Philipper 4,1: Meine lieben und ersehnten Brüder, meine Freude und meine Krone, steht fest im Herrn.
Philipper 4,2-3: Ich ermahne Euodia und Syntyche, dass sie einträchtig seien in dem Herrn. Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Gefährte, hilf ihnen. Sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Clemens und meinen anderen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen.
Freude und Gemeinschaft im Glauben stärken
Freut euch allezeit im Herrn! Noch einmal sage ich euch: Freut euch! Eure Sanftmut lasst alle Menschen erkennen. Der Herr ist nahe.
Sorgt euch um nichts, sondern bringt in allem eure Anliegen im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.
Weiter, liebe Brüder, denkt an das, was wahrhaftig ist, was ehrbar, gerecht, rein, lieblich und wohllautend ist. Was auch immer eine Tugend ist oder Lob verdient, daran denkt nach. Was ihr von mir gelernt, empfangen, gehört und gesehen habt, das tut. So wird der Friede Gottes mit euch sein.
Ich freue mich im Herrn sehr, dass ihr wieder Kraft habt, für mich zu sorgen. Zwar wart ihr allezeit darauf bedacht, doch die Zeit hat es nicht zugelassen. Ich sage das nicht, weil ich Mangel leide; denn ich habe gelernt, mir mit dem zufrieden zu geben, was ich habe.
Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut. Ich kann satt sein und hungern, Überfluss haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus.
Dennoch habt ihr wohlgetan, dass ihr euch meiner Bedrängnis angenommen habt. Ihr aber, die ihr in Philippi seid, wisst von Anfang meiner Verkündigung des Evangeliums an, als ich Mazedonien verließ, dass keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft im Geben und Nehmen hatte als ihr allein.
Denn auch nach Thessalonich habt ihr mir für meinen Bedarf einmal und dann noch einmal gesandt. Nicht dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, die euch reichlich zugerechnet wird.
Denn ich habe alles und habe Überfluss. Ich habe die Fülle, seit ich durch Epaphroditus empfangen habe, was von euch kam: ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, gottgefällig.
Mein Gott aber wird all euren Mangel ausfüllen nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christus Jesus.
Gott, unserem Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Grüßt alle Heiligen in Christus Jesus! Die Brüder, die bei mir sind, grüßen euch. Es grüßen euch alle Heiligen, besonders aber die aus dem Haus des Kaisers.
Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist!
Die Bedeutung der Stiftskirche und ihrer Kunstwerke
Wenn wir jetzt gemeinsam einen Gang durch unsere Stiftskirche machen würden und dann fragen: Was gefällt Ihnen eigentlich an unserer Stiftskirche am meisten? So würden wir sicher viele verschiedene Antworten erhalten.
Es gibt Menschen, denen gefällt überhaupt nicht viel daran, weil die Kirche nicht so wieder aufgebaut wurde, wie sie vor 1944 gestanden hat. Diese Stimmen lassen keinen guten Faden erkennen und melden sich gegenwärtig sehr stark wieder zu Wort.
Aber es gibt auch andere, die die Kirche schon jahrelang besuchen. Sie haben meist eine bestimmte Stelle oder ein bestimmtes Kunstwerk, das ihnen am meisten zusagt und das ihnen am liebsten ist an der Stiftskirche.
Ich weiß nicht, was es für Sie persönlich ist. Vielleicht wissen die meisten um das Wertvollste: den Schutzmantel Christi dort in der Taufkapelle. Viele Andachten und Predigten wurden schon darüber gehalten – vielleicht zu viele.
Andere sagen: „Es ist mir zu klein.“ Ihnen gefallen eher die württembergischen Grafen, diese Steinmetzarbeit von Semschlör aus dem Mittelalter. Ich muss selbst gestehen, diese Raubritter haben meinen Gefallen nie richtig gefunden.
Ich weiß heute noch nicht, was diese Heiligen – in Anführungszeichen – eigentlich in der Kirche verloren haben. Aber hinten steht dieser bescheidene, betende Ritter. Oder sind es die in Holz getriebenen Werke der Barmherzigkeit entlang der Empore, die man meistens nicht sieht, weil sie so schlecht beleuchtet sind? Oder ist es dieses mächtig schöne Kreuz von Scheible, das über dem Altar hängt?
Der Gerichtsengel als Symbol der Wiederkunft
Ich möchte Ihnen gestehen, dass Sie sich nicht verstanden haben.
Das für mich immer Eindrücklichste ist, sowohl wenn ich hinten in der Kirche sitze, als auch wenn ich auf der Kanzel stehe und es gar nicht sehe: Für mich ist es nach wie vor der Gerichtsengel an der Säule der Kanzel, oben dort aus dem Stein getrieben.
Dieser Gerichtsengel ist meistens angestrahlt. Schauen Sie sich ihn einmal wieder an. Er hat eine Trompete, eine Tuba, und er stößt ja dann eigentlich ins Horn, wenn er das Zeichen dafür bekommt, nämlich wenn die Wiederkunft Jesu Christi eintritt.
Dieses Werk erinnert an 1. Thessalonicher 4,16: „Denn der Herr selbst wird beim Befehlswort, bei der Stimme des Erzengels und bei der Posaune Gottes vom Himmel herniederkommen.“ Er wartet also auf diesen Befehl.
So wird man auf der Kanzel nicht nur an Johannes Prinz erinnert, der unten zu Füßen liegt und hier ja dann herauskommt und heraufkommt, wenn man das Wort Gottes nicht rein predigt. Man wird auch von oben her daran erinnert, dass dieser Herr wiederkommt.
Von unten erinnert es an das Wort, das uns von gestern nach heute überliefert worden ist, und von oben her erinnert es an den Herrn, der von morgen auf uns zukommt. Nicht nur der Prediger, sondern wir alle – alle, die die Stiftskirche besuchen – werden oder sollen sonntäglich daran erinnert werden durch diesen Gerichtsengel, dass der Herr nahe ist. Unsere Heimat ist im Himmel.
Oder so, wie wir es immer wieder sagen: Ein Tag, der dem anderen sagt: Mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. Wir sind Leute im Wartestand, wir sind eine Reisegesellschaft, wir sind eine Wandergruppe hin zur Ewigkeit.
Die Nähe des Herrn als Quelle des Trostes
Der Herr ist nahe – das steht mitten in diesen Versen: Der Herr ist nahe. Das kann auch bedeuten, dass dieser Herr zu uns nahegekommen ist. Er ist nicht in der Ferne geblieben, nicht auf Distanz irgendwo im Weltenraum, als ein ferner Weltenlenker, eine nebulöse Ferne. Dieser Gott ist uns in Jesus Christus nahegekommen, ganz nahegerückt, auf die Pelle gerückt. Er ist einer, der uns am Pfingsten sogar noch nähergekommen ist, näher als wir uns selbst sein können. Durch seinen Heiligen Geist ist er zu uns gekommen.
Durch seinen Heiligen Geist und im Abendmahl zeigt er es uns. Wir können es beißen, wir können es essen und trinken. Ach, mein Herr Jesu, dein Nahesein bringt großen Frieden ins Herz hinein.
Und wenn Sie vielleicht auch an diesem Abend an die Ferne Gottes denken und sagen: „Ich spüre nichts von diesem Gott, ich habe nichts von diesem Gott.“ Er ist vielleicht doch nur ein ferner Weltenlenker. John Steinbeck, der schließlich durch Selbstmord aus dem Leben schied, sprach immer nur von einem fernen, unnahbaren Gott.
Und wenn Sie auch an diesem fernen, unnahbaren Gott leiden, dann hören Sie das: Dieser Gott ist nicht fern. Er ist Ihnen näher, als Sie sich selbst sind. Mit seinem Geist umgibt er Sie, mit seinem Geist durchdringt er Sie. Er stellt Sie vor seine Ewigkeit. Keiner ist mit sich allein. Dieser Geist ist seit Pfingsten da.
Nur eins: Diese Aussage „Der Herr ist nahe“ schließt die andere nicht aus, sondern gehört dazu wie die zweite Hälfte einer geschliffenen Schale, nämlich: Der Herr ist nahe – der letzte Advent ist nicht fern. Das ist kein ferner Silberstreif am Horizont, das ist für Paulus ein dicht bevorstehendes Ereignis.
Zwar schreibt er nicht von Zeit und Stunde – Paulus ist kein Jenseitsspekulant –, aber für ihn ist die Tür zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit, zwischen Jenseits und Diesseits nur angelehnt. Für mich ist das auch heute wieder eine Aussage, die stimmt, wenn man vom Friedhof kommt. Oft kommt man vom Friedhof, und wenn man wie heute draußen auf dem Fangesbachfriedhof hinter dem Sarg herläuft und dann dieser Sarg der Erde übergeben wird.
In diesem Augenblick, wo die Vögel in den Bäumen sitzen und zwitschern und trillen, so als ob sie überhaupt nichts von dem Leid und dem Abschied wüssten, da spürt man es. Stunden zuvor hatte ich es in diesem Text gelesen: Die Tür zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit ist nicht ins Schloss gefallen, sie ist nur angelehnt.
Und für den Christen, der Abschied nimmt und geht, ist es nur ein Hindurchgehen in eine andere Wirklichkeit. Nicht ein Hinweggehen, sondern ein Hindurchgehen, weil dieser Herr nahe ist. Durch diese Tür kann er jederzeit wieder eintreten in die Wirklichkeit.
So möchten wir es an diesem Abend doch noch einmal formuliert und festgesetzt haben. Gerade mitten eigentlich im schönsten Sommer, weil man nur schön im Advent davon predigt oder am Ewigkeitssonntag: Wir warten auf des Herrn Tag, auch wenn viele meinen, dieser Termin sei längst vertagt.
Es ist nichts vertagt, nichts ad acta gelegt und nichts ins Kamin geschrieben, auch wenn es Spötter genug gibt. Unsere Alltage münden ein in des Herrn Tag.
Und weil dem so ist, gehören Paulus und die Apostel und alle, die nach ihnen folgten, zu denen, die sich damals schon nicht mit einem römischen Frieden zufriedengegeben haben, sondern die auf den Frieden Jesu Christi warteten.
Weil dem so ist, warte ich auch letztlich nicht auf einen Frieden, auf einen amerikanischen Frieden oder sowjetischen Frieden oder UNO-Frieden. Das ist mir zu kurz und zu klein.
Weil dem so ist, warte ich auf den ewigen Frieden. Damit träumen wir nicht ins Jenseits hinein, sondern wir beziehen aus dieser Naherwartung die Kräfte für unser heutiges Tun.
Wir warten auf des Herrn Tag und wir warten auf des Herrn Stunde, auch wenn viele meinen, dieser Termin sei längst verstrichen.
Sicher, die Bibel ist kein Kursbuch, und Gotteszeit ist keine mitteleuropäische oder keine Universalzeit.
Wenn diese Gotteszeit bis heute und bis jetzt noch nicht verstrichen ist, so nicht deshalb, weil vielleicht seine Uhr kaputtgegangen ist. Gottes Uhr ist nicht reparaturbedürftig.
Wir warten noch auf das Herrnstunde, auf die Paulus hier gewartet hat. Wir warten auf das Herrnstunde, weil er uns noch stundet.
Es ist nicht Saumseligkeit Gottes, dass er bis heute noch nicht gekommen ist, sondern es ist Barmherzigkeit Gottes. Er will, dass keiner verloren gehe. Er will, dass auch noch der Letzte umkehrt, bevor es zu spät ist.
Wenn er durch die angelehnte Tür kommt, dann gibt es keine Umkehr mehr, dann gibt es ein Zu-spät.
Deshalb warten wir auf des Herrn Stunde, weil es hier steht: Der Herr ist nahe. Und wir warten auf des Herrn neue Welt. Siehe, ich mache alles neu.
Er hat doch deshalb zur Feder und zum Papier gegriffen, nicht zuletzt, um dies weiterzusagen. Darin gründet letztlich noch einmal die tiefe Wurzel seiner Freude überhaupt.
Wenn der Herr nah ist und mit ihm sein Reich, dann kann diese Welt nicht mehr ganz dunkel sein.
Dann ist es, als gingen über diesem Tal des Weinens, über allem Kampf, Sorge und Streit schon die ersten Strahlen einer Sonne auf – das Licht der Gotteswelt.
Leben in der Erwartung der Wiederkunft
Der Herr ist nahe.
Jetzt lohnt es sich, die kurze Zwischenzeit zwischen Ostersieg und Wiederkunft voll auszuhalten. Dabei sollen wir wachsam und fröhlich sein, im Leiden standhaft bleiben und im Lieben unermüdlich auf die Hoffnung hoffen.
Wenn der Herr nahe ist, liebe Freunde – und das ist die grobe Zusammenfassung dieser Verse – dann heißt das: Kein Streit, sondern Einigkeit; keine Sorge, sondern Freude; keine Angst. Die Gnade sei mit euch!
Lassen Sie mich diese drei Überschriften noch einmal betonen.
Kein Streit – Gemeinschaft fördern
Zum Ersten: Kein Streit – einigt euch!
Also, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und meine Krone steht fest in dem Herrn.
Krone hier übersetzt bedeutet nicht eine Königskrone, sondern die Auszeichnung des Wettkämpfers. Der Hochspringer, der in Los Angeles 2,39 Meter überspringt – nicht nur in Eberstadt, sondern eben in Los Angeles – wird dann sicher die Goldmedaille erhalten. Diese hängt er sich um, das ist seine Krone, das ist seine Medaille, das ist seine Auszeichnung. Mit dieser kann er angeben, mit ihr kann er zeigen: Das habe ich geschafft und gekonnt.
Dieses Bild benutzt der Apostel und sagt: Ich habe auch eine Krone, ich habe auch eine Auszeichnung, ich habe auch eine Goldmedaille. Aber ich bin nicht 2,39 Meter gesprungen, auch nicht 100 Meter in 9,8 Sekunden. Ich habe überhaupt keine Leistung vollbracht, sondern meine Goldmedaille, das seid ihr! Die Gemeinde in Philippi, das ist die Krönung seines Lebens, das ist es!
Darin steckt die wahre Krönung eines Lebens: einem anderen Menschen diesen Herrn zugeführt zu haben. Das ist die Krönung, wenn sicher allein durch Gottes Geist, aber durch unsere Mithilfe, ein anderer zum Glauben kam. Das gilt einmal sicher auch für Eltern, die etwas davon spüren, wenn ein Kind den richtigen Weg gefunden hat. Es gibt eigentlich keine größere Freude, als zu wissen, man durfte Wegbegleiter eines Menschen sein, der den Kurs auf das Ziel hat.
Umgekehrt gibt es keinen größeren Schmerz, als zu wissen, dass man an diesem Punkt nicht die Erfüllung seiner Gebete erhalten hat. Keinen größeren Schmerz, als zu wissen, die Kinder sind nicht auf diesem Weg. Das ist die Krönung des Lebens.
Von daher ist diese Mitarbeit – ich sage es noch einmal – an den jungen Leuten: in der Jugendarbeit mitzumachen. Ich sage es allen anderen: dabei zu sein, um mitzuhelfen, anderen Menschen den Weg zu weisen durch Wort oder Tat, das ist die Krönung des Lebens. Nicht ein herrliches Abitur, nicht ein großartiger Studienplatz, nicht eine wunderbare Stelle, nicht eine hervorgehobene Stellung in der Gesellschaft, sondern einmal sagen zu können: Der und die ist auch meine Goldmedaille. Nicht aufgrund meiner Fähigkeiten, sondern allein aufgrund Gottes Gnade.
Also, meine geliebten, ersehnten Brüder, meine Krone steht fest in dem Herrn. Ich bin hocherfreut, sagt ihr, dass ihr wieder aufgeblüht seid, wirklich.
Wir erinnern uns noch einmal an diese römische Veteranenkolonie Philippi, dort, wo gar nichts los war, ausgebrannte heidnische Erde. Dann kam Paulus, und Lydia bekehrte sich, die erste Frau in Europa. Als Zweiter ein Gefängnisdirektor, der Mann oben im Gefängnis, der bekam ein neues Herz. Dann waren es Wahrsagerinnen, dann Heiden und Juden, Jugendliche und Alte – eine Gemeinde erblühte.
Und dann kamen Spannungen. Spannungen gibt es überall, wo Menschen zusammenarbeiten. Jeder hat seine besondere Art, jeder hat seine eigenen Vorstellungen, jeder hat seinen eigenen Dickkopf. Und über Nacht kann aus einem harmlosen Missverständnis ein bitterer Zank werden – in der Gemeinde, in der Ehe, in der Familie. Wer kennt es nicht aus der Verwandtschaft? Über Nacht entstehen Zerwürfnisse und Spannungen.
In Philippi waren es zwei Frauen, die sich in die Haare gerieten: Euodia und Syntyche. Es gibt einige Bücher über diese Stelle, aber sie wissen nicht mehr, als was hier steht – nämlich nichts. Man nimmt an, dass es sich um Frauen handelte, in deren Häuser damals die Versammlungen stattfanden. Es gab ja keine Kirchen, sondern Versammlungen in Häusern.
Interessant ist an dieser Stelle zu unterstreichen, wie stark und groß die Rolle der Frau schon damals war. Normalerweise standen Frauen in Griechenland völlig im Hintergrund. Die griechische Idealvorstellung einer Frau war, dass man sie so wenig wie möglich sah und hörte. Eine anständige Frau ließ sich nicht auf der Straße sehen und blicken. Sie bewohnte im Haus ihre eigenen Räume und nahm nicht einmal am Mittagsmahl teil.
Wer heute noch nach Afrika kommt, dem ist das pulsierende Leben in Khartum unvergesslich – aber eine Stadt mit lauter Männern und kaum sichtbaren Frauen. Jedenfalls war es damals anders in der christlichen Gemeinde.
Die beiden Frauen hatten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau der Gemeinde geleistet. Das zeigt, wie groß und wichtig die Frauen damals schon genommen wurden. Die beiden, die stritten, gingen sich aus dem Weg und redeten nicht mehr miteinander. Paulus ermahnt sie, dass sie eines Sinnes sein sollen.
Eine Gemeinde geht kaputt, wenn darin streitende Gruppen sind. Eine Ehe geht kaputt, wenn zwei nicht eines Sinnes sind. Unsere Familien gehen kaputt oder sind schon vor die Hunde gegangen, weil man sich nicht auf einen Nenner einigen konnte – weil man nicht eines Sinnes ist.
Vielleicht sollte man diesen Vers einmal so lesen, indem man seinen eigenen Namen einsetzt: Nicht Euodia, sondern Eisler ermahne ich, Meier, Schulze ermahne ich und jenen, dass sie eines Sinnes seien. Sie wissen genau, welche Namen jetzt und heute Abend an dieser Stelle eingetragen werden müssten – Ihr Name unter anderem. Und euch ermahne ich, dass ihr eines Sinnes sein sollt.
Das heißt nicht, dass es keine Meinungsverschiedenheiten geben kann. Das heißt nicht, dass nie Funken fliegen. Das heißt nicht, dass man sich nicht auch manchmal die Wahrheit an den Kopf werfen muss. Aber es kann und darf nicht dabei bleiben.
Liebe Freunde, es kann nicht dabei bleiben, dass wir zerstritten sind. Es darf nicht dabei bleiben.
Interessanterweise wird schon damals ein Dritter beauftragt, zu helfen. Ein Dritter ist nötig, um Frieden zu stiften. So bittet Paulus den Synzygos, den Streit zu schlichten. Oft genügt ein Wort, ein Anruf, ein Brieflein: Vergib.
Ich meine, es ist an der Zeit, dass wir den Streit begraben. Eine sich streitende Ehe, eine sich streitende Gemeinde ist keine Gemeinde. Eine sich streitende Ehe ist keine Ehe. Eine sich streitende Familie ist keine Familie.
Der Herr ist doch nahe, der Herr ist doch nahe!
Vielleicht ein kleines Bild: Wenn man abends in ein Haus kommt, wo auch Kinder sind und wo es dann abends wild durcheinander geht, es liegt noch dies und jenes herum. Die Mutter mahnt aufzuräumen, aber keiner denkt daran, der Abend ist noch lang.
Und dann auf einmal läutet es. Einer schaut durchs Fenster: Besuch kommt, Besuch kommt! Nun sollten Sie sehen, wie es jetzt losgeht. Jeder greift zu, der Streit ist vergessen. Da auf einmal darf der Besuch auf keinen Fall sehen, was für einen Saustall wir haben. Jeder hilft aufzuräumen und zurechtzurücken. Der Besuch verändert die ganze Situation.
Liebe Freunde, Paulus sagt: Der Besuch kommt. Nicht nur irgendein netter Psychologe, nicht nur jemand aus der Nachbarschaft oder Verwandtschaft, sondern der Herr selbst kann es mit ansehen, wie es bei uns durcheinander aussieht. Er will sehen, wie alles noch so unzusammengepackt hier durch die Gegend fährt.
Liebe Freunde, nicht alles Unnötige. Wir sollten doch nicht alles Unnötige tun. Wir sollten das Wichtigste unseres Lebens in Ordnung bringen. Der Herr ist nahe.
Warum verschieben wir es denn? Die lange Bank ist der beste Sitzplatz des Teufels, hat einer gesagt. Das ist es: Die lange Bank ist der beste Sitzplatz des Teufels.
Wir sollten es tun: Kein Streit, einigt euch! Hört ihr es? Kein Streit, einigt euch!
Keine Sorge – Freude bewahren
Und das andere: Keine Sorge, freut euch!
Ich las bei Robert Scott, diesem Antarktisforscher. Er schrieb: Als er dort draußen in der Eiswüste saß, der kalte Atem des Todes eigentlich schon an der Zeltwand. Das schrieb er an den Rektor von Edinburgh: „Wir haben unser Lager an einem äußerst trostlosen Fleck aufgeschlagen. Wir befinden uns in einer verzweifelten Lage – erfrorene Füße, kein Brennstoff und weit weg von unseren Vorräten.
Aber dennoch würde es Ihr Herz erfreuen, wenn Sie in unserem Zelt wären und unsere Lieder und unsere heiteren Gespräche hören könnten.“
In diesen wenigen Sätzen ist doch ein Grundgesetz unseres Lebens versteckt, nämlich dass das Glück nicht von äußeren Dingen abhängig ist, sondern ausschließlich von der Gesellschaft, die um uns herum ist. Wenn wir mit den Richtigen zusammen sind, ist alles andere unwichtig.
Wer mit den Richtigen zusammen ist, der ist auch in schwierigster und schwerer Lage fröhlich. Wer mit diesem Herrn und seinem Geist zusammen ist, bei dem ist nichts verloren. Freut euch an dem Herrn, der bei euch heute ist, und freut euch an dem Herrn, der zu euch kommen will und euch aus dieser Eiswüste entsetzt.
Also: Setzt keine lachende Miene auf, lasst keinen Schmerz an euch heran, steigert nicht eure erzwungene Fröhlichkeit. Nein, behaltet den Herrn im Auge. Bedenkt, was er verspricht, was euch das Leben bringt und nimmt. Jeder Tag ist eine Station auf seinem Weg.
Darum setzt dieser Paulus dieses herrliche Wort: „Freut euch in dem Herrn alle Wege.“ Also auf allen Wegen soll diese Freude mit euch gehen. Ja, sie geht alle Wege mit euch mit – durchs Tränental hindurch, ins Sterbetal, ins Leidenstal. Alle Wege, auf allen Wegen ist dieser Herr dabei.
Mir ist noch einmal jenes doch mir auch eindrückliche Bild eingefallen. Sie kennen es sicher aus Indien, als es ein indischer Theologe erzählte. Er sagte: Einer, der zurückgeschaut habe in seinem Leben, habe immer zwei Fussspuren nebeneinander gesehen – seine eigene und die Fussspur seines Herrn. Ihn selber habe er nie entdeckt, aber im Rückwärtsschauen habe er immer die zweite Spur ausgemacht.
Er war alle Wege dabei, nur einmal, nur einmal sah er nur seine eigene Spur. Nur einmal war die andere Spur nicht zu sehen. Und dann fragte er seinen Herrn: „Herr, damals warst du nicht dabei, damals, als es am allerschwersten war. Da musste ich meinen Weg allein gehen.“
Und der Herr sagte: „Doch, ich war alle Wege dabei. Und auf jenem Abschnitt, auf dem du nur die eine Fussspur gesehen hast, da war es nicht deine, sondern meine Fussspur. Und es war jener Abschnitt, an dem ich dich auf Händen getragen habe.“
So ist es: Dann, wenn es am schlimmsten wird, dann, wenn es am tiefsten hinuntergeht, dann, wenn ich selber nicht mehr weiter kann, dann ist er so nahe, dass er mich auf Händen trägt und hindurchträgt.
Das ist es: Wenn wir ihn haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünde oder Tod. Freut euch!
Gedanken lenken und Gnade empfangen
Drei kurze Anweisungen dazu:
„Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen.“ Lindigkeit ist ein altes Wort, das eure Herzensgüte beschreibt. Diese Herzensgüte ist mehr wert als Gerechtigkeit.
Man könnte es vielleicht so erklären, was Lindigkeit im Gegensatz zu Gerechtigkeit bedeutet: Nehmen wir an, jemand hat in einem Examen eine sehr gute Note geschrieben, ein anderer hingegen nur eine befriedigende. Nach der Gerechtigkeit liegen zwischen den beiden drei Noten.
Doch wenn man hinter die Schicksale dieser beiden Studenten schaut, sieht man den Unterschied: Der Erste hatte ideale Bedingungen. Er hatte ein ruhiges Zimmer, genug Geld und Eltern, die für ihn sorgten. So konnte er das Examen in großer Ruhe bestehen.
Der andere hingegen hatte Eltern, die gestorben waren, keine feste Unterkunft und kein Geld, um weiterzumachen. Er musste nebenher jobben und erreichte dennoch dieses Ergebnis.
So meint Paulus: Lasst nicht nur die Gerechtigkeit gelten, sondern zeigt Lindigkeit. Schaut auf die Hintergründe, dann versteht ihr viel mehr – auch bei euren eigenen Kindern.
Eure Lindigkeit lasst kund sein. Das zweite ist: Betet und fleht mit Danksagung. Werft eure Sorgen auf den Herrn. Luther hat dazu gesagt: „Er hat einen starken Hals, dass er es wohl tragen kann.“ Dieser Gott hat einen starken Hals, dass er auch das tragen kann, was mich beschwert.
Das Dritte: Nehmt eure Gedanken in Zucht. Das heißt, freut euch und denkt nach über das, was ehrbar, wahrhaftig und wohllautend ist. Nicht nur über kleine und große Skandalgeschichten, Klatsch, Storys, Gemeines oder Niederträchtiges.
Es gibt eine Geschichte über einen großen Meister-Geigenmacher, der Meistergeigen fabrizieren konnte. Man fragte ihn, wie es gehe, dass seine Geigen solch herrlichen Ton haben. Er antwortete: Sicherlich liegt es am Holz und an der Verarbeitung. Aber ich hänge meine Geigen, wenn sie fertiggestellt sind, für ein Jahr in den Orgelkasten einer unserer größten Orgeln in der Stadt. Dort spielt ein Meister. Ein Jahr lang muss diese Geige diese wohllautenden Töne aufnehmen, nur dann ist sie in der Lage, selbst wohllautend zu spielen.
Diese Legende könnte sehr gut auf uns Menschen passen. Es kommt darauf an, wo wir „hängen“: Ob wir nur zwischen Zeitungsnachrichten morgens und abends, zwischen Krimis und Fernsehen hängen, ob wir all dem nachspüren und nachhören müssen, was über Ätherwellen und Fernsehkanäle auf uns einströmt. Oder ob wir uns wieder dem zuwenden, wo es wohllautet.
Auch bei Musik, bei Büchern und bei guten Gesprächen: Denkt darüber nach. Lasst das um euch sein, denn das prägt. Was über einen Menschen hereinkommt – gute Freunde, ein gutes Buch, auch gute Musik – dem denkt nach und freut euch.
Und noch ein Letztes: Keine Angst, die Gnade sei mit euch, die Gnade sei mit euch. Paulus sagt: „Ich kann beides, arm und reich leben, satt und hungrig sein, reichlich haben und knapp bei Kasse sein. Ich habe gelernt, in der Lage, in der ich mich befinde, mich zu begnügen.“
Wer von uns kann das von sich sagen? Wir sind meist nicht mit wenig zufrieden, sondern mit vielem unzufrieden. War Paulus vielleicht ein todkranker Mann? Ist er ein Stoiker geworden? Was ist mit ihm passiert, der so etwas sagen konnte?
Er sagt nicht: „Seht mich an, ich kann’s.“ Er zeigt auf den Herrn und bekennt schließlich: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Er kann es auch bei mir bewirken – frei von allen Knoten und Verknotungen hin zur Freiheit.
Habt keine Angst, das ist die Gnade des Herrn, die das schaffen kann. Wer diesen Herrn hat, dem wird sicher manches mangeln. Und wenn sie später wieder nach Hause gehen, wird ihnen manches fehlen. Trotzdem: Wenn sie diesen Herrn haben, haben sie das Entscheidende. Alles andere sind nur Nebensächlichkeiten.
Deshalb sagt Paulus zum Schluss: „Mein Gott wird ausfüllen all euren Mangel nach seinem Reichtum.“ Das ist hier ein Begriff aus der Schifffahrt. Wenn damals oder auch heute noch bei einem Segelschiff im Hafen die Segel gesetzt werden und der Wind aufkommt, dann fährt der Wind in das Segel. Dieses Segel wird ganz ausgefüllt und aufgebläht, und dann fährt das Schiff ab.
So meint Paulus: Wenn der Geist Gottes bläst, wenn ich mich in diesen Geist Gottes stelle und ihn aussetze, dann wird dieser Geist Gottes auch mein Lebenssegel so ausfüllen, dass kein Eck mehr bleibt, das nicht von diesem Geist berührt wird. Dann komme ich in Fahrt, und allen Mangel ersetzt sein Geist.
Bei Jesus kommt keiner zu kurz. Mangelkrankheiten gibt es bei ihm nicht. Gnade ist alles. Gott wird jeden Mangel ausfüllen. Hört zu: Gott wird euren Mangel, jeden Mangel ausfüllen. Er füllt des Lebens Mangel aus mit dem, was ewig steht.
Schlussgebet und Segenswunsch
Hören wir noch beten:
Vater im Himmel, Du kennst unseren Mangel und weißt, was uns fehlt. Genau dieses Fehlende und Mangelnde steht so groß vor uns, dass es uns bedrängt und Angst macht.
Wir danken Dir für Deine Verheißung, dass Du jeden Mangel ausfüllen willst. Herr, schenke uns den Glauben daran, damit uns nichts mangelt, was zur Seligkeit notwendig ist.
So gib uns jetzt wieder einen freien Blick und lass uns in Deinem Geist durchatmen. Wir bitten Dich für alle, die dies nicht können, die unter ihren Lasten beinahe begraben sind.
Wir bitten Dich für unsere kaputten Ehen, die zerbrochenen Familien und auch für unsere Gesellschaft, in der so hart gestritten wird. Schenke Du neue Einigung in Dir durch Deinen guten Geist.
Herr, begleite uns nun und trage uns, wenn wir nicht mehr gehen können. Bleibe bei uns bis zu dem Tag, an dem Du wiederkommst. Ja, komm, Herr Jesu, komme bald!
Und so, Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass Dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, erhebe Dein Angesicht auf uns und gib uns Deinen Frieden! Amen!
Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg und auf Wiedersehen!