöhnlich, aber genau das will Gott in uns wecken. Durch seine Erziehungswege möchte er, dass unser Verlangen wächst, dort zu sein, wo er ist. Dass wir nur noch eines wollen: in seiner Gegenwart sein, für ihn da sein und ihm ohne Unterlass dienen.
Wir können uns wirklich fragen: Ist das ein Gedanke, der uns überhaupt ab und zu kommt? Oder ist das für uns etwas ganz Fremdes oder Entferntes? Es sollte nicht so sein. Es sollte eigentlich normal sein, dass dieses Verlangen in uns wächst und wir genau das wollen.
In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich immer wieder in kurzen Abschnitten in den Tagebüchern von David Brainerd gelesen. Er war ein Zeitgenosse von Jonathan Edwards, und in diesem Buch wird auch einiges über ihn berichtet.
David Brainerd starb als ziemlich junger Mann, ich glaube, er war 37 oder 38 Jahre alt und starb an Tuberkulose. Immer wieder kommt in seinen Tagebüchern dieses eine verzehrende Verlangen zum Ausdruck, dort zu sein, wo der Herr ist, um ihm ohne Unterlass dienen zu können – nur für ihn da zu sein.
Dieses Verlangen gab ihm auch die Leidenschaft, diesen Gott unter den Indianern bekannt zu machen. Davon ging alles aus: von dieser Leidenschaft nach Gott.
So sagt der Herr hier seinem Volk: Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch getragen habe auf Adlers Flügeln und euch so zu mir gebracht habe. Die ganze Fürsorge, die ganze Führung, alles Tragen hatte das Ziel, euch zu mir zu bringen – um bei mir zu sein.
Gut, dann machen wir hier eine Pause und fahren nach der Pause fort.