Einführung in den Begriff und die heutige Wahrnehmung der charismatischen Bewegung
Wir wollen uns heute Abend mit der charismatischen Bewegung beschäftigen. Einige von Ihnen haben diesen Begriff vielleicht schon einmal gehört. Heutzutage versteht man darunter oft eine konfessionelle Gruppe. Das war jedoch nicht immer so. Der Begriff stammt aus der Bibel und hat dort eine andere Bedeutung. Es geht dabei nicht um eine bestimmte Gruppe von Christen, sondern eigentlich sind alle Christen in der Bibel in diesem Sinne Charismatiker – allerdings nicht im heutigen charismatischen Sinn.
Heute versteht man unter Charismatikern oft Christen, die beim Gotteslob die Arme hochheben. Das ist jedoch eigentlich weder ursprünglich theologisch noch wirklich charismatisch. Ursprünglich wurde das auch nicht so stark diskutiert. Es handelt sich vielmehr um verschiedene Haltungen. Wenn wir in der Bibel nachschauen, dann sehen wir, dass im Alten und auch im Neuen Testament häufig beim Gotteslob die Hände erhoben wurden. Diese Praxis ist später in Europa zurückgegangen, aber sie bildet heute nicht den Kern der charismatischen Lehre.
Die charismatische Theologie tritt besonders dort hervor, wo einzelne Personen sie bis ins Extreme vertreten. Dabei kommt es teilweise zu Reibungen, weil viele nicht genau verstehen, was dort eigentlich passiert. Wer im Internet surft, kann Szenen, Bilder oder Filme sehen, in denen Menschen plötzlich wie vom Blitz getroffen zu Boden fallen, anfangen zu lachen oder zu kichern. Man fragt sich: Was ist das? Solche Beispiele gehören zu bestimmten Ausprägungen der charismatischen Theologie.
Wir werden später noch besprechen, wie solche Phänomene zustande kommen und was man unter charismatischer Theologie eigentlich versteht. Dabei muss man jedoch auch sagen, dass diese extremen Erscheinungen nicht die gesamte charismatische Theologie ausmachen. Sie sind nur ein Teil davon und oft vertreten sie radikale Positionen. Die normale charismatische Theologie gibt sich meistens wesentlich vorsichtiger und einfacher.
Ich werde im weiteren Verlauf noch den Unterschied zwischen diesen Ausprägungen deutlicher machen.
Ursprung und biblische Bedeutung des Begriffs Charisma
Zuerst einmal zur eigentlichen Geschichte dieses Begriffs: Der Begriff Charisma, beziehungsweise der Plural Charismata, stammt aus der Bibel. Insbesondere im Neuen Testament, das ja auf Griechisch verfasst wurde, findet sich dieser griechische Begriff.
Charismata bedeutet so viel wie Gnadengabe. Gemeint ist damit eine Gnadengabe Gottes. Gott beschenkt den Menschen durch seinen Geist mit verschiedenen Gaben. In der charismatischen Bewegung werden diese Geistesgaben besonders betont. Daher rührt auch der Name „charismatische Bewegung“. Diese Charismata stehen im Mittelpunkt.
Wenn wir jedoch in die Bibel schauen, merken wir sehr schnell, dass dort eine einseitige Betonung von Charismen vorliegt. Das heißt, man nimmt nicht alle Charismen, die in der Bibel genannt werden, sondern konzentriert sich auf nur drei. Im Neuen Testament finden sich etwa 25 verschiedene Gnadengaben, die Gott den Menschen durch seinen Heiligen Geist schenkt.
In der charismatischen Bewegung werden insbesondere Zungenreden, Prophetie und Heilung herausgegriffen. Das sind die großen Themen, die in dieser Bewegung immer wieder diskutiert werden. Alle anderen Geistesgaben treten dahinter eher zurück und verlieren dadurch an Bedeutung, weil der Fokus stark auf diesen drei liegt.
Nun könnte man natürlich die Frage stellen: Warum konzentriert man sich so stark auf diese drei? Möglicherweise, weil diese am spektakulärsten sind. Wenn wir zum Beispiel im Neuen Testament lesen, dass es auch die Gabe des Glaubens oder die Geistesgabe des Dienens gibt, dann sind diese nicht so auffällig.
Jemand, der dient, fällt kaum auf. Wo liegt da das Besondere? Was ist daran spektakulär? Wenn ich jedoch sage: „Steh auf, nimm dein Bett und geh“, dann ist das beeindruckend. Nicht nur deshalb, aber auch deswegen werden diese Gaben besonders hervorgehoben.
Darauf werden wir gleich noch eingehen. Zunächst möchte ich alle Stellen im Neuen Testament vorlesen, in denen das Wort Charismata vorkommt, also wo von Geistesgaben die Rede ist. Diese Stellen sind nicht sehr zahlreich, deshalb ist es kein Problem, sie alle zu nennen. Danach wollen wir gemeinsam anschauen, was dort als Charismata, also als Gnadengabe Gottes, bezeichnet wird.
Biblische Stellen zu Charismata und ihre Bedeutung
Das erste Mal taucht der Begriff in Römer 1,11 auf. Paulus schreibt dort: „Denn mich verlangt sehr, euch zu sehen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu stärken.“ Wenn wir den Gesamtzusammenhang betrachten, handelt es sich um die Eingangsworte zum Römerbrief. Paulus möchte der Gemeinde mitteilen, was er mit Gott erlebt hat, und die Gemeinde soll im Gegenzug erzählen, was sie mit Gott erfahren hat. Hier bedeutet Charismata, Anteil zu geben an dem, was man im Alltag mit Gott erlebt hat. Das ist eine Geistesgabe.
Gott greift in unser Leben ein, er führt uns, wir erleben etwas mit Gott und teilen dies anderen mit. Dadurch wird es für die anderen ebenfalls zur Geistesgabe, zu einem Geschenk Gottes, zu einem Gnadengeschenk, an dem sie teilhaben können.
In Römer 5,15-16 finden wir einen weiteren Bezug: „Mit der Übertretung ist es aber nicht so wie mit der Gnadengabe. Denn wenn durch das eine Übertretung die vielen gestorben sind, so ist vielmehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus gegen die vielen überreich geworden.“ Hier wird deutlich, dass die Gnadengabe die Vergebung der Sünden meint. Jesus ist für uns gestorben, und dadurch haben wir Vergebung der Sünden. Gnadengabe, Charismata, Vergebung der Sünden – in diesem Sinne können hoffentlich viele der Anwesenden sagen: Ich bin Charismatiker, ich habe Vergebung meiner Schuld. Das ist eine Gnadengabe Gottes, die hier genannt wird. In diesem Sinne ist Charismatik hoffentlich positiv einzuordnen, unstrittig und ergreifend.
In Römer 6,23 lesen wir: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Auch hier steht Gnadengabe, Charismata, für ein Geschenk Gottes. Diesmal geht es nicht so sehr um Sündenvergebung, sondern um ewiges Leben. Das heißt, Charismata ist eine Gnadengabe Gottes. Gott schenkt uns, wenn uns die Sünde vergeben ist, ewiges Leben. Hoffentlich sind auch in diesem Sinne die meisten heute Abend Anwesenden Charismatiker.
In Römer 12,6-7 heißt es: „Wir haben aber verschiedene Gnadengaben nach der uns übergebenen Gnade, so lasst uns sie gebrauchen, es sei Weissagung oder Dienst in Erfüllung des Glaubens.“ Dort werden noch weitere Gaben aufgezählt. Hier handelt es sich ebenfalls um verschiedene Gaben, die Gott der Gemeinde gibt, damit sie zum Aufbau der Gemeinde dienen können.
Im ersten Korintherbrief beschäftigt sich Paulus intensiv mit den Gaben Gottes. Ich zitiere hier nur Auszüge, in denen der Begriff vorkommt, da später noch weitere Gaben genannt werden. In 1. Korinther 7,7 schreibt Paulus: „Ich wünsche aber, alle Menschen wären wie ich. Doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.“ Hier geht es um das Thema Verheiratetsein oder Nichtverheiratetsein. Eine Gnadengabe Gottes ist es, verheiratet zu sein. Wer verheiratet ist, ist Charismatiker. Und wer ledig ist, als Geschenk Gottes, ist ebenfalls Charismatiker. Hoffentlich gehören auch die Anwesenden in diesem Sinne zu einer der beiden Gruppen. Ich selbst zähle mich zu den verheirateten Charismatikern. Auch hier im ersten Korintherbrief ist Charismatik ein Geschenk Gottes, beispielsweise die Eheschließung.
In 1. Korinther 12,4 heißt es: „Es gibt aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, es ist derselbe Geist.“ Danach werden einige Gaben aufgezählt. Ich werde später noch einmal auf Kapitel 12 eingehen, da dort einige dieser Gaben genannt werden. Hier sind es Gaben, die zum Aufbau der Gemeinde dienen sollen, und es handelt sich um ganz unterschiedliche Begabungen, die dort nötig sind.
In 1. Korinther 12,9 lesen wir: „Einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen.“ In diesem Abschnitt wird deutlich gemacht, dass all diese Gaben vom Heiligen Geist unterschiedlich verteilt werden. Es heißt dort, dass es nach dem Willen des Geistes geschieht, nicht nach dem Willen des Menschen. Alle Gaben gehören zu einem Leib, nämlich dem der Gemeinde, und sie dienen alle zum Aufbau dieses Leibes. Hier werden die Gnadengaben der Heilung und auch die Gnadengabe des Glaubens genannt.
In 1. Korinther 12,28 und dann in den Versen 30 und 31 finden wir den Begriff mehrfach: „Und die einen hat Gott in der Gemeinde eingesetzt, erstens als Apostel, zweitens andere als Propheten, drittens Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gnadengabe der Heilung, Hilfeleistung, Leitung, Arten von Sprachen.“ Das heißt, auch derjenige, der die Gemeinde leitet, besitzt ein Charisma, eine Gnadengabe Gottes, genau wie derjenige, der Heilung bewirkt oder Hilfe leistet.
In Vers 30 heißt es weiter: „Haben alle Gnadengaben der Heilungen, reden alle in Sprachen, legen alle aus?“ Die Antwort ist ein griechisches Stilelement und lautet klar: Nein. Paulus erklärt, dass die Gemeinde wie ein Leib ist. Wenn das Auge sagen würde: Ich will Fuß sein, oder der Fuß: Ich will Hand sein, würde alles zusammenbrechen. Jeder hat seine Gabe, die der Heilige Geist gibt. Nicht jeder hat die Gabe, die er gerne hätte, und nicht jeder hat dieselbe. Das wird hier deutlich gemacht.
Paulus ermutigt, sich um die größeren Gnadengaben zu bemühen, und zeigt einen Weg, der noch weit darüber hinausgeht. Das ist der letzte Vers in Kapitel 12. Im folgenden Kapitel 13 wird das „Hohe Lied der Liebe“ beschrieben. Dort wird uns vor Augen geführt, dass diese Geistesgaben zwar wichtig sind, aber die höchsten Gaben Glaube, Hoffnung und Liebe sind. Dabei handelt es sich nicht um menschliche Liebe, Hoffnung oder Glauben, sondern um von Gott gewirkte Gaben.
Alle anderen Geistesgaben werden damit verglichen, und es wird gesagt, dass sie ohne diese Dreiheit, insbesondere ohne die Liebe, wertlos sind. Hier wird deutlich, in welchem Verhältnis die Gaben zueinander stehen und welche Bedeutung sie für das Leben eines Christen haben. Fehlen diese drei, sind die anderen Gaben wertlos.
Im zweiten Korinther 1,11 lesen wir: „Wobei auch ihr durch das Gebet für uns mitwirkt, damit von vielen Personen für das uns verliehene Gnadengeschenk gedankt werde.“ Paulus spricht hier davon, dass er ein Gnadengeschenk hat, das der Gemeinde zugutekommt. Sehr wahrscheinlich meint er damit seine Berufung als Apostel der Heiden. Die Gemeinde wird durch dieses Gnadengeschenk gesegnet, weil Paulus durch diese Berufung das Evangelium gebracht hat und sie dadurch Gott kennengelernt haben.
Im ersten Timotheusbrief 4,14 heißt es: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir gegeben worden ist durch Weissagung mit Handauflegung der Ältestenschaft.“ Paulus geht hier auf die Gnadengabe von Timotheus ein. Im zweiten Timotheus 1,6 erinnert er: „Um dieser Ursache willen erinnere ich dich an die Gnadengabe Gottes anzufachen, die in dir durch das Auflegen meiner Hände ist.“ Es wird erwähnt, dass Timotheus diese Gnadengabe durch die Handauflegung von Paulus erhalten hat.
Die Frage ist, um welche Gnadengabe es sich handelt. Im Zusammenhang wird darauf hingewiesen: „Niemand verachte dich wegen deiner Jugend, sei mutig und stark, führe den Auftrag aus.“ Wahrscheinlich handelt es sich um die Gnadengabe der Leitung. Timotheus fühlt sich noch jung und unsicher, Paulus ermutigt ihn, seinen Auftrag auszuführen. Niemand soll ihn daran hindern. Er ist von Gott dazu beauftragt worden.
Der Auftrag von Timotheus bestand darin, Leiter in den Gemeinden einzusetzen. Im ersten und zweiten Timotheusbrief wird von nichts anderem berichtet, weder von Heilungen noch von Zungenreden. Deshalb gibt es auch Kriterien für Ältestenschaft, die erwähnt werden. Hier scheint die Leitungsaufgabe im Vordergrund zu stehen. Im ersten Korintherbrief wird die Gnadengabe der Leitung ebenfalls als eine der Geistesgaben genannt. Das macht diese Interpretation sehr wahrscheinlich.
Die letzte Stelle im Neuen Testament, in der das Wort Charismata auftaucht, ist 1. Petrus 4,10: „Wie jeder eine Gnadengabe empfangen hat, so dient er mit als guter Verwalter der verschiedenartigen Gnade Gottes.“ Hier werden nicht einzelne Gaben aufgezählt, sondern die Gesamtheit genannt. Es wird betont, dass diese Gnadengaben nicht dazu da sind, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen oder sie für sich zu genießen, sondern dass sie dazu dienen, anderen zu dienen und eingesetzt zu werden. Das ist der eigentliche Zweck.
Weitere biblische Aspekte der Geistesgaben und Früchte des Geistes
Also den Dienst an anderen. Nun, das sind nicht die einzigen Stellen, an denen genannt wird, was der Heilige Geist uns schenkt. Es gibt auch einige wenige Stellen, in denen von den Pneumatika die Rede ist, also den vom Geist gegebenen Gaben. Das wird dann etwas anders ausgedrückt.
Allerdings gibt es nur wenige Stellen, die ich an dieser Stelle nicht nenne. Wenn ihr diese noch mit aufgenommen haben wollt: In meinem Buch über die charismatische Bewegung sind alle aufgeführt, auch mit einem kurzen Hinweis darauf, was jeweils angesprochen ist. Dort sind auch diese und einige andere Gaben enthalten, die wir im Neuen Testament finden.
Wahrscheinlich müssten wir auch zu diesen Geistesgaben die Früchte des Geistes rechnen. Denn die Früchte des Geistes sind ebenfalls das, was der Geist übernatürlich im Menschen bewirkt. Das sind gerade nicht Dinge, die wir aus uns selbst heraus entwickeln können. Vielmehr wird gesagt: Wenn du den Heiligen Geist hast, dann kann man das Wirken des Heiligen Geistes an dem erkennen, was er in dir bewirkt.
Und das ist dann in Galater 5 beschrieben. Dort werden die Früchte des Fleisches – also die Kennzeichen des Fleisches, der Menschen – den Werken des Fleisches gegenübergestellt. Das ist das, was natürlich im Menschen drin ist. Demgegenüber steht, was der Heilige Geist im Christen bewirkt.
Dort wird noch einmal von Frieden, Geduld, Langmut und so weiter gesprochen – Freundlichkeit gehört auch dazu. Das ist alles, was der Heilige Geist bewirken will.
Also, so weit die Bibel über Charismata, über genaue Gaben Gottes. Dabei merken wir, dass eine sehr große Bandbreite an außergewöhnlichen Charismata existiert. Heilung, Zungensprechen und auch die Prophetie werden eigentlich fast ausschließlich in 1. Korinther 12 und 1. Korinther 14 erwähnt. Sonst lesen wir im Neuen Testament von diesen Geistesgaben so gut wie gar nichts.
Natürlich finden wir in der Apostelgeschichte ein paar Fälle, wo Leute in Zungen geredet haben. Das wird allerdings nicht besonders hervorgehoben, weil genauso andere Personen erwähnt werden, die vom Heiligen Geist getauft wurden oder den Heiligen Geist empfangen haben, aber nicht in Zungen reden.
Manchmal könnte man sagen, vielleicht wurde das einfach nicht erwähnt, weil es selbstverständlich war. Allerdings wissen wir aus der frühen Kirchengeschichte, dass das eben nicht selbstverständlich war. Paulus sagt das ja noch einmal ganz genau in 1. Korinther 12, wo er erklärt, dass es ganz unterschiedliche Gaben gibt. Der Heilige Geist teilt aus, wem er will, und nicht jeder hat dieselben Gaben.
Also müssen wir daraus schließen, dass auch in der Apostelgeschichte nicht jeder in Zungen geredet hat.
Charakteristika und Praxis der charismatischen Bewegung heute
Typisch für die charismatische Bewegung ist, wie bereits erwähnt, eine Frömmigkeit, die besonderen Wert auf die Begabungen des Heiligen Geistes legt, insbesondere auf drei dieser Begabungen. Darüber hinaus zeichnet sich die charismatische Bewegung durch ein stark emotional geprägtes Christenleben aus. Sehr oft wird argumentiert und davon gesprochen: „Ich habe das erfahren, ich habe das erlebt. Deshalb ist es wahr.“ Dieses persönliche Erleben ist ein sehr starkes Argument.
Auch die Gottesdienste sind meist sehr emotional gestaltet. Das bedeutet, dass häufig mehr Zeit auf den Lobpreis verwendet wird als auf die eigentliche Predigt. Lobpreis ist dabei nicht unbedingt verstandesorientiert. Es geht nicht einfach darum, ruhig Lieder zu singen, sondern vielmehr darum, dass durch die Lieder die Emotionen angesprochen werden.
Ein typischer Charismatiker würde am Ende eines solchen Gottesdienstes sagen: „Ich habe die Nähe Gottes gespürt.“ Dies trifft besonders auf den Lobpreis oder die Manifestation der Gaben zu, weniger auf die Predigt in den meisten Fällen.
Hier zeigt sich eine Eigenschaft, die wir später noch genauer betrachten und bewerten müssen: Was ist das, was ich während des Singens empfinde? Ist das wirklich das Wirken des Heiligen Geistes oder könnte es auch etwas anderes sein? Diese Frage muss noch näher untersucht werden. Emotionalität spielt jedenfalls eine große Rolle.
Häufig ist in der charismatischen Bewegung auch eine Abwertung von Dogmen und Lehren zu beobachten. Typisch ist, dass dort konfessionsübergreifende Kontakte gepflegt werden. Für Charismatiker spielt es keine Rolle, ob jemand katholisch, evangelisch-landeskirchlich, mennonitisch, methodistisch oder baptistisch ist. Das verbindende Element ist die Erfahrung der übernatürlichen Gaben.
In diesen Gemeinden wird oft betont, dass die konfessionellen Unterschiede nicht wichtig sind. Stattdessen wird häufig hervorgehoben, dass man eine persönliche Bindung an Jesus oder an den Heiligen Geist hat. Die Bibel spielt dabei keine so große Rolle. Manchmal wird sogar polemisch argumentiert: „Ich glaube doch nicht an die Bibel, sondern an Jesus.“
Diese Argumentationen folgen alle demselben Trend, nämlich einer starken Erfahrungs- und Gefühlsorientierung. Dabei muss man natürlich vernünftig nachdenken: Wie kann man eine Verbindung zu Jesus haben, wenn man die Bibel nicht hat? Ohne die Bibel wüssten wir heute wahrscheinlich gar nichts von Jesus. Es sind immerhin zweitausend Jahre vergangen. Woher wissen wir also alles, was von Jesus berichtet wird? Nur aus der Bibel, sonst aus keiner anderen Quelle.
Der gesamte Psalm 119 spricht davon, wie wichtig und wertvoll die Bibel ist. Jesus selbst sagt: „Wer ein Gebot durchstreicht, ist der Geringste im Himmelreich.“ Er sagt außerdem: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Diese Aussagen ließen sich endlos fortführen.
Es wird auch gesagt, dass eine wichtige Aufgabe des Heiligen Geistes darin besteht, uns an die Worte Jesu zu erinnern. Es geht also um die Worte Jesu, die Geschichte Jesu und damit um die Bibel, die ganz entscheidend wichtig ist.
Wer versucht, sich von der Bibel zu lösen, nimmt die Worte Jesu nicht ernst. Stattdessen stellt er den Glauben an Jesus über den Glauben an die eigene Erfahrung oder Offenbarung. Das ist leider sowohl die Stärke als auch die Schwäche der charismatischen Bewegung.
Historische Vorläufer und wiederkehrende Muster der charismatischen Gaben
Jetzt können wir die Frage stellen: Ist die Betonung von Zungenrede, Prophetie und direkter Offenbarung Gottes etwas prinzipiell Neues?
Da müssen wir sagen: Nein. In der Kirchengeschichte gab es das immer wieder. Von der frühesten Kirche bis in die Gegenwart gab es immer wieder Phasen, in denen einzelne dieser Begabungen ganz besonders hervorgehoben wurden. Allerdings fällt auf, dass es sich in den allermeisten Fällen um Bewegungen am Rande der Kirchengeschichte handelte, die aus unserer heutigen Sicht eher einen sektiererischen Charakter haben.
In der frühen Kirche beispielsweise, und das lesen wir bei der Zwölf-Apostellehre, tauchten viele Propheten auf, die prophetisch redeten. Doch viele dieser Propheten stellten sich im Laufe der Zeit als falsche Propheten heraus – insbesondere weil ihre Ansagen sich nicht erfüllten oder im Gegensatz zur biblischen Lehre standen. Deshalb hörte die Prophetie im zweiten Jahrhundert weitgehend in der Gemeinde auf.
Das heißt, die Ältesten der Gemeinde wurden mehrfach ermahnt, die Propheten genauer zu prüfen. Das taten sie auch, und es stellte sich heraus, dass ein Großteil dieser Prophetien falsch war. Ein ganz wichtiger Prophet Ende des zweiten, Anfang des dritten Jahrhunderts ist Montanus. Er trat in Kleinasien auf und erhielt unter anderem die Offenbarung, dass Jesus bald wiederkommen würde. Außerdem verkündete er, dass in seiner Heimatstadt Pepuza das himmlische Jerusalem liege und dass sich alle Menschen darauf vorbereiten sollten.
Darüber hinaus gab es zwei Frauen, die ihn begleiteten. Sie traten mit weißen, langen Gewändern auf und gaben ebenfalls Prophetien von sich. Auch diese Prophetien erwiesen sich als falsch. Als alle drei starben, war die Bewegung weitgehend vorbei. Das war also wieder so ein Höhepunkt.
Der nächste Höhepunkt der Prophetie lag etwa um das Jahr 950 bis 980. In dieser Zeit gab es viele Prophetien, die das nahe Anbrechen des Reiches Gottes und den Untergang der Welt im Jahr 1000 – also zum Jahrtausendwechsel – ankündigten. Verschiedene Propheten reisten herum und gaben viele falsche Prophetien von sich.
Ähnliches gab es bei den Mystikern im elften und zwölften Jahrhundert. Diese versuchten, durch eine Art Meditation eine innere Verbindung mit Gott zu suchen. Sie vertraten die Lehre der sogenannten Unio Mystica, das heißt, die Seele des Mystikers verbindet sich durch Meditation mit der Seele Gottes. Sie gingen auch davon aus, dass im Menschen ein letzter guter Kern sei, aus dem man Glaubensgefühl entwickeln und sich mit Gott vereinen könne.
Diese Lehre wird heute im Großen und Ganzen von der Kirche eher abgelehnt, weil biblische Aussagen eindeutig sagen, dass der Mensch von Jugend auf schlecht ist. Er ist von Natur aus nicht gut, sondern nur dann gut, wenn er von Gott gereinigt und erlöst ist.
Eine nächste Welle der Prophetie begann kurz vor der Reformation und setzte sich während der Reformationszeit fort. In dieser Zeit gab es beispielsweise eine Gruppe der Täufer, die späteren Mennoniten, in Münster. Dort trat der Prophet Jan Mattis auf, der das baldige Weltende prophezeite. Er behauptete, Gott habe ihm offenbart, dass man sich scheiden lassen dürfe, dass Mehrehe erlaubt sei und dass eine Gütergemeinschaft eingeführt werden solle.
Insbesondere solle ihm auf Befehl Gottes all der Reichtum ausgeliefert werden, weil Reichtum nach der Bibel belastend sei – aber da er schon so heilig sei, belaste ihn der Reichtum nicht mehr. Mattis erhielt auch die Prophetie, dass bei der Belagerung der Stadt die Kopfsteinpflaster plötzlich zu Brot werden sollten, damit alle zu essen hätten. Einige, die ihm noch glaubten, büßten ihre Zähne dabei ein.
Er verheißt außerdem, dass sie während des Kampfes gegen die Katholiken unverletzbar seien. Er selbst glaubte daran, zog in die Schlacht und wurde schon in den ersten Minuten getötet. Das war eindeutig falsche Prophetie.
Genauso gab es die sogenannten Zwickauer Propheten, die zur Zeit Luthers auftraten und ihn schließlich vertrieben. Sie schlossen sich mit Karlstadt zusammen und wollten eine radikale Reformation. So sagte Gott ihnen beispielsweise, dass die Bauern die Adeligen töten sollten. Es kam zu einem Mob, der die Adeligen tötete, später selbst getötet wurde. Danach war es mit den Zwickauer Täufern und Propheten vorbei.
Diese große prophetische Bewegung in der Reformationszeit umfasste auch hussitische Propheten. Sie hatten ähnliche Offenbarungen, zum Beispiel den Auftrag von Gott, alle Katholiken zu erschlagen. Das versuchten sie eifrig, bis sie selbst getötet wurden.
In der Reformzeit wurden diejenigen, die prophetische Offenbarungen im großen Stil erhielten, im Nachhinein meist als Irrlehrer betrachtet.
Ähnliches gilt für den Pietismus. Dort gab es die Berleburger Täufer und die sogenannten inspirierten Gemeinden. Eine Frau namens Eva von Butler erhielt Offenbarungen, dass sie zwei Studenten heiraten solle, um zusammen die himmlische Trinität auf der Erde zu verwirklichen. Sie lehrte auch, dass jeder, der sexuell mit Mutter Eva verkehrt, in den Zustand der Sündlosigkeit zurückversetzt werde – und vieles mehr.
Während der Erweckungsbewegung im neunzehnten Jahrhundert gab es ebenfalls viele Beispiele. Ich nenne nur einige bekannte: Alle großen Sekten, die im neunzehnten Jahrhundert entstanden, basierten auf Offenbarungen. Die Mormonen entstanden durch Offenbarungen. Joseph Smith sah sich als Prophet, erhielt Offenbarungen vom Engel Moroni und schrieb diese auf.
Ähnlich verhielt es sich bei den Zeugen Jehovas. Russell und Rutherford verkündeten 1914 die Wiederkunft Jesu aufgrund von Offenbarungen. Auch die Adventisten entwickelten sich zunächst sektiererisch, nahmen heute aber etwas Abstand davon. Ihre Prophetin Ellen Gould White erhielt Offenbarungen, dass man bestimmte Speisen nicht mehr essen dürfe, dass nur diejenigen gerettet würden, die den Sabbat hielten, und erhielt weitere göttliche Kleiderregeln.
Das sind nur die bekanntesten Beispiele. Es gibt zahlreiche weitere, etwa eine Frau am Zürichsee, die Offenbarungen erhielt und eine kleine Gruppe in der Erweckung leitete. Am Karfreitag erhielt sie die Offenbarung, sie solle ihre Schwester töten, und Gott würde dann ein großes Wunder tun. Am Ostersonntag würde die Schwester wieder auferstehen, und dadurch würde das ganze Dorf zum Glauben kommen.
Die Gemeinde versammelte sich, tötete die Schwester, und die drei Tage blieben sie dort, sangen Lieder und beteten. Nach drei Tagen stand die Polizei vor der Tür, alle wurden eingesperrt und die Schwester begraben. Auch das ist ein Beispiel für solche prophetischen Bewegungen.
Es gibt viele weitere Beispiele dieser Art. Das heißt, Prophetie gab es immer wieder in der Kirchengeschichte. Vereinzelt gibt es auch Überlieferungen von echter Prophetie. Aber insgesamt überwiegt gerade bei Gruppen, die prophetische Gaben stark betonten, bei weitem die falsche Prophetie.
Ähnlich verhält es sich mit dem Zungenreden. In der Kirchengeschichte gibt es immer wieder Berichte von Zungenreden, auch glaubwürdige. So wird berichtet, dass Missionare, die im fünften und sechsten Jahrhundert die Germanen missionierten, plötzlich in einer Sprache sprechen konnten, die sie nicht gelernt hatten. Diese Sprache verstanden ihre Zuhörer, und so konnten sie evangelisieren.
Solche Beispiele ziehen sich bis in die Neuzeit. Allerdings sind das meistens keine programmierbaren Phänomene, sondern Ereignisse, die plötzlich auftreten. In den allermeisten Fällen handelt es sich um reale Sprachen, die von anderen in der Umgebung verstanden werden können.
Es gibt jedoch auch emotionales Reden in unverständlichen Lauten. Das kommt häufig bei Gruppen vor, die stark gefühlsbetont sind. Teilweise werden in Trance solche Laute ausgestoßen.
Wie sieht es bei Heilungen aus? Heilungen gab es ebenfalls durch die gesamte Kirchengeschichte, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Ein Beispiel ist Martin von Tours.
Martin von Tours, an dessen Namenstag gestern die Katholiken erinnern, war ein Missionar, der in Südfrankreich viele Menschen zum Glauben führte. Die Evangelischen erinnern an Martin Luther, der am selben Tag seinen Namenstag hat. In evangelischen Gegenden wird eher an ihn gedacht, der als armer Junge von Haustür zu Haustür zog, fromme Lieder sang und von den Menschen Essen bekam.
Martin von Tours werden mehrere Heilungswunder zugeschrieben. Soweit wir das beurteilen können, wirken diese relativ glaubwürdig. Er betete für Menschen, die daraufhin gesund wurden. Solche Heilungen sind immer wieder in der Kirchengeschichte zu beobachten.
Es gab jedoch auch Gruppen, die Heilungen exzessiv betrieben. Dort kam es oft zu Misserfolg und Frustration, die sich mit der Zeit ausbreiteten.
Wir sehen also: Diese drei großen Gaben – Zungenrede, Prophetie und Heilungen – gab es immer wieder. Die Betonung der Gefühle ist in der Christenheit wie eine Auf-und-Ab-Bewegung oder eine Pendelbewegung.
Es gab Zeiten, in denen der Glaube Gefahr lief, zu intellektualisiert zu werden. Beispiele dafür sind die Scholastik im Hochmittelalter oder die lutherische Orthodoxie im 16. und 17. Jahrhundert. Auch die Aufklärungstheologie im 18. und 19. Jahrhundert, die Neologie und ähnliche Bewegungen waren stark intellektuell geprägt.
Demgegenüber gab es theologische Bewegungen, die stärker gefühlsbetont waren. Dazu gehören die Mystik, der Pietismus und die Erweckungsbewegung. Diese hatten positive Auswirkungen, aber an ihren Rändern traten häufig Exzesse auf.
Solche Phänomene kennen wir immer wieder aus der Kirchengeschichte. Allerdings bezeichnet man solche Bewegungen dort allgemein nicht als charismatische Bewegung.
Entstehung und Entwicklung der modernen charismatischen Bewegung
Wie ist nun die moderne charismatische Bewegung entstanden? Man spricht heute meistens von drei Wellen der charismatischen Bewegung.
Die erste Welle der charismatischen Bewegung ist die Pfingstbewegung. Heute kennen wir Pfingstgemeinden, die sich manchmal so nennen. In Deutschland ist der größte Verbund der Bund freier Pfingstgemeinden, der sein Hauptzentrum in Erzhausen bei Darmstadt hat. Dort befinden sich auch Ausbildungsstätten. Zum Bund gehört unter anderem der Leuchter Verlag, der auch eine Zeitschrift herausgibt. Das ist die erste Welle des Heiligen Geistes.
Die älteste Pfingstbewegung in Deutschland ist der sogenannte Gemeinschaftsverband Mülheim-Ruhr. Er entstand aus der landeskirchlichen Gemeinschaft, nachdem in den USA 1906 die Pfingstbewegung entstanden war. Wahrscheinlich gab es schon 1901 Zungenreden in einer Bibelschule in Topeka, Kansas. Dort rangen Schüler intensiv darum, das Zungenreden zu erfahren. Eine Schülerin soll dann nachts während des Gebets plötzlich in unverständlichen Lauten gesprochen haben. Das hatte zunächst keine großen Auswirkungen.
Ausgangspunkt war die Azusa Street Mission in Los Angeles. Dieses alte Kirchengebäude der Methodisten wurde angemietet. Über Jahre hinweg fanden dort täglich Erweckungsveranstaltungen statt. Menschen aus ganz Amerika und auch aus Europa kamen, um sich dort segnen zu lassen und in Zungen reden zu können. Hier entstand die Pfingstbewegung.
Die Pfingstbewegung gründete eigene Gemeinden weltweit und verbreitete sich weiter. Die größten Gruppen der Pfingstbewegung sind die Assemblies of God und die Church of God Cleveland. Cleveland heißt sie, weil ihr Hauptsitz dort ist. Es gibt auch andere Church of God. In Deutschland nennt sich eine Gemeinde „Gemeinde Gottes“. Auch der Bund freier Pfingstgemeinden ist später zu diesen Bünden verbunden. Das sind also die klassischen Pfingstgemeinden.
Sie verbreiten sich relativ rasch in den USA und kommen dann auch nach Deutschland. In Kassel gibt es eine Erweckungsversammlung, die aufgrund von Ausschreitungen und seltsamen Ereignissen von der Polizei geschlossen werden muss. Es kommt zu Vorfällen, bei denen die Verantwortlichen nicht mehr genau aufpassten, was dort geschah. Zwei Zungenrednerinnen aus Norwegen wurden eingeladen. Die Veranstaltungen waren enthusiastisch und begeisternd, und es gab durchaus gute Dinge.
Viele Menschen kamen zur Erkenntnis ihrer Sünden und bereuten diese. Insgesamt lief es relativ gut. Doch dann kam es zu Ausschreitungen: Ein Teilnehmer schlug mit seiner Bibel auf eine Nachbarin ein – angeblich unter dem Einfluss des Heiligen Geistes. Ein anderer behauptete, er sei Gott und forderte die Anbetung. Ein weiterer rief aus, überall sei Satan. Es entstand großes Durcheinander.
Ein Zeuge berichtete, wie sich jemand unter den Stühlen hindurchschlängelte. Draußen auf der Straße versammelten sich Schaulustige und ergötzten sich an dem Geschehen. Schließlich wurde die Versammlung geschlossen. Das führte dazu, dass die Pfingstbewegung in Deutschland zunächst verrufen war.
Außerdem wurden diejenigen, die sich der Bewegung angeschlossen hatten, aus bestehenden Gemeinden ausgeschlossen. Das führte zur sogenannten Berliner Erklärung. Ein Großteil des damaligen Gemeinschaftsverbandes, also der Frommen jener Zeit, erklärte, dass es sich hierbei um einen Geist von unten handele – also nicht von Gott, sondern vom Teufel bewirkt sei. Diese Beurteilung blieb lange Zeit bestehen. Immer wieder wurde sie alle paar Jahrzehnte bestätigt. Selbst einige der damaligen Beteiligten stimmten dem zu.
Aus heutiger Sicht muss man jedoch sagen, dass diese Einschätzung wahrscheinlich zu pauschal war. Später wurde sie relativiert. Heute haben sich die landeskirchlichen Gemeinschaften wie auch die evangelikalen Gemeinden etwas davon distanziert. Zur Beurteilung kommen wir noch später, deshalb will ich das hier nicht vorwegnehmen.
Das ist die erste Welle.
Die zweite Welle entstand, als die Pfingstgemeinde sich traditionalisierte. In der zweiten beziehungsweise dritten Generation der Pfingstgemeinde wurde vieles traditioneller. Die Veranstaltungen mit viel Gefühl und Zungenreden nahmen ab. Man gewöhnte sich daran, es wurde weniger spektakulär.
Viele in der Pfingstgemeinde wünschten sich einen neuen Aufbruch. Dieser fand ebenfalls in Kalifornien, USA, statt – in Farius. Dort war ein Pfarrer der litauischen Kirche, der das Zungenreden neu erlebte. Doch es ging nicht nur um das Zungenreden. In der Gemeinde wurden auch Prophetie und Heilung stark betont.
Diese Bewegung breitete sich aus. Besonders entstand eine charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche, in der evangelisch-lutherischen Kirche, in der reformierten Kirche, der Episkopalkirche, der presbyterianischen Kirche und anderen großen Gemeindeverbänden. Auch im Baptismus entstanden charismatische Strömungen. Das heißt, ein Teil der Baptistengemeinden versteht sich als charismatisch.
Diese Phase dauerte etwa zwanzig Jahre.
Dann kam in den 1980er-Jahren die dritte Welle. Sie ist stark verbunden mit John Wimber und der Idee des „Power Evangelism“. Das bedeutet, man muss evangelisieren mit Zeichen und Wundern. In dieser Phase wurden neue Phänomene betont, die man durch den Heiligen Geist erfahren kann.
Zur dritten Welle des Heiligen Geistes gehört zum Beispiel der „Torontosegen“. Ein Zeichen des Heiligen Geistes kann sein, dass Menschen umfallen, im Geist ruhen, plötzlich schreien, lachen oder Tierlaute von sich geben. Das sind Zeichen der Erfüllung mit dem Heiligen Geist.
Darüber hinaus entstanden neue Lehren, etwa die charismatische Belegung, die besagt: „Jeder Christ könne gesund sein, wenn er nur genügend Glauben habe.“
In der dritten Welle des Heiligen Geistes verbreitete sich die Bewegung besonders in traditionellen Freikirchen. Es entstanden auch unabhängige charismatische Gemeinden. Dazu gehören beispielsweise die sogenannten Vineyard-Gemeinden, die es auch in Deutschland immer zahlreicher gibt und die zahlreich gegründet werden.
Dazu gehören auch Gemeinden des Fourth Gospel sowie Rima-Gemeinden und Wort-und-Geist-Gemeinden in Deutschland. Außerdem gibt es viele unabhängige Gemeinden, die sich beispielsweise „Christliches Zentrum“ nennen. Die meisten Gemeinden mit diesem Namen gehören zur dritten Welle des Heiligen Geistes.
Diese Bewegung hat sich weiterentwickelt. Es gibt immer wieder neue Phänomene, die besonders hervorgehoben werden. In den 1990er-Jahren war zum Beispiel die geistliche Kampfführung mit Jesusmärschen sehr verbreitet. Dazu werde ich später noch etwas sagen.
Das ist die Geschichte, grob gesehen.
Persönlichkeiten und Lehren in der charismatischen Bewegung
Jetzt wäre es wichtig, auch einige Personen vorzustellen, die in der charismatischen Bewegung eine große Rolle spielen. Das wird aber aufgrund der Zeit nicht mehr möglich sein. Wer das gerne machen möchte, sowohl die Gemeindeverbände als auch die Personen, der soll in meinem Buch nachschauen. Dort stelle ich viele Personen vor, die auch heute weit verbreitet sind und in Deutschland auftreten, beispielsweise Benny Hinn, der als Heilungsevangelist auftritt, oder Charles Diffon, der ebenfalls in Deutschland aktiv ist.
Dazu gehören aber auch Personen wie Joyce Meyer, die jetzt nicht sehr spektakulär auftritt, aber ganz stark charismatische Theologie vertritt, insbesondere die Idee des Wohlstandsevangeliums. Dieses besagt, dass Gott in erster Linie dafür sorgt, dass du erfolgreich, glücklich und zufrieden bist. Ihre Botschaft kann man selbst analysieren: Darin kommt nie etwas von Sünde, Umkehr, Buße oder Leiden vor. Gott will, dass es den Menschen gut geht und sie immer glücklich sowie zufrieden sind. Das ist auch eine Form von charismatischer Theologie, die vermittelt wird.
Das sind aber nur einige wenige Personen; es gibt viele weitere, die auftreten. Unter anderem sind gerade in den letzten Jahren verschiedene charismatische Fernsehsender präsent, die in Deutschland über Satelliten zu empfangen sind.
Nun möchte ich aber nicht so stark auf diese Personen eingehen, das könnt ihr, wie gesagt, nachlesen. Stattdessen möchte ich einige der Lehren kurz skizzieren. Insbesondere will ich mit drei Lehren beginnen.
Bevor ich mit diesen drei Lehren anfange, will ich noch einen kurzen Blick auf das werfen, was man Geistestaufe nennt. Die charismatische Bewegung vertritt nämlich die Auffassung, dass jeder Christ zwar – da unterscheidet man sich ein bisschen – die meisten sagen, ein Stück vom Heiligen Geist hat. Es braucht aber eine zweite notwendige Erfahrung für den Christen, nämlich die Geistestaufe.
Diese Geistestaufe ist verbunden – einige sagen, besonders die Pfingstler – mit dem Zungenreden. Das ist das äußere Zeichen, um den Heiligen Geist zu haben. Viele Charismatiker sagen, normalerweise ist das so, aber es muss nicht unbedingt so sein.
Diese Erfüllung mit dem Heiligen Geist ist häufig ein sehr stark emotionales Erlebnis. Manche Menschen leben von einem tiefen Frieden, einer tiefen Ruhe und einem Glücksgefühl, das sie dabei hatten – vielleicht ähnlich wie manche ihre Bekehrung oder ihre Taufe erleben.
Diese Erfahrung wird als notwendig angesehen und es wird versucht, das biblisch zu belegen. Dabei könnt ihr auch in meinem Buch nachlesen, dass der Begriff Geistestaufe im gesamten Neuen Testament gar nicht vorkommt. Dieser Begriff ist also zunächst unbiblisch.
Was im Neuen Testament vorkommt, ist „getauft mit dem Geist“. Das könnte ähnlich sein, aber „getauft mit dem Geist“ wird in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht und nicht unbedingt so, wie die charismatische Bewegung es bezeichnet.
Darüber hinaus wird erwähnt, dass alle Gläubigen mit dem Heiligen Geist versiegelt sind. In Korinth lesen wir ja, dass alle die Fülle des Heiligen Geistes empfangen und nicht nur die Geistgetauften.
Paulus schreibt im 1. Korintherbrief nicht, dass diejenigen, die im Geist getauft sind, Zungen reden und heilen können, sondern er schreibt an die ganze Gemeinde. Das heißt, dieser Unterschied wird hier nicht gemacht. Auch in der Apostelgeschichte wird dieser Unterschied nicht gemacht, ebenso wenig in der Predigt Jesu.
Dort wird gesagt: Wenn du glaubst, bist du gerettet, dann bist du Christ, und das löst es aus.
Natürlich gibt es, dass der Heilige Geist uns besonders führt, vor allem dann, wenn wir in Problemen sind. Jesus selbst sagt: „Wenn ihr vor die Richter gezerrt werdet, macht euch keine Gedanken. Der Heilige Geist wird euch die Worte geben, die ihr aussprechen sollt.“ Das gilt in einer Notlage, und der Heilige Geist erfüllt uns dort in besonderer Weise.
Das lesen wir auch ein paarmal im Neuen Testament, dass für bestimmte Aufgaben eine besondere Geistesfülle gegeben wird. Aber diese ist punktuell, nicht notwendig für jeden Christen und muss auch nicht mit einer besonderen Zeremonie verbunden sein. Sie hängt an der Tätigkeit, für die Gott jemanden vorbereitet.
Generell müssen wir aber festhalten: Den Heiligen Geist hat jeder Christ, denn nur durch das Wirken des Heiligen Geistes können wir überhaupt unsere Sündhaftigkeit erkennen. Durch die Wirkung des Heiligen Geistes werden wir wiedergeboren, versiegelt und erhalten das Angeld des ewigen Lebens.
Das sagt die Bibel ganz deutlich. Wer die einzelnen Bibelstellen lesen will, kann das in meinem Buch nachschauen. Ich nenne dort viele Bibelstellen, die man durchgehen kann.
Die Geistesgaben im Detail: Zungenreden
Nun zu den einzelnen Geistesgaben. Zuerst beginnen wir mit dem Zungenreden. Wie ist das mit dem Zungenreden?
Die ausführlichste Darstellung finden wir im 1. Korinther 12, wo einiges davon beschrieben wird. Vielleicht sollten wir das Wort erst einmal analysieren. Das Wort „Zungenrede“ taucht in der Bibel an verschiedenen Stellen auf. Wenn man in einem Lexikon nachschaut, ist es in erster Linie eine reale menschliche Fremdsprache. Das heißt, man spricht in einer Sprache, die man selbst nicht gelernt hat.
Die Wirkung Gottes zeigt sich darin, dass der Mensch diese Sprache, die er nicht gelernt hat, durch übernatürliche Eingebung aussprechen kann. Das scheint hier der Fall zu sein, denn „Glossa“ bedeutet auch Fremdsprache. In der Offenbarung wird zum Beispiel gesagt, dass vor dem Thron Jesu Menschen aus allen „Glossa“, also aus allen Sprachen, stehen. Damit ist gemeint, dass Menschen aus allen Fremdsprachen und Völkern gemeint sind – nicht Phantasiesprachen, sondern echte Fremdsprachen.
Das ist das Wunder, das dahintersteht. Vielfach wird genau das auch bei Pfingsten so gedeutet: Die Jünger konnten in Sprachen sprechen, die sie selbst nicht gelernt hatten. Hier gibt es allerdings einen theologischen Streit: Ist es nur ein Hörwunder oder auch ein Sprechwunder? Das können wir nicht ganz eindeutig sagen. Es deutet aber darauf hin, dass es auch ein Sprechwunder ist. Manche Leute meinten damals, die Jünger seien betrunken, weil sie ihre Sprache nicht verstanden.
Das würde eher darauf hindeuten, dass sie in einer Sprache sprachen, die die Zuhörer nicht verstanden. Wenn jemand plötzlich anfangen würde, hier Chinesisch oder Japanisch zu sprechen, würden die Leute auch denken, dass etwas nicht stimmt, weil sie es nicht verstehen. Das scheint der Ursprung zu sein.
Deshalb wird im 1. Korinther 14 auch so viel Wert darauf gelegt, dass die Zungensprache in der Gemeinde nur ausgeübt werden soll, wenn sie übersetzt wird. Das ist klar: Wenn ich zu euch in Arabisch rede, habt ihr nichts davon. Wenn es übersetzt wird, habt ihr etwas davon, denn dann wisst ihr, was gesagt wurde.
Das, was gesagt wird, soll durch den Heiligen Geist eingegeben sein und etwas Frommes sein, etwas, das Gott lobt und preist. Das Wunder, das den Menschen dadurch vermittelt werden soll, ist: Hier spricht jemand in einer Sprache, die er selbst nicht versteht, aber ein anderer kann sie übersetzen – ebenfalls durch die Eingebung des Heiligen Geistes. Das belegt, dass es sich um eine reale Sprache handelt.
Denn so etwas kann jeder nachahmen. Dazu braucht man den Heiligen Geist nicht. Das kann man in kurzer Zeit üben und anfangen. Ob das dann Zungenrede ist oder nicht, zeigt sich daran, ob jemand die Gabe der Geisterunterscheidung hat und übersetzen kann. Wenn es nicht übersetzbar ist, könnte es auch eine Phantasiesprache sein – so wie kleine Babys, die anfangen, „bla bla bla“ zu reden. Das ist für sie kein Problem.
Zungenrede gibt es auch in außerchristlichen Kulturen, zum Beispiel bei Hindus. An ihren heiligen Orten werden manche Menschen von Göttern und Geistern besessen, so sagt man, und diese Götter sprechen dann durch sie. Das gilt als Ausdruck besonderer Gottesnähe, zum Beispiel am Ganges. Dort gibt es Feiern, bei denen gesagt wird, Mutter Ganga fährt in den Menschen hinein und spricht durch ihn.
Darüber hinaus gibt es Schamanen, die plötzlich in der Sprache der Geister sprechen können. Auch bei Sufis im Islam gibt es Menschen, die durch besondere Vorbereitungen in unverständlichen Lauten sprechen können.
Dieses Phänomen ist also kein ausschließlich christliches. Deshalb müssen wir bei der Beurteilung besonders genau hinschauen: Handelt es sich um eine Begabung, die nicht von Gott bewirkt ist? Ist es eine, die jemand selbst hervorbringt? Oder hat sie möglicherweise einen okkulten Hintergrund?
Denn als Christen gehen wir davon aus, dass die Begabungen bei Pilgern am Ganges oder bei islamischen Sufis nicht vom Heiligen Geist stammen. Wieso sollten diese Menschen durch den Heiligen Geist plötzlich Kathosmatiker werden, wenn sie nicht gläubig sind? Das wäre sehr unverständlich und wir würden es zu Recht ablehnen.
Diskussion um das Fortbestehen der Geistesgaben
Nun, jetzt stellt sich die Frage: Manche Christen sagen, diese Gabe habe prinzipiell aufgehört. Diese Ansicht wird insbesondere mit dem ersten Korintherbrief, Kapitel 13, begründet. Dort steht nämlich, dass Zungenrede und einige andere Begabungen aufhören, wenn das Vollkommene kommt.
Paulus beschreibt das so: Wenn er erkennt, wie er erkannt worden ist, dann ist das Vollkommene da, und diese Gaben hören auf. Es bleiben nur noch Glaube, Hoffnung und Liebe. Manche beziehen das auf das Neue Testament, auf den abgeschlossenen Kanon des Neuen Testaments, und sagen, das sei das Vollkommene.
Ich würde insofern zustimmen, dass das die abgeschlossene Offenbarung Gottes ist. Ich glaube jedoch nicht, dass genau das hier gemeint ist. Denn weder im Kapitel 12, noch in Kapitel 13 oder 14 wird die Bibel überhaupt erwähnt. Darüber hinaus könnt ihr in der Konkordanz nachschauen: Nach meiner Kenntnis wird die Bibel an keiner Stelle – weder hier noch anderswo – als das Vollkommene bezeichnet. Die Bibel ist zweifellos vollkommen, aber nicht das Vollkommene.
Außerdem steht dort, dass gleichzeitig auch die Erkenntnis aufhört. Die meisten würden heute wahrscheinlich davon ausgehen, dass wir die Erkenntnis noch haben. Das sind einzelne Punkte, die mich eher dazu bringen, zu sagen: Nein, wir können nicht davon ausgehen, dass diese Gaben prinzipiell aufgehört haben.
Deshalb schreibt Paulus ja auch diesen Brief. Wir müssen umso mehr darauf achten, dass diese Gaben so praktiziert werden, wie Gott es sagt. Sonst können wir Tür und Tor öffnen für falsche Zungenrede, die uns verführt. Und genau das ist das Problem der Gemeinde in Korinth.
Dieser Brief ist ja gerade an eine charismatische Gemeinde geschrieben, denn andere Gemeinden hatten offenbar keine Probleme damit. In Korinth wurde das Zungenreden exzessiv betrieben und als eine ganz wichtige Gabe angesehen. Deshalb muss Paulus die Gemeinde zurechtweisen: Nein, es sind ganz andere Gaben wichtig.
Er sagt, wenn ihr noch so viel in Zungen redet, aber die Liebe nicht habt, dann ist es wie ein klingendes Erz oder eine lärmende Schelle – es bringt nichts. Später, in Kapitel 14, sagt er sogar: Besser drei Worte mit Vernunft als zehntausend in Zungen. Das ist ganz eindeutig.
Wenn niemand da ist, der die Zungenrede übersetzt, dann sollt ihr schweigen. Das ist eine klare Anweisung, die die Gemeinde in Korinth zurechtweist, weil dort das Zungenreden exzessiv und übertrieben gehandhabt wurde.
Meine Position dazu wäre eher: Ihr könnt es prüfen und selbst nachlesen. Paulus sagt ja auch im ersten Korinther 14, dass das Zungenreden nicht verboten ist – natürlich nur das echte. Er will die Christen auffordern, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten, so verstehe ich das.
Aber wenn Zungenreden auftritt, muss es geprüft werden. Wenn niemand die Gabe der Geisterunterscheidung hat und niemand die Gabe, das zu übersetzen, dann soll man schweigen, auch in der Gemeinde. Und mit Übersetzen meine ich wirklich eine Übersetzung, nicht, dass jemand sagt: „Ich habe den Eindruck, das heißt das und das.“
Solche Eindrücke habe ich auch. Als ich letztes Jahr in Italien im Urlaub war und italienische Gespräche hörte, verstand ich nicht viel. Dennoch hatte ich einen Eindruck davon, was gesagt wurde. Wenn ich zum Beispiel auf dem Markt verhandle, habe ich den Eindruck, der will mir einen Preis nennen und sagen, dass seine Ware gut ist.
Aber dieser Eindruck ist keine Gabe Gottes und auch keine Übersetzung, sondern nur ein Eindruck. Wenn jemand bei irgendeiner Zungenrede oder einem Laut aus dem Mund eines anderen nur einen Eindruck hat, was das heißt, dann ist das keine Übersetzung und keine Gabe Gottes. Eindrücke kann jeder Mensch haben; sie müssen nicht von Gott geleitet sein.
Nur wenn jemand das, was der andere sagt, wirklich versteht – und das wäre die übernatürliche Wirkung Gottes – dann ist es eine echte Übersetzung. Wenn Gott eine übernatürliche Wirkung gibt, dann ist sie plötzlich da.
Hier liegt auch ein Missverständnis beim Zungenreden im charismatischen Bereich vor. In der Pfingstgemeinde gab es lange Zeit sogenannte Warteversammlungen. Man blieb so lange betend zusammen, bis jemand in Zungen reden konnte. Heute gibt es in der charismatischen Bewegung weitgehend Übungsmethoden, um das Zungenreden zu lernen.
Es gibt verschiedene Methoden. Eine weit verbreitete ist, mit einzelnen Silben anzufangen: So, la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la la. Dann kann man in Zungen reden. Eine andere Methode, die ich in Ratgebern gelesen habe, ist, fortwährend Halleluja zu beten – immer schneller: Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja, Halleluja.
Es gibt viele verschiedene Arten, das Zungenreden zu lernen. Dieses Lernen ist jedoch keine Gabe des Heiligen Geistes mehr. Dieses Lernen kann jeder auch mit einem Ungläubigen machen, der sich gar nicht bekehren muss. Mit derselben Methode kann er dasselbe Ergebnis erzielen wie du.
Warum? Weil irgendwann der Sprachapparat durcheinanderkommt und man sich daran gewöhnt, Laute auszusprechen, die man normalerweise nicht aussprechen würde. In der Tiefenpsychologie spricht man davon, dass Gefühle und Emotionen des Unterbewusstseins sich durch die Sprache ausdrücken.
Das findet man auch bei psychisch Kranken oder Betrunkenen, die ähnlich lallen. Das ist natürlich nicht vom Heiligen Geist bewirkt, sondern vom Geist des Alkohols oder etwas Ähnlichem. Da müssen wir unterscheiden.
Wenn jemand die Zungengabe hat, genauso wie andere Gaben, dann sind sie von Gott gegeben – und zwar vollkommen von Gott gegeben. Die Jünger bei Pfingsten mussten nicht erst üben, zu sprechen. Sonst hätten die Gäste, die zum Fest kamen, lange warten müssen. Nein, das war nicht so.
Genauso ist es auch beim prophetischen Reden, auf das ich gleich noch eingehe. Heute wird gesagt, das prophetische Reden sei ein anderes als das biblische. Das heutige prophetische Reden müsse vom Charismatiker erst eingeübt werden.
Wenn schon allein diese Feststellung zeigt, dass Prophetie und Zungenrede nicht biblisch sind, denn wenn der Heilige Geist es gibt, dann ist es die Gabe des Geistes – nicht eine Übung. Und diese Gabe gibt es vollkommen.
Stellt euch vor, Jesaja hätte erst üben müssen, bevor er prophezeite. Mike Bickle, einer der bekanntesten amerikanischen Propheten, der die Prophetenbewegung mit ausgelöst hat, schreibt in seinem Buch „Prophetie und Profilneurose“, dass am Anfang des Lernens prophetisch zu reden zehn Prozent göttlich und neunzig Prozent menschlich seien.
Nach Jahren sei er so gut, dass neunzig Prozent göttlich und zehn Prozent menschlich seien. Ich halte diese Feststellung, die von vielen Charismatikern übernommen wird, für ein klares Zeichen, dass das charismatische Zungenreden nicht göttlich und die prophetische Rede nicht göttlich ist.
Denn stellt euch vor, wir würden mit dieser Auffassung an die Bibel herangehen. Was macht ihr mit den ersten Kapiteln Jesajas? Zehn Prozent göttlich, neunzig Prozent menschlich – dann könnte man die ersten Kapitel überspringen. Und selbst bei den letzten Kapiteln hat man ein Problem.
Woher will man erkennen, welche zehn Prozent noch menschlich sind? Vielleicht ist gerade Jesaja 53, der leidende Gottesknecht, das Menschliche gewesen. Das ist doch Unsinn.
In der Bibel gibt es nur einen Maßstab: hundertprozentig göttlich oder weg damit. Kein anderer Maßstab. Das muss so sein, denn wenn Gott etwas bewirkt, dann ist es deutlich. Es ist nicht so schwammig, dass man selbst heraussuchen muss, was man annehmen kann.
Das ist ein großes Problem. Deshalb wird in charismatischen Gemeinden in den seltensten Fällen wirklich übersetzt, wie es in der Bibel beschrieben ist. Häufig ist das Zungenreden oder Singen eine Folge langer Lobpreiszeiten, in denen man sich in ein Gefühl hineingesungen hat.
Dann fängt der eine an, dann der andere. Plötzlich redet man, aber niemand übersetzt. Wenn Übersetzungen da sind, dann sind es meistens Eindrücke, also vage Ideen, keine echten Übersetzungen.
Das ist nicht biblisch. Dieses charismatische Zungenreden entspricht in weiten Teilen nicht dem, was die Bibel beschreibt. Lest Kapitel 12 und 14 mit den Anweisungen dazu. Dort ist klar benannt, wie man vorgehen soll. Wenn das nicht so ist, sollte man lieber schweigen.
Außerdem habe ich schon erwähnt: Zungenrede ist keineswegs eine der wichtigsten Gaben, schon gar kein Beweis dafür, dass man den Heiligen Geist hat. Paulus schreibt, dass es viel wichtigere Gaben gibt.
Diese Gaben werden in charismatischen Gemeinden fast nie benannt. Es gibt keine Kurse, in denen man sie lernt, zum Beispiel Hoffnung oder Liebe. Paulus sagt deutlich, dass diese viel wichtiger sind. Ohne sie ist das ganze Zungenreden wertlos.
Stellt euch vor, ihr habt euer Leben lang in Zungen geredet, aber vergesst, die Liebe zu fördern. Dann war alles umsonst. Paulus sagt, dass wir zuerst um die Liebe bitten sollen. Schaut euch die Früchte des Geistes an: Was bewirkt der Heilige Geist in eurem Leben? Steht dort Zungenrede an erster Stelle? Nein, das kommt gar nicht vor.
Vielmehr sind es ganz andere Dinge. Wenn der Heilige Geist bei euch ist und ihr erfüllt seid von ihm, dann bewirkt er Friede, Freude, Geduld und Langmut. Das sind die Früchte des Geistes, nicht in erster Linie spektakuläre Gaben. Diese können zwar auch vorkommen, aber sie sind nicht das Wesentliche.
Die Prophetie in der charismatischen Bewegung
Nun, genauso ähnlich ist es mit der Prophetie. Prophetie wird in der Bibel erwähnt, und ich sehe keinen deutlichen Hinweis darauf, dass es Prophetie heute prinzipiell nicht mehr geben könnte. Allerdings gibt es deutliche Hinweise in der Bibel, woran wir Prophetie überprüfen sollen.
Zuerst geschieht dies durch die Gabe der Geisterunterscheidung. Dann auch daran, dass derjenige Auskunft geben kann, wie er diese Prophetie empfangen hat. War es nun wörtliches Hören oder nur eine vage Ahnung? Vielfach sind es vage Ahnungen.
In einem Buch von Christine Kerstin Haack aus Berlin, das vom Verlag Down to Earth herausgegeben wurde, wird beschrieben, wie man Prophetie lernen kann. Ich fand das Beispiel ganz interessant. Sie sagt nämlich: Du musst heute Abend Gäste einladen. Davor gehst du schon jetzt, also zu spät, in den Supermarkt und kaufst irgendetwas ein, wonach du gerade den Sinn hast. Wenn das deinen Gästen am Abend schmeckt, dann bist du prophetisch begabt.
Von daher sind manche von euch als Hausfrau wahrscheinlich schon Prophetinnen, ohne dass sie es wissen. Meine Frau weiß häufig auch, was mir schmeckt. Aber da muss man sagen, das hat mit biblischer Prophetie rein gar nichts zu tun. Also sollten wir davor Acht geben.
Darüber hinaus ist es schon vollkommen falsch, wenn ein Prophet in der charismatischen Bewegung meint, er könne jeden Sonntag prophezeien. Nein, es ist ja immer pünktlich zum nächsten Sonntag kommt die Prophetie. Und da muss man sagen, das ist vollkommener Quatsch.
Die Propheten des Alten Testaments haben manchmal über Jahre nichts prophezeit, weil ein Prophet nur dann reden kann, wenn Gott ihm etwas mitteilt – und nicht, wann der nächste Termin für die nächste Konferenz ist. Wenn jemand also immer pünktlich liefern kann, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass es sich um selbstproduzierte Prophetie handelt.
Ich nenne jetzt keinen Namen, aber hier in der Nähe gibt es eine Gemeinde, von der mir jemand erzählte: Dort kam ein Prediger und sagte, Gott habe ihm gezeigt, dass es in dieser Gemeinde Spannungen und Streit gäbe, und man solle sich wieder in Frieden einigen. Wenn man sich in Frieden einigt, ist das ja schön und gut. Aber dieser Prediger kommt aus der Region, und die Gemeinde auch. Es ist allgemein bekannt, dass diese Gemeinde seit zwei Jahren Probleme hat. Dafür braucht man keine prophetische Eingebung.
Ich habe auch kein Problem, auf einer charismatischen Veranstaltung aufzutreten, und vielleicht habe ich schon ein Problem, aber ein paar Prophetien könnte ich euch auch weitergeben. Zum Beispiel: Hier unter euch ist eine Frau, die regelmäßig unter Rückenschmerzen leidet. Einige glauben mir das nicht, aber das stimmt.
Ich weiß auch, dass hier sogar noch eine Frau ist, die wegen ein bisschen Kopfschmerzen leidet. Ich weiß auch, hier sind Leute, die Probleme mit ihren Kindern haben. Ich könnte noch einige nennen, das ist kein Problem. Ich kann euch zwanzig Prophetien geben. Ich kann sie sogar noch spezifischer fassen, keine Probleme.
Viele der Prophetien in der charismatischen Bewegung sind genau auf dieser Ebene. Besonders beliebt sind dann blumige Bilder. Zum Beispiel: "Ich sah vor mir einen dunklen Himmel, der plötzlich aufriss, und ein Sonnenstrahl brach hindurch und stieß auf die Erde. Ein Adler kam herunter." So etwas in der Art. Das ist ganz häufig. Ich trete in dieser Weise auf, und das kann man durchaus machen.
Aber das ist nicht unbedingt biblische Prophetie, denn Eindrücke in dieser Hinsicht zu haben, hat jeder Mensch. Jeder hat eine gewisse Phantasiebegabung, das ist aber keine Gabe des Heiligen Geistes.
Wenn ich mich irgendwo hinsetze, die Augen schließe, vielleicht schöne Musik höre oder bete, habe ich manchmal Bilder. Das ist normalmenschlich. Das kann die Psychologie auch erklären. Es sind irgendwelche Sachen, Träume, Satzfetzen vom Tag, biblische Inhalte, die wir gelesen und verarbeitet haben. Diese mischen sich zu einem neuen Bild – genauso auch bei Träumen.
Natürlich kann Gott durch Träume sprechen. Ich bin überzeugt, dass Gott das bis heute kann und auch tut. Aber wir dürfen nicht den Umkehrschluss machen, dass nun jeder Traum und jeder Mensch, der sich daran erinnert, gleich einen Traum von Gott hat.
Wie sehen wir das? Josef zum Beispiel träumte, dass er Maria nicht wegschicken soll. Im weiteren Leben des Josefs gab es keine Dauerträume. Soweit wir wissen, hatte er nur zwei Träume: Einmal sollte er nach Ägypten gehen, und einmal sollte er seine Frau nicht verlassen.
Bei den Weisen aus dem Morgenland wird scheinbar nur einmal in ihrem Leben ein Traum erwähnt.
Der Pharao, zu dem Josef gerufen wird, hatte einmal einen ganz besonderen Traum. Er wusste sofort, dass es ein Traum von Gott war. Er konnte ihn von allen anderen Träumen unterscheiden. Denn er hat ja nicht jeden Tag Josef rufen lassen. Josef musste erst mal jahrelang im Gefängnis sitzen, bevor der Traum kam. Das heißt, wenn Gott wirklich spricht, können wir in dem Traum erkennen, dass er sich von den Träumen unterscheidet, die wir uns selbst zusammenmixen im Unterbewusstsein.
Häufig erkennen wir bei Träumen, dass es Geschichten sind, die gerade in der Vergangenheit stattgefunden haben. Zum Beispiel: Unser Hund hatte vor zwei Tagen draußen beim Spazierengehen einen Kampf mit einer Ratte und wurde dabei gebissen. In der Nacht danach träumte meine Frau von dem Hund. Das ist natürlich keine göttliche Offenbarung, sondern einfach verarbeitete Unterbewusstheit.
Es gibt allerdings auch Träume, die wirklich von Gott sind, und die wir als solche erkennen können, weil Gott sie deutlich macht. Er will uns damit etwas sagen.
Ich erinnere mich an ein Beispiel, das einer meiner Arbeitskollegen an der Bibelschule erzählte. Er ist Lehrer dort. Vor etwa eineinhalb Jahren wollte er am nächsten Morgen jemanden vom Frankfurter Flughafen abholen. In der Nacht träumte er dreimal dieselbe Szene: Während er auf der Autobahn ist, kommt von rechts ein Auto, schneidet ihn, er weicht aus, und es gibt einen großen Unfall.
Am Morgen fährt er los, kurz vor Frankfurt kommt tatsächlich ein Auto, das genauso aussieht wie im Traum. Es schneidet ihn. Weil er sich daran erinnert, fährt er statt links nach rechts und es passiert nichts.
Das ist doch ein Traum von Gott, oder? Wie kann das Unterbewusstsein etwas produzieren und dreimal hintereinander sehen, was noch gar nicht geschehen ist? Ich würde sagen, das ist eine Mitteilung von Gott.
Meine Frau träumt übrigens auch häufig und erzählt manchmal morgens ihre Träume. Manchmal sind das spannende und skurrile Sachen, aber ich vergesse sie meistens schnell. Manchmal denke ich morgens, das ist ein spannender Traum, den ich behalten will, und zehn Minuten später ist alles weg.
Wie gesagt, ich höre mir die Träume meiner Frau an. Als sie zum Glauben kam, wuchs sie in einer atheistischen Familie auf. Sie lernte eine Schulkollegin kennen, die ihr vom Glauben erzählte. Dann träumte sie in der Nacht von der Kreuzigung Jesu. Jesus sprach zu ihr, dass er für sie gestorben ist.
Ich hatte keine Probleme, diesen Traum als von Gott genutzten Traum zu sehen, denn das ist vollkommen biblisch. Dieser Traum löste aus, dass sie tatsächlich zum Glauben kam. Warum nicht? Gott kann das tun.
Ich könnte zahlreiche weitere Beispiele nennen, wo Gott Menschen durch Träume oder andere Möglichkeiten etwas Wichtiges mitteilt. Das kann jeder Christ erleben. Wir sollten es aber nicht überbewerten und uns gleich als Propheten fühlen. Wir sollten nicht jeden Traum, jeden Eindruck und jedes Gefühl als Prophetie ausgeben. Das ist Quatsch und führt eher dazu, dass wir Gott lächerlich machen.
Das ist leider auch in der charismatischen Bewegung der Fall. In meinem Buch findet ihr zahlreiche Beispiele, leider nicht nur wenige von vollkommen falschen Prophetien. Ich habe schon viele Leute seelsorgerlich gesprochen, die geistlichen Schaden genommen haben, weil ihnen falsche Dinge prophetisch geweissagt wurden.
Unter anderem hatten wir in unserer Gemeinde in Detmold Nord vor einigen Jahren Auseinandersetzungen. Dort wurden öffentliche Prophetien weitergegeben, die sich eindeutig als falsch herausstellten. Das hat Leute erschüttert und geistlichen Schaden verursacht.
Deshalb seid bei solchen Sachen vorsichtig. Solche allgemeinen Prophetien, sogar etwas spezieller als die, die ich jetzt gemacht habe, sind kein großes Problem. Das kann man weitergeben.
Allgemeine geistliche Wahrheiten wie: Gott hat mir gezeigt, ihr sollt friedlich sein; Gott hat mir gesagt, du hast in deinem Herzen Probleme mit deinem Nächsten, du sollst ihm vergeben; Gott hat mir gesagt, habe Mut, wenn dein Arbeitsplatz unsicher ist und du wirst einen neuen finden – diese Dinge sind schön und gut.
Diese Wahrheiten kann ich auch sagen, ohne sie als Mitteilung von Gott zu bekommen, denn sie stehen alle schon in der Bibel. Meine Autorität liegt nicht darin, dass ich als Prophet auftrete, sondern darin, dass es in der Bibel steht. Das ist das Zentrale.
Denn in der Bibel steht eindeutig – lest es nach, Galater 1: Selbst wenn ein Engel vom Himmel kommt und euch ein anderes Evangelium predigt, als ich euch gesagt habe, sagt Paulus, der sei verflucht.
Hier müssen wir lehrmäßig überprüfen, ob das mit der Bibel übereinstimmt.
Im Alten Testament sollen wir den Lebenswandel der Propheten überprüfen. Dort steht, die falschen Propheten sagen immer: Friede, Friede. Aber Friede ist doch kein Friede.
Propheten, die den Leuten nur sagen, was ihnen in den Ohren juckt, sind meistens falsche Propheten. Das ist häufig bei charismatischen Propheten so.
Ich bin immer erstaunt, wenn ich Predigten desselben Propheten an verschiedenen Orten höre. Fast überall sagt er: „Gott hat mir gezeigt, als ich hier ankam, ist das gesegnetes Land, ihr seid die Erwählten von Gott, Gott will jetzt eine große Erweckung.“
Kommt ihr nirgends hin, wo Gott mal Gericht übt? Das ist komisch, oder? Das ist eben das, was mir nach den Ohren juckt.
Meistens wird den Leuten prophezeit, dass sie ein großes Tonstudio haben werden, reich werden in ihrem Job, Heiler und Prophet werden. Fast ausschließlich positive Dinge.
Ich habe so gut wie nie erlebt, dass gesagt wird: „Gott wird über dich Gericht üben, du wirst bald sterben oder du wirst das oder das erleben.“ Denn das ist vielleicht eher nicht erwünscht.
Viele dieser Sachen werden auch missbraucht. Leute werden gedrängt, Dinge zu tun, die sich häufig nicht erfüllen oder nur der Wahrnehmung des Propheten entspringen.
Deshalb seid bei solchen Sachen vorsichtig. Gott kann das, aber prüft dabei.
Ein weiteres Kriterium für falsche Propheten ist, dass sie materiell von dem profitieren, was sie sagen. Hier fallen schon mal alle großen amerikanischen Fernsehprediger weg, denn sie sind durch ihre Arbeit Multimillionäre geworden.
Wenn man Multimillionär wird, kann man auch mal schöne Predigten halten. Benny Hinn zum Beispiel hat ein Jahreseinkommen von 30 Millionen US-Dollar. Er hat unter anderem eine Villa, eine Yacht, mehrere Autos und einen Privatjet.
Hier müssen wir sagen: Im Alten und Neuen Testament waren die wahren Nachfolger Jesu zum großen Teil die Armen.
Was sagt Petrus? „Silber und Gold habe ich nicht, aber was ich habe, gebe ich dir.“
Oder was sagt Jesus? „Vögel haben Nester, Füchse haben Höhlen, des Menschen Sohn hat keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegt.“
Keiner der Jünger wurde durch seine Botschaft reich. Im Alten Testament waren die, die reich wurden, nicht die echten Propheten, sondern die falschen.
Also auch hier ein weiteres Kriterium.
Weitere Kriterien zur Überprüfung von echten und falschen Prophetien findet ihr auch in meinem Buch. Dort nenne ich ungefähr 15 verschiedene Punkte, die wir in der Bibel wiederfinden können, um echte von falscher Prophetie zu unterscheiden.
Natürlich ist auch entscheidend, ob sich die Prophetie erfüllt oder nicht.
Ich habe einige charismatische Leiter angeschrieben und nachgefragt, wie sie damit umgehen. Die Antworten waren aus meiner Sicht höchst unbefriedigend.
Einige antworteten: „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.“ Das heißt, wo Propheten sind, sind auch viele falsche Sachen.
Einer sagte einfach: „Die falschen Prophetien streichen wir auf unserer Internetseite.“ So kann man das auch machen. Mit der Zeit steht dort nur noch echte Prophetie, und man bekommt den Eindruck, der sagt immer nur das Richtige.
Das ist eben so, weil alle anderen Punkte unter den Tisch fallen.
Nach dem Motto: Ein halbes Jahr vor der Wahl in den USA sage ich, Obama wird siegen. Zwei Wochen später sage ich, McCain wird siegen. Nach der Wahl streiche ich eine der Prophetien und sage, ich habe ein halbes Jahr vorher schon gesagt, wer siegen wird.
Das stimmt auch – allerdings nur ein Teil der Wahrheit. So kann man damit nicht umgehen.
In meinem Buch nenne ich sogar Beispiele, wo diese Propheten manchmal Prophetien aus ihren Büchern herausgestrichen haben, nachdem sie sich nicht erfüllt hatten, und diese dann ersetzt haben.
So kann man nicht mit Prophetien umgehen.
Deshalb versuchen manche in der charismatischen Bewegung, Prophetien immer umzudeuten, damit sie irgendwie doch noch passen. Oder sie formulieren sie so schwammig, dass es fast wie das Orakel von Delphi klingt.
Dieses Orakel sagte einem König: „Wenn du in die Schlacht ziehst, wird ein großes Reich vernichtet werden.“ Der König dachte, er werde siegen, ging in die Schlacht und verlor. Das verlorene Reich war dann seins.
So kann man das auch sehen – solche Sachen gelten fast immer.
Manchmal wird auch einfach gesagt: „Das hat sich nicht erfüllt, weil du nicht genug geglaubt hast.“ Das sind billige Ausreden.
Wenn Gott etwas ankündigt, dann tut er es normalerweise auch.
Daher sollten wir Abstand von solchen Erklärungen nehmen.
Natürlich gibt es Beispiele wie den Propheten Jona. Er fühlte sich, als würde die Stadt vernichtet werden, und aufgrund der Buße kam es anders. Gott machte das nicht.
Das gibt es in Einzelfällen.
Aber wenn das massenhaft in der charismatischen Bewegung vorkommt, wo laut Mike Bickel häufig 90 Prozent der Prophetien sich nicht erfüllen, dann hat das mit biblischer Prophetie nichts mehr zu tun.
Heilungen in der charismatischen Bewegung
Nun kommen wir zum letzten Thema, den Heilungen. Heilungen werden heute vielfach propagiert. Es gibt tatsächlich einige Heilungen, die auftreten, besonders in Bezug auf Jesaja 53. Dort steht, dass er für unsere Sünden und auch für unsere Krankheiten gestorben ist. Darüber hinaus wird oft auf Markus 16, die letzten Verse, Bezug genommen. Dort heißt es, dass diejenigen, die Jesus folgen, in seinem Namen Dämonen austreiben und Kranke heilen werden.
Diese Aussagen stehen natürlich in der Bibel, doch sie werden häufig aus dem Zusammenhang gerissen. Deshalb müssen wir die Frage stellen: Wann erfüllt sich das eigentlich? Zum Beispiel Jesaja 53 – wann erfüllt sich das?
Ich müsste einfach mal fragen: Wann erfüllt sich denn eure vollkommene Sündlosigkeit? Seid ihr jetzt schon vollkommen sündlos? Das ist keine rhetorische Frage, sondern eine ernste. Leider sind wir das nicht. Ich kenne auch keinen Christen, der völlig sündlos ist. Einmal habe ich jemanden getroffen, der behauptete, sündlos zu sein. Doch nach langer Diskussion war ich mir nicht sicher, ob das wirklich so ist. Ich hatte eher den Eindruck, dass er sich in einigen Kategorien als sündlos betrachtete: „Ich habe in der letzten Woche nicht gemordet, keinen Banküberfall begangen und auch sonst keine Ehe gebrochen, also bin ich sündlos.“ So einfach ist das nicht.
Daher würde ich sagen: Nein, wir sind in unserem jetzigen Zustand nicht sündlos. Wann sind wir sündlos? Das ist in der Ewigkeit bei Gott.
Und jetzt die Frage: Wann sind wir vollkommen von Krankheit befreit? Das lesen wir in Offenbarung 21. Dort steht, dass wenn Gott sein Himmelreich aufrichtet und wir einen neuen Körper erhalten, es keine Leiden, kein Geschrei und keine Tränen mehr geben wird. Dann wird sich erfüllen, was dort steht, und jede Sünde und jedes Leid wird vorbei sein.
Hier auf der Erde müssen wir jedoch sagen – und das irritiert mich immer wieder –, bemerken das diese Menschen denn nicht? Auch Charismatiker, denen versprochen wird, dass sie immer gesund werden, werden nicht gesünder als wir. Statistisch gesehen sterben Charismatiker genauso häufig wie wir – nämlich hundert Prozent. Sie werden auch nicht älter als wir, bekommen dieselben Krankheiten und sterben ebenso häufig an Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs. Nur die Ideologie sagt etwas anderes.
Ich frage mich manchmal, wie man so leben kann. Man wird krank, stirbt daran und muss immer wieder eine neue Ausrede finden, warum Gott sein Versprechen gebrochen hat. Selbst einer derjenigen, der diese Theorie entwickelt hat, Joe Wimber, starb mit knapp sechzig an einem Herzinfarkt. Seine Anhänger mussten erklären, warum er gestorben ist, obwohl er doch so stark geglaubt und diese Lehre verbreitet hat. Man hätte erwarten können, dass er besonders gesegnet ist.
Ein Beispiel: Einige Jahre vorher hatte er für damals Watson gebetet, den Leiter der Evangelischen Allianz in Großbritannien. Er sagte, Gott habe ihm gezeigt, dass er geheilt werde. Doch drei Monate später war er tot. Ich kann zahlreiche solcher Beispiele nennen.
Ein jüngstes Beispiel ist einer meiner ehemaligen Mitstudenten in Basel. Er ist heute der bekannteste Heiler der Schweiz. Er tritt auch im Fernsehen auf. Im Frühjahr schrieb er einen Rundbrief, den ich erhalten habe. Er heißt Daniel Harry und sein Missionswerk nennt sich Omega Life. Darin schrieb er, Gott habe ihm offenbart, dass seine Frau, deren Kinder jetzt erwachsen sind, berufen sei, mit ihm im Heilungsdienst zu stehen.
Zwei Monate später kam ein weiterer Rundbrief: Seine Frau sei an Krebs erkrankt. Sie hätten Gott jedoch schon gelobt und gedankt, dass er den Krebs geheilt habe. Er schrieb auch, dass einige Christen meinten, Gott sei böswillig, weil er manche Christen krank lasse. Aber das glaubten sie nicht. Sie hätten den Sieg Jesu und die Gesundheit proklamiert und seien dankbar, dass die Frau schon gesund sei.
Drei Monate später, im Sommer, kam der nächste Rundbrief: Seine Frau war an Krebs gestorben. Was soll man da sagen? Das passt doch alles nicht zusammen.
Und das ist kein Einzelfall. Ich könnte zahlreiche Beispiele erzählen, auch aus der Umgebung. Ich werde das vielleicht nicht tun, damit niemand identifiziert wird. Aber es gibt auch hier Beispiele von Leuten, die solche Lehren vertreten und dann erleben, dass sie oder Angehörige sterben oder krank werden und zum Arzt müssen.
Dann müsste man sagen: Gebt doch eure Position auf, das ist doch Quatsch. Ihr merkt ja selbst, dass es nicht so ist. Doch dann werden Ausreden gesucht: Du glaubst nicht genug. Das ist vollkommener Unsinn.
Hier wird Glauben als eine Art Magie verstanden, als Einbildung. Man meint, man müsse nur stark genug daran glauben, und dann geschieht es. Das ist wie der Glaube eines kleinen Kindes, das sagt: „Ich glaube, jetzt bin ich reich.“ Manchmal wird man reich oder auch nicht. Das ist Einbildung und hat mit Glauben nichts zu tun.
Im Neuen Testament bedeutet das Wort „Glauben“ Vertrauen. Ich vertraue Gott, dass er das Beste für mich tut. Ich vertraue ihm alles an, aber nicht meinen Willen, sondern seinen Willen. So sagt Jesus es selbst: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“
Wir sollen nicht beten, als wäre das ein Druckmittel, mit dem wir Gott zwingen, unseren Willen zu tun. Das ist manchmal die Vorstellung dahinter. Nein, wenn Gott will, dass wir krank bleiben, dann bleiben wir krank.
Manche sagen: Das kann doch gar nicht sein, das ist doch etwas Böses. Aber wenn das Böse ist, gibt es viele böse Dinge im Leben, nicht nur Krankheit. Wie sieht es zum Beispiel mit Hunger aus?
Jedes Jahr verhungern Tausende Christen auf der Welt. Jedes Jahr werden Tausende Christen um ihres Glaubens willen getötet, darunter auch Charismatiker. Jedes Jahr sterben Charismatiker. Das ist auch schlimm. Charismatiker werden arbeitslos. Warum befreit Gott dann nicht alle von Leiden?
Wir müssen sagen: Das ist Unsinn. Gott hat uns nirgends auf der Welt Leidensfreiheit versprochen. Im 2. Korinther 4 steht, dass unser Leiden hier auf der Erde kurz und vorübergehend ist. Das Leiden bezieht sich auf das kurze Leben hier auf der Erde. Dann bist du im Himmel, und dort gibt es kein Leiden mehr.
Paulus schreibt im 2. Korintherbrief Kapitel 12, wie viele Leiden er durchgemacht hat – zwölf oder dreizehn, glaube ich – Verfolgung, Schläge und mehr. Das ist das normale Leben eines Christen. Jesus sagt: „Mich haben sie verfolgt, euch werden sie auch verfolgen.“ Nicht: „Ihr werdet glücklich, gesund und reich sein.“
Wenn Gott will, dass wir krank sind, dann will er sich vielleicht verherrlichen, indem er uns die Kraft gibt, ihm trotz der Krankheit treu zu bleiben. Denkt an das Beispiel von Joni Eareckson, vielleicht kennen einige sie. Sie wurde in jungen Jahren bis zum Hals gelähmt. Durch diese Krankheit hat sie viel mehr Menschen erreicht und zum Glauben geführt, als sie es sonst hätte tun können. Sie ist ein Zeugnis dafür, dass Gott Kraft im Leiden geben kann.
Natürlich würden wir alle gern darauf verzichten. Aber es kommt nicht darauf an, ob wir darauf verzichten, sondern ob Gott sagt: Das ist dein Auftrag, das sollst du tun.
Denkt an den Blindgeborenen, der viele Jahre krank war. Die Jünger fragten: Warum? Damit Gott sich verherrlicht? Das heißt, er hätte früher immer wieder gesagt: „Ich habe doch nichts getan, ich habe doch nichts getan. Gott meint es doch gut mit mir.“ Ja, Gott meint es gut mit dir, aber du musst noch zehn Jahre warten. Dann kommt Jesus und heilt dich. So war es bei ihm.
Bei anderen will Gott durch Krankheit auf Sünde aufmerksam machen. In 1. Korinther 11, als einige das Abendmahl falsch nahmen, wurden einige krank, andere starben. Wenn jemand heilen wollte, wurden sie nicht geheilt, egal wie oft. Warum? Sie wurden erst geheilt, als sie Sünde bekannten, umkehrten und Buße taten.
Wir sehen also in der Bibel: Krankheit ist vielfältig. Wir können nicht sagen, Krankheit ist böse und Gott will, dass jeder Christ sie sofort loswird. Nein, es gibt verschiedene Aspekte. Manchmal erzieht Gott durch Krankheit und Leiden.
Vor allem dürfen wir Krankheit nicht isolieren. Leiden ist vielfältig: Arbeitslosigkeit, Hunger, Tod, wirtschaftlicher Ruin – viele Dinge, unter denen Christen leiden, Charismatiker ebenso wie Nicht-Charismatiker.
Das ist das reale Leben, so ist es, und Gott hat nirgends versprochen, dass es nicht so sein wird.
Extreme Parteien in der Glaubensbewegung sagen oft Dinge, die nicht stimmen. Zum Beispiel jemand, der bekennt: „Ich bin geheilt“, obwohl er es nicht ist. Sie sagen, man müsse die Gesundheit proklamieren, damit man keinen Zweifel mehr hat. Dann sei nur noch Glaube da, und Gott sei gezwungen, zu tun, was man will.
Viele bleiben trotzdem krank. Kenneth Hagin, einer der Gründer dieser Bewegung, schrieb einmal: „Ich proklamiere schon seit einem Jahr, dass ich gesund bin, aber es ist schwer, das zu proklamieren, wenn man die Schmerzen noch hat.“
Dann müssen wir sagen: Mein lieber Mann, das ist kompletter Quatsch. Das ist Gehirnwäsche, Einbildung, Selbstsuggestion. Wenn du die Schmerzen noch hast, bist du noch krank. Dann muss man nicht proklamieren.
In der Bibel steht nie etwas vom Proklamieren. Dort steht entweder: Jesus heilt, dann ist sofort alles weg und man ist gesund. Oder er lässt es da, und dann kann er Kraft darin geben, er will auf Sünde aufmerksam machen und es gibt viele andere Aspekte.
Auch das finde ich in meinem Buch: verschiedene Aspekte, die in der Bibel stehen, warum Gott Krankheit zulassen kann.
Diese Art von Glauben ist kein Glaube, sondern Magie. Ich will durch meine Einbildung Gott zwingen, das zu tun.
Genauso ist es mit dem Reichtum. Es wird gesagt: „Wir sind Königskinder.“ Benny Hinn schreibt Ähnliches, auch Howard Brown. Sie sagen: In den USA fährt die Mafia schon Mercedes, deshalb ist für einen Christen ein Rolls Royce gut genug. Wenn du genügend Glauben hast, bekommst du einen Rolls Royce.
Ich frage euch: Wie glaubt ihr das? Sie schränken aber gleich ein, dass man erst für einen Gebrauchten glauben soll, wenn man nicht genug Glauben hat.
Das ist wiederum Quatsch, vollkommener Unsinn.
Sie glauben natürlich an den Rolls Royce und fahren deshalb auch damit, nicht? Aber hier hängt der Glaube nicht daran, sondern sie kassieren die Gelder ihrer Anhänger. Das Geld fällt nicht vom Himmel, der Rolls Royce steht nicht vor der Tür, das Geld kommt von den Anhängern. Dadurch sind sie reich.
Die Anhänger geben das Geld und hoffen, auch mal reich zu werden – was natürlich nicht passiert.
Hier müssen wir sagen: Das ist nicht biblisch, sondern vollkommen gegen die Bibel. Wir sind nirgends versprochen, reich zu werden.
Im Neuen Testament wird keine einzige Person genannt, die als Jünger Jesu reich geworden ist. Jesus selbst war nicht reich, Johannes der Täufer auch nicht.
Der reiche Jüngling wird erwähnt. Bei ihm hindert gerade sein Reichtum, zu Jesus zu kommen. Es wird gesagt, dass unter den Reichen nur wenige in das Reich Gottes kommen.
Dann steht: „Silber und Gold habe ich nicht.“ Und: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen.“
Das sind eindeutige Aussagen. Wir sollen nicht auf das Sichtbare vertrauen. Paulus sagt im 2. Korinther 4, dass das Sichtbare zeitlich ist, das Unsichtbare aber ewig.
Hier ist ein ganz deutlicher Unterschied in der Bibel: Materielles soll nicht unser Leben bestimmen. Gott hat nie versprochen, dass es hier um Reichtum geht.
Schaut euch die großen Persönlichkeiten der Kirchengeschichte an: Martin Luther war nicht reich, Calvin auch nicht, die Gründer des Pietismus nicht, John Wesley, der Zehntausende zum Glauben brachte, war nicht reich. Moody, Finney, Hudson Taylor – alle nicht reich.
Heißt das, sie waren nicht gesegnet? Das ist völliger Unsinn. Sie waren von Gott in besonderer Weise gesegnet. Aber es gibt kein Versprechen, dass man als Christ reich wird.
Das ist eine neue Religion, ähnlich der Esoterik. Man baut sich einen eigenen Gott, der sich durch die eigene Einbildung beeinflussen lässt.
Auf der anderen Seite sollen wir uns herausfordern lassen: Natürlich kann Gott auch heute noch heilen, und wir sollen ihn darum bitten. Wir werden erleben, dass Gott in Gemeinde und eigenem Leben heilt.
Aber wir müssen immer die Souveränität Gottes beachten.
Wir dürfen nicht meinen, wir könnten das bewirken oder durch irgendeine Zeremonie oder Einbildung Gott zwingen, etwas zu tun.
Zusammenfassung und abschließende Gedanken
Nun möchte ich nur ein paar Minuten verwenden, um zum Schlussresümee zu kommen.
Aus der charismatischen Bewegung können wir zahlreiche Dinge lernen. Dabei muss man beachten, dass nicht alle Lehren, die ich erwähnt habe, von allen Charismatikern in gleicher Intensität vertreten werden. Die meisten Charismatiker sind gläubig, bekehrt und erkennen an, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Viele charismatische Gottesdienste, zum Beispiel die des Mülheimer Verbandes, laufen fast so ab wie bei uns – hier gibt es keinen großen Unterschied. Der Hauptunterschied liegt in der Lehre. Häufig gibt es eine Tendenz zur Übersteigerung: immer radikaler, immer extremer, immer mehr Versprechungen. Gerade die Extremgruppen fallen dadurch in der Öffentlichkeit besonders auf und werben damit.
Kommen wir zur Bewertung: Erstens, was wir von Charismatikern lernen können, ist das Vertrauen, dass Gott heute noch wirkt und eingreift. Wir sollen dies nicht manipulieren, aber wir sollen damit rechnen. Das ist eine Herausforderung. Wir sollen auch damit rechnen, dass Gott heilt. Das bedeutet nicht, dass wir nicht zum Zahnarzt gehen sollen, aber vielleicht beten wir zuerst. Danach können wir immer noch zum Zahnarzt gehen, denn Gott kann ja auch den Zahnarzt gebrauchen. Wir sollen damit rechnen, dass Gott uns im Alltag führt – auch durch übernatürliche Dinge, die er uns mitteilen kann. Wir sollen auch damit rechnen, dass wir in geistlichen Auseinandersetzungen stehen. Wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen geistliche Mächte und Kräfte der Finsternis. Wir müssen auch damit rechnen, dass es heute noch Besessenheit gibt.
Und es geht darum, dass wir diesen Menschen nur helfen können, wenn Jesus sie befreit – aber nicht durch irgendeinen Befehl, den wir geben, sondern durch Jesu Eingreifen. Also sollten wir mit diesen Dingen rechnen.
Zweitens können wir das fröhliche Gotteslob von den Charismatikern lernen. Viele Gemeinden hatten ihr Gotteslob vorher etwas traditionalisiert. Fröhlich, frei und frisch Gott zu loben, ist eine gute Sache. Viele Anbetungslieder der charismatischen Bewegung werden heute auch in vielen anderen Gemeinden gesungen. Viele davon sind reiner Bibeltext, was kein Problem darstellt. Wir müssen es nicht übersteigern – das ist ja oft das Problem der charismatischen Bewegung, Gefühle zu erzeugen.
Was noch positiv ist: Die Charismatiker sind häufig sehr kreativ. Das heißt, sie bringen alle möglichen neuen Ideen ein. Da gibt es Gebetszeiten, da kommen Leute mit Fahnen und wehen diese, um zu zeigen, dass der Heilige Geist jetzt herunterkommt. Das ist originell und kreativ. Dass der Heilige Geist deshalb nicht mehr oder besser kommt, müssen wir sehen, aber neue Ideen zu haben, ist nicht schlecht. Ich finde es eigentlich auch nicht schlecht, durch die Stadt zu ziehen und zu beten. Nur die Charismatiker verbinden damit häufig die Vorstellung, sie könnten Dämonen befehlen, was problematisch ist. Aber warum sollte man nicht in der Stadt sein, singen und so die Leute auf Jesus aufmerksam machen, wie bei einer Freiversammlung oder Ähnlichem? Offenheit, auch neue Sachen auszuprobieren, sofern sie im Einklang mit der Bibel sind, können wir lernen.
Ein paar weitere Punkte, die wir lernen können, findet man in dem Buch, in dem sieben verschiedene Punkte aufgeführt sind. Ich nenne hier nur diese drei.
Zum Schluss möchte ich kurz die Probleme ansprechen, die ich sehe. Die Probleme liegen für mich in der zu starken Emotionalisierung, die nicht mehr korrigiert wird. Manchmal sagen Charismatiker, dass Gespräche frustrierend sind. Dann erklärt man ihnen häufig, was in der Bibel steht, aber sie entgegnen: „Ich habe das erlebt, ich habe das erfahren, Gott hat mir das gezeigt.“
So habe ich zum Beispiel eine Frau getroffen, die mir sagte, Gott habe ihr gezeigt, dass sie sich von ihrem Mann trennen soll. Du kannst ihr noch so sehr aus der Bibel zeigen, dass sie bei ihrem Mann bleiben soll. Für sie hat die Offenbarung Gottes höchste Autorität. Was willst du da noch sagen? Hier müssen wir klar sagen: Das ist unbiblisch. Wir dürfen niemals so weit gehen, dass wir unsere Emotionen oder Meinungen, die wir für göttliche Offenbarungen halten, als Gottes Wort ausgeben und damit die Aussage der Bibel übergehen. Das ist ein großes Problem.
Ein weiteres Problem ist eine Art Charismanie, bei der drei Geistesgaben so stark hervorgehoben werden, dass die anderen zwanzig Gaben, die in der Bibel genannt werden und oft viel wichtiger sind, kaum noch betont werden. Diese geraten dadurch in den Hintergrund.
Außerdem sehe ich das Problem, dass durch die starke Betonung der Erfahrung lehrmäßige Unterschiede zwischen den Konfessionen kaum noch wahrgenommen werden. So kann ein katholischer Charismatiker in Zungen reden und Maria verehren – das wird akzeptiert. Das ist problematisch. Wir müssen die Bibel systematisch lesen und uns mit ihr auseinandersetzen. Die Bibel tritt leider oft hinter Gefühle und Erfahrungen zurück. Die Lehre tritt hinter der Erfahrung zurück, und Gefühle werden häufig missbraucht.
Der letzte Punkt, den ich nennen möchte: Die Gaben, die in der Bibel beschrieben sind, werden oft falsch ausgeübt und eingesetzt. Sie werden nicht im Rahmen der biblischen Vorgaben praktiziert. Wenn ein Prophet einmal etwas Falsches sagt, dann wird im Alten Testament Bestrafung angedroht – zumindest aber sollte man schweigen. Zungenreden wird einfach so praktiziert oder sogar als erlernbar dargestellt. Heilung wird als garantiert für jeden Christen dargestellt, der nur glaubt. All das ist unbiblisch.
Wenn man diese Gaben praktiziert, müssen sie so ausgeübt werden, wie es die Bibel vorsieht – nicht mit falschen Versprechungen oder Vermischungen.
Ich lasse es an dieser Stelle dabei. Ich hoffe, jeder kann etwas mitnehmen und es wird klarer, was die charismatische Bewegung ist. Das war natürlich nur ein Auszug. Viele einzelne Daten, Zitate, Auseinandersetzungen und Bibelverse findet ihr in dem Buch, das ich darüber geschrieben habe und das bald erhältlich sein wird.
Schlussgebet
Ja, ich bete gerne an dieser Stelle noch mit euch und möchte euch bitten, dafür aufzustehen.
Vater im Himmel, vielen Dank dafür, dass du mit dem Heiligen Geist gegenwärtig bist, auch bei uns. Bei all denjenigen, die heute Abend hier sind, die deine Kinder sind, die Christen sind, danke ich dir für uns. Wir haben den Heiligen Geist bekommen, als wir gläubig geworden sind. Du wirkst durch den Heiligen Geist in uns. Du deckst Sünde auf und sprichst durch uns zu anderen Menschen, wenn wir ihnen den Glauben bekennen.
Du warnst uns manchmal durch Träume oder andere Gedanken. Du gibst uns die richtigen Worte zum Aussprechen. Immer wieder greifst du in unser Leben ein, um uns gesund zu machen. Ich danke dir, dass wir das erleben können. Noch viel mehr danke ich dir für die Wirkung deines Geistes, die uns Friede, Freude, Geduld und Langmut schenkt und uns Hoffnung gibt.
Ich danke dir, Herr Fröder, dass du uns als Geistesgabe das ewige Leben gibst und die Vergebung der Schuld. Ich möchte dich bitten, dass du uns das immer wieder in Erinnerung rufst. Mach uns deutlich, mit welcher Begabung wir in der Gemeinde dienen sollen. Hilf uns, nicht zu versuchen, das selbst in die Hand zu nehmen, sondern deine Entscheidungen zu akzeptieren.
Ich möchte dich auch bitten, dass wir die Gaben, die du wichtig nennst, nicht vernachlässigen, nur weil uns andere erstrebenswerter oder spektakulärer erscheinen. Gib uns Weisheit und Liebe im Gespräch mit Geschwistern, die charismatisch geprägt sind und ganz andere Auffassungen haben.
Ich bitte dich, dass du durch den Heiligen Geist weiter in uns wirkst, damit wir dir ähnlicher werden und dir näherkommen. Amen.