Einführung in die Begegnung mit Philippus
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode einundachtzig: Philippus und die Wahrhaftigkeit der Bibel.
Im ersten Kapitel des Johannesevangeliums werden uns vier Tage im Leben von Johannes dem Täufer und seinen Jüngern beschrieben. Am ersten Tag kommen Priester und Leviten aus Jerusalem, um Johannes zu fragen, für wen er sich heilsgeschichtlich hält. Am zweiten Tag stellt Johannes Jesus als das Lamm Gottes und den Sohn Gottes vor. Am dritten Tag treffen Johannes, Andreas und Petrus auf Jesus und werden so etwas wie die ersten Jünger.
Heute wollen wir uns den vierten Tag anschauen. Johannes 1,43: „Am folgenden Tag wollte er nach Galiläa aufbrechen, und er findet Philippus, und Jesus spricht zu ihm: Folge mir nach.“
Eine Vorbemerkung: Wir kennen aus den Synoptikern – also aus Matthäus, Markus und Lukas – vor allem das Wirken Jesu in Galiläa. Es wirkt so, als hätte der größte Teil von Jesu Dienst genau dort stattgefunden, also im Norden, dort, wo auch der See Genezareth liegt.
Doch zu diesem Dienst in Galiläa gibt es eine Vorgeschichte, die sich eben nicht nur im Norden abspielt, sondern auch im Süden, in Judäa. Jedenfalls befinden wir uns jetzt im Süden, am Jordan, dort, wo Johannes tauft. Jesus will wieder nach Galiläa, also zurück in den Norden, genauer gesagt nach Kana, wo er zu einer Hochzeit eingeladen ist.
Die Berufung des Philippus und seine Herkunft
Aber kommen wir zu unserem Text zurück. Johannes 1,43: Am folgenden Tag wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen. Er findet Philippus und spricht zu ihm: „Folge mir nach.“
Philippus ist die erste Person, zu der Jesus sagt: „Folge mir nach.“ Zumindest ist er die erste Person, von der es schriftlich festgehalten wurde. Wenn man so will, ist er die erste Person, die Jesus bewusst in die Jüngerschaft ruft.
In Johannes 1,44 heißt es: Philippus aber war von Betsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus. Betsaida sollten wir uns als Ortschaft merken. Im Skript habe ich euch eine Karte verlinkt, damit ihr sehen könnt, wo dieser Ort liegt.
Andreas und Petrus stammen von dort, und wir können davon ausgehen, dass sie Philippus kannten und ihm von Jesus erzählt hatten. Auf jeden Fall merken wir, dass Philippus weiß, wer Jesus ist. Das erkennen wir daran, wie er einen anderen, nämlich Nathanael, einlädt.
Die Einladung an Nathanael und die Skepsis gegenüber Nazareth
Johannes 1, Vers 45: Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben – Jesus, den Sohn des Joseph aus Nazareth.“
Mose und die Propheten schreiben vom Messias. Philippus macht hier ganz deutlich, dass er Jesus, den Sohn des Joseph aus Nazareth, für den Messias hält. Allerdings ist Nathanael zunächst zurückhaltend.
Johannes 1, Vers 46: Nathanael spricht zu ihm: „Aus Nazareth kann etwas Gutes kommen?“ Philippus antwortet: „Komm und sieh!“
Nazareth ist nicht unbedingt der Ort, von dem man erwartete, dass der Messias dortherkommen würde. Vor allem lag das wohl daran, dass Nazareth in Galiläa liegt. Galiläa befindet sich im Norden Israels und ist vom Süden durch das dazwischenliegende Samaria getrennt. Galiläa war erst hundertvier Jahre vor Christus von den Juden erobert worden. In der Folge wurde die Region durch Zwangsbekehrungen und die Umsiedlung von Juden aus dem Süden wieder jüdisch geprägt.
Für einen echten Juden war Galiläa deshalb immer noch der Bezirk, in dem die Heiden wohnten. Als Nikodemus später Jesus einmal verteidigt, wird er von den Pharisäern und Hohenpriestern mit den Worten angefahren: „Bist du etwa auch aus Galiläa? Forsche nach und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht.“
Das stimmt nicht ganz, denn es gibt im Alten Testament Propheten, die aus Galiläa stammen. Trotzdem ist klar, was sie damit sagen wollen: Der Messias würde bestimmt nicht von dort kommen. Wie gesagt, Galiläa war gewissermaßen nur ein jüdischer Staat zweiter Klasse. Dort lebten viel zu viele Heiden.
Ich kann Nathanael gut verstehen, der, wie wir noch sehen werden, selbst aus Galiläa stammt. Wenn er skeptisch ist, dass der Messias aus Galiläa kommt, dann ist das nachvollziehbar.
Die Bedeutung des Glaubens und der Einladung „Komm und sieh“
Und was soll Philippus darauf antworten? Das Argument ist gut. Natürlich würde jeder echte Jude erwarten, dass der Messias aus einer Stadt im Süden stammt. Also, was soll Philippus tun?
Philippus tut das, was jeder Christ tun kann, wenn er eine Frage gestellt bekommt, auf die er keine Antwort weiß. Philippus sagt zu ihm: „Komm und sieh.“
Lasst mich an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen: Wir müssen als Zeugen Jesu Christi nicht auf alle Fragen, die man uns stellt, die Antwort wissen. Natürlich ist es toll, wenn wir viele Fragen zum christlichen Glauben beantworten können. Aber es ist auch wichtig, dass wir uns selbst von der Idee lösen, unser Glaube sei nur dann echt, wenn wir auf alle kritischen Fragen zum Glauben eine Antwort haben. Das hat niemand.
Ja, ich hoffe, wir haben gute und gewichtige Gründe dafür, an den Herrn Jesus zu glauben. Das wäre irgendwie schon wichtig. Wir sollten auf alle Fälle von der Wahrhaftigkeit der biblischen Berichte überzeugt sein. Ihr merkt schon, dazu gehört nicht, dass ich auf alle Fragen an die Bibel gleich die Antwort weiß.
Weiß ich übrigens auch nicht. Ich habe noch Fragen an die Bibel. Eine habe ich euch in der letzten Episode vorgestellt: die Zeitangaben im Johannesevangelium. Das ist ein Thema, bei dem ich nicht weiterkomme. Es kann sein, dass man dazu mal irgendwann eine ganz simple Lösung findet. Stand heute ist die aber nicht wirklich in Sicht.
Ist das schlimm? Nein, warum nicht? Weil die Wahrhaftigkeit der biblischen Berichte nicht davon abhängt, dass ich auf alle Fragen an die Bibel gleich die Antwort weiß.
Die Rolle der Bibel als Kommunikationsmittel und Einladung
Die biblischen Berichte wollen Gottes Reden an mich sein. Gott offenbart sich durch sein Wort, und er tut das auf eine unglaublich redundante Weise. Immer und immer wieder sagt er dasselbe. Die wirklich wichtigen Themen ziehen sich von der ersten bis zur letzten Seite durch.
Da ist Gott in seinem Nein zur Sünde und seinem Ja zum Menschen. Da ist Errettung aus Gnade durch Glauben. Da ist Glaube, der mehr sein muss als Show und Lippenbekenntnis. Da ist ein Messias, der verheissen wird und dann als Jesus von Nazaret erscheint.
Da ist die Wichtigkeit von echter Buße und Bekehrung sowie einem Leben der Nachfolge und der Anbetung. Da ist ein Gott, der sich opfert, weil er mich liebt. Diese Themen finden sich so oft in der Bibel, dass sie niemand wirklich überlesen kann.
Aber woher weiß ich, dass diese Themen wahr sind? Ein drittes Mal: Ich weiß es nicht. Deshalb habe ich auf alle Fragen an die Bibel auch keine Antwort. Die Bibel ist nur ein Mittel der Kommunikation. Sie lädt mich ein, aber sie kann nicht beweisen, dass es da jemanden gibt, der mich einlädt.
Stell dir vor, du bekommst eine Einladung zu einer Party von Nachbarn drei Straßen weiter. Du kennst sie nicht. Die Einladung klingt plausibel. Es gibt den Straßennamen, du hast mal nachgeschaut, ob es ein Klingelschild mit dem Namen des Absenders gibt, und in deiner Straße haben noch viel mehr eine Einladung erhalten. Aber wie willst du wissen, ob die Einladung wahr ist? Vielleicht macht sich ja doch nur jemand einen Spaß.
Die Wahrhaftigkeit der Einladung prüft man dadurch, dass man sich darauf einlässt. Und dasselbe gilt für die Bibel. Genau genommen glaubt kein Christ an die Bibel – ich jedenfalls tue es nicht. Ich glaube an den Herrn Jesus, so wie er in der Bibel beschrieben wird.
Aber es ist nicht die Existenz und noch weniger die Irrtumslosigkeit der Bibel, die meinen Glauben ausmacht. Es ist meine Beziehung zum Herrn. Es ist das Erleben einer Gemeinschaft, die mich von der Wahrhaftigkeit der Einladung überzeugt. Ich darf mitfeiern, und deswegen ist die Party wahr.
Abschluss und praktische Anwendung
Und ja, im Rahmen dieser Gemeinschaft, zu der Gott mich einlädt, spielt die Bibel als Gottes Wort durchaus eine Rolle – eine große Rolle. Das will ich nicht abstreiten. Wäre es anders, würde es diesen Podcast nicht geben.
Ich studiere für mein Leben gern die Bibel und freue mich über einen sehr gut überlieferten Bibeltext. Aber ich weiß auch, dass wir nicht bei dem Buch stehenbleiben dürfen. Das Buch ist nur Mittel zum Zweck.
Und das hat Philippus verstanden: „Komm und sieh.“ Darum geht es. Jesus erkennen, Vergebung finden, Jünger werden – darauf kommt es an.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dich mit den Links im Skript zu Betsaida beschäftigen.
Darf ich dich fragen, ob du am Sonntag im Gottesdienst warst und etwas von den Tipps aus dem letzten Podcast umgesetzt hast?
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.