Einführung in die dramatische Rückkehr Jesu
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 296: Jairus und die blutflüssige Frau, Teil I.
Der Herr Jesus kehrt aus dem Zehn-Städte-Gebiet zurück. Dort hatte er durch den Tod einer Herde Schweine, in die Dämonen gefahren waren, für viel Aufsehen gesorgt. Dieses Aufsehen führte auch zu Ablehnung. Deshalb fährt er mit seinen Jüngern zurück ans andere Ufer.
In Markus 5,21 heißt es: „Und als Jesus in dem Boot wieder an das jenseitige Ufer hinübergefahren war, versammelte sich eine große Volksmenge zu ihm, und er war am See.“
Nun, in der Situation, in der er gerade zurückkommt, wird es plötzlich ganz dramatisch.
Die Begegnung mit Jairus und die Frage nach dem Todeszeitpunkt
Markus 5,22-23: Und es kommt einer der Synagogenvorsteher mit Namen Jairus. Als er Jesus sieht, fällt er ihm zu Füßen, bittet ihn dringend und sagt: „Mein Töchterchen liegt im Sterben. Komm und lege ihr die Hände auf, damit sie gerettet wird und lebt.“
Bevor wir uns anschauen, wie Jesus mit Jairus umgeht, müssen wir eine andere Frage klären. Im Matthäusevangelium heißt es nämlich in Matthäus 9,18: „Während er dies zu ihnen redete, siehe, da kam ein Vorsteher herein, warf sich vor ihm nieder und sprach: ‚Meine Tochter ist eben jetzt verschieden, aber komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie leben.‘“
Ich hoffe, ihr habt den Unterschied bemerkt. Bei Markus und auch bei Lukas liegt das Mädchen im Sterben, während sie bei Matthäus bereits gestorben ist. Wie lässt sich dieser Unterschied erklären?
Und um das auch einmal zu sagen: Wie gut, dass es diese kleinen Unterschiede gibt. Sie zeigen nämlich, dass wir es wirklich mit Augenzeugenberichten zu tun haben. Wären die Berichte der Evangelisten völlig identisch und ohne die für Beobachter desselben Ereignisses typischen kleinen Abweichungen, dann wüssten wir, dass hier einer vom anderen nur abgeschrieben hat.
Diese kleinen Unterschiede hingegen zeigen uns, dass es sich bei den Evangelien um echte, eigenständige Zeugenaussagen handelt.
Historische und sprachliche Hintergründe zur Todesfrage
Trotzdem stellt sich die Frage: Liegt die Tochter des Jairus im Sterben oder ist sie schon tot?
Zunächst einmal ist es grundsätzlich ein Anachronismus, also eine falsche zeitliche Zuordnung, wenn wir unsere modernen Vorstellungen von Genauigkeit in der Berichterstattung einfach auf die Antike übertragen. Andere Zeiten hatten eine andere Vorstellung davon, was für eine Berichterstattung wichtig ist.
Wir leben heute in einem Zeitalter, das womöglich durch übertriebene Exaktheit geprägt ist. Jeder kann in jedem Moment auf die Minute genau wissen, wie spät es ist. Wir machen schnell Videos von wichtigen Ereignissen und sind daran gewöhnt, Fakten mehr zu schätzen als einen guten Spannungsbogen. Aber all das war zur Zeit Jesu anders.
Das ist ein Punkt, der mir grundsätzlich wichtig ist: Wir sollten unsere heutigen Erwartungen an eine Berichterstattung nicht auf die Antike übertragen. Die Evangelisten haben ihre Jesusbiografien so geschrieben, wie es für das erste Jahrhundert nach Christus richtig war – nicht so, wie wir es gerne gehabt hätten.
Das ist aber nur eine grundsätzliche Vorbemerkung. Noch etwas ist wichtig: Im ersten Jahrhundert konnte man den Todeszeitpunkt nicht so exakt festlegen wie heute. Außerdem ist der sprachliche Unterschied zwischen Matthäus und Markus gar nicht so groß, wie es sich in der deutschen Übersetzung anhört.
Wenn es in Matthäus 9,18 heißt: „Meine Tochter ist eben jetzt verschieden“, also gestorben, dann könnte man das auch so übersetzen, dass sie gerade an den Punkt des Todes gekommen ist. Jairus würde dann die Hoffnungslosigkeit der Situation beschreiben. Das würde gut zu Markus passen, wo wir lesen: „Mein Töchterchen liegt in den letzten Zügen.“
Dazu passt auch, dass das griechische Wort „arti“, das in Matthäus 9,18 mit „eben jetzt“ übersetzt wird, nicht unbedingt eine gegenwärtige Realität beschreibt, also das, was gerade jetzt geschieht. Es kann auch eine unabwendbare Realität bezeichnen, also das, was zwingend geschehen wird.
Nicht jeder hat Spaß an Grammatik, aber ich hoffe, es wird klar, dass die Frage, ob die Tochter schon tot war oder noch im Sterben liegt, sich nur dem stellt, der sich die Tochter in einem Krankenhaus vorstellt, angeschlossen an einen EKG-Monitor mit regelmäßigen Pieptönen, die allen anzeigen, dass sie noch lebt.
Aber genau das ist eben nicht die Realität, in der Jairus lebte. Vielmehr muss er losgelaufen sein, als für ihn klar war: „Jetzt geht es rapide zu Ende. Wenn jemand jetzt noch helfen kann, dann vielleicht dieser Rabbi aus Nazaret.“ Zu diesem Zeitpunkt war noch etwas Leben in seiner Tochter, aber so wenig, dass kurze Zeit darauf allen, die im Hause zurückgeblieben waren, klar wurde: Jetzt ist sie wirklich gestorben.
Sie gehen Jairus und Jesus entgegen mit dieser niederschmetternden Botschaft. Markus 5,35: „Während er noch redete, kommen sie von dem Haus des Synagogenvorstehers und sagen: ‚Deine Tochter ist gestorben, was bemühst du den Lehrer noch?‘“
Das ist der Moment, an dem nicht mehr die Frage im Raum steht, ob sie noch lebt oder schon tot ist, sondern wo jeder wusste: Es ist vorbei, niemand kann mehr helfen.
Die Unterbrechung der Geschichte durch die Heilung der blutflüssigen Frau
Bevor wir uns ansehen, was danach passiert, müssen wir noch einmal zum Anfang der Geschichte zurückkehren.
An dem Bericht über die Heilung der Tochter des Jairus fällt etwas Auffälliges auf: Die Erzählung von der Auferweckung der Tochter wird immer wieder unterbrochen durch eine andere Heilung.
Markus 5,24-26: „Und er, Jesus, ging mit ihm, und eine große Volksmenge folgte ihm, und sie drängten ihn. Es war aber eine Frau, die zwölf Jahre an einem Blutfluss litt und viel ertragen hatte von vielen Ärzten. Sie hatte all ihr Vermögen darauf verwendet, aber nichts davon hatte ihr geholfen. Im Gegenteil, es war schlimmer mit ihr geworden.“
Es fällt auf, wie genau die Situation der Frau beschrieben wird: Zwölf Jahre krank, eine Krankheit, die sie kultisch unrein machte. In der nächsten Episode werden wir uns genauer anschauen, was das bedeutete.
Diese Frau hatte all ihr Vermögen aufgewandt, um gesund zu werden. Die Ärzte nahmen gern ihr Geld, konnten ihr aber nicht helfen. Ganz im Gegenteil, es wurde schlimmer.
Eine hoffnungslose Situation, die diese Frau dazu trieb, etwas zu tun, was sie als unreine Frau eigentlich nicht hätte tun dürfen. Sie, die jeden, der sie berührte, unrein machte, drängte sich in eine große Volksmenge, um das Gewand von Jesus zu berühren.
Markus 5,27-28: „Als sie von Jesus gehört hatte, kam sie in der Volksmenge von hinten und berührte sein Gewand, denn sie sagte: ›Wenn ich nur sein Gewand berühre, werde ich gesund.‹“
Abschluss und Ermutigung für die Gemeindearbeit
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir von Don Francisco das Lied „I Got to Tell Somebody“ anhören. Der Link dazu ist im Skript.
Das war's für heute.
Ein wichtiger Tipp für die Gemeindearbeit: Lass dich von Menschen nicht frustrieren. Sie sind dazu da, damit wir Liebe lernen und ganz auf Jesus vertrauen.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.