Es ist Ferienzeit, und ich habe für euch eine vierteilige Reihe zum Thema Gebet vorbereitet.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es ums Gebet.
Die Bedeutung der Bitte um Führung im Gebet
„Und führe uns nicht in Versuchung“ ist eine rhetorische Figur, bei der durch die Verneinung eines negativen Begriffs genau das Gegenteil positiv ausgedrückt wird.
Wenn wir uns unterhalten und du sagst etwas, und ich antworte: „Das war kein dummer Gedanke“, dann ist das ein Beispiel für diese Figur. Hier wird kein negativer Begriff verneint, um das Gegenteil auszudrücken. „Dummer Gedanke“ ist ein negativer Begriff. Mit der Aussage „Das war kein dummer Gedanke“ möchte ich nicht sagen, dass du normalerweise dumme Gedanken hast und dies die Ausnahme war. Nein, ich sage „Das war kein dummer Gedanke“, um eigentlich zu sagen: „Hey, das war ein super kluger Gedanke.“ Diese rhetorische Figur nennt man Litotes.
„Führe uns nicht in Versuchung“ bedeutet also nicht, dass Gott normalerweise in Versuchung führt und wir das jetzt bitte nicht wollen. Vielmehr ist es eine positive Beschreibung dessen, was wir uns wünschen. So wie „kein dummer Gedanke“ ein richtig kluger Gedanke ist, so ist „führe uns nicht in Versuchung“ der Wunsch: „Führe mich bitte hundertprozentig den richtigen Weg.“
Ich möchte nicht wie Lot enden, der eine schlechte Entscheidung getroffen hat. Vielleicht mache ich einen Karriereschritt oder etwas anderes, das mich in meinem geistlichen Leben so sehr behindert, dass ich am Ende fast den Glauben verliere. Versteht ihr? Und dann lande ich in der Höhle mit meinen Töchtern. Dort will ich nicht hin. Deshalb bitte ich um Führung.
Es geht hier um Führung, und deshalb müssen wir jeden Tag darum beten, dass Gott uns Weisheit schenkt, kluge Schritte zu gehen. Während wir das tun, bitten wir um Weisheit und erhalten sie, wie es im Jakobusbrief beschrieben ist. Gott bewahrt uns davor, eigenwillig einfach draufloszustolpern und zu denken: „Das wird schon irgendwie.“ Nein, wir beten jeden Tag darum, dass Gott uns Gnade schenkt, um zu erkennen, was der vernünftige nächste Schritt ist.
Die Herausforderung kluger Entscheidungen im Alltag
Und nicht für jeden ist der logische nächste Schritt, ein Haus zu bauen. Versteht ihr? Nicht für jeden ist der nächste logische Schritt, auf der Karriereleiter eine Stufe höher zu steigen.
Es gibt Menschen, die nehmen den nächsten Schritt auf der Karriereleiter, und sind in der Gemeinde dann nicht mehr präsent. Andere bauen ihr Haus und verlieren dabei die Beziehung zu ihren Kindern. Und das passiert einfach, weil sie es vorher nicht gründlich durchdacht haben.
Man kann fragen: Jürgen, warum hast du nur zwei Kinder? Ich meine, du bist doch irgendwie gut drauf, gut beieinander. Ganz einfach: Die nächsten zwei hätten meinen Dienst zerstört. Es ist ganz simpel. Ich bin kein Kindertyp, überhaupt nicht. Meine Frau sagte mit Mitte dreißig: Wir könnten ja noch zwei Kinder bekommen, aber du nicht. Und sie hatte Recht. Sie wusste, wenn wir jetzt noch zwei Kinder bekommen hätten, was biologisch durchaus möglich gewesen wäre, dann wäre ich niemals in die Gemeindegründung gegangen. Das hättest du einfach vergessen können. Ich wäre als psychisches Wrack daraus hervorgegangen.
Meine Frau hat das gesehen und gesagt: Führe uns nicht in Versuchung.
Das ist Weisheit: Dinge nicht einfach tun, nur weil man sie tun kann, sondern selbst überlegen, was für mich dran ist. Das ist die entscheidende Frage: Was ist für mich dran? Darum müssen wir kämpfen, damit Gott uns dabei hilft. Und das macht man nicht, indem man mal eben 30 Sekunden kurz über den Tag nachdenkt.
Geh doch bitte mal durch den Wald, knie dich vor dein Bett oder wie auch immer du betest, und überlege dir: Was sind die konkreten nächsten Herausforderungen meines Lebens?
Manche Menschen schaffen sich einen Hund an und haben plötzlich keine Zeit mehr für den Gemeindedienst. Denkst du dir dann: Hä, hast du dir nicht vorher überlegt, was so ein Hund für Arbeit macht? Nein, haben sie nicht. Es war eine spontane Entscheidung, und plötzlich hast du die Versuchung auf vier Pfoten in deiner Wohnung.
Ihr lacht, aber ich kann da nicht so drüber lachen, weil ich sehe, was das mit Menschen macht, die zu wenig Gemeinschaft haben, weil sie sich plötzlich um den Hund kümmern müssen.
Bitte, bitte, bitte betet um Weisheit. Betet darum, dass Gott euch den richtigen Weg zeigt. Geht nicht einfach davon aus, dass ihr, weil ihr alle, so wie ich euch hier sehe, eher aus der Mittelschicht kommt, gut gesettelt seid, vielleicht eine vernünftige Wohnung, ein vernünftiges Auto und einen vernünftigen Job habt, automatisch die richtigen Entscheidungen trefft.
Warum denn? Wie kommst du auf die Schnapsidee? Verstehst du, das hat doch Lot auch gedacht. Und dann ist er losgezogen. Das Losziehen war noch nicht die Sünde, aber das Umziehen war die Sünde.
Wäre er draußen vor der Stadt geblieben, da wo es schön ist und alles in Ordnung, und hätte nicht den entscheidenden Schritt gemacht, dann wäre sein geistliches Leben nicht so weit kaputt gewesen. Es ist fast erstaunlich, dass er im Neuen Testament überhaupt noch zu den Gläubigen gezählt wird.
Mich erstaunt das immer: Lot und Simson, das sind so die zwei, bei denen ich denke, okay, sie machen mir Mut – aber hätte ich nicht gedacht.
Führung und Bewahrung als zentrale Anliegen im Gebet
Wir haben also Führung, und der zweite Teil, wenn man so will, die Kehrseite von Führung, ist Bewahrung. Hier heißt es dann: „Unterlöse uns“ oder „Rette uns von dem Bösen“.
Wir müssen dafür beten, dass das Böse nicht in unsere Familien, in unser Leben oder in unser Denken einbricht. Ebenso darf es nicht in unsere Gemeinde eindringen. Ihr seid dafür verantwortlich, dagegen zu beten, wenn es um Irrlehre, Spaltung oder Streit in der Gemeinde geht. Ihr tragt diese Verantwortung, nicht ich, wenn es nicht eure Gemeinde ist.
Darum ist es wichtig, dass kein Streit, keine Irrlehre und nichts Böses in unsere Gemeinde einbricht. Ich gehe hier sehr ins Detail, möchte das aber im Vortrag nicht zu genau ausführen, da dieser auch veröffentlicht wird. Ich habe eine Liste mit Dingen, die ich mir nicht wünsche, die in unsere Gemeinde eindringen. Das ist doch logisch, oder?
Kannst du dir vorstellen, wie viel Mühe es macht, wenn eine Irrlehre erst einmal in der Gemeinde ist und man sie wieder herausbekommen muss? Das möchte man nicht. Wo Menschen in ihren Köpfen von falschen Ideologien gefangen sind, ist das ein großes Trauerspiel.
Deshalb bitte ich euch: Betet! Wenn ich dafür bete, dass ich Bewahrung erfahre, nimmt mir das einerseits Last ab. Es bewahrt mich vor Furchtsamkeit und vor Hoffnungslosigkeit, weil ich meine Sorgen abgeben kann. Ich kann sagen: „Vater, ich habe Angst davor, dass das passiert, das ist logisch. Aber ich gebe dir das jetzt ab und bitte dich, dass du uns an dieser Stelle rettest.“
An anderer Stelle erlebe ich dann, dass Gott mir Rettung schenkt.
Das Vaterunser als Leitfaden für das persönliche Gebet
So, jetzt habt ihr das Vaterunser kennengelernt, und ihr könnt es euch, wenn ihr wollt, an euren Fingern abzählen. Es fängt an mit Anbetung, also warum wir Gott toll finden. Es weist nach oben zu Gott. Dann kommen der dritte Punkt: hier meine Probleme. Danach folgt das große Thema Vergebung. Anschließend geht es um Führung und Bewahrung.
Zu jedem dieser Blöcke bitte ich dich, irgendwann, falls du es nicht schon lange hast, eine Gebetsliste aufzuschreiben. Diese Liste soll einfach für den Rest deines Lebens wachsen. Du darfst bei der Fürbitte auch wieder Leute streichen, logisch, weil es irgendwann zu viele werden. Die Liste kann auf ein paar Hundert anwachsen, dann streicht man wieder einige heraus und nimmt andere auf. Aber das ist okay, mach es einfach.
Du wirst feststellen, dass eine Stunde zu beten ganz leicht ist. Du schnappst dir deine Anbetungsliste, schaust, wo du gerade bist – zum Beispiel bei den Eigennamen Gottes – und fängst einfach an. Dann schau, wohin dich das Gebet führt.
Versteht ihr? Ich rede mit Gott so, wie ich mit meiner Frau am Eheabend spreche. Ich überlege mir, was ich ihr Schönes sagen kann. Meine Frau möchte auch nicht nur hören: „Du bist schön.“ Das gehört zwar dazu – wer meine Hohelied-Vorträge kennt, weiß, dass es sogar ganz, ganz wichtig ist, dass ein Mann das jeden Tag seiner Frau sagt – aber es würde nicht schaden, und das lehrt uns ja das Hohelied, wenn meine Frau auch ganz konkret gesagt bekommt, was denn da schön ist.
Das ist wichtig, ihr lieben Männer. Ich hoffe, ihr habt das nicht aus dem Blick verloren, sonst machen wir einen Exkurs über das Hohelied. Ihr lacht, aber Bewunderung steht im Zentrum von Liebe. Wenn du Gott nicht bewunderst und keine Worte der Bewunderung für Gott hast, liebst du Gott nicht, habe ich doch schon gesagt. Und wenn du keine bewundernden Worte für deine Frau hast, liebst du deine Frau nicht.
Praktische Anregungen für das tägliche Gebet
Ja, aber ich gehe doch arbeiten, kümmere mich um die Winterreifen und habe erst den Spülkasten repariert.
Ja, ja, schön. Wenn du keine bewundernden Worte für deine Frau hast, dann liebst du sie nicht. Also, hier eine Aufgabe: Wenn du dich jetzt nicht ertappt fühlst, dann finde heute drei Dinge, die du schon lange deiner Frau nicht mehr gesagt hast. Einfach nur drei Stück. Nur als Idee, damit du nicht denkst: Sie hat Haare, Augen, einen Mund. Sie hat eine ganze Figur, vielleicht auch Beine – Dinge, die man nicht unbedingt in einem Vortrag hören will. Sie hat verschiedene Eigenschaften, die man benennen kann. Sie ist ein Mensch.
Du willst eine gute Gewohnheit entwickeln. Die gute Gewohnheit wäre, von heute an jeden Tag zu beten. Sagen wir, eine dreiviertel Stunde oder eine Stunde, einfach mal für ein halbes Jahr. Nutze deine Zettelchen als Startpunkt dafür, intelligent zu beten. Wenn du das nicht tust, kannst du vorher noch einmal Buße darüber tun, denn wir dürfen alle Buße über unsere Sünden tun. Vielleicht bist du beim Thema Gebet ein Sünder. Dann schreibe das auf deine Gebetsliste zum Thema Sünde ganz oben: „Ich bin kein Beter.“ Das wäre schon mal ein Anfang. Und dann starte einfach.
Hey, es ist Freizeit! Selbst wenn du mit Kindern hier bist, kann einer dem anderen jeweils mal eine Stunde Zeit geben. Heute Abend ist fast nichts vorgesehen, da steht Stockbrot drin. Stockbrot kann man auch gegen Gebet ersetzen. Ganz ehrlich, das ist nicht schlimm, das geht ganz fix. Geh mal eine Stunde beten, nimm dir Zeit, die ersten fünf Zettelchen ein bisschen auszufüllen und probiere das aus.
Das ist mein Vorschlag. Deshalb mache ich diesen Vortrag nicht, damit du alles über das Gebet weißt. Ich mache diesen Vorschlag, damit du von heute an eine Stunde betest. Das war's für heute. Die Predigt wird in der nächsten Episode fortgesetzt.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.