Ein hoffnungsvoller Morgen und die Verheißung der Vollendung
Verehrte liebe Schwestern und Brüder,
es war ein herrlicher Morgen, als ich frühmorgens von Korntal hierher in das wunderbare badische Land fahren durfte. Ich verstehe, dass Andreas Schäfer sagt: Bitte die Fenster offen lassen, damit die Sonne hereinscheinen kann.
Im Volk Gottes war es immer so, dass man, selbst wenn man die herrliche Blütenwelt sieht, an die Worte von Paul Gerhardt denkt: „Welch hohe Lust, welch heller Schein wird erst im Christigarten sein!“ Wie muss es dort erst blühen? Oder wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein ich in die goldenen Kassen ziehe, dann wird das noch einmal etwas anderes sein, noch schöner als eine Konferenz in Langenstein bei Höhe.
Auch im Volk Israel war es lebendig, dass nach den Gerichten Gottes über diese Welt die neue Welt Gottes anbricht. So heißt es: „Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen, und sie sollen erfahren, dass sie in mir den wahren, guten Hirten haben.“ Doch vorher kommt: „Ich will an meinem Heiligtum anfangen und es zerschlagen, sonst wird Hunger, Schwert und Pest kommen.“
Lesen Sie dazu Hesekiel 6. Dort steht: „Sie sollen erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich sie strafen werde, wenn ich von ihnen weggehe.“ Oder fragen Sie bei uns in Winnenden: Wo war Gott? Ja, genau, wir sollen erfahren, dass Gott auch weggehen kann, auch von Winnenden, auch von gesegnetem württembergischem Land, wo Johann Albrecht Bengel geboren wurde. Er kann weggehen.
Aber danach soll die Erquickung des Herrn kommen, und dann folgt die Vollendung.
Die Bedeutung des Menschensohnes im biblischen Kontext
In dem Wort, das Andreas Schäfer uns eben vorgelesen hat, aus der Rede, die uns beim Evangelisten Lukas 21 überliefert ist, endet es mit den Worten: „Seid allezeit wach, damit ihr stark seid, zu entfliehen all dem, was geschehen wird, und zu stehen vor dem Menschensohn.“
Ach, jetzt bräuchte man Zeit, um ein ganzes Kapitel Bibelarbeit daraus zu machen. Was mit dem Menschensohn ist, wird bereits in Jesaja 53 angekündigt. Es kommt einer, der anders ist als die Bene Adam, als die Menschensöhne. Das ist der allerverachtetste, der einzigartige Menschensohn.
Er trug unsere Krankheit, und durch seine Hand wird der Plan des Herrn gelingen. Er, der Gerechte, wird viele gerecht machen. Wenn Sie den Bericht über den Märtyrer Stephanus lesen, in der Apostelgeschichte, merken Sie, dass er sagt: „Ich sehe jetzt den Menschensohn zur Rechten Gottes.“ Und vorher in seiner Predigt hat er gesagt: „Ihr habt den Gerechten.“ Das war in der Urgemeinde wichtig.
Er ist der Gerechte, der mich armseligen mit meinen vielen Fehlern gerecht macht – mich, den zweifelnden Thomas, mich, den verleugnenden Petrus, und mich, den weglaufenden Bartholomäus. Sie alle verließen ihn und flohen.
Gerecht gemacht zu werden heißt, dass ich überkleidet werde mit der Gerechtigkeit des Herrn Jesus, dass er mich so in seinen Arm nimmt, dass ich überstrahlt werde von seiner Gerechtigkeit. Das ist der Menschensohn.
Beim Propheten Daniel ist es wichtig, dass er kommen wird in großer Macht und Gott ihm das Reich geben wird. Wenn Sie Lukas 21 lesen, den Bericht, was Jesus über die Zukunft unserer Welt gesagt hat, und die parallelen Stellen bei Matthäus 24 und Markus 13, dann werden Sie feststellen, dass bei Markus die Jünger fragen: Wenn nicht mal in dem schönen Tempel ein Stein auf dem anderen bleiben wird –
Sie haben daran gedacht, dass bei Hesekiel steht: „Fangt an mit dem Gericht im Haus Gottes.“ Wenn kein Stein auf dem anderen bleibt, wird das dann das Zeichen sein, dass du zur Vollendung kommst? Dass dann wahr wird, welche hohe Lust und welcher helle Schein in der Welt Gottes sein wird?
Bei Matthäus heißt es: Wird das das Zeichen sein für dein Kommen, dass du als der Menschensohn kommen wirst? Dann wird wahr werden: „Vater, ich will, dass die bei mir seien, die du mir gegeben hast.“ Es geht dabei nicht nur darum, dass wir in den Himmel kommen wollen. Das ist etwas Großes, wenn wir diese Sehnsucht haben.
Jesus will niemanden von denen verlieren, die ihm vom Vater gegeben sind. Und hoffentlich gehören wir alle dazu. „Vater, ich will“, hat Jesus mit dem Vater abgemacht. Das ist Vollendung. Vollendung ist, dass Jesus gesagt hat: Ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin.
„Vater, ich will, dass sie meine Herrlichkeit sehen.“ Das ist Vollendung: der Gerechtigkeit des Menschensohns zu stehen vor dem Menschensohn. Jesus war das so wichtig, dass er in seinem Prozess, als ihm der Garaus gemacht werden sollte und er gefragt wurde: „Sag mal endlich, komm, beschwöre dich beim lebendigen Gott, ob du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Da sagt Jesus: „Ja, ja, das ist so, aber von nun an werdet ihr sehen den Menschensohn.“
Wir müssen als Leute, die die Bibel lieben, forschen, was denn über diesen Menschensohn schon im Alten Testament gesagt ist, über diesen Begriff, der Jesus so wichtig war, bis hin zu Lukas 21: „Seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werden möget, zu entfliehen all dem und zu stehen vor dem Menschensohn.“
Wenn Sie bei Matthäus 24 lesen, da heißt es: „Wenn der Menschensohn kommen wird in Kraft und Herrlichkeit, dann werden alle Geschlechter auf Erden heulen.“ Das haben wir gar nicht gewusst, dass er so wichtig ist, dass alles auf diesen Jesus ankommt.
Und da heißt es dann bei Matthäus 24: „Und er wird seine Auserwählten sammeln.“ Ach, da möchte ich dazugehören, wenn ich mich nicht vor dem heiligen Jesus traue und er sagt: „Rolf, komm, du gehörst auch dazu.“
Er wird sammeln wie ein Hirte die Herde sammelt – auch die Schäflein, die ein bisschen abseits stehen und meinen, sie gehörten gar nicht dazu. Das ist gemeint mit „zu stehen vor dem Menschensohn.“
Die Herausforderung der Gegenwart und die Warnung vor Verführung
Das Thema heute ist, dass wir den Durchblick im Zeitgeschehen bekommen und auch die Gefahren auf dem Weg erkennen. Die übergreifende Klammer dabei ist der heilige Wille unseres Heilandes Jesus, dass wir eines Tages von ihm gesammelt werden können. Dort, wo hohe Lust und heller Schein herrschen werden – nach der Erde mit Leid, Arbeit und Pein – werden wir bei ihm sein.
Herr Jesus, ist das dann das Zeichen, wenn der Tempel zerstört wird, dass alles vollendet ist? Wird das das Zeichen sein, dass du dann kommst? In Matthäus, Markus und Lukas heißt es übereinstimmend: Seht zu, dass euch niemand verführt! Ihr werdet viel hören von Hunger, Kriegen, Inflation und Pest. Fürchtet euch nicht, das muss so sein.
Es ist, als wollte der Herr Jesus sagen: Habt keine Angst, es wird noch schlimmer. Wie? Noch schlimmer als Hunger? Die meisten von uns haben Hunger noch erlebt, unsere jungen Leute wissen gar nicht mehr, wie es ist, im Abfall nach Brotresten zu suchen, weil man Hunger hat – als junger Kerl. Gibt es Schlimmeres als Hunger? Als Krankheit? Erst gestern war ich wieder bei einem sterbenden Melanom-Patienten im letzten Stadium – die Pest unserer Tage. Gibt es Schlimmeres, als langsam erstickt zu werden? Ja, Jesus sagt: Wenn Verführung kommt, lasst euch nicht verführen.
Frau Meier kommt aus Korntal. Wir hatten gestern eine große Dichterlesung in Korntal mit der Tochter unseres früheren Pfarrers Fritz Grünzweig, der Schriftstellerin. Sie als Mitglied einer nachwachsenden Generation beschäftigt die Frage: Wie konnte es selbst im frommen Korntal dazu kommen, dass man so auf die Schallmeyenklänge von Hitler hereingefallen ist? Ja, natürlich gerade Christen.
In Korntal entstand der Christlich-Soziale Volksdienst in der Weimarer Republik, der für ein neues Deutschland und einen neuen Geist sorgen wollte. Als dann schließlich in den Wirren der Weimarer Republik Adolf Hitler kam und vom positiven Christentum sprach, sagte er: „Endlich, endlich einer, der dafür eintritt.“
Dann passierte das, was unser früherer Pfarrer Fritz Grünzweig am eigenen Leib erfahren hat: Man kann als Christ, so schreibt er in seiner Biografie, nur zu rasch in die Fangarme einer Ideologie geraten und nicht mehr herauskommen. Er überlegte als Notariatsgehilfe, ob er aus der Partei wieder austreten sollte. Doch er sagte: Bleib drin, es ist immer ganz gut, wenn du noch drin bist. Du trittst doch für deinen Freund Leikamm ein, der im Konzentrationslager ist. Da ist es immer besser, wenn du noch in der Partei bist.
Wenn man einmal in den Fangarmen der Verführung ist, gibt es immer großartige Ratschläge, dass man drinbleiben soll und nicht rausgehen darf. Hüdet euch vor der Verführung!
Unsere lieben Geschwister in der ehemaligen DDR haben es zweimal kurz hintereinander erlebt, wie schnell die Verführung kommen kann – mit Parolen. Gerechtigkeit für die Armen ist uns eigentlich klar. Doch die gesamte Dritte Welt ist auf die Parolen des Marxismus hereingefallen und befindet sich jetzt erst recht in bitterer Armut. Verführung ist brutal, faszinierend und einleuchtend.
Der Herr Jesus sagt: Hütet euch! Es ist, als wäre euch danach das Genick gebrochen. Ich sehe noch die Oberin vor mir, eine Diakonisse, die immer zurückhaltend und eine noble Frau war. Im Dritten Reich ist sie aus ihrer Diakonissengemeinschaft ausgetreten und zu den „braunen Schwestern“, wie man damals sagte, gegangen. Sie sagte: Seitdem das passiert ist, dass ich so dem Irrtum aufgesessen bin, kann ich eigentlich gar nicht mehr richtig fröhlich werden.
Wir hätten doch mehr im Gebet verankert sein müssen, im Geist Jesu Christi, um zu merken, was Verführung ist. Jetzt verstehen Sie, warum der Herr Jesus sagt: Seid wach allezeit und betet, dass ihr der Verführung entfliehen könnt und vor dem Menschensohn bestehen werdet.
Wachsamkeit und Gebet als Schutz vor Verführung
Ich traue euch doch nicht und sage: Kommen schlimme Zeiten? Passt auf, schlimm, schlimm, schlimm? Nein, ich möchte euch doch einmal sammeln können. Deshalb spricht Jesus.
Wir wollen den Abschnitt noch einmal im ganzen Zusammenhang lesen, ab Vers 31:
Seht auch ihr, wenn ihr das alles seht, die Zeichen der Zeit, dass dies alles geschieht. So wisst, dass das Reich Gottes nahe ist – nicht Inferno, Untergang, das Eigentliche kommt erst.
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. Ihr könnt euch darauf verlassen.
Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen. So hat der Herr Jesus, der liebe Heiland, gesagt: Fressen und Saufen und mit täglichen Sorgen. Und dass dieser Tag nicht plötzlich über euch komme wie ein Fallstrick.
Wie eine Mausefalle – Mäuse fängt man mit Speck. So hat Jesus gemeint.
Wenn ihr gereizt werdet mit schönen Ferienfahrten – nichts gegen die Türkei –, ihr studiert den Apostel Paulus, aber es reizt uns doch noch mal wunderbare Fahrzeuge, weil er herrlich war, dass eure Herzen nicht beschwert werden. Wenn er an euer Konto denkt: Wie viel habe ich denn verloren, so bei der Krise? Ist mein Geld gut angelegt?
Mit Sorgen, täglichen Sorgen meiner Enkel, die so im Hotel Mama leben und gar nicht wissen, dass das Leben ein Kampf ist. Werden sie bestehen unter heutigen Bedingungen? Erst recht unter den morgigen Bedingungen? Für meine Sorgen?
Sie ließen ins tägliche Gebet einfließen: Herr Marx, gib ihm doch einen Schucker, lass ihn noch mal aufwachen, dass sie sich ganz anders an den Laden legen müssen beim Verdienen, im Beruf und in der Schule.
Das tägliche Sorgen: Wird die Rente reichen? Und jetzt hat das christliche Werk 750 Mark minus. Und das andere christliche Zentrum, dem fehlen noch ein paar Millionen. Und bei uns in Korntal baut man für ein paar Millionen ein Gemeindehaus. Wo soll ich denn überall noch mein Geld hingeben?
Und täglich flattern die wunderbaren Prospekte der christlichen Werke mir ins Haus, einschließlich Zahlgarten. Das gehört bei mir auch zu den täglichen Sorgen: Bin ich zu knickrig oder was soll ich hergeben? Wie viel kann ich für mich behalten?
Hütet euch, dass euer Herz nicht beschwert wird mit Fressen und Saufen, mit täglichen Sorgen, und dass dieser Tag plötzlich wie ein Fallstrick über euch kommt. Und wir sind gar nicht auf den Herrn Jesus gefasst – Freude, dass er der Gerechte uns gerecht machen will!
Die Gefahr der Verführung am Beispiel der Geschichte
Verführung
Ich habe vorher von der Diakonisse gesprochen und davon, dass wir gestern in Korntal zusammen waren. Vielleicht darf ich ergänzen: Einer der verantwortlichen Männer des christlich-sozialen Volksdienstes, der in Korntal entstanden ist, handelte aus Verantwortung für unser Volk. Er wollte, dass wir Christen – nicht nur die katholischen Mitchristen, sondern auch wir Evangelischen – endlich etwas tun sollten.
Einer von ihnen war Wilhelm Simfendörfer, ein begabter Oberstudiendirektor an unserem berühmten Korntaler Gymnasium. Er war zudem Sprecher der Fraktion des christlich-sozialen Volksdienstes im Deutschen Reichstag. Korntaler wurden in den Reichstag gewählt, ein zweiter war der Abgeordnete Bausch. Frau Mayer kennt ihn fast persönlich, fast verwandt.
Ich war als Sechzehnjähriger bei der Spruchkammer-Verhandlung dabei, die man nach dem Krieg als unsinnig bezeichnete. Es ging darum, dass einem Reichstagsabgeordneten Prozess gemacht wurde, weil er angeblich falsch abgestimmt hatte. Juristisch war das eine fragwürdige Geschichte, aber es hat mich als Sechzehnjährigen interessiert und tief berührt.
Als er gefragt wurde: „Wie konnten Sie denn als Christ Hitler unterstützen und die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz geben?“, antwortete der männliche Wilhelm Simfendörfer bewegend: „Wir haben ihm eben geglaubt mit seinen Grundsätzen vom positiven Christentum.“ Schützet euch vor der Verführung! Man merkte, wie ihn das innerlich zerriss. Wie konnte es bei mir so weit kommen?
Hütet euch! Der Herr Jesus spricht nicht von Reichstagsabgeordneten und ihren Problemen, sondern von unseren Problemen: fressen und saufen, dass ihr würdig werden möget. Hier heißt es in der Bibel stark, früher lautete die Übersetzung, dass ihr würdig werden möget. Allein Gott kann uns würdigen. Im Neuen Testament kommt der Begriff „gewürdigt sein“ vor, etwa in der Form „dass ihr gewürdigt werdet des Reiches, für das ihr auch leidet“. So schreibt der Apostel Paulus den Thessalonikern: Gott mache euch würdig eurer Berufung.
Darum dürfen wir beten: Ja, vielleicht bin ich nicht würdig, vielleicht bin ich auch nicht fähig, die Geister zu unterscheiden, aber mach mich würdig. Gib mir ein Empfinden! Früher gab es in den Lesebüchern eine Geschichte eines Königssohnes, der in Holland in schlechte Gesellschaft geraten sollte. Vielleicht war der Peter der Große gemeint. Als er dann verführt werden sollte, sagte er: „Ich bin der Sohn eines Königs. Das ziemt sich für mich nicht.“
Sie hatten ein Gespür dafür, was sich für ihn ziemte oder nicht. So meint Paulus – und so meint der Herr Jesus –, dass wir gewürdigt werden, gut übersetzt: stark werden. Es gehört Stärke dazu, dem Trend der Zeit zu widerstehen, auch den Verführungen. „Des Herrn Augen schauen alle Lande“ (2. Chronik 20). Er gibt Stärke denen, die von ganzem Herzen an ihm sind.
Mein Vater, dem es im Dritten Reich nicht leicht ging, wurde als Lehrer immer gedrängt, in die Partei einzutreten. „Sonst werden Sie nicht in den Staatsdienst übernommen, und Sie haben noch sechs Kinder.“ Er hat immer gebetet: „Herr, lass mich stark sein, mach mich stark im Widerstand, auch wenn ich allein bin.“ Er war froh, dass seine Frau den Weg mitgegangen ist und ihn ermutigt hat.
Aber noch viel wichtiger war: „Herr, mach mich stark, dass ich den Versuchungen widerstehe. Wegen meiner sechs Kinder muss ich doch nicht unbedingt in den Staatsdienst, muss meine Versorgung, meine Rente haben.“
Seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet, um diesem allem zu entfliehen!
Wohlstand und Schläfrigkeit als Gefahr für den Glauben
Was könnte denn gemein sein? Jetzt sind wir doch beim Durchblick im Zeitgeschehen. Mit dem Fressen und Saufen gibt es einen ungeheuren Wohlstand und Genuss! Wenn uns unsere Urgroßmutter sehen würde, wie wir hier sitzen: solche schönen Schuhe hast du, sogar Diakonissen tragen orthopädische Schuhe, es gibt Krankheitsversorgung und Kleider – was für schöne Tücher! Uns ist gar nicht mehr bewusst, in welchem Wohlstand wir leben. Bis hin zum ganzen Schulsystem und Gesundheitssystem.
Aber all das kann zu einer großen Schläfrigkeit führen. Gott hat einen Geist der Betäubung ausgegossen. Nach jeder kriegerischen Not, nach jedem Willenden, nach jedem Familiendrama im Schwäbischen wachen wir geschwind ein, zwei Tage auf, erschrecken und dann ist wieder Business as usual.
Heute Morgen war im Rundfunk die Süddeutsche Rundfunksprecherin von Winnenden zu hören. Da sage ich mir: Jetzt kommen die immer noch mal mit Winnenden. Das ist vorbei, das war doch mal so, wir haben es ernst genommen, wir haben darüber getrauert, aber es gibt andere schlimme Sachen.
Wenn Sie die Propheten Israels lesen – wir müssen immer, wenn wir das Neue Testament lesen und die Worte von Jesus schon im Hinterkopf haben, auch wissen, was im Alten Testament steht. Sie haben nicht dauernd das Alte Testament zitiert, aber wir können die Bibel nur durch die Bibel verstehen. Bei Jesaja, Jeremia, Hesekiel heißt es immer wieder: Die falschen Propheten sagen „Friede, Friede!“ und es ist kein Friede.
Dann fragt man sich: Wie konnte es bei dem Tim, jetzt komme ich auch noch mal mit Winnenden dazu, kommen, dass er die Waffe zückte? Der nette, harmlose Kerl? Na ja, weil es die Schützenvereine gibt und weil der Vater seine Pistole nicht richtig aufbewahrt hat.
Der Herr Jesus hat gesagt: Aus dem Herzen des Menschen kommen arge Gedanken – Mord! Doch nicht bloß beim Tim. Ich bin doch glücklich verheiratet, aber wenn mal der Haushaken schief hängt, bin ich froh, wenn die Messer ein bisschen weiter weg sind. Mord! Herr, bewahr mich bitte!
Wenn Luther in seinem Morgensegen sagt, dass der böse Feind keine Macht über mich hat, dann sind das ja nicht bloß einzelne Leute, diese Schläfrigkeit, dass wir gar nicht mehr die Gefährdung unserer Zeit erkennen. Fernsehserien machen das noch schlimmer.
Wie konnte es dazu kommen, dass das Dritte Reich mit Hitler so ins Kraut geschossen ist? Und zugleich bejubelten Hunderttausende an der Siegessäule in Berlin Barack Obama, bevor er überhaupt Präsident war, auch wie einen Messias.
Die Gefährdungen unserer Zeit sind groß. Wenn wir in diesen Tagen auch über die finanziellen Krisen sprechen, was werden das für Leute sein, die sagen: „Bei mir, yes, we can, wir schaffen es!“? Ich würde am liebsten einen Brief schicken. Der Apostel Paulus hat gesagt: „Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht.“ Das werden wir mit dem ganzen amerikanischen Volk erfahren: Sicherheit, Friede, Friede – uns ist kein Friede.
Mir fällt immer wieder auf, und das wächst aus diesem ersten Punkt heraus, aus diesem Business as usual, Friede, es ist alles übertüncht: die Gefahren, die da sind – in mir, in unserem Volk, in unserer Zeit.
Wenn im Apennin ein Erdbeben ist und die ganze Stadt zerstört wird, dann sagen die Erdbebenforscher: Ja, ja, das ist natürlich so eine Erdbebenzone, die sich von dort herüber erstreckt. Und das kann überall passieren. Es ist eigentlich ein Wunder, dass Los Angeles noch nicht zusammengefallen ist.
Wenn wirklich der Andreasgraben rüttelt in Amerika und Los Angeles zusammenfällt, dann leben wir weiter. Bisher ist es gut gegangen, und es wird auch weiterhin gut gehen.
Wir sprechen ja darüber, wie man entfliehen kann. Diesmal herrscht eine ganz große Entscheidungslosigkeit. Wir merken, dass die Presse allmählich schon sagt: Die Politik lässt alles schleifen. Jede Partei will die nächste Wahl gewinnen und deshalb möglichst wenig Entscheidungen treffen, die den Wähler verunsichern.
Wenn Sie mal in die öffentliche Verwaltung hineinschauen: Früher hat der deutsche Beamte seinen Schreibtisch leer geschafft. Heute ist es quer durch die Verwaltung so: Lass doch liegen, nimm die schwierigen Fälle unten runter. Warum soll ich mir die Finger verbrennen? Nachher gibt es einen Prozess. Der Chef sagt: Warum kommst du mir so schwierig? Lass das Ding liegen. Vielleicht muss Berlin doch alle Rentensachen übernehmen. In zwei, drei Jahren sieht es wieder anders aus.
Wir ahnen nicht, wie entscheidungslos unsere Gesellschaft geworden ist. Vor zehn Jahren, als noch der Herr Löhr da war, wurden Entscheidungen getroffen. Er ist zwar auch immer angeeckt mit seinen Entscheidungen, aber wenigstens wurde entschieden.
Entscheiden wir und sprechen wir das klare Wort mit dem Enkel oder der Enkeltochter? Oder denken wir, das sollen die Eltern machen? Vielleicht werden wir als Großeltern gefordert.
Wir sind angesteckt von diesem Geist eines „Lass doch treiben, komm, lass doch mal laufen“. Alles hängt damit zusammen, dass die Emotion, die Gefühligkeit, so eine große Rolle spielt.
Die Muslime sind doch auch fromm, und die Hindus auch. Warum? Sollen wir uns von ihnen distanzieren? Es gibt eine neue Missionsmethode: Lasst uns doch arrangieren mit allen Menschen und nicht anecken bei ihnen, denen wir sagen: „Nur in Jesus ist das Heil.“ Komm! Lass uns auf ihre Wünsche eingehen, lass uns nicht eine kantige Sprache sprechen. So ein Ausgleich, eine Friedenssehnsucht.
Wir haben in Württemberg eine Frau Pfarrerin Eirich aus Wein, die einen Leserbrief im Gemeindeblatt geschrieben hat. Warum sind wir eigentlich nicht aufgewacht bei der Ordnung für den Weltgebetstag? Dass wir den guten Gott angerufen haben und die Mutter Erde und den Geist dieser Welt?
Vor zwanzig Jahren haben wir noch als Evangelikale gegen die Ordnung des Weltgebetstages protestiert und gesagt: Das stimmt nicht mit dem Evangelikalen. Heute sagt man: Lasst doch laufen, komm, das ist nicht so schlimm.
Es gehört zum Geist unserer Zeit, dass eine sich überaus missionarisch gebende Unmoral breitmacht. Herr, Vater und Mutter muss man nicht mehr gehorchen. Das führt doch bloß zu Unselbständigkeit. Wer einen Menschen entwickeln will zur Selbständigkeit, der muss sich von Vater und Mutter loslösen.
Und wie könnt ihr gegen Homosexualität sein? Das sind doch auch liebe Menschen! Und Abtreibung – es ist doch besser, dass ein Kind abgetrieben wird, als dass es eine unglückliche Kindheit hat. Wer weiß denn, ob das Kind eine unglückliche Kindheit hätte?
Es wird alles so fromm garniert, selbst bei Dingen, über die wir bloß noch weinen sollten – über das, was in unserem Volk geschieht.
Jeder Mensch hat ein Recht auf Sex, und wenn sein Lebensgefährte gerade krank ist oder auf Reisen ist, dann muss er eben … er hat ja ein Recht auf Sex.
Es wird so moralisch, fast gesetzlich getan, was normal ist, und wird missionarisch verkündet als das Wahre. Alles andere, wenn wir die Bibel ernst nehmen mit ihrer Ordnung, das ist fundamentalistisch, das ist ja von vorgestern.
Seht zu, dass euch niemand verführt, dass alles, so sagt der Herr Jesus, geschehen soll.
Der Kampf gegen das Dämonische und die Kraft des Glaubens
Wie soll ich es Ihnen übersetzen? Gerade weil das Reich Gottes kommt. Jesus sagt: „Ich sah den Fürsten dieser Welt, den Teufel, vom Himmel fallen wie ein Blitz.“ In der Offenbarung heißt es, er ist aus der Welt Gottes, der Ankläger, ausgestoßen worden. Er kommt hinab zu euch und hat einen großen Zorn, weil er weiß, dass er nur noch wenig Zeit hat.
Aber jetzt ist das Dämonische irgendwo wie komprimiert auf unserer Erde, gerade weil der Herr Jesus mit seinem Reich gekommen ist. Adolf Hitler war in seinen letzten Monaten am gefährlichsten. Wenn er gekonnt hätte, wenn er die Atombombe gehabt hätte, hätte er am liebsten ganz Deutschland nur noch als verbrannte Erde hinterlassen. Sein Denken war teuflisch: „Wenn ich schon gehen muss, dann lasse ich alles kaputtgehen.“
So ist es auch mit dem teuflischen Denken, wenn der Sohn Gottes, der Menschensohn, kommt, sein Reich aufrichtet und seine Leute sammelt. Dann will der Teufel hier noch sehen, dass er die Menschen herumkriegt. Aber nicht mit der Mausefalle, indem er uns den Glauben bestreitet oder uns die Bibel wegnimmt.
Manchmal wird gefragt: „Ist es nicht stur, sich so wortwörtlich auf die Bibel zu verlassen? Du musst doch das herausnehmen, was wichtig ist.“ Vor zwei Jahren war ich bei der Versammlung der Pfarrgebetsbruderschaft in Württemberg eingeladen. Fromme Pfarrer sollten über Johannes den Täufer sprechen, der gesagt hat: „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn nicht hat, bleibt unter dem Zorn Gottes.“ Ich habe das ausgelegt.
„Neid davon“, sagte ich, „wir sagen lieber: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ Dabei ist es großartig, dass Johannes gesagt hat, dieser Zorn, der teuflische Zorn, sei jetzt wie komprimiert. Der Einzige, der euch herausretten kann, ist Jesus. Betet, dass ihr stark werden mögt und frei davon.
Dann gibt es den ersten Sinn: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, die ihr unter dem Zorn seid, unter der Versuchung. Ich will euch befreien, ich will euch herausführen. Voraussetzung ist, dass wir wach werden. So seid allezeit wach und betet.
Wir kennen das Stichwort: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt.“ Im Garten Gethsemane sagt Jesus immer wieder: „Wacht, seid hellwach!“ Wir sollen nicht auf die Parolen hereinfallen, damit wir entfliehen können.
Gemeinschaft und Entfliehen dem Zeitgeist
Wie macht man es? Wir leben doch in unserer Zeit. Wir haben die Zeitung, wir haben das Fernsehen, wir haben die Medien – wie können wir dem entfliehen? Der Zeitgeist ist um uns herum; er kommt durch Freunde und Verwandte herein.
Ich habe mich so gefreut, dass einer meiner Enkel, um den ich mich sorgte, ein Bravbursche ist. Seine Freundin, von der ich hoffte, dass sie keine dummen Geschichten machen, sind sie miteinander für acht Tage auf die Klostermühle gegangen, zum Fackelträger. Sie kamen zurück und haben gesagt: „Jetzt wissen wir das, wir warten mit dem ehelichen Leben, bis wir heiraten können.“
Das heißt, Anschluss suchen, so wie Sie es jetzt auch tun, hier auf der langen Steinbaren Höhe, unter Christen, in Gemeinschaft mit ihm, der bei den zwei oder drei sein will. Das ist ein Entfliehen. Ich möchte unter einen anderen Geist kommen. Ich möchte andere Maßstäbe bekommen, andere Gesichtspunkte.
Ich war ja einst verantwortlich für den Bernhäuser Forst und für das evangelische Jugendwerk in Württemberg. Kaum hatten wir dieses große Begegnungszentrum eröffnet, kam an einem Wochenende ein junger Mann mit seiner Freundin und sagte, sie wollten miteinander ein Zimmer. Unsere junge Empfangsdame antwortete: „Das machen wir bei uns nicht.“ Verstehen Sie Schwäbisch? „Das machen wir bei uns nicht.“ Das war Entfliehen.
Ach so, das gibt es auch noch. Es sollten Menschen, die in unsere Nähe kommen, diesem Zeitgeist entfliehen können und plötzlich andere Gesichtspunkte bekommen. Aber der Hauptgesichtspunkt ist: Ich möchte einmal dabei sein, dass wenn du, o Lebensfürst, prächtig wiederkommen wirst, ich dir entgegengehen und vor dir gerecht bestehen kann.
Das wird das Größte sein, dass er, der Gerechte, mich gerecht macht und dass ich nicht auf der Strecke bleibe. Dass Jesus über uns sagen müsste: „Ich kenne euch nicht“ – das wäre das Furchtbarste.
Herr Jesus Christus, danke, dass du uns das angeboten hast, dass wir auch im Gebet wach werden dürfen, stark werden dürfen und würdig werden des Reiches, das du für uns bereitet hast. Gib du uns Menschen zum Geleit!
Wir danken dir auch für diese Tage, bei denen wir in eine andere Atmosphäre hineinkommen, mitten in einer Welt der Ungerechtigkeit und Verschwommenheit. Mögen auch unsere Häuser und Familien und die Menschen, die mit uns in Kontakt kommen, bei uns eine andere Atmosphäre erleben – wohltuend, wachmachend –, damit wir nicht auf der Strecke bleiben, sondern zum Ziel kommen! Amen!