Ich freue mich, heute Abend wieder hier in eurer Mitte sein zu dürfen. Ebenso schätze ich die Gelegenheit, Gottes Wort und die Prinzipien seines Wortes mit euch zu betrachten – besonders zu diesem wichtigen Thema: Wie werde ich fertig mit den Erziehungsfehlern meiner Eltern?
Lasst uns nun gemeinsam zum Gebet kommen.
Vater im Himmel, wir danken dir für das Privileg, uns in deinem Namen versammeln zu dürfen. Wir danken dir für die offene Tür, die du uns bereitest, damit wir über Jesus Christus direkten Zugang zu dir haben.
Danke für die Möglichkeit des Gebets, durch das wir dich um Hilfe für diese Stunde bitten dürfen. Wir brauchen deine Unterstützung, damit wir hören und sprechen können, wie es dir gefällt. Wir wollen gemeinsam lernen.
Herr, hilf, dass diese Stunde für manche eine sehr praktische Hilfe sein kann – für diejenigen, die noch stark an der Vergangenheit gebunden sind und die Erlebnisse, die sie erfahren haben, noch nicht verarbeitet haben.
Ich bitte dich im Namen Jesu um deine Hilfe und bete dich darüber an. In Jesu Namen, Amen.
Die Unvollkommenheit der Eltern und ihre Auswirkungen
Es ist mir einmal in der Überlegung aufgefallen, dass selbst die irdischen Eltern unseres Herrn Jesus Christus, Josef und Maria, keine vollkommenen Eltern waren. Das bedeutet für mich eine Beruhigung, weil ich sehen darf, dass Jesus Christus in einem Elternhaus aufgewachsen ist, das hier auf Erden ähnlich war wie das vieler anderer.
Man muss allerdings dazu sagen, dass Josef und Maria ganz sicherlich außergewöhnliche Menschen waren. Wir wissen aus der Schrift einiges über ihren Charakter und von ihnen. Dennoch waren sie unvollkommene Eltern. Es ist eine offensichtliche Tatsache, dass es keine vollkommenen Eltern gibt, weil wir alle Menschen sind – und es menschelt halt.
Wir versagen immer wieder, obwohl wir es nicht möchten. Paulus beschreibt das in Römer 7: Manchmal tun wir gerade das, was wir uns vorgenommen haben, nicht zu tun, und das, was wir uns vorgenommen haben zu tun, tun wir nicht. Das liegt daran, dass wir nicht vollkommen sind.
In jeder Erziehung gab es daher Fehler. Alle Eltern, selbst diejenigen, die es aufrichtig versucht haben und vielleicht sogar in hohem Maß richtig gemacht haben, haben Fehler gemacht. Kein Mensch bleibt von den negativen Folgen und Auswirkungen dieser Fehler seiner Eltern verschont. Die Wunden und Narben bleiben oft ein ganzes Leben lang.
Ich bin überzeugt, wenn es möglich wäre, im Einzelgespräch über längere Zeit mit jedem hier einzeln zu sprechen und wir die Zeit hätten, uns ein wenig über die Vergangenheit gegenseitig zu erzählen, würden wir staunen, wie viele Parallelen es gibt und wie viel wir alle an manchen Erziehungsfehlern unserer Eltern gelitten haben.
Das Ziel der Kindererziehung aus biblischer Sicht
Ich möchte noch einmal von gestern Abend wiederholen, dass das Ziel aller Kindererziehung aus der Schrift heraus gesehen ist. Das Ziel ist, dass Kinder aufwachsen und Reife erreichen.
Aus christlicher, biblischer Perspektive ist mein Ziel für meine Kinder, dass sie zu Christus ähnlicher Reife heranwachsen. Ich habe dieses Ziel, aber nicht, damit ich am Ende gut dastehe. Manche Eltern machen den Fehler, zu sagen: „Macht das bloß nicht, damit ich nicht blamiert werde.“
Hinter solch einer Aussage erkennt man oft, dass die Eltern ihre Kinder eigentlich für sich erziehen. Ihre Erziehungsmethode richtet sich mehr auf sich selbst als auf das Wohl der Kinder. Es ist nicht leicht, Kinder zu erziehen, wenn unsere Augen auf das Wohl der Kinder gerichtet sind. Dabei geht es darum, dass es ihnen gut geht, egal, ob wir als Eltern am Ende gut dastehen oder nicht.
Das Ziel ist Reife, Christusähnlichkeit oder Ausgewogenheit im Charakter. Kinder sollen nicht von jeder neuen Aussage oder Gedankenrichtung umhergetrieben werden. Sie sollen wissen, wer sie sind, wo sie stehen und wohin sie mit ihrem Leben gehen.
Wir leben in einer Generation, in der viele Jugendliche diese grundlegenden Fragen nicht beantworten können: Wo komme ich her? Warum bin ich hier? Und wohin gehe ich? Dies sind die drei grundsätzlichen Fragen des Lebens.
Die Tendenz zur Wiederholung der Erziehungsfehler
Dazu möchte ich noch sagen, was ich auch gestern Abend erwähnt habe: Wir alle neigen dazu, die Fehler unserer Eltern zu kopieren.
Wir können unsere Eltern für das hassen, was sie in der Erziehung falsch gemacht haben oder immer noch machen. Es ist sehr beschämend und ernüchternd, wenn wir uns selbst dabei ertappen, wie wir in der Erziehung unserer eigenen Kinder dieselben Fehler wiederholen.
Denn jeder neigt dazu, die Kopie dessen zu wiederholen, was er gesehen hat. Wenn unsere Vorbilder nicht gut waren, wurden wir trotzdem so angeleitet.
Ich verwende bewusst das Wort „tendieren“. Es ist kein absolutes Gesetz, sondern beschreibt eine Tendenz. Wir können diese Tendenz und unsere Vergangenheit bewusst durchbrechen.
Wir müssen nicht zwangsläufig falsche Spuren wiederholen. Aber dafür ist eine bewusste Entscheidung notwendig.
Acht häufige Erziehungsfehler und ihre Folgen
Ich möchte heute Abend auf acht Fehler eingehen. Diese acht Fehler sind sicherlich nicht alle, aber ich werde mich heute Abend auf diese acht konzentrieren.
Dabei möchte ich versuchen, anhand der Beschreibung oder der Aussage zu diesen verschiedenen Fehlern auch gewisse Antworten zu geben. Zum Schluss möchte ich dann auf eine Gesamtlösung kommen.
1. Zu viel Freiheit in der Erziehung
Erstens: Manche Eltern erziehen ihre Kinder mit viel zu viel Freiheit. Ein kleines Kind ist völlig unfähig, sich in einer so komplizierten Welt, wie wir sie haben, selbst zurechtzufinden. Gott gab dem Kind die Eltern, damit diese das Kind anleiten. Wenn Eltern ihre Funktion als Anleitende und Erziehende nicht wahrnehmen, sondern das Kind der Freiheit überlassen, wird das problematisch.
Viel zu oft wird ein Kind viel zu früh mit Fragen konfrontiert, für die es noch nicht gewachsen oder gereift ist. Ein solches Kind ist oft innerlich sehr frustriert. In Amerika ist dieses Problem heute besonders groß, vor allem in Familien, in denen beide Elternteile arbeiten. Auch in Deutschland gibt es viele solcher Familien, doch das Problem ist dort möglicherweise nicht so ausgeprägt wie in den USA.
Dort erhalten Kinder oft schon mit sechs Jahren einen Schlüssel zur Wohnung. Beide Eltern arbeiten, das Kind kommt nach Hause und muss sich selbst für den Rest des Tages durchschlagen. Es muss sich zurechtfinden, bis die Eltern nach Hause kommen. Diese kommen eventuell nur kurz nach Hause und verlassen die Wohnung bald wieder. So hat ein Kind in jungem Alter viel zu viel Freiheit. Leider führt das oft dazu, dass es auch viel zu viel anstellt, weil es keine Grenzen hat.
Oft ist es auch so, dass solche Kinder ihren Willen nicht geblockt bekommen haben. Sie konnten tun, was sie wollten, ohne fragen zu müssen. Oder wenn die Eltern anwesend waren, haben sie resigniert. Das Kind weiß, sich durchzusetzen – etwa mit emotionalem Druck – und erreicht so, was es will. Solch ein Kind ist, wie gesagt, sehr frustriert.
Dieser Fehler wird in unserer Gesellschaft zunehmend gemacht, vor allem bei jungen Paaren, die unsicher sind, ob sie einem Kind Grenzen setzen sollen. Ich wiederhole das bewusst heute Abend, weil nicht alle vor zwei Abenden anwesend waren: Eltern haben den Auftrag, ein Kind ausgewogen zu erziehen.
Das bedeutet, dass Liebe, Zärtlichkeit, Annahme, Freundlichkeit und Erbarmen für das Kind auf der einen Seite vorhanden sein müssen. Auf der anderen Seite braucht das Kind aber auch ein ausgewogenes Maß an Korrektur, Grenzen, Wahrheit und klare Richtlinien. So sind beide Seiten in Ausgewogenheit da – beide Schienen, wenn man so will, auf denen der Zug unseres Lebens fährt.
Viele Kinder haben diese Schienen der Gerechtigkeit und der Grenzen nicht erlebt. Sie sind meist sehr frustriert. Oft haben sie auch das Gefühl, von ihren Eltern nicht geliebt zu werden, obwohl ihnen alles erlaubt wurde. Ich denke, ein großer Teil dieser Kinder bringt Respektlosigkeit gegenüber den Eltern mit sich.
Ich kenne einen Mann, der Soldat im Vietnamkrieg war, ein Amerikaner, den ich kennenlernte. Er war etwa 20 oder 21 Jahre alt, als er zum Glauben an Jesus Christus kam. Er erzählte von seiner Jugendzeit, in der er eine ziemlich gute Erziehung im menschlichen Sinne erhalten hatte. Dennoch sprach er seinen Vater oft mit einem frechen Mund an. Er wusste, dass sein Vater ihn scharf hätte zurechtweisen und bestrafen sollen.
Er sagte: „Mit 22 Jahren dachte ich, mein Vater hätte mich verprügeln sollen. Aber er tat es nicht, und seit diesem Tag habe ich ihn nicht mehr respektiert.“
Ich halte es für notwendig, dass Eltern Grenzen setzen und ihren Kindern nicht grenzenlose Freiheit gewähren. Die Kinder respektieren das und freuen sich, wenn Grenzen in ausgewogener Liebe gesetzt werden.
2. Zu wenig Freiheit und Einengung
Ein zweiter Fehler ist zu wenig Freiheit, also eine Einengung. Sehr besorgte Eltern schauen ständig über die Schulter, kontrollieren immer nur und lassen das Kind niemals Verantwortung lernen. Das führt zu einer einengenden, sehr begrenzenden Erziehung. Wir haben alle beobachtet, dass manche Eltern so besorgt um ihre Kinder sind, dass gar nichts recht sein kann. Oft erleben wir, dass junge Paare dem Kind gar keinen Freiraum geben.
In der Erziehung unserer Kinder haben wir versucht, so früh wie möglich dem Kind so viel Freiraum zu geben, wie wir es für weise hielten. Dabei haben wir versucht, diesen Freiraum immer weiter auszudehnen, damit sich das Kind mehr und mehr in seiner Umwelt entfalten konnte.
Einmal wurden wir von einem Verwandten besucht, der mit der Freiheit, die wir unserem Kind gegeben hatten, eigentlich nicht glücklich war. Er lief ständig hinter dem Kleinen her: „Tu das nicht“, „Klettere nicht darauf“ und „Mach das doch nicht“. Wir hatten diese Freiheiten bewusst gegeben und nichts dagegen gesagt. Die Reaktion des Kindes auf diesen Verwandten war totale Ablehnung.
Dort, wo Eltern Freiheiten gegeben hatten, kam eine Einengung von außen ebenso frustrierend an. Grenzen sind ja wichtig, aber nicht ständige Einengung. Ich habe schon vorhin erwähnt, dass weise Erziehungsberater sagen, dass der Großteil der Umwelt eines Kindes von einem kleinen Kind bejaht werden sollte.
In unserer Wohnung gibt es Steckdosen, die wir natürlich mit Sicherheitsvorrichtungen versehen haben, als unsere Kinder klein waren. So konnten sie nicht damit spielen und sich verletzen. Dennoch war eine Steckdose eine der wenigen „Nein“-Sachen. „Nein, das darfst du nicht anfassen“, sagten wir, denn wenn wir woanders waren, waren die Steckdosen dort möglicherweise nicht geschützt.
Alle Glas- und Porzellansachen wurden weggeräumt oder hochgestellt, sodass sich das Kind frei in der Wohnung aufhalten konnte. Aber es gab ein klares „Nein“: den Baum, von dem das Kind nicht essen durfte. Natürlich mussten wir lernen, in solchen Dingen konsequent zu sein, damit unsere Kinder lernten: „Das fasst man nicht an.“
Wir versuchten sonst, im Umfeld des Kindes ein bejahendes, ein willkommen heißendes Umfeld zu schaffen. So konnten wir es dem Kind überlassen, dorthin zu krabbeln, wohin es wollte, und Dinge anzufassen, ohne ständig „Nein“ sagen zu müssen.
Wir besuchten Leute, die unsere Kinder kannten und wussten, dass sie kommen würden. Diese Leute hatten Hummelfiguren – ihr wisst ja, diese Porzellanfiguren aus Bayern, die nicht gerade billig sind. Amerikaner, die Hauptkäufer dieser Dinge, kennen sie gut. Wir besitzen keine, aber werden manchmal von Freunden in den USA gefragt, was sie hier kosten.
Diese Freunde hatten zehn oder fünfzehn dieser Hummelfiguren. Sie waren für uns eine große Belastung, denn sie standen in gut erreichbarer Nähe für unsere kleinen Söhne. Man kann sich vorstellen, wie anstrengend es für uns war, diese Wohnung zu besuchen. Ich wünschte, die Frau hätte die Figuren hochgestellt, denn wir mussten ständig „Nein“ sagen. Das war nicht unsere Gewohnheit.
Wir mussten die Kinder ständig ablenken, sie wegnehmen und an einen anderen Punkt im Raum bringen, doch sie krabbelten immer wieder zurück zu den Hummelfiguren.
Ich denke, beide Extreme sind falsch. Ich betone, und ich glaube, ihr merkt, was hier gemeint ist: Freiheit und Verantwortung müssen während der Erziehung mehr oder weniger ausgewogen geführt werden.
Stellt euch bitte eine Grafik vor, in der unten die Freiheit steht und an der Seite die Verantwortung. Am Anfang des Lebens eines Kindes sind Freiheit und Verantwortung fast null. Unsere Kleine entscheidet nicht, was sie isst, trinkt oder anzieht – das wird für sie entschieden.
Dann kommt eine Zeit, in der sie beginnt, sich selbst zu entscheiden. Das ist Freiheit. Mit jeder Freiheit steigt auch eine gewisse Verantwortung. Wenn Freiheit und Verantwortung gleichmäßig wachsen, lernt das Kind, Entscheidungen zu treffen und mit ihnen umzugehen.
Die Gefahr ist, wenn die Freiheit fast null gehalten wird. „Nein, das darfst du nicht“, „Dorthin darfst du nicht gehen“, „Das darfst du nicht anfassen“ – wenn das Kind nichts erleben darf, wird es achtzehn und kommt nach einer sehr frustrierenden, freiheitslosen Jugend plötzlich in die große Freiheit.
Ein Freund von uns, ein Engländer, wuchs in einer solchen Erziehung auf, mit vielen sinnlosen Einschränkungen. Er kam zum Militär und wurde als Erstes nach China geschickt. Er sagte: „Ich konnte mit dem nicht fertig werden. Plötzlich war ich mein eigener Entscheider, und ich war nicht bereit dafür.“ Er ging ganz ins Extrem der Freiheit.
Um solche Extreme zu vermeiden, müssen Eltern während der Erziehungsphase Freiheit und Verantwortung in Ausgewogenheit miteinander verbinden.
Das andere Extrem ist, wenn dem Kind zu früh zu viel Verantwortung übertragen wird, also große Entscheidungen treffen muss, für die es nicht gewappnet ist. Auch das führt zu Frustration.
Beide Situationen sind ungesund und frustrierend. Ich sagte vor zwei Abenden: Das Wort „Ausgewogenheit“ ist meines Erachtens eines der wichtigsten Worte, die wir in Bezug auf Kindererziehung lernen können. Ausgewogenheit heißt, beide Seiten einer guten Sache zu betrachten und nicht einseitig reaktionär zu werden.
Wir neigen dazu, auf Dinge zu reagieren, und diese Reaktionen gehen oft zu weit in die andere Richtung. Wenn man reagiert, ist man passiv. Wenn man jedoch agiert, initiiert und selbst anleitet, sieht man beide Seiten und weiß von Anfang an, warum und was man tut.
Unser Ziel mit unseren Kindern ist, dass sie bis zum achtzehnten Lebensjahr eine solche Reife erreicht haben, dass sie fähig sind,
erstens, mit Gott und seiner Gemeinde umzugehen,
zweitens, zu wissen, wie man anderen Menschen dient,
drittens, zu wissen, wie man zwischenmenschliche Konflikte löst und dabei Respekt für andere zeigt,
viertens, fähig zu sein, mit ihrer Zeit, ihrem Geld und ihren Gaben verantwortungsvoll umzugehen,
fünftens, den gesunden Wert von harter Arbeit gelernt zu haben und eine gesunde Beziehung zur Arbeit zu entwickeln, denn wir müssen lernen zu arbeiten,
und sechstens, die Anerkennung geltender Autoritätsstrukturen zu zeigen, also zu verstehen, dass der Chef ihr Chef ist, die Schulleitung die Schulleitung ist und die Regierung eine obrigkeitliche Funktion hat, die für uns alle schützend und helfend ist.
Ich weiß, das Bürgerliche Gesetzbuch ist umfangreich, vielleicht für unseren Geschmack zu umfangreich, und es gibt viele Gesetze in Deutschland. Dennoch erkennen wir an, dass die Regierung im Großen und Ganzen unser Wohl im Auge hat – wenn auch nicht vollkommen.
Ich sagte vorhin: Keine Autorität außer Gottes ist vollkommen, auch die elterliche nicht. Eltern machen Fehler, die Regierung macht Fehler. Aber ich möchte, dass meine Kinder sich nicht ständig an den Problemen anderer aufhängen und rebellieren, sondern dass sie reif sind, wenn sie das Nest verlassen.
Das Problem zu großer Freiheit führt zu labilen, disziplinlosen Menschen. Das Problem zu wenig Freiheit führt zu Gesetzlichkeit, Einengung und oft zu einer kritischen Haltung gegenüber anderen Menschen. Solche Menschen wurden selbst viel kritisiert, denn wir alle machen Fehler.
Wenn ständig Einengung kommt, geschieht das meist durch Kritik: „Das machst du falsch“, „Das machst du falsch“, „Auch das ist falsch“, „Mach das bitte nicht“, „Mach das bitte nicht.“ Man lernt durch das Gehörte, diese Haltung zu übernehmen.
Solche Menschen sind oft eine Last für andere, weil sie auch ständig „Nein“ sagen lernen und weitergeben.
3. Übermässige harte Kritik und Härte
Drittens gibt es ein weiteres Problem: übermäßige, harte, negative Kritik und Härte. Dieses Problem hängt eng mit dem zweiten Punkt zusammen, nämlich zu wenig Freiheit. Es gibt einen ständigen Strom von Kritik, der angeblich motivieren soll.
Viele Kinder, die in die Trotzphase kamen, haben diese Erfahrung von ihren Eltern so übernommen. Die Eltern hatten es wiederum von ihren Eltern, und diese von ihren Eltern, und so weiter. Die Kinder wurden ständig kritisiert und lebten fast nur noch mit Kritik. Dabei wurden sie herabgesetzt. Sie wurden nicht geliebt, sondern mit unsachgemäßer, unverhältnismäßiger Härte erzogen. In diesem Land war das ein großes Problem.
Ich habe mit Hunderten, buchstäblich mit Hunderten von Menschen gesprochen, sowohl in Deutschland als auch mit Deutschen im Ausland. Ich weiß, dass es eine übermäßige Zahl solcher Familien gibt, in denen die Eltern ihre Kinder mit bombardierender Kritik erzogen haben. Dort gab es kaum oder gar keine Annahme, Zärtlichkeit oder Freundlichkeit.
Solche Kinder haben zum Beispiel nie vom Vater gehört: „Ich habe dich lieb.“ Sie haben keine Umarmung erlebt. Als ich dieses Problem in den Vereinigten Staaten ansprach, kam ein Mann auf mich zu. Seine Frau stammt aus der deutschsprachigen Schweiz. Er kam weinend zu mir und sagte: „Herr Pugh, das, was Sie heute gesagt haben, beschreibt meine Frau ganz genau. Sie ist krebskrank, wurde vor wenigen Wochen operiert, und ihr Vater aus der Schweiz kam. Als er erfuhr, dass sie krebskrank ist, hat er sie zum ersten Mal in ihrem Leben umarmt.“
Eine Woche später berichtete ich in einer anderen Gemeinde in Ohio von diesem Phänomen. Viele Familien in diesem Land waren davon betroffen. Ein Mann namens Schwarzwalder – so sprach er seinen Namen aus – kam auf mich zu. Ich ließ mir den Namen ein paarmal sagen, bevor ich verstand, was er meinte. Er ist die dritte Generation Amerikaner und kann kein Deutsch. Er sagte: „Roger, du hast meinen Vater beschrieben, als ob du ihn zehn Jahre gekannt hättest.“ Er erzählte: „Mein Vater hat mich nie umarmt, mich nie angenommen und mir nie gezeigt, dass er mich liebt, sondern mich ständig kritisiert.“ Das ist die dritte Generation.
Er beschrieb sein Elternhaus als einen Ort ohne Lob oder mit kaum Anerkennung. Dazu kamen oft negative Vergleiche oder überhaupt Vergleiche zwischen Kindern. Meine Eltern waren in diesem Punkt äußerst weise. Sie hatten kein Lieblingskind, sondern drei Lieblingskinder – wir waren drei zu Hause. Meine Eltern haben sich während unserer gesamten Jugend sehr angestrengt, überhaupt nicht parteiisch zu sein.
Auch heute wissen wir, dass wir alle gleich stark geliebt werden. Manche Eltern sagen es offen: „Das ist mein Lieblingskind.“ Neulich war ich bei einer Familie in Stuttgart. Dort sagte ein Elternteil zu einem Mädchen: „Du bist mein liebstes Kind, gell?“ Man kann sich vorstellen, was das im Herzen des anderen Kindes bewirkt und wie es die Beziehung belastet, wenn solche Vergleiche vor den Kindern gezogen werden oder die Kinder überhaupt davon Wind bekommen.
Wir haben selbst erfahren, dass geschwisterliches Konkurrenzdenken ohnehin da ist. Wir haben versucht, genau so zu sein wie unsere Eltern mit uns, nämlich unparteiisch und alle Kinder gleich liebend. Dennoch hörten wir von unseren Kindern, dass es Vorteile für den einen und Nachteile für den anderen gibt. Das beginnt schon am Tisch, wenn es um die Austeilung vom Kuchen geht oder beim Kaffeetrinken.
Ich hörte von Familien mit zwei Söhnen, bei denen der eine Sohn den Kuchen schneiden durfte und der andere das erste Stück nehmen durfte. Das ist nicht dumm, sondern eine sehr genaue Regelung. Kinder gleich zu lieben, ist nicht leicht, denn nicht alle Kinder sind gleich.
Wenn ich sage, ich liebe meine Kinder gleich, wäre es falsch zu sagen, dass wir sie gleich erzogen haben. Wir erziehen unsere Kinder nicht identisch, denn jedes Kind ist ein Individuum. Wir gehen auf den einen anders ein, weil er andere Probleme hat als der zweite. Der dritte hat wieder andere Probleme, und die Tochter, die dazugekommen ist, wird ganz anders behandelt.
Kinder sind nicht identisch, wir lieben sie gleich, aber erziehen sie nicht identisch. Das ist unmöglich. Wichtig ist, nicht mit Vergleichen zu arbeiten. Wenn du hier als der Benachteiligte bist, habe ich großes Verständnis dafür. Ich kann sagen, als zweiter Junge von drei Kindern stand ich immer innerlich in Konkurrenz zu meinem älteren Bruder, obwohl wir nichts dafür getan haben.
Ich sah, was er leisten konnte. Er machte seinen Führerschein ein paar Jahre vor mir. Er hatte in der Schule Erfolge, bevor ich sie hatte. In mir entstand ein strebendes Denken: Ich hoffe, ich mache es mindestens genauso gut, wenn nicht besser. Denn es ist menschlich, zu konkurrieren.
Wenn Eltern dann noch ihre eigenen Fehler machen, ist das sehr, sehr schädlich für die Beziehung zwischen den Kindern und auch für die Beziehung zu den Eltern. Kinder entwickeln einen unbegreiflichen Hass gegen die Eltern.
Denken wir zurück: Isaak und Rebekka hatten Zwillinge. Die Mutter liebte einen mehr, der Vater den anderen. Das führte dazu, dass die Kinder jahrelang nicht miteinander sprachen, Jakob und Esau. Die Problematik der Eltern übertrug sich auf die Kinder, ebenso das Verhalten der Eltern.
Man sollte eigentlich von der Bibel lernen, wie gefährlich es ist, Vergleiche zu ziehen.
Nicht nur haben manche Eltern mit Härte und Kritik reagiert, sondern auch durch Entzug von körperlichem Kontakt, durch Kälte, ohne Liebe oder mit kaum Wärme. Manche Eltern vermeiden sogar Augenkontakt mit ihren Kindern. Kleine Kinder reagieren sehr stark auf Augenkontakt.
Wir machen diese Augenspiele und schauen uns dabei an, zum Beispiel mit unserer kleinen Tochter. Das macht viel Spaß, aber nichts passiert, bis die Augen sich treffen. Wenn Eltern das nicht gemacht haben, war das auch verletzend, weil das Kind nicht voll angenommen wurde.
In unserer Gemeinde habe ich die Gewohnheit, mich herunterzubeugen, wenn kleine Kinder an die Tür kommen und „Auf Wiedersehen“ sagen. So sind wir auf Augenhöhe und können uns direkt ins Gesicht schauen. Die Kinder werden als volle Menschen angenommen.
Kälte und Härte...
4. Respektlosigkeit gegenüber den Kindern
Ein viertes Problem ist die Respektlosigkeit der Eltern gegenüber ihren Kindern.
Vielleicht liegt es zuerst daran, dass die Eltern den Kindern zu wenig Zeit schenken. Der Vater arbeitet oft unermüdlich: „Schaffe, spare, Häusle baue“ – er kann nicht schweben, aber ihr versteht, was ich meine. Das bedeutet, dass für die Kinder häufig kaum oder gar keine Zeit, kein Kontakt und kein wirkliches Interesse übrigbleibt.
Ich kenne das ein wenig aus eigener Erfahrung. Ich habe schon von meinem großen Respekt für meinen Vater erzählt. Er führte ein Lebensmittelgeschäft in einem Dorf und war gleichzeitig Postamtsleiter. Beides befand sich im gleichen Haus. Abends, besonders im Sommer, schloss er den Laden erst gegen halb acht oder acht Uhr, manchmal sogar erst gegen halb neun. Das war eine lange Woche: Jeden Morgen um sieben Uhr da sein und durchgehend bis halb neun abends geöffnet haben. Natürlich war er nicht jede Minute im Laden, aber abends nach Geschäftsschluss gab es noch die Buchführung. Insgesamt arbeitete er siebzig bis achtzig Stunden pro Woche.
Das ist das Bild, das ich von meinem Vater habe, wenn ich zurückdenke. Ich glaube, mein Vater bereut es auch ein wenig. Ich selbst bedauere sehr, dass er manchmal keine Zeit für uns hatte. Ich habe ihm längst vergeben, und wir haben heute eine sehr gute Beziehung. Die Beziehung war nie krank, aber ich hätte gerne mehr Zeit mit ihm gehabt.
Wenn ich von meiner Situation sprechen kann, wie viel mehr gilt das erst, wenn die Beziehung nicht in Ordnung ist und der Vater kaum oder gar keine Zeit für das Kind hat.
In den letzten Jahren wurde eine Umfrage gemacht, die zeigte, dass der durchschnittliche amerikanische Vater etwa zwanzig Sekunden Zeit pro Tag für ein Gespräch mit seinen Kindern hat. Nun, das ist Amerika. Hoffentlich überträgt sich das nicht auf andere Länder oder Familien. Hoffentlich war oder ist es nicht so in deiner Familie: zu wenig Zeit oder vielleicht kein Zuhören.
Wir haben vorhin schon von dem Buch gehört, in dem es darum geht, dass Eltern reden, die Kinder reden, aber die Eltern nicht zuhören. Sie fahren den Kindern über den Mund oder haben einfach keine Zeit zuzuhören. Du wirst nicht ernst genommen, wirst ständig unterbrochen, oder du beginnst etwas zu erzählen, und die Eltern führen den Satz zu Ende.
Redest du mit solchen Menschen, die ständig deine Sätze beenden? Das ist sehr frustrierend! Man beginnt zu sprechen, und plötzlich kommen die Worte aus dem Mund des anderen. Man kann sich kaum aussprechen. Manche Eltern machen das mit ihren Kindern: Sie sprechen ständig ihre Gedanken für die Kinder vor, hören nicht zu und geben den Kindern keinen Raum, sich selbst zu entfalten.
Wenn man in der Seelsorge zuhört, hört man oft, wie viele Kinder sagen: „Das könnte ich meinen Eltern nie sagen. Das sagst du doch deinem Vater? Ich könnte es ihm nie sagen.“ Entweder haben die Eltern keine Zeit, kein Interesse oder wenn das Kind etwas sagt, nehmen sie es nicht ernst.
Zu wenig Zeit, keine Bereitschaft zuzuhören – das ist ein großes Problem.
Ein weiterer Punkt der Respektlosigkeit ist, dass Kinder vor anderen bloßgestellt werden. Oft bin ich mit Eltern zusammen, auch in den letzten Wochen, und es belastet mich sehr, wenn ich höre, wie Eltern ihre Kinder beschreiben, während die Kinder im gleichen Raum sind und zuhören.
Ich denke dann: Werden die Kinder nicht als hörende Menschen geachtet? Sie sind alt genug, haben beide Ohren, und sie hören zu.
Vorletzte Woche hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, die in der gehörlosen Gemeinde tätig ist. In unseren Gemeinderäumen in Stuttgart trifft sich die gehörlose Gemeinschaft für diesen Teil Deutschlands. Diese Frau erzählte von einer Familie, einer ungläubigen Familie, in der ein gehörloses Mädchen aufwuchs. Die Eltern taten so, als ob das Kind nichts mitbekommen würde. Obwohl das Mädchen nicht hören konnte, behandelten sie sie so, als ob sie nichts sehen oder wahrnehmen könnte.
Das Mädchen ist jetzt sechzehn und so belastet, wie man es sich kaum vorstellen kann – sowohl von sexueller Seite als auch von anderen Seiten. Die Eltern waren so unklug, zu denken, das Kind sei dumm, weil es nicht hören kann.
Manche Eltern verhalten sich auch gegenüber ihren hörenden Kindern so, als könnten diese nicht hören, und denken nicht darüber nach, welche Verletzungen sie damit verursachen. Die Kinder haben beide Ohren, aber werden trotzdem blamiert.
Eltern sprechen über die Fehler von „kleinem Hans“, der gerade im Raum ist und zuhört. „Stell dir vor, was er gestern für eine Dummheit gemacht hat!“ Hans hört zu und denkt: „Sie respektieren mich nicht, sie nehmen mich nicht ernst, sie blamieren mich vor anderen.“
Was denkt Hans dann? „Wenn sie mich blamieren, dann blamiere ich sie erst recht!“ Oder er zerbricht innerlich, weil er denkt, er werde nicht wahrgenommen.
Kleine Bäume sind ganze Bäume, kleine Kinder sind ganze Menschen. Wenn jemand fragt: „Wie viele Leute waren da?“ und die Antwort lautet: „Es waren vierzig Menschen und zehn Kinder“, dann geht mir das wie ein Schwert durchs Herz. Kinder sind ganze Menschen. Sie sind zwar nicht erwachsen, aber sie müssen ernst genommen werden. Eltern dürfen ihre Kinder nicht respektlos behandeln.
Ein weiteres Problem der Respektlosigkeit ist, dass das Privatleben der Kinder oft nicht geachtet wird. Mein Vater, der Postamtsleiter war, hat mir tief eingeprägt, dass es in Amerika gegen das Bundesgesetz verstößt, einen Brief anzufassen, der einem nicht gehört.
Mein Vater hat mir ins Herz gelegt, dass man Dinge, die einem nicht gehören, nicht anfasst. Ich käme nicht auf die Idee, eine Postkarte zu lesen, die an meinen Sohn adressiert ist. Wenn ich merke, dass sie an ihn gerichtet ist, lese ich sie nicht, weil sie mir nicht gehört.
Eine Postkarte ist schon eine private Sache, der Absender rechnet damit, dass sie gelesen werden kann. Briefe erst recht nicht. Eltern sollten ihre Finger vom Privatleben der Kinder lassen. Das Kind muss wissen: „Ich werde geachtet, so wie die Eltern selbst in ihrer Privatsphäre geachtet werden wollen.“
Auch das Mitlesen von Telefongesprächen ist ein Problem. Kinder können sich nicht frei aussprechen, weil sie befürchten, die Eltern könnten mithören.
Ein weiteres Problem ist ständiges Hinterfragen, Bohren und Eindringen ins Privatleben. Fragen wie: „Was denkst du über sie?“, „Was denkst du über ihn?“, „Warum gehst du dorthin?“, „Warum machst du das?“
Das Kind fühlt sich nicht respektiert und wird sich dadurch von zu Hause weggetrieben fühlen.
5. Unkonsequenz der Eltern
Zu viel Freiheit, zu wenig Freiheit, Kritik, geladene Härte oder kaum Lob, Respektlosigkeit – das sind vier Problembereiche. Fünftens sind Eltern oft selbst unkonsequent.
Ich habe hier einen Artikel aus einer Zeitung ohne christliche Basis aus Leonberg über Drogenabhängige und Drogensüchtige. Selbst dort wird gesagt, dass das Hauptproblem bei Jugendlichen, die drogenabhängig sind, aus der Familie kommt. Dort, wo sie keine Geborgenheit spüren und keine Annahme erleben, wenden sie sich ab.
In dem Artikel wird außerdem erwähnt, dass diese Kinder oft von respektlosen Eltern erzogen werden. Die Eltern rauchen Zigaretten und verlangen von ihren Kindern, dass sie kein Haschisch rauchen. Sie konsumieren also etwas anderes, sind aber unkonsequent. Wenn sie sagen, „Nimm gar nichts zu dir“, nehmen sie selbst viel zu sich – nur in einer anderen Form und mit einem anderen Etikett.
Eltern müssen selbst eine gewisse Konsequenz im eigenen Leben zeigen und ein gutes Vorbild sein. Wenn sie von ihren Kindern verlangen, bestimmte Dinge nicht zu tun, müssen sie diese Vorgaben auch selbst einhalten. Besonders wenn Kinder daran erinnern, kommt das häufig vor. Sie sprechen einen an und sagen zum Beispiel: „Papa, hast du nicht gesagt…?“ Dann antwortet man: „Ja, das habe ich gesagt. Du hast recht.“
Ein Beispiel: Wenn die Kinder hinten im Auto sitzen und über die Schulter schauen, um zu sehen, wie schnell ich fahre, und sie das Schild beachten, das die Geschwindigkeitsbegrenzung vorschreibt, schauen sie auf meinen Tacho und erinnern mich: „Papa, hier ist es fünfzig, danke.“ Ich sage dann: „Ja, wir sollen der hiesigen Ordnung untertan sein und uns an diese Regeln halten.“ Manchmal sehe ich es nicht, dann brauche ich diese Hilfe.
Es ist mein bewusstes Reden mit meinen Kindern: „Haltet euch an die Geschwindigkeitsbegrenzung!“ Wenn sie mir dabei helfen, ist das ein doppeltes Vorbild für mich. Es ist eine Hilfe von den Kindern und eine Ermutigung, konsequent zu sein.
Vor allem müssen Eltern in der Konsequenz einig sein in dem, was sie den Kindern sagen. Ich habe es selbst erlebt: Wenn ich zu meiner Mutter ging und fragte, „Mom, darf ich?“, sagte sie: „Geh zum Papa.“ Ging ich zum Vater, fragte er: „Was hat die Mutter gesagt?“ Wenn sie „komm zu dir“ sagte oder „nein“, dann sagte er auch „nein“. Es war nicht so, dass aus dem einen Lautsprecher Bach und aus dem anderen Beatles kam, sondern es war dasselbe.
Ich wusste, ich konnte keinen Keil zwischen die beiden treiben. Sie waren einig. Sicher hatten sie Uneinigkeiten, aber darüber haben sie hinter verschlossener Tür gesprochen und sie ausgearbeitet. Oder wenn sie es nicht sofort klären konnten, warteten sie, bis sie beide eine Meinung zu einer Sache hatten.
Konsequenz muss da sein, sonst führt das zu Frustration und Respektlosigkeit von den Kindern gegenüber den Eltern. Denn die Kinder merken: „Ich weiß, wen ich bei wem ausspielen kann, um zu erreichen, was ich will.“
6. Falsche Rollendarstellung in der Familie
Sechstens ist eine falsche Rollendarstellung ein weiteres Problem. Wir haben in diesen Tagen gesehen, wie wichtig es ist, dass die biblische Rolle des Mannes geachtet wird. Der Mann soll der Schützende, der Aufsehende und der Dienende an der Frau sein. Er trägt die Leitung in der Ehe. Die Frau hingegen hat die dienende und unterstützende Rolle.
Wenn Kinder eine falsche Rollendarstellung erleben, tragen sie diese Erfahrung ihr ganzes Leben lang mit sich. Sie kämpfen damit, diese falschen Rollen bewusst zu korrigieren. Kinder, die eine verkehrte Rollendarstellung in ihren Familien gesehen haben, sind für mich mittlerweile ziemlich leicht zu erkennen.
Ich stelle oft eine Frage, wenn ich mit manchen Menschen zusammen bin: War dein Vater der Leitende in deiner Familie? Wenn ich diese Frage mehrfach beantwortet bekomme, entsteht für mich ein Bild von einer Person, von einem Mann zum Beispiel, der wusste, wie er freundlich, aber dienend mit einer Frau umgeht und die Aufsicht führt.
An dem Benehmen einer jungen Dame kann ich dann erkennen, ob ihre Mutter ständig angreifend und führend in der Familie war oder ob sie von ihrer Mutter gelernt hat, die richtige Rolle darzustellen – in Freundlichkeit und in Liebe.
7. Fehlendes Vorbild der Liebe zwischen den Eltern
Siebtens gibt es noch einen Problembereich: Es gibt kein Vorbild der Liebe – weder den Eltern gegenüber noch sich selbst gegenüber.
Jemand sagte einmal, und ich stimme dieser Aussage größtenteils zu: Das Wichtigste, was ein Vater seinen Kindern schenken kann, ist, dass er ihre Mutter liebt. Ich finde diese Aussage sehr treffend. Meine Kinder müssen wissen, dass ich ihre Mutter liebe, denn sie lieben sie ja auch. Wenn zwischen den Eltern die Liebe nicht stimmt, dann merken das die Kinder. Und wenn sie später selbst eine Ehe eingehen, wissen sie oft nicht, wie sie mit einer Frau umgehen sollen.
Ich hole meine Frau oft auf meinen Schoß und umarme sie vor meinen Kindern. So zeige ich meiner Frau, dass ich sie liebe.
Das Problem tritt häufig auf, und viele dieser Menschen wissen nicht, mit wem sie darüber sprechen können. Eine Frau kam einmal in die Seelsorge und sagte: „Ich bin verheiratet. Ich will nicht, dass mein Mann das erfährt, aber ich komme nicht über diese schrecklichen Erinnerungen hinweg, dass ich in meiner Kindheit misshandelt wurde. Was kann ich da machen?“ Sie wollte ihren Ehemann nicht belasten.
Manche Menschen, vielleicht auch hier, haben solche Probleme aus der Vergangenheit. Dafür gibt es Hilfe in Jesus Christus.
Wege zur Heilung und Versöhnung mit den Eltern
Ich möchte zu Lösungen kommen, wenn Eltern Fehler gemacht haben – und das haben alle. Vielleicht haben deine Eltern andere Fehler gemacht. Der erste Schritt zur Lösung ist, zu vergeben.
Epheser 4,32 sagt: „Seid aber gegeneinander freundlich, barmherzig, vergebet einander, gleichwie auch Gott in Christus euch vergeben hat.“ Vergebung ist nicht billig, sie kostet viel und ist nicht leicht.
Wenn wir an Vergebung denken, stellen wir uns oft vor, dass jemand uns auf die Füße tritt und sich entschuldigt. Dann sagen wir vielleicht: „Ach, das macht nichts.“ Wenn es wirklich nichts macht, kann man das so sagen. Aber was ist, wenn es schwerwiegende Probleme sind, die dein ganzes Leben belasten? Fehler, die deine Eltern gemacht haben und an denen du bis heute kaust und trägst? Der erste Schritt in deinem Leben ist es, deinen Eltern zu vergeben.
Ich kenne Leute, deren Eltern schon 15 oder 20 Jahre tot sind. Wenn sie über ihre Eltern sprechen, werden ihre Gesichter rot, man merkt, wie der Hass steigt, das Herz schlägt schneller, und sie können nicht ohne hasserfüllten Ton über ihre Eltern reden – obwohl diese längst nicht mehr da sind.
Vergebung bedeutet, sie von ihrer Verantwortung dir gegenüber zu entlassen. Ich habe keine vollkommenen Eltern, sondern Eltern, die Fehler gemacht haben. Eine gute Erziehung, aber mit Fehlern.
Ich stieg mit 19 Jahren in einen Zug. Es war Mitte Januar, der 20. Januar 1963. Ich stieg in einen Zug im Bundesstaat Washington, ganz im Westen Amerikas, um wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Ich war schon vier Monate hier in Europa gewesen mit einem Singeteam von Jugend für Christus. Man hatte mich gebeten, vom Jugend-für-Christus-Leiter Berlins zurückzukommen.
Ich habe meine Eltern um Erlaubnis gefragt, ob ich das tun dürfte. Ich war Mitte Dezember in die Staaten zurückgeflogen und fragte um Erlaubnis: Darf ich zurück? Es war eine große Frage, denn ich unterbrach dadurch mein Studium. Meine Mutter hatte erhebliche Sorgen, dass ich mein Studium nicht vollenden würde. Aber meine Eltern sagten: „Roger, wir übergeben dir die Verantwortung für die Entscheidung. Die Entscheidung, die du triffst, ist die, die wir unterstützen.“ Mit 19 Jahren.
Ich habe es nicht auf die leichte Schulter genommen. Ich habe gebetet, gerungen und um Ratschläge von anderen gebeten. Etwa am 10. Januar habe ich mich entschlossen: Ich will zurück. Meine Eltern standen ganz hinter mir. Am Abend vor der Abfahrt mit dem Zug gingen wir noch in ein kleines Lokal und aßen zusammen. Ich sollte sie erst in einem Jahr, zu Weihnachten, wiedersehen.
Als ich in den Zug stieg, kam in mir hoch, was für Eltern ich habe. Ich dachte an das, was sie gut meinten in meiner Erziehung, wie viel sie investiert hatten, wie sie gebetet hatten, wie sie ihre Hände geöffnet hatten, damit ich gehen konnte. Und wie sie vorbildlich waren in ihrer vollen Unterstützung dessen, was Gott in meinem Leben führte. Ich fing an zu weinen. Ich weinte eine halbe Stunde lang ununterbrochen vor Dankbarkeit.
Ihr könnt euch denken, wie viele Gedanken mir durch den Kopf gingen. Ich dachte auch an die Fehler, die meine Eltern gemacht hatten. Besonders an ein Problem, das mir sehr groß vor Augen wurde und über das ich schon mit meiner Mutter gesprochen hatte. Ein Problem, einen Fehler, den ich bis heute für einen Fehler halte.
Ich sprach meine Mutter darauf an und sagte: „Mutter, ich denke, das war ein Fehler.“ Sie antwortete: „Raja, ich sehe das anders.“ So blieben wir bei zwei ganz verschiedenen Meinungen über dieses Problem.
An dem Tag im Zug gingen mir diese Gedanken durch den Kopf. Ich sagte mir: Was soll's? Ich kann die Fehler nicht rückgängig machen. Meine Eltern bleiben bei ihrer Überzeugung in manchen Dingen. Das Einzige, was ich tun kann, ist ihnen zu vergeben. Ich will die Beziehung zu meinen Eltern, ich will nicht Recht haben. Ich will, dass Liebe zwischen uns besteht.
Da habe ich vergeben. Und ich bin so dankbar, sagen zu können, dass es mir nie in den Sinn gekommen ist, meine Eltern auf diese besonderen Dinge anzusprechen, die mich so schwer belastet haben in meiner Jugend. Sie sprechen auch nicht darüber. Wir suchen eine gute Beziehung miteinander.
Warum sollte ich meine Eltern noch zur Rechenschaft ziehen? Die Erziehung ist vorbei. Vergib deinen Eltern, sie können es nicht mehr rückgängig machen. Entlasse sie aus ihrer Verantwortung.
Und weißt du, was das bewirkt? Das befreit dich. Manche Menschen sind mit einem Seil an ihre Vergangenheit gebunden – mit einem Stahlseil. Sie kommen nicht vorwärts, schleppen die ganze Vergangenheit mit sich. Wenn man mit ihnen spricht, sind ihre Probleme noch so gegenwärtig, als wären sie erst gestern geschehen.
Vergib, aber du kannst nicht vergeben ohne die Hilfe Gottes. Es ist unmöglich. Du brauchst seine Hilfe, um deinen Eltern vergeben zu können. Das bedeutet: Herr, vergib mir für das, was ich falsch gemacht habe an dir. Herr, reinige mich, denn ich habe auch nicht alles richtig gemacht. Aber Herr, ich will vergeben.
Wenn du deinen Eltern vergibst, kann etwas zwischen dir und ihnen geschehen, das so wunderbar ist, dass man es kaum beschreiben kann. Dann hast du die Möglichkeit, ihnen zu dienen, sie zu unterstützen und ihnen in ihrer Not beizustehen.
Weitere Schritte zur Versöhnung und zum besseren Umgang
Zweitens: Nicht nur Vergebung, sondern auch Ehre. Ehre deine Eltern. Wie sieht das aus, wenn du zu Hause bist? Sage es und zeige es ganz praktisch, dass du sie liebst.
Hast du deinen Eltern in diesem Kalenderjahr gesagt: „Ich habe dich lieb“? Hast du es ihnen mitgeteilt? Hast du ihnen gesagt, dass du dich freust, dass es sie gibt? Hast du ihnen gesagt, wie viel sie dir bedeuten? Sie sind Gottes Weg, dass du auf die Welt gekommen bist. Hast du ihnen das persönlich gesagt?
Die Post sagt es so schön: Ruf doch mal an, schreib mal wieder. Ich bin kein Postbote, mein Vater war es. Die amerikanische Post ist kaputtgegangen, seitdem er nicht mehr dafür arbeitet. Nun, ich denke, es ist gut, wenn man eine Meldung an die Eltern gibt: „Ich freue mich, dass es euch gibt.“ Nicht nur am Muttertag oder beim Geburtstag. Tu das mal unter der Woche, geh mal kurz vorbei und sag: „Heute will ich nichts holen, heute will ich nur lastlos werden, ich will euch nur sagen, dass ich euch liebe.“
Ich denke, sie müssten sich eventuell hinsetzen, wenn sie das so unangemeldet und unerwartet von dir bekämen. Was, du kommst vorbei, um nur zu sagen, dass du uns liebst? Oh, danke.
Fange du an mit der Liebe zu deinen Eltern, auch wenn sie es dir nie gesagt haben. Sag du es ihnen.
Worüber klagen die meisten Menschen heute über diese Welt? Dass sie aus den Fugen geraten ist und es so lieblos zugeht. Die Bibel sagt ja, dass in der Zeit kurz vor der Rückkehr von Jesus Christus die Lieblosigkeit sich mehren wird und die Liebe in vielen erkalten wird.
Wir dürfen nicht die ganze Zeit sagen: „Oh, wie schrecklich, wie lieblos es in der Welt ist.“ Wir müssen die Anstifter von Liebe sein. Wir müssen diejenigen sein, die anfangen, anderen Liebe zu zeigen.
Wenn du deinen Eltern vergeben hast, bist du in der Lage, mit der Tat der Liebe zu beginnen. Schicke ihnen Anerkennungen. Gib ihnen deine Zeit, mähe ihnen den Rasen, repariere den Wagen, hilf beim Umbau. Zeige dein Interesse an ihrem Wohl, so wie sie es während der ganzen Erziehung an dir und deinem Wohl gezeigt haben.
Sei kreativ und suche schöpferische, neue Wege. Du kennst deine Eltern und weißt, was ihnen eine Freude machen würde. Mach ihnen diese Woche eine Freude. Diese Verkündigungswoche hätte nicht erreicht, wenn es nicht zur Tat käme – in unseren Familien.
Du musst bereit sein zu sagen: Ab dieser Woche will ich beginnen, meinen Eltern zu zeigen, in Tat und Wort, dass ich sie liebe. Veranstalte eine Überraschung.
Meine Frau hat zum fünfundzwanzigsten Hochzeitstag ihrer Eltern ganz überraschend etwas organisiert. Viele wurden eingeladen, und sie fuhr extra vom Studium nach Hause, um ihnen eine Freude zu machen. Nicht allzu lange darauf starb ihr Vater. Sie ist heute sehr froh, dass sie das getan hat und ihnen eine Freude gemacht hat.
Überrasche sie mit etwas Positivem. Baue du die Brücke zu ihnen wieder auf, wenn die Brücke abgebrochen wurde. Fange du an zu lieben.
In Römer 12, am Ende, finden wir eine Aussage, die wir nicht übersehen dürfen in unserer Verantwortung. Paulus sagt in Vers 19: „Recht euch nicht selbst, ihr Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn. Denn es steht geschrieben: ‚Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.‘“
Wenn nun dein Feind hungert, so speise ihn. Wenn deine Eltern Fehler gemacht haben, stelle ihre Grundbedürfnisse fest und stille sie. Dürstet er, so tränke ihn. Wenn du das tust, wirst du glühende Kohlen auf sein Haupt sammeln.
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Diene deinen Eltern in bewusster Liebe.
Ich sehe aus diesem Zusammenhang: Wenn auch deine Eltern in feindlicher Beziehung zu dir stehen sollten, gib ihnen ein Glas Wasser. Das bedeutet, finde heraus, was ihr Grundbedürfnis ist.
Manche Kinder sind so versteift, dass sie wissen: „Meine Eltern würden gern, dass ich anrufe.“ Und gerade das machen sie nicht, weil sie wissen, dass die Eltern das gern hätten. Das ist keine christliche Liebe.
Christliche Liebe heißt zu wissen: „Meine Eltern würden das gern erleben, also tue ich das, wenn ich das kann und wenn ich das darf.“ Natürlich.
Vergib ihnen und ehre sie aktiv.
8. Neue Vorbilder suchen und selbst besser handeln
Drittens: Suche andere Vorbilder an den Stellen, an denen deine Eltern versagt haben. Finde neue Vorbilder für die Dinge, die deine Eltern falsch gemacht haben. Lies Biografien von Eltern, die es richtig gemacht haben. Schau in deinem Bekanntenkreis nach. Dort gibt es vielleicht eine Mutter, die es richtig macht, wo deine Mutter versagt hat. Von dieser kannst du lernen. Ebenso gibt es vielleicht einen Vater, der es mit seinen Kindern gut macht. Von ihm kannst du lernen.
Viertens: Tue es selbst besser. Kritisiere deine Eltern nicht mehr, sondern mache es selbst besser als sie. In 1. Timotheus 4,12 heißt es: Niemand verachte deine Jugend, sondern werde ein Vorbild für die Gläubigen im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben und in der Keuschheit. Mach es selbst! Auch wenn deine Eltern große Fehler gemacht haben, wiederhole sie nicht.
Die Macht schlechter Gewohnheiten kann dazu führen, dass du manche Fehler deiner Eltern wiederholst. Doch du kannst das überwinden. Waren deine Eltern unkonsequent? Du musst es nicht sein. Waren sie hart in der Erziehung? Sei nicht hart. Waren sie barsch? Sei nicht barsch. Waren sie zu weich? Sei konsequent und mache es mit Gottes Hilfe besser.
Ich denke, es ist nur möglich, so zu handeln, wenn wir Jesus Christus persönlich kennen. Der Maßstab, den wir heute besprochen haben, wie wir mit unseren Eltern umgehen sollen, ist meiner Meinung nach nur mit der Hilfe Jesu Christi umsetzbar. Jesus Christus starb am Kreuz und zeigte uns, wie Liebe aussieht und wie Konsequenz aussieht. Ohne seine Hilfe können wir es nicht besser machen.
Wenn du heute Abend hier bist und Jesus Christus nicht kennst, möchte ich dir ans Herz legen, darüber nachzudenken, wie du Gott durch Christus kennenlernen kannst. Komm zu ihm mit der ganzen Last deiner Vergangenheit. Lass dich reinigen, lass dich retten und lass dir von ihm helfen.
Schlussgebet und Ermutigung
Wir neigen uns zum Gebet.
Vater im Himmel, ich danke dir von ganzem Herzen, dass es einen Ausweg gibt aus der Verklemmung unserer Vergangenheit. Wir müssen nicht ständig belastet durch die Welt gehen, sondern dürfen, so wie du uns vergeben hast, auch anderen vergeben, die es mit uns falsch gemacht haben.
Vergebung, Herr, ist nicht billig und nicht leicht. Sie kostet uns alles, was wir haben und sind, weil der Preis so hoch war.
Vater im Himmel, das, was wir durch Fehler gelitten haben, soll uns nicht mehr binden. Wir wollen befreite Menschen sein, glücklich und froh in dir.
Danke für diese Zeit zusammen. Ermutige du uns alle gemeinsam, dass es Hoffnung gibt in Christus. Amen.
