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Der Scheidebrief – Teil 2

Jesu Leben und Lehre, Teil 198/653
02.01.2023Matthäus 5,31
SERIE - Teil 198 / 653Jesu Leben und Lehre

Einführung in das Thema Scheidebrief und Scheidung zur Zeit Jesu

Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.

Episode 197: Der Scheidebrief, Teil zwei.

In der letzten Episode sind wir in das Thema Scheidebrief eingestiegen. Dabei ging es im Wesentlichen darum, dass zur Zeit Jesu aus einem Text in 5. Mose 24 ein Recht auf Scheidung abgeleitet wurde.

Das Problem lag dabei nicht so sehr in der Scheidung an sich. Wir werden sehen, dass auch der Herr Jesus einen legitimen Scheidungsgrund nennt. Eine Scheidung ist grundsätzlich möglich.

Das Problem bestand vielmehr in der Annahme, dass für eine vor Gott gültige Scheidung nicht mehr nötig sei als ein Scheidebrief. Ein Mann, der keine Lust mehr auf seine Frau hat, gibt ihr einen Scheidebrief, beendet damit die Ehe, und in den Augen der Rabbis ist alles in Ordnung.

Analyse des Scheidebriefs in 5. Mose 24, Verse 1-4

Begründung zu 5. Mose 24, Verse 1-4

Da das Thema Scheidebrief nur selten in Predigten behandelt wird, möchte ich gerne noch einmal den fünften Mose, Kapitel 24, betrachten.

Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet, und es geschieht, dass sie keine Gunst mehr in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr entdeckt hat, schreibt er ihr einen Scheidebrief. Diesen gibt er ihr in die Hand und entlässt sie aus seinem Haus.

Die Frau zieht aus seinem Haus aus und wird die Frau eines anderen Mannes. Wenn auch der andere Mann sie hasst, ihr ebenfalls einen Scheidebrief schreibt, ihr diesen in die Hand gibt und sie aus seinem Haus entlässt, oder wenn der andere Mann stirbt, der sie geheiratet hat, dann kann ihr erster Mann sie nicht wieder zur Frau nehmen.

Er darf sie nicht mehr zur Frau nehmen, nachdem sie unrein geworden ist. Denn dies ist ein Gräuel vor dem Herrn. Du sollst das Land, das der Herr, dein Gott, dir als Erbteil gibt, nicht zur Sünde verführen.

Gestern haben wir uns mit dem Begriff des Anstößigen beschäftigt. Jetzt wollen wir klären, was damit gemeint ist, dass sie unrein geworden ist.

Bedeutung von Unreinheit im Kontext der Scheidung

 5. Mose 24,4: Dann kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wiedernehmen, damit sie seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist.

Im Alten Testament wird zwischen zwei Arten von Unreinheit unterschieden. Zum einen gibt es die zeremonielle Unreinheit. Diese ist keine Sünde, erfordert aber, dass man sich absondert und ein Opfer bringt. Zum anderen gibt es die moralische Unreinheit, also die Sünde.

Da im Text keine Reinigungsvorschriften genannt werden, handelt es sich hier nicht um eine zeremonielle Unreinheit. Die moralische Unreinheit ist ebenfalls nicht eindeutig, denn sie wird nur im Hinblick auf die Wiederheirat mit dem ersten Mann relevant. Es geht also nicht um irgendeinen Mann, sondern ausschließlich um den Ehemann, der sie verstossen hat.

Nun wird es leider noch etwas komplizierter. Die Verbform von „unrein gemacht“ ist ein sogenanntes Hapaxlegomenon, das heißt, sie kommt nur an dieser Stelle vor. Das ist interessant, weil man bei der Übersetzung und Auslegung besonders vorsichtig sein muss.

Im Deutschen liest man leicht heraus, dass sich die Geschiedene durch die zweite Ehe selbst verunreinigt hat oder dass sie durch eine zweite Ehe verunreinigt worden ist. Doch Vorsicht! Hätte man das ausdrücken wollen, hätte es dafür eigene Verbformen gegeben, die hier aber nicht verwendet wurden. Es muss also eine andere Bedeutung gemeint sein.

Hinzu kommt, dass der Text die zweite Ehe überhaupt nicht verbietet. Sie kann also kaum der Grund für die Verunreinigung sein. Warum sollte Gott das Unausweichliche, nämlich eine zweite Ehe, nicht einfach verbieten, wenn er dagegen wäre?

Gesellschaftliche und theologische Bedeutung der Unreinheit nach der Scheidung

Wenn Gott kein Problem mit einer zweiten Ehe hat, wohl aber damit, dass eine Frau zu dem Mann zurückkehrt, der sie wegen etwas Anstößigem entlassen hat, dann ist das Unreingemacht ein Produkt der ersten Scheidung.

In dem Moment, in dem der erste Ehemann sie verstößt, macht er sie nämlich in den Augen der Gesellschaft unrein. Wenn er sich scheiden lässt, bleibt am Ende immer ein Makel an der Frau haften, egal wie nichtig der Scheidungsgrund in Wirklichkeit auch war.

Geht es bei dem Unreingemacht also um das, was der Ehemann mit der Frau in den Augen der Gesellschaft tut, dann bleibt die Frage, was genau dabei ein Gräuel für den Herrn ist. Es heißt ja in 5. Mose 24,4: „Dann kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wiedernehmen, dass sie seine Frau sei, nachdem sie unreingemacht worden ist. Denn ein Gräuel ist das vor dem Herrn, und du sollst das Land, das der Herr dein Gott dir als Erbteil gibt, nicht zur Sünde verführen.“

Worum geht es also bei dem Gräuel? Ich denke, es geht darum, dass ein Mann sich seiner Frau auf eine Weise entledigt, die sie in den Augen der Menschen unrein macht und sie fast wie eine Ehebrecherin erscheinen lässt. Es geht also um eine leichtfertige Scheidung.

Das und der Wunsch, sie wie ein Stück Besitz einfach zurückzuholen, wenn er wieder Lust auf sie hat, sind ein Gräuel vor Gott. Denn der Mann hat erstens mit seinem Verhalten seinen Ehebund gebrochen und setzt zweitens noch eins drauf, indem er seiner Frau erneut genau das versprechen will, was er schon beim ersten Mal nicht gehalten hat.

Zu allem Übel wäre das auch ein Akt der Verführung, weil es anderen Männern suggerieren könnte, sie könnten mit ihrer Frau umgehen, wie sie wollen, ohne Konsequenzen zu befürchten. Und genau das ist nicht akzeptabel.

Das zugrundeliegende Prinzip der kasuistischen Gesetzgebung

Wir haben es im Alten Testament mit einer sogenannten kasuistischen Gesetzgebung zu tun. Dabei wird an einem Kasus, also einem konkreten Fall, ein Prinzip vorgestellt.

Um welches Prinzip geht es hier? Es geht darum, dass hartherzige Ehemänner sich von ihren Frauen scheiden lassen dürfen. Dabei sind sie natürlich nicht schuldlos, wie Jesus uns noch zeigen wird. Gott erlaubt ihnen jedoch nicht, ihre entlassene Frau wieder zurückzunehmen.

Das Kapitel 5. Mose 24 ist keine allgemeine Erlaubnis, sich einfach so von seiner Frau scheiden zu lassen. Das Problem zur Zeit Jesu war genau das, wofür dieses Gesetz gemacht worden war.

Jesu Antwort auf die Frage der Pharisäer zur Scheidung

 Matthäus 19,3-7

Und Pharisäer kamen zu ihm, versuchten ihn und sprachen: Ist es einem Mann erlaubt, aus jeder beliebigen Ursache seine Frau zu entlassen?

Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an als Mann und Frau schuf und sprach: Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein, so dass sie nicht mehr zwei sind, sondern ein Fleisch?

Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

Sie sagen zu ihm: Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?

Toller Text, oder? Die Pharisäer wollen gar nicht wissen, ob Scheidung okay ist. Es geht ihnen nur noch um die Frage, welche Voraussetzungen es dafür braucht.

Und wenn der Herr Jesus mit der Schöpfungsordnung kontert, um die grundsätzliche Unauflöslichkeit einer Ehe zu unterstreichen, kommen sie mit 5. Mose 24, dem Scheidebrief.

Aber wie formulieren sie? „Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?“

Und wir wissen jetzt, dass Mose gar nicht geboten hat, einen Scheidebrief zu geben.

Im mosaischen Gesetz wird beschrieben, was hartherzige Ehemänner tun, die leichtfertig ihre Frauen verstoßen.

Mose hat nicht geboten, einen Scheidebrief zu geben.

Deshalb ist es eben auch falsch, wenn gesagt wird: Matthäus 5,31 – Wer seine Frau entlassen will, gebe ihr einen Scheidebrief.

Nein, so einfach ist das nicht.

Schlussgedanken und Ausblick

Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir heute Zeit nehmen, um für Ehen zu beten, die gerade durch eine Krise gehen.

Das war es für heute? Ich überlege, ob ich einmal in der Woche für ein bis zwei Stunden per Zoom Fragen zum Podcast beantworten sollte. Erlaubt wären Fragen zu alten und neuen Episoden.

Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.

Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!

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