Herr Präsident! Bevor ich mit dem Thema und dem Text „Der Lohn der Treue“ beginne, möchte ich noch kurz ein Buch vorstellen. Im Laufe des Vortrags werde ich vielleicht noch auf ein oder zwei weitere eingehen, je nachdem, wie es zeitlich passt.
Zunächst zum Buch über Hudson Taylor: Glücklicherweise sind diese Bücher jetzt fast alle weg. Ich könnte aber noch viele Exemplare zum gleichen Preis, also für einen Euro, nachliefern – ideal für Jugendgruppen oder größere Verteilungen. Am besten melden Sie sich per E-Mail, dann schicken wir die Bücher zu.
Hier liegt ein kleines Büchlein vor mir. Ich weiß nicht, ob alle mit dem Autor ganz einverstanden sind. Er ist schließlich auch nur ein Mensch, vielleicht ein bisschen eitler. Das sieht man auch an seinem Gesicht, das wir hier vorne sehen – aber das kennen wir ja alle ein bisschen.
Peter Hane, den viele Eltern wahrscheinlich schon kennen, hat vor zwanzig, dreißig Jahren sehr viele evangelistische Bücher geschrieben. Damals kosteten die Bücher eine D-Mark, was beim Henssler Verlag eine Sensation war. Titel wie „Wozu lebe ich?“ oder „Wofür ist das Leid da?“ sind nur einige Beispiele.
Er war eine Zeit lang Zeltevangelist, arbeitete aber parallel auch als Journalist beim Saarländischen Rundfunk. Später kam er zum Hauptstadtstudio in Berlin, wo er jahrzehntelang Sendungen gestaltete, vor allem Interviews. Er kennt viele Persönlichkeiten, angefangen von Helmut Schmidt, über Kohl bis hin zu Strauss. Auch die heutige politische Riege – links oder rechts – hat er immer wieder in seinen Sendungen gehabt.
Peter Hane ist ein sehr beliebter Moderator mit viel Menschenkenntnis und Erfahrung. Seit einigen Jahren ist er im Ruhestand, schreibt aber weiterhin kernige Bücher. Vor 14 Tagen ist sein neues Büchlein erschienen: „Das Maß ist voll. In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung“. Für mich ist es sehr reizvoll zu lesen – amüsant, ehrlich, offen und direkt.
Er ist einer der wenigen Journalisten, die unabhängig sind und sich nicht verbiegen lassen. Er zitiert hier positiv linke Politiker, was interessant ist, aber auch einige von der rechten Seite. Er weiß genau, „wo die Glocken hängen“. Er lebt nach wie vor in Berlin, bekommt alles aus nächster Nähe mit und schreibt das, was viele denken, aber sich nicht trauen zu sagen.
Man kann ihm keinen Maulkorb verpassen, dazu ist er zu bekannt. Man muss sich vorstellen: In einer Woche wurden von diesem Buch 100 Exemplare verkauft – auch an Flughäfen und in allgemeinen Buchketten, nicht nur in christlichen Buchhandlungen. Der Erfolg ist enorm, und jetzt werden 250 Stück nachgedruckt.
Das Schöne daran ist, dass man dieses Buch gut weitergeben kann – an Bürgermeister, Lehrer, Politiker oder andere Menschen. Man stößt kaum auf Widerstand. „Ach, der Hane“ wird dann vielleicht belächelt oder bemitleidet, aber je nach Standpunkt auch begeistert gefeiert. Es ist einfach schön zu lesen.
Ich möchte gerne ein paar Zitate bringen, denn er nimmt viele aktuelle Themen aufs Korn: Gendergerechtigkeit, Fliegen und so weiter. Zum Beispiel muss man sich vorstellen, dass man in einem sauerländischen, von der CDU regierten Städtchen bei der Hundesteuer ankreuzen muss: männlich, weiblich oder divers. Das nennt er eine Partei, die „auf den Hund gekommen ist“. Köstlich – und gleichzeitig wahnsinnig, wohin wir geraten sind.
Er mokiert sich sehr deutlich und mit Recht über evangelische und teilweise auch katholische Pfarrer und Bischöfe. Er sagt, dass die Kirche, wenn sie sich ständig dem Zeitgeist und der Mode anpassen muss, ihre Attraktivität und Glaubwürdigkeit verliert. Er fragt: „Wozu eine Kirche, die in einer schwedischen Schulschwänzerin eine neue Heilige sieht? Greta?“
Unvergessen ist auch, wie der damalige Linkenchef Gregor Gysi ihm einmal sagte: „Wenn ich in die Kirche gehe, erwarte ich, dass man über Sünde redet und mir die Leviten liest.“ Gysi hat Recht, aber in der Kirche hört man heute nur noch politischen Kram. Das ist wirklich gut und wichtig, dass das mal gesagt wird.
Das Schöne ist, dass Peter Hane auch sehr deutlich das Evangelium bringt – auf angemessene Weise. Für manche mag es vielleicht noch nicht deutlich genug sein, aber ich finde es schön, was er ganz zum Schluss auf Seite 143 schreibt:
„Für viele ist das Maß des Erträglichen längst voll. In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung, nur das Echte zählt. Glaubwürdige Menschen mit Kompetenz, denen man vertrauen kann.“
An der Fassade der altehrwürdigen Universität Freiburg, gegründet 1457, leuchtet in goldenen Lettern deren Wahlspruch, in Stein gemeißelt: „Die Wahrheit wird euch freimachen.“ Das ist mehr als der „bändige Geist“ an meiner Uni Heidelberg.
„Das ist weder altgriechische Philosophie noch humanistischer Liberalismus oder deutsche Klassik, geschweige denn Marxismus oder Islam. Das ist ein Zitat von Jesus Christus, Johannes-Evangelium Kapitel 8, Vers 32“, zweitausend Jahre alt und doch topaktuell. Jesus sagte von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6).
Ich wüsste nicht, woran ich sonst Maß nehmen sollte. Mancher wird sagen: „Na ja, wer es glaubt, wird selig.“ Wenn Sie das denken, dann haben Sie alles verstanden. „Wer es glaubt, wird selig“ – das finde ich auch schön, geistreich und klar anregend.
Leider kostet das Buch zwölf Euro, aber ich wollte es Ihnen wenigstens vorstellen.
Einführung in das Gleichnis von den Talenten
Matthäus Kapitel 25, ab Vers 14, enthält das Gleichnis, über das ich etwas sagen möchte. Es gehört zu einer der bekanntesten Endzeitreden unseres Herrn Jesus.
In Matthäus 25,14 bezieht sich Jesus auf das vorherige Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen. Dort heißt es in Vers 13: „So wacht nun, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“
Dann erzählt Jesus: „Denn gleichwie ein Mensch, der außer Landes reiste, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Habe übergab. Einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner Fähigkeit. Und alsbald reiste er außer Landes.“
Der Knecht, der fünf Talente empfangen hatte, ging hin und handelte mit ihnen. Er gewann andere fünf Talente dazu. Ebenso tat es der Knecht, der zwei Talente empfangen hatte; auch er gewann andere zwei. Wer aber das eine Talent empfangen hatte, grub in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.
Nach langer Zeit kam der Herr jener Knechte und hielt Rechnung mit ihnen. Der Knecht, der fünf Talente empfangen hatte, trat vor und brachte andere fünf Talente. Er sagte: „Herr, fünf Talente hast du mir übergeben, siehe, andere fünf Talente habe ich dazugewonnen.“
Sein Herr sprach zu ihm: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen. Gehe ein in die Freude deines Herrn!“
Auch der Knecht, der die zwei Talente empfangen hatte, trat heran und sagte: „Herr, zwei Talente hast du mir gegeben, siehe, andere zwei Talente habe ich dazugewonnen.“ Sein Herr sprach zu ihm: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen. Gehe ein in die Freude deines Herrn!“
Wir haben hier drei Gleichnisse, die Jesus nacheinander spricht. Die Themen sind Fleiß, Wachsamkeit und das Warten auf den Herrn. In zwei Gleichnissen werden wir als Knechte angesprochen, als Diener des Herrn. Im mittleren Gleichnis, dem zweiten, werden die Jungfrauen geschildert, die den Bräutigam erwarten.
Alle drei Gleichnisse sind für uns sehr wichtig. Ich möchte jetzt über das letzte Gleichnis etwas sagen, und zwar über den Dienst für den Herrn. Das ist unsere allgemeine Aufgabe – für alle, die wiedergeboren sind und denen der Herr seine Habe anvertraut hat.
Eine interessante Bemerkung in diesem Gleichnis ist, dass es um die Habe des Herrn geht, der außer Landes reist und seine eigenen Knechte herruft. Das bedeutet mit anderen Worten, dass wir Treuhänder sind – ein Begriff aus der alten Rechtssprache, der bedeutet, jemandem etwas in treue Hände anzuvertrauen.
Darum geht es hier. Das Gleichnis beginnt mit dem Wort „denn“ und bezieht sich noch einmal auf das Wachsein: „Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ So sollten wir uns der baldigen Wiederkunft unseres Herrn bewusst sein und verantwortungsbewusst sowie treu in unserem Dienst stehen.
Dazu möchte ich in fünf Punkten etwas sagen – sicherlich nicht erschöpfend oder ausführlich, aber als einige Anregungen.
Die Verantwortung als Treuhänder Gottes
Der Herr hat uns seine Habe anvertraut. Er ist, bildlich gesprochen, aus dem Land in den Himmel zum Vater gegangen. Man wollte ihn nicht hier auf der Erde haben. Er ist im Exil, man hat ihn gekreuzigt. Die Menschen, insbesondere die Juden, sagten: „Wir wollen keinen König außer dem Kaiser.“
So hat er uns, seinen Knechten, seine Habe übergeben. Das, was er hinterlassen hat, ist zum Beispiel in Matthäus 28 das Evangelium. Dieses hat er uns anvertraut, damit wir es in aller Welt verbreiten, Gemeinden gründen und Ähnliches tun.
Ich nenne nur einige geistliche Reichtümer und Segnungen, die er uns hinterlassen hat. Vor allem die Schreiber des Neuen Testaments – Apostel Paulus, Petrus, Johannes und andere – haben uns den ganzen Heilsplan Gottes vorgestellt. Diesen Plan nehmen wir hier zum Teil auch in den letzten Tagen durch. Die Schatzkammern der Verheißung Gottes – welch ein Reichtum ist uns da übergeben worden! Von unserem Herrn, den wir verwalten dürfen.
Ich hoffe, wir kennen ihn ein wenig, sodass wir diese Schätze anderen vorstellen und weitersagen können. Natürlich gehört auch das Vorbild seines Lebens dazu, das Vorbild unseres Herrn. Das ist ebenfalls etwas, das er uns anvertraut hat. Dem sollen wir nacheifern, das soll uns prägen, unser Leben bestimmen. Hoffentlich können andere auch an uns ein wenig davon sehen.
Paulus schreibt dem Timotheus in 1. Timotheus 6,20 einen leidenschaftlichen Ausruf: „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut.“ Damit meint er natürlich zunächst das, was er persönlich Timotheus anvertraut hat. Aber ich glaube, das kann man auch allgemein sagen.
Das ist auch ein Aufruf an uns alle, die wir hier sind: Bewahre das anvertraute Gut. Was hat der Herr dir in seinem Wort gezeigt und anvertraut? Es ist doch eigentlich eine Ehre und eine große Verantwortung, ein Treuhänder Gottes zu sein. Das, was er uns anvertraut hat, sollen wir in treuen Händen halten und treu damit umgehen.
Darum geht es vor allem in diesem wichtigen und schönen Gleichnis.
Vielfalt der Begabungen und die Gefahr von Neid und Stolz
Der zweite Punkt: Gott begabt verschieden. Wir stellen fest, dass er einmal fünf Talente weitergibt, einem anderen zwei und einem weiteren ein Talent. Dabei ist wichtig zu beachten, dass ein Talent damals eine andere Bedeutung hatte als heute. Heute, wenn wir von talentierten Sportlern oder Musikern sprechen, meinen wir eine besondere Begabung – handwerklich, musisch, intellektuell oder in einem anderen Bereich.
In der Bibel, besonders im Alten Testament, finden wir jedoch, dass das Talent eine Gewichtseinheit ist. Ein Talent entspricht etwa 35 Kilogramm. So lesen wir zum Beispiel, dass der Knecht von Elisa, Gehasi, den nahen Mann ein wenig ausgenommen hatte und zwei Talente Gold und Silber mitgenommen hat. Das waren also etwa siebzig Kilogramm. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es war, das zu transportieren, ohne dass Elisa es bemerkte. Das war eine interessante und üble Geschichte.
Hier sehen wir, dass Gott eben verschieden begabt – man könnte auch sagen verschieden belastet – mit diesem Gewicht. Das zeigt Gottes Souveränität. Gott hat in der Schöpfung Freude an der Vielfalt und auch in der Art und Weise, wie er Aufgaben weitergibt. In der Natur sehen wir eine Fülle verschiedener Pflanzen, Tiere, Landschaften und Menschen – groß und klein. Wenn man hier in die Runde schaut, ist das ein schönes Bild, wie verschieden wir sind.
Gott liebt nicht unbedingt die Uniformität, sondern die Vielfalt an Charakteren und allem, was er geschaffen hat. So ist es auch in Bezug auf die Aufgaben. Gott ist auch hier sehr verschieden. Wir haben verschiedene Geistesgaben. Ich greife nur einige heraus und deute sie kurz an: Zum Beispiel die Lehrgabe – die Fähigkeit, biblisches Wissen verständlich mitzuteilen. Andere haben die Gabe, evangelistisch zu reden, also das Evangelium verständlich und eindrücklich zu verkündigen. Darüber werde ich vielleicht noch das eine oder andere sagen.
Andere besitzen die Hirtengabe, also die Fähigkeit, seelsorgerlich zu dienen oder im Gleichnis gesprochen, zu weiden und zu hüten – also gerade in der Gemeinde zu arbeiten. Es gibt auch einzelne Propheten, die mit dem Wort Gottes ermahnen, ermutigen und strafen. Dabei geht es nicht um irgendwelche Visionen außerhalb der Bibel, sondern um das Ansprechen der Nöte der Zeit mit dem Wort Gottes, um zu ermutigen, zu ermahnen oder zu strafen, je nachdem, was anliegt.
Dann gibt es eine ganze Reihe weiterer Geistesgaben, die wir in Römer 12 und Epheser 4 finden: die Gabe des Dienstes, der Ermahnung, des Gebens, der Barmherzigkeit und viele mehr. Ich möchte jetzt nicht alle diese Gaben erläutern. Aber hier wird deutlich, wie Gott Originale liebt, keine Kopien, Unikate.
Gott möchte auch nicht, dass Brüder als Alleinunterhalter auftreten, wie das in manchen großen Kirchen der Fall ist, wo ein Pastor für alles sorgen muss. Vielmehr hat er viele Gaben gegeben. Wenn der Herr es schenkt, dass eine Gemeinde wirklich in der Lage ist, diese Gaben zu fördern, anzuregen und zu ermutigen, dann ist das natürlich traumhaft schön für alle, die dabei sind und davon profitieren.
Jeder von uns, der hier sitzt und wiedergeboren ist, ist ein Diener oder Knecht und wird gebraucht. Dabei entstehen natürlich manche Probleme, gerade auch unter solchen, die sprachbegabt sind und in der Öffentlichkeit auftreten. Ein Problem ist zum Beispiel der Neid. Das können alle bestätigen, die in der Öffentlichkeit versuchen, dem Herrn zu dienen. Es ist nicht immer leicht, sich wirklich über die Gabe eines anderen zu freuen oder Neid zu vermeiden.
Schwestern werden das vielleicht nicht so gut nachvollziehen können, aber unter Brüdern ist das oft anders. Wir sind ja auch erzogen worden zum Kämpfen, Ringen und zum Einander-Übertreffen. Uns fällt es manchmal schwer, uns zu freuen, wenn andere etwas besser können oder besser wissen als wir. Wie oft ist Neid auch eine Ursache für Streitigkeiten in Gemeinden. Viele von euch werden das bestätigen können.
Gerade diejenigen unter uns, die in der Öffentlichkeit dienen, sollten darauf achten, dass der Herr ihnen schenkt, sich übereinander freuen und füreinander danken zu können. Das ist ein wunderschönes Bild in einer Gemeinde, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen und leben. Leider ist das gerade in unserer Zeit oft ein seltenes Bild.
Ich habe hier einen kleinen Ausschnitt aus dem Tagebuch von John Wesley herausgeschnitten, vom 28. Januar 1750. Wesley war einer der großen Erweckungsprediger, vor allem in England. Sein jüngerer Freund, George Whitfield, war etwa 14 oder 16 Jahre jünger als er. Man könnte sagen, Whitfield war eine Art Lehrling; eine Zeit lang war John Wesley sein Mentor.
Whitfield kam jedoch vor Wesley zum Glauben. John Wesley war von klein auf fromm, von seiner Mutter erzogen, hatte aber keine Gewissheit des Glaubens und war sehr gesetzlich eingestellt. George Whitfield hingegen hatte keinen frommen Hintergrund, kam aber mit 21 Jahren zum Glauben und begann dann zu evangelisieren. Mit solch einer Begabung – da liegen noch ein paar seiner Biografien auf dem Tisch für 6,50 Euro statt 12,90 Euro.
Es ist unglaublich, dass er mit seiner kräftigen Stimme, die Gott ihm gegeben hatte, unter freiem Himmel bis zu 80.000 Menschen erreichen konnte. Manche sagen sogar bis zu 100.000 Menschen. Wenn er mit Benjamin Franklin, einem der Väter der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, befreundet war, hat dieser ausgerechnet, dass Whitfields Stimme 1,7 Kilometer weit zu hören war.
Whitfield war so begabt, dass sogar Schauspieldirektoren, die überhaupt nicht fromm waren, ihre Studenten zu seinen Predigten schickten, damit sie anständig reden, gestikulieren und rhetorisch von ihm lernen konnten. Die Studenten saßen in der ersten Reihe, hatten große Ohren und Augen und mussten aufpassen. Aber das war bei Whitfield so natürlich, so echt und mit einer tiefen Demut verbunden – das ist wirklich bewegend zu lesen.
Wesley schreibt in seinem Tagebuch: „In London las ich Gebete vor und Herr Whitfield predigte. Wie weise ist doch Gott, dass er den einzelnen Predigern verschiedene Talente gibt. Selbst die kleinen Unzulänglichkeiten Herrn Whitfields in Sprache und Benehmen wurden doch vielen zum Nutzen, die vielleicht von einer korrekteren Ansprache oder einem ruhigeren und ausführlicheren Wesen wie er es hatte, nicht berührt worden wären.“
Das ist ein wunderschönes Beispiel von zwei Brüdern, die beide sehr begabt waren und sich über die Gaben des anderen freuen konnten. Es ist schön zu sehen, wie diese beiden Männer trotz eines heftigen Streits über Fragen wie Verantwortung, Souveränität Gottes und Erwählung später wieder in ihrer Gesinnung übereinstimmten. John Wesley hat bei Whitfields Beerdigung ein bewegendes Zeugnis über seinen jüngeren Freund gesprochen.
Ich wünsche mir sehr, dass wir davor bewahrt bleiben, Neid zu empfinden – gerade auch Gabenneid im Dienst für den Herrn. Ein zweites Problem ist der Stolz. Wenn Gott uns viele Talente anvertraut hat, ist das kein Grund, stolz zu sein. „Wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt werden.“ Diesen Vers kennen wir alle sehr gut.
Whitfield schrieb einmal in jungen Jahren: „Stolz auf empfangene Gnadengaben ist der sicherste Weg, sie zu verlieren.“ Das ist absolut richtig. Ich hoffe, wir lernen daraus.
Ich erinnere mich gut – vielleicht ist das eine kleine Illustration: Ich bin mit 13 Jahren in die Lehre gekommen. Ich sollte Drogist werden, weil meine Eltern eine Drogerie hatten. Ich war der Jüngste, alle anderen wollten nicht weitermachen, haben etwas anderes gelernt und waren teilweise erfolgreicher. Ich wurde mit 13 Jahren aus der Hauptschule entlassen – damals war das in der achten Klasse üblich – und musste die Lehre bei einem sehr strengen Chef beginnen.
Einige Wochen nach meinem Eintritt gab er mir plötzlich ein Bündel Geldscheine in die Hand. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Es waren 5.000 D-Mark. Ich musste mehrmals zählen, weil ich es kaum glauben konnte. Diese Summe sollte ich zur Sparkasse bringen, die etwa einen Kilometer entfernt war. Ich hatte keinen Beutel oder ähnliches, sondern nur das Bündel Geldscheine.
Was habe ich gemacht? Ich war auf jeden Fall ein reicher Mann. Ich zitterte, hatte Herzklopfen, steckte das Geld in meinen Kittel, hielt die Hand darüber und marschierte los. Ich schaute nicht nach links oder rechts, trat nicht gegen Konservendosen, um Fußball zu spielen. Mein einziger Wunsch war, so schnell wie möglich direkt zur Sparkasse zu kommen, das Geld einzuzahlen, die Quittung zu bekommen und zurück zum Chef zu gehen: „Hier hast du die Quittung.“
Das ist ein Bild für uns: Wenn Gott uns etwas anvertraut, dann ist das eine Last. Wir sind verantwortlich. Das ist kein Grund, stolz zu sein. Wir sollten uns bemühen, mit reinem und gutem Gewissen das weiterzugeben, was Gott uns anvertraut hat – zur Ehre unseres Herrn. Es ist ein Geschenk, damit wir uns anvertrauen, Gott ehren und unseren Mitmenschen eine Hilfe und ein Segen sind.
Ein Spruch, den ich sehr liebe, drückt das bildhaft aus: Whitfield hatte einen stolzen Hahn vor Augen, als er einmal sagte oder schrieb: „Es hat sich noch nie jemand seiner stolzen Schwanzfedern gerühmt, die Gott ihm nicht alle einzeln ausgerissen hätte.“ Das ist ein schöner Satz.
Talente oder Gaben sind nicht dazu da, sich selbst groß zu machen oder ins Rampenlicht zu stellen, sondern um den Herrn zu verherrlichen und den Menschen zu dienen.
Unterschied zwischen Fähigkeiten und Geistesgaben
Dann kommen wir zum dritten Punkt: Gott begabt jeden nach seiner eigenen Fähigkeit. Das steht in Vers 15b am Ende: „Er gab einem fünf Talente, einem zwei, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit und reiste aus dem Land.“
Fähigkeiten sind also von den Talenten oder von den Geistesgaben zu unterscheiden. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Zusammenhang. Fähigkeiten sind ererbte, erworbene oder weiterentwickelte natürliche Begabungen, die wir als Menschen haben. Dazu gehören geistige Kapazitäten, zum Beispiel körperliche Begabungen, musische Begabungen oder auch Lebensumstände wie eine gute Bildung oder eine prägende Umgebung. All das kommt zwar auch aus Gottes Hand, ist aber nicht mit einer Geistesgabe zu verwechseln. Es sind eigentlich nur Voraussetzungen, an denen Gott anknüpfen kann. Fähigkeiten sind also ein Gefäß für die anvertraute Geistesgabe.
Beispiele: Es gibt Brüder und Schwestern, die gelernt haben oder in der Lage sind, analytisch zu denken, oder die sprachbegabt sind. Solche Voraussetzungen können dazu führen, dass Gott ihnen eine Geistesgabe, zum Beispiel die Gabe des Lehrens, gibt. Dafür haben wir viele Beispiele: Paulus war einer, Luther, Calvin, dann auch in unserer Zeit Ryrie, MacArthur, Gooding, John Lennox und andere. Sie sind außerordentlich natürlich begabt, zum Beispiel analytisch denkend, sprachbegabt oder musisch begabt. Und sie haben von Gott eine Gabe bekommen, die sie zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Menschen einsetzen können.
Was Roger für eine Gabe hat, haben wir gemerkt. Er hat viele Gaben bekommen, nicht nur eine. Wir können uns freuen, dass er analytisch denken kann, Dinge so vorstellen kann, dass man sie einigermaßen verstehen kann, und dazu noch sprachbegabt ist – Hebräisch und Griechisch, ich weiß nicht, welche Sprachen er sonst noch spricht. Das ist eine wunderbare Voraussetzung, um der Gemeinde als Lehrer zu dienen.
Fähigkeiten können auch Kontaktfreudigkeit, Begeisterungsfähigkeit oder eine Redegabe sein. Das sind gute Voraussetzungen für die Gabe eines Evangelisten. Ich schließe die Schwestern immer mit ein, auch wenn ich hier nur die männliche Form wähle. Beispiele sind Whitfield, Spurgeon oder Pastor Wilhelm Busch, die eine Leidenschaft hatten und die Fähigkeit, Menschen anzusprechen und mit Begeisterung vom Herrn und vom Evangelium zu reden, sodass andere davon angesteckt wurden.
Ich hatte in jungen Jahren einen guten Freund, der mir auch ein Lehrer war. Er war elf Jahre älter als ich: Wolfgang Dück. Er war im Zuchthaus, das gab es damals noch. Er war asozial aufgewachsen, kannte seinen Vater nicht, seine Mutter war eine zweifelhafte Person. Er wurde ein Gewohnheitsdieb und kam viele Jahre ins Gefängnis. Wenn er entlassen wurde, sagten die Wärter immer: „Wir lassen ein Bett bezogen, du kommst bald wieder.“ Sie wussten, dass er nicht davonlassen konnte.
Doch dann kam er durch die Heilsarmee zum Glauben. Gott hatte die Umstände im Gefängnis und in der kriminellen Szene benutzt, um eine bestimmte Fähigkeit in ihm zu fördern. Nicht unbedingt, um andere Sprachen zu lernen, sondern die Sprache der Menschen auf der Straße zu sprechen und zu verstehen. Er konnte sie begeistern und animieren. Er hatte die Fähigkeit, Außenstehende mit seiner Art und Erfahrung anzusprechen, und hat das gefördert.
Wenn er auf der Straße stand oder wo auch immer, hatte er immer einen ganzen Kasten oder eine Tasche mit Utensilien dabei, um etwas zu illustrieren. Man könnte stundenlang davon erzählen. Ich muss mich sehr bremsen, weil das für mich Erlebnisse waren, die man nicht vergisst.
Stellen wir uns mal ein Beispiel vor: Er war in der Lage, zu den Chefs des Karlsruher SC zu gehen – der Fußballverein ist hier in der Gegend bekannt. Damals waren sie noch in der ersten Liga, inzwischen sind sie in der zweiten. Er hat so lange auf sie eingeredet und sie überzeugt, dass sie ihm erlaubten, in der Halbzeitpause fünf Minuten über das Mikrofon zu zwanzigtausend Fußballbegeisterten zu sprechen. Die staunten nicht schlecht, als er von Jesus, vom Kreuz und Ähnlichem redete – aber mit so viel Begabung und Begeisterung, dass es nicht peinlich war.
Es gibt viele weitere Beispiele, wie Gott solche Fähigkeiten benutzt, um eine Geistesgabe zu verbinden, die dann zum Segen für viele wird. Leider ist Wolfgang Dück sehr jung gestorben. Er hatte einen unverschuldeten Autounfall. Er fuhr hinter einem stehenden, unbeleuchteten Lkw her und war sofort tot – zusammen mit seinem Begleiter. Von ihm durfte ich wirklich viel lernen.
Dann gibt es andere, die eine gute Beobachtungsgabe, Empathie und vielleicht eigene Leiderfahrungen haben. Das sind ebenfalls Lebensumstände und natürliche Fähigkeiten, die für einen Hirten oder Menschen mit einem Hirtenherz sehr wichtig sein können. Petrus war ein solcher Hirte.
Denken wir an von Bollschling, falls er ein Begriff ist, die Anstalt in Bethel bei Bielefeld. Wenn man sein Gesicht sieht, erkennt man einen leidgeprüften Mann mit einem weiten und warmen Herz für Tippelbrüder, Kranke, Epileptiker, Schizophrene und andere. Er hat dieses große Werk in Bethel gegründet. Dort durfte ich meinen Zivildienst leisten und habe viel gelernt.
Oder denken wir an Georg Müller. Er hat von zu Hause nicht viel Positives mitbekommen. Sein Vater war zwar Pastor, aber liberal und nicht gläubig. Georg Müller kam als Student ziemlich auf die schiefe Bahn. Doch in der Schule Gottes hat er gelernt, besonders in England, wirklich barmherzig zu sein, zu geben und zu dienen. Gott schenkte ihm dieses Hirtenherz, verbunden mit einer evangelistischen Begabung. So wurde er vielen ein Vorbild und Segen.
Es gibt auch Brüder, die dickhäutig, mutig und belastungsfähig sind. Das kann eine gute Voraussetzung sein, um Prophet zu sein. Ein Prophet muss oft harte Schläge einstecken. Das ist kein Dienst für sehr sensible Menschen.
Denken wir an Propheten wie Nathan, Elija, Jesaja oder Jeremia. Was haben die ertragen müssen! Aber sie wurden für diesen wichtigen Dienst vorbereitet.
Geistliche Selbstannahme und Wachsamkeit im Dienst
Und damit komme ich jetzt schon zum vierten Punkt: Es ist wichtig, dass wir in der Selbsteinschätzung nüchtern sind und eine geistliche Selbstannahme kennen.
Ich hoffe, ich werde nicht missverstanden. Ich halte überhaupt nichts von Selbstliebe und Selbstvertrauen – oder man müsste es wenigstens definieren, wenn man das schon sagt. Unter Selbstannahme meine ich, dass man sich so annimmt, wie Gott mich geschaffen hat, mit all den positiven, aber auch negativen Eigenschaften. Wenn ja, einige musikalisch sind, dann brauchen sie sich nicht zu schämen, sondern können das annehmen. Das ist kein Grund, stolz zu sein, sondern man möchte diese Gabe auch pflegen – zum Dienst und zur Freude anderer.
Das meine ich mit Selbstannahme: Auch wenn ich manche Mängel habe und manches einfach durch meine Erziehung oder durch die Umstände damals nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mitbekommen habe, muss ich nicht in Selbstmitleid versinken oder mich selbst bedauern. Vielmehr möchte ich mit Freude das, was Gott mir gegeben hat, dem Herrn zur Verfügung stellen und so gut ich kann dienen.
Also nüchtern in der Selbstanschätzung: Es gibt nun mal Brüder oder Schwestern mit fünf Talenten, also mit ausgesprochen großer Begabung, mit von Gott ausgerüsteten Fähigkeiten. Sie sind redegewandt, haben ein gutes Gedächtnis, sind sprachbegabt und gut gebildet. Das darf man doch annehmen. Man sollte dankbar, demütig und bescheiden bleiben, dann wird man vielen ein Segen sein können.
Aber diese Menschen müssen auch wissen, dass sie im Visier des Teufels stehen. Das kennen wir alle vom Schachspiel: Die Dame spielt eine große Rolle, und der Gegner versucht natürlich auf allen möglichen Wegen, gerade die Dame zu schlagen, weil sie ihm am meisten schadet. So will er den König besiegen.
Das heißt: Je begabter wir sind, desto mehr stehen wir unter Beobachtung des Feindes und sind in großer Gefahr. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum so viele begabte Brüder in den letzten Jahren moralisch zu Fall gekommen sind. Sie haben nicht aufgepasst und Stolz in ihrem Herzen zugelassen. Wer ein Haupt größer ist als das normale Volk, wird eher durch feindliche Scharfschützen getroffen.
Dazu gibt es eine nette kleine Anekdote in einem Buch von Peter Haane. Ich weiß nicht, ob bei euch noch der Bundespräsident Herzog in Erinnerung ist. Er war ein intelligenter Mann, ganz anders als viele andere in unserer Zeit. Peter Haane schreibt, dass er ihn beim ZDF interviewte. Mit Blick auf den komplizierten Weg ins Studio fragte er ihn: „Darf ich vorangehen, Herr Bundespräsident?“ Die prompte Antwort war: „Aber gerne doch, Herr Haane. Das sage ich meiner Frau auch immer, denn geschossen wird ja bekanntlich immer auf die Ersten.“ Das war intelligent, oder? So einer war er.
Und das ist natürlich auch eine Erfahrung: Die Ersten, die vorne stehen, werden als Erste beschossen oder zumindest ins Visier genommen. Wahrscheinlich haben die meisten von uns zwei oder ein Talent, ich weiß es nicht. Aber das ist kein Grund zur Resignation. Wir sollten uns gegenseitig ermutigen, genau das anzunehmen und damit zu arbeiten.
Bist du als Mutter eingeschränkt, dann sei nicht sauer darüber, sondern erziehe deine Kinder für den Herrn. Susanna Wesley hatte achtzehn oder neunzehn Kinder, ich weiß es nicht mehr genau. Einige sind allerdings kurz nach der Geburt gestorben, aber es waren, glaube ich, 13 oder 14, die lange lebten. John Wesley wurde 86 Jahre alt, er war ein erweckender Prediger. Sein Bruder Charles war ebenfalls ein erweckender Prediger und Dichter vieler Kirchenlieder – außerordentlich begabt.
Susanna Wesley hatte eine ausgezeichnete Bildung. Sie sprach nicht nur Hebräisch und Griechisch, sondern auch andere Sprachen. Sie war stark von ihrem Elternhaus geprägt. Sie hatte einen schwierigen Hintergrund und heiratete einen sehr eigenartigen Mann, der, wie er hieß, weiß ich nicht mehr genau – ich glaube Samuel Wesley. Er war verträumt, lebensuntüchtig, ließ seine Frau mit den Kindern allein und verbrachte viel Zeit auf dem Dach. Ein ganz eigenartiger Mensch.
Was sollte die Mutter mit ihrer ganzen Begabung machen? Sie entschied sich, jedes ihrer Kinder für den Herrn zu erziehen. Sie unterrichtete sie selbst bis zu einem bestimmten Alter, prägte sie und hatte für jedes Kind jede Woche eine bestimmte Zeit, in der sie nur für dieses Kind da war. Beim John Wesley war das, glaube ich, donnerstagnachmittags um 17 Uhr oder so. Das hat er bis ans Lebensende nicht vergessen. Dann redete sie mit ihm, spielte mit ihm, betete mit ihm, brachte ihm Gottes Wort nahe und prägte ihn.
Das ist eine gute Selbstannahme, finde ich. Und das wurde ein großer Wert für die nächsten Generationen. Susanna Wesley hat vielleicht gar nicht mehr mitbekommen, was John und Charles Wesley für einen Segen in England hinterlassen haben. Sie sah ihre Aufgabe darin, die Kinder für den Herrn zu erziehen. Sie war nicht eingeschränkt, sondern ein großer Arbeitsfilm.
Vielleicht ist das auch ein Trost für manche von uns. Es gibt auf dem Büchertisch ein Buch, das heißt „Investiertes Leben“ oder so ähnlich, von einem Bruder geschrieben, der auch über Bak Sink berichtet. Bak Sink kommt aus einem hinduistischen Hintergrund, hatte eine reiche Familie, sollte in die USA zum Studium gehen und hatte dort auch schwierige Zeiten, auch finanziell.
Er wurde von einer christlichen Familie aufgenommen und war Wochen oder Monate bei ihnen zu Gast. Das waren überzeugte Christen. Interessanterweise wollte die Ehefrau seiner Gastgeber eigentlich Missionarin in Indien werden, hat es aber nicht geschafft. Die Lebensumstände waren so, dass sie sich einfach eines Inders annahm, um ihm das Evangelium und die Bibel zu erklären – zusammen mit ihrem Mann.
Sie hat nie erlebt, was aus Bak Sink geworden ist. Er wurde einer, der in Indien bei seiner Bekehrung etwa 250 Menschen hinter sich hatte. Vielen Menschen war er in Indien ein Segen. Tausende Gemeinden entstanden in Indien und Pakistan durch seinen schlichten, einfachen Dienst. Das war das Ergebnis einer Schwester, die das angenommen und das Beste mit ihrer Begabung gemacht hat, was der Herr ihr vor die Füße gelegt hat.
Bist du ledig, kannst du das bedauern, aber du kannst auch sagen: Ich habe jetzt viel Zeit für geistliche Aufgaben, ich kann dienen, ich kann helfen. Ich bin nicht eingeschränkt durch einen launischen Ehemann oder viele Kinder. Wie dankbar sind wir bei uns zu Hause für zwei Schwestern unserer Gemeinde, die fast 50 Jahre lang von ihrer Jugend bis zum Rentenalter nichts anderes getan haben als gedient: Wäsche gewaschen, das Freizeitheim geputzt, die Buchführung gemacht. Sie sind Vorbilder in Hingabe an den Herrn.
Was werden sie für einen reichen Lohn bekommen? Sie haben nicht gejammert, weil sie nicht heiraten konnten, sondern haben ihre Gaben vorbildlich eingesetzt. Und dabei haben sie auch so gut gekocht, zum Beispiel auf unseren evangelistischen Freizeiten. Ihr werdet das bestätigen können, Margrethe und Ilse: Die Kuchen und das Essen waren so fabelhaft, dass viele Ungläubige deswegen zu den Freizeiten kamen, um dieses super Essen zu genießen. Das haben sie neben ihrer Aufgabe erkannt, und das finde ich wunderschön.
Hast du keine Bildung? Dann denke ich an einen guten Bruder in China, den ich näher kennengelernt habe. Man nannte ihn „Licht der Gnade“. Er hatte nur sechs Monate Schulbildung. Seine Mutter starb, und zu der Zeit war unter Mao Zedong alles sehr schwierig. Er kam dadurch zum Glauben.
In seinem ganzen Leben hat er nur die Bibel gelesen – kein anderes Buch. Aber die Bibel kannte er. Gott gab ihm, einem ohne Bildung, einen Auftrag. Damals wurde bekannt, dass in einem bestimmten Gebiet Hunderte von Männern erkrankten. Man stellte fest, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Blutkonserven abgezapft wurden, die nicht steril, sondern verseucht waren.
Diese wurden weitergegeben, und viele Männer wurden mit AIDS angesteckt. Man sperrte sie in Ghettos, getrennt von der Gesellschaft, in kleinen Dörfern. Das waren viele Männer. Dieser „Licht der Gnade“ sah darin eine Aufgabe für sich.
Ich habe ihn kennengelernt, er zeigte mir viele Bilder und erzählte. Er zog mit einigen Freunden an diese Orte, brachte Lebensmittel, Kleidung und natürlich das Evangelium mit. Ich glaube, er konnte nach einigen Jahren 134 der Erkrankten taufen. Ein schlichter, einfacher Bruder, der das Beste aus dem machte, was Gott ihm gegeben hatte. Ein wunderschönes Beispiel, wie man seine Gaben einsetzen kann.
Oder denken wir an Joni. Die Geschichte ist allgemein bekannt, ich muss sie nicht wiederholen. Oder an Nick Vujicic oder Gladys Elward. Die Biografie von Gladys Elward habe ich auch. Sie schien überhaupt keine Begabung zu haben, wollte aber in die Mission. Sie wurde zum Glauben willkommen geheißen und bat anstandshalber ihren Vater, ihr das zu genehmigen – nach China zu gehen, um das Evangelium zu verkündigen.
Der Vater war fast außer sich vor Wut. Er schrie sie an: „Wer bist du eigentlich? Du kannst nichts, du leistest nichts in der Schule, kannst nichts lernen. Du kannst nicht rauskommen, weg mit dir!“ Was hat sie gemacht? Sie hatte kein gutes Gedächtnis, immer Probleme beim Lernen. Sie war nur in einem gut, und das sagte auch der Vater: Reden. Wenn in der Schule eine Rede gehalten oder ein Schaustück vorgespielt werden musste, war sie vorne dabei und konnte unheimlich gut imitieren.
Dann ging das Mädchen, nachdem der Vater ihr so eine Abfuhr gegeben hatte, auf ihr Zimmer, kniete vor ihrem Bett und sagte: „Jesus, ich bin ja nichts, ich kann auch nichts. Es ist richtig. Das Einzige, was ich kann, ist Reden. Da will ich für dich reden.“
Sie sparte Geld durch Putzen und bekam irgendwie die Möglichkeit, über Russland nach China zu kommen. Sie wurde die berühmte „Frau mit dem Buch“. Warum? Sie war klein, hatte schwarze Haare und konnte in Affentempo Chinesisch lernen, was sie gut imitieren konnte.
Sie wurde vielen Menschen dort bekannt. Man lud sie sogar in Gefängnisse ein. Wenn die Wärter nicht mehr mit den Gefangenen klarkamen, holte man diese Frau mit dem Buch. Sie beruhigte die Männer mit dem Bibelwort. Ich weiß nicht, wie sie das machte, aber sie war von Gott begabt, gerade in solchen schweren Situationen. Sie ist in ganz China bekannt.
Ein schönes Beispiel dafür, dass wir, auch wenn wir scheinbar keine besondere Begabung haben, das, was Gott uns gegeben hat, für den Herrn einsetzen können.
Verschiedene Einsatzbereiche und der Tag der Abrechnung
So, jetzt könnte man viel erzählen. Die Zeit ist bei fünf Minuten rum. Wie Gott durch Wesley Whitfield Spurgeon in Großveranstaltungen Tausende erreichen kann, ist beeindruckend. Aber er möchte eben auch die Aidskranken in China erreichen – durch so ein Licht der Gnade.
Oder die Sportler. Ich denke an meinen Freund Fritz Weiken. Ich weiß, ihr kennt ihn in der Schweiz. Er sieht seine Aufgabe darin, in der Bundesliga, sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland, nach den Spielen in die Umkleidung der Kabinen zu gehen. Dort spricht er mit den Spielern und Trainern und überreicht ihnen eine Sportlerbibel. Das macht er jetzt schon seit 30 Jahren, glaube ich. Sämtliche bekannte Fußballtrainer, egal welcher Klub es ist, Heimkrist oder wer auch immer, haben alle eine Bibel von ihm bekommen. Die Fußballstars kennen alle die Bibel und den Friedhelm Weiken – ein ganz schlichter, fast etwas gehemmt wirkender, zurückhaltender Bruder, dem Gott eine Aufgabe gegeben hat, die er angenommen hat.
Andere machen Besuche, schlicht und einfach, arbeiten mit Kindern. Man könnte viele Beispiele erzählen, doch die Zeit ist rum. Das Schöne ist, dass wir hier lesen: Es kommt die Zeit der Abrechnung. Und das ist ja nun der Richterstuhl Christi, wo wir alle einzeln antreten werden – wie hier die Knechte – um Rechenschaft abzulegen. Was hast du gemacht mit deinen Gaben?
Bitte denke daran: Du wirst einmal vor dem Herrn stehen. Du wirst dafür gerade stehen müssen und Rechenschaft ablegen, was du mit deiner Befähigung, deiner Fähigkeit und auch mit den Geistesgaben gemacht hast. Kannst du dann dem Herrn sagen: Hier, du hast mir das gegeben, und das ist dabei herausgekommen?
Wie schön ist es, dass hier in diesem Gleichnis – im Gegensatz zu Lukas 19, wo wir auch die Talente haben – hier alle den gleichen Lohn bekommen. Derjenige, der zwei Talente hat, erhält den gleichen Lohn wie der, der fünf hat. Das ist das, was ich eben versucht habe, deutlich zu machen: Es geht nicht darum, wie viele Menschen wir erreichen, sondern dass wir treu sind mit dem, was der Herr uns anvertraut hat.
Wenn wir das für den Herrn einsetzen und ihn verherrlichen, dann ist es egal, ob wir zwei oder drei Talente haben. In diesem Buch, das ich morgen vielleicht ein bisschen vorstellen kann, geht es um 50 Kurzbiografien aus der Mission, von der Reformation bis in unsere heutige Zeit beziehungsweise bis 1956, dem Tod von Jim Elliot und den vier weiteren Missionaren. Es wird chronologisch erzählt, sehr interessant, kurz, treffend und packend.
Viele dieser Missionare haben nie den Erfolg gesehen, nachdem sie jahrzehntelang gearbeitet haben. Am Ende schreibt einer, Ludwig Krapf, der heute ganz bekannt ist in Afrika: „Ich glaube, es ist nur ein einziger zum Glauben gekommen durch meine Arbeit, und das war ein Krüppel.“ Doch welch ein reicher Lohn, wenn man treu in dem gewesen ist, was der Herr einem anvertraut hat!
Nicht die Begabten segnet Gott besonders, sondern die, die treu sind. Nicht den Erfolg, sondern den treuen Dienst. Deshalb ist es wichtig, dass wir keine Minderwertigkeitskomplexe kultivieren, sondern dass wir uns auch von Paulus sagen lassen: 1. Timotheus 4,14: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe, die in dir ist.“ Oder Kolosser 4,17 zu Archippus: „Sieh auf den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst.“
Ich glaube, das muss Gott auch manchmal gerade denen sagen, die vielleicht nur ein oder zwei Talente haben, die ein bisschen bescheiden sind. Manchmal muss man ihnen sagen: Sieh auf den Dienst, die Gabe, die der Herr dir gegeben hat. Vernachlässige sie nicht! Sage nicht, das ist zu wenig, sondern mach es treu.
Das ist vielleicht eine Gefahr für manche von uns, die ein bisschen bescheiden sind, dass wir uns vergleichen. Doch tue das, was der Herr dir gegeben hat, den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, und sei treu.
Der Herr kommt wieder – und sein Lohn mit ihm. Nach langer Zeit, haben wir hier gelesen, kommt er. Das ist immer die Gefahr, träge zu werden. Andere Gefahren werden auch in den anderen Gleichnissen behandelt: dass man isst und trinkt, sich selbst genießt oder schläfrig ist.
Aber es kommt der Tag der Abrechnung, der Rechenschaft. Wie schön, wenn dann der Herr sagen kann: „Du guter und treuer Knecht, über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen.“ Das wird allen gesagt, die treu waren.
Egal wie viel du an Talenten mitgebracht oder gearbeitet hast: Wenn du treu warst, wird dir gesagt: „Ich werde dich über vieles setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Und das ist etwas, was ich gerne beschreiben würde, aber nicht kann, weil ich diese Freude vielleicht auch zu wenig kenne.
Was bedeutet das: „Geh ein in die Freude deines Herrn“? Da geht es nicht mehr um verschiedene Städte, die wir im irdischen Reich bekommen, wo wir vielleicht meinen, mit dem Herrn zu herrschen. Hier geht es um die Freude deines Herrn. Wir werden die Freude des Herrn teilen.
Was ist das? Ich erinnere einfach an ein paar Bibelverse, in denen Jesus sagt: „Dies rede ich in der Welt, damit ihr meine Freude völlig in euch habt.“ Ich verändere das ein bisschen: „Damit sie meine Freude völlig in sich haben.“ Das betet Jesus zum Vater.
Oder er sagt den Jüngern: „Ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen.“ 1. Korinther 2,9 – Roger kannte den auswendig, ich hatte ihn heute Morgen gar nicht mehr gefunden, wurde aber daran erinnert: „Was kein Auge gesehen hat, was kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gekommen ist, hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“
Was muss das für eine Freude sein, von der wir keine Ahnung haben oder nur ganz, ganz wenig? „Geh ein in die Freude deines Herrn.“ Im Alten Testament wird es angedeutet: „Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird weit werden und beben.“ Vielleicht ein kleines Bild davon, was es bedeutet, diese Freude des Herrn wirklich zu erfahren: Dein Herz wird weit werden und beben.
Ich wünschte, ich hätte mehr Einblick in dieses Thema. Ich weiß nicht, Roger, hattest du schon mal einen Vortrag oder eine DVD über die Freude des Herrn gehalten, was uns im Himmel erwartet? Die Bibel ist da, glaube ich, auch wahrscheinlich einfach deshalb sparsam, weil wir es nicht verstehen können. Es ist zu weit von uns weg in unserer Zeit, als dass wir erfassen könnten, was es bedeutet.
Es muss unglaublich großartig und schön sein. Ich wünsche mir, dass wir eine kleine Ahnung davon bekommen, um wirklich in dieser Zeit mit großer Freude und Treue das zu tun, was der Herr uns anvertraut hat.
So, jetzt habe ich eine Minute überzogen. Ich danke euch herzlich für euer Zuhören.