Herzlich willkommen zum Podcast der Eva Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Powileit.
Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zugleich zum theologischen Denken anregen.
Meine Identität ist das, was mein Denken und mein Handeln bestimmt. Wie ich über mich denke, so werde ich in den meisten Fällen handeln. Deshalb betont die Bibel vor allem die Veränderung meines Denkens, wenn sie von der Veränderung meines Lebens spricht.
Wie ich gemäß meiner neuen Identität leben kann, darum geht es in diesem Podcast. Thomas, bevor wir ausführlicher über die Veränderung unseres Denkens und unserer Identität sprechen, sollten wir zuerst einmal beschreiben: Was ist denn eigentlich Identität? Hast du da eine Definition für mich?
Na, ich bin ganz modern, ja. Also wenn ich mal nach dem Begriff „Identität“ google, dann finde ich als Beschreibung: eine als selbst erlebte Einheit der Person.
Jo, das wirft für mich jetzt mehr Fragen auf, als es erklärt. „Selbsterlebte Einheit der Person“ – also irgendwie, was eine Person ausmacht oder so, oder?
Genau, das klingt natürlich sehr psychologisch. Aber beim zweiten Nachdenken habe ich gedacht: Okay, eigentlich trifft es doch relativ gut. Man könnte es auch anders formulieren: Identität ist die Antwort auf die Frage, wer bin ich?
Ja, und die Frage klingt natürlich relativ simpel: Wer bin ich? Klar beantworte ich sie, und dann geht es weiter. Aber so einfach ist die Frage gar nicht zu beantworten.
Also, wenn ich die Frage beantworten soll und sage: Ich bin Thomas Povileit, und du denkst dann intensiver über Identität nach, dann könntest du vielleicht zu mir sagen: Na ja, das ist dein Name. Das habe ich dich aber nicht gefragt, wie du heißt, sondern ich habe dich gefragt, wer du bist.
Oder wenn ich antworte: Naja, ich bin der Mann von Eva oder der Vater von Jael und Micha, dann könnte man sagen: Du, ich habe dich nicht nach deinem Familienstand gefragt, ich habe gefragt, wer du bist.
Soziologisch würde man sagen, das sind deine Rollen.
Genau, das sind dann eh meine Rollen. Oder die Rolle als Gemeindepastor zum Beispiel beantwortet auch nicht die Frage, wer ich bin. Und doch haben diese Fragen schon etwas mit meiner Identität zu tun.
Ich finde es auch interessant, dass Frauen auf diese Frage sehr oft antworten mit: Ja, das ist meine Beziehung. Also sie reden von ihren Kindern, sie reden von ihrem Mann oder so. Und Männer reden sehr oft von ihrer Position. Also daran macht man so ein bisschen seine Identität fest.
Aber das war ja deine Frage: Was ist Identität? Die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ – glaube ich, das trifft sehr gut.
Das ist ja jetzt mal das Grundsätzliche.
Hast du Dinge, die noch ein bisschen tiefer gehen, vielleicht von der Vorstellungskraft her, was das beschreibt? Ja, ich glaube, Identität geht tatsächlich tiefer und beschreibt genau das, womit ich mich identifiziere. Das ist ein Fremdwort, das wir heute gut kennen. Ich überlege gerade, wie man das übersetzt.
Zum Beispiel, um es am Beispiel festzumachen: Fußballfans identifizieren sich natürlich mit ihrer Mannschaft. Wenn du also die Mannschaft beleidigst, sagen sie vielleicht: „Ich habe ja nicht dich beleidigt, sondern die Mannschaft.“ Dann bekommst du richtig Ärger mit ihnen, weil sie und die Mannschaft eben eins geworden sind.
Ich war vor längerer Zeit auf einem Friedhof, einem ganz spannenden Friedhof von Schalke 04. Er liegt fast in Sichtweite des Stadions. Aber es ist kein Vereinsfriedhof, sondern einfach ein Friedhof im Ortsteil Schalke, in den Kirchenkirchen. Dort gibt es einen Teil des Friedhofs, auf dem ein Fußballfeld im Kleinen dargestellt ist. Über allem thront das Logo von Schalke. Dort kannst du dich nur als Schalke-Fan beerdigen lassen.
Also dort liegen nur Schalke-Fans. Man musste wohl eine Dauerkarte haben, um später dort ruhen zu dürfen. Ich weiß es nicht genau, aber wenn man die Leute gefragt hätte: „Was ist deine Identität?“ — dann hätten sie zu Recht gesagt: „Ich bin Schalke-Fan.“ Das hat sich so tief in ihr Leben eingegraben, dass sie selbst im Tod vereint sein wollen. „Eingegraben“ war jetzt ein schönes Wortspiel.
Ja, genau. Also vom Leben bis in den Tod hinein. Ich finde das ein bisschen ein zweifelhaftes Beispiel für Identität, aber sie haben sich natürlich mit diesem Verein eins gemacht, sogar über das Leben hinaus bis in den Tod hinein.
Man kann sich ja über Fußball definieren, über Arbeit oder andere Dinge. Wir sind jetzt aber ein christlicher Podcast. Deshalb würde ich sagen: Was ist denn unsere Identität als Christen? Gibt es da eine Bibelstelle über Identität? Das Fremdwort haben wir ja nicht, aber das „eins machen“ und die Frage „Wer bin ich?“ — diese Thematik gibt es natürlich.
Natürlich ist für mich ganz klassisch Johannes 1. Dort kommen die Priester und Leviten zu Johannes dem Täufer und stellen ihm die Frage: Wer bist du? Das ist die Frage, die sie ihm stellen.
Johannes antwortet zunächst negativ. Er sagt: „Ich bin nicht der Christus.“ Damit hat er zwar gesagt, wer er nicht ist, aber nicht, wer er ist. Die Fragenden lassen nicht locker. Sie begreifen, dass er ihnen keine klare Antwort gegeben hat, und fragen weiter: „Wer bist du dann?“
Darauf antwortet Johannes mit einer sehr interessanten Antwort. Er sagt: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste.“ Dabei sagt Johannes genau das, was Gottes Wort über ihn gesagt hat. Er versteht: Identität ist das, was Gott über mich sagt.
In diesem Sinn ist Johannes für mich ein Vorbild. Ich möchte meine Identität nicht an dem festmachen, was Menschen über mich sagen, sondern an dem, was Gott in seinem Wort über mich sagt.
Jetzt ist die Berufung von Johannes hier ja sehr speziell. Die Stimme eines Rufenden sollte Jesaja 40 sein, habe ich das richtig im Kopf? Das kann sein, ich weiß es im Moment nicht genau. Es ist auf jeden Fall eine Verheißung auf den Vorläufer von Jesus, auf den Vorläufer des Messias, der er war. Er war ja schon im Mutterleib auserwählt, zusammen mit seinem Vater Zacharias, dem der Engel erschienen ist und alles.
Das finde ich schon eine sehr beeindruckende Identität.
Wie wird es für mich praktisch, wenn ich nicht wie Johannes der Täufer in meinem Leben bin? Indem ich einfach schaue: Was sagt das Wort Gottes über mich? Nicht, was ich fühle oder denke, sondern was das Wort Gottes über mich aussagt.
Gott sagt zum Beispiel, ich bin mit ihm versöhnt. Er sagt, ich bin sein geliebtes Kind und mit Christus gekreuzigt. An einer anderen Stelle heißt es, ich bin Miterbe des Herrn Jesus. Er ist meine Gerechtigkeit, meine Heiligung und meine Erlösung. Das sind nur einige Dinge, von denen die Bibel spricht.
Die Bibel sichert mir auch zu, dass, wenn ich an Gottes Seite bin, mich niemand anklagen kann. Außerdem darf ich mich darüber freuen, dass Gott mir den Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit geschenkt hat. Ich weiß auch, dass Jesus selbst in mir ein gutes Werk begonnen hat und es auch vollenden wird.
Das heißt, eigentlich mache ich gerade lauter Schriftzitate, ohne sie direkt zu nennen. Aber es sind alles Zitate aus der Bibel, die ich mir unter dem Aspekt Identität bewusst machen darf. Weitere Zitate sagen, dass die Bibel über mich aussagt, ich sei in eine ganz tiefe Gemeinschaft mit Jesus hineingerufen.
So wie die Reben am Weinstock Frucht bringen, kann auch ich Frucht bringen, wenn ich an Jesus bleibe. Gott hat mich zum Beispiel auch berufen, Gutes zu tun, selbst den Ungerechten, und andere zu segnen, die mir nicht wohlgesonnen sind. Das ist eine große Herausforderung, aber ich weiß: Das ist meine Identität, und Gott will das in meinem Leben wirken. Dabei lässt er mich nicht alleine.
Die Bibel sagt auch, dass ich geschaffen bin, um Gott zu ehren, sein Tempel zu sein, Gottes Mitarbeiter und sein Eigentum. Ich finde es faszinierend, was die Bibel über mich sagt.
Zum ersten Mal bin ich darauf gestoßen, als ich ein Buch von Neil Anderson las. Er hat verschiedene Bibelstellen zusammengestellt. Wenn ich das richtig gespeichert habe, ist Neil Anderson seelsorgerlich einzuordnen. Sein Buch "Befreit" (englisch: "Victory Over the Darkness") ist schon Jahre alt, aber was ich vor allem daraus mitgenommen habe, sind diese Listen.
Es gibt dort vier Bereiche: Christus hat mich angenommen, er gibt mir Sicherheit, er hat mich berufen und er gibt mir Bedeutung. Sicher gibt es noch viel mehr.
Sind die Bereiche so grafisch getrennt? Annahme, Berufung – was war das dritte und vierte? Ja, das sind Überschriften auf der anderen Seite: Er hat mich berufen, er gibt mir Bedeutung, er gibt mir Sicherheit zum Beispiel. Also ordne ich diese Bibelstelle ein bisschen und sage, was sie über meine Identität aussagt und wie sie mir auch im Alltag weiterhilft.
Wenn das im Alltag weiterhilft: Identität ist ja ein großes Thema. Wenn ich daran denke, früher hat man zum Beispiel gesagt, wenn jemand nicht wusste, wer er ist und was er machen soll, dann wusste er nicht, was oben und unten ist oder auch nicht, ob er Männlein oder Weiblein ist. Heutzutage würde jeder sagen: Ja, natürlich weiß er das nicht, das muss er ja erst mal bestimmen, weil man das gar nicht mehr versteht.
Die Jüngeren verstehen das nicht mehr. Das war damals ein klarer Ausdruck. Vor ein paar Jahren war es noch jedem klar: Es gibt Mann und Frau. Heute ist diese ganze Identität nicht nur in diesem Bereich eigentlich am Auflösen oder? Viele fragen sich: Wer bin ich eigentlich? Und wissen das gar nicht mehr so genau.
Ich denke, das Buch ist bestimmt dreißig Jahre alt oder noch älter, oder? Ja, bestimmt. Er hat es damals schon gemerkt, weil er in dem Bereich tätig war. Die merken das ein bisschen früher als Leute, die nur am Rande damit beschäftigt sind, und hat diese Entwicklung, die jetzt voll durchgebrochen ist, damals schon entdeckt. Richtig.
Ich habe oft das Gefühl, dass die Leute wirklich nicht mehr wissen, wo sie stehen, wer sie sind und was das alles soll. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass Gott mehr oder weniger aus dem Leben abgemeldet ist. Für mich war es klar: Egal, wie du es früher genannt hast, es gibt Dinge, die sind einfach von Gott so gesetzt. Das ist eine gewisse Berufung.
Was Gott mich berufen hat – oder Bestimmung, noch besser: Wozu Gott mich bestimmt hat – wird heute zu einer Entscheidungsfrage gemacht. Man sagt, das muss ich selber entscheiden. Dabei gibt es viele Dinge, die ich gar nicht selbst entscheiden kann. Zum Beispiel, wo ich geboren bin, wie groß ich bin. In einem kleinen Bereich kann man das noch verändern.
Genau, du kaufst dir hohe Schuhe. Ja, oder du kannst Knochen brechen in jungem Alter oder bestimmte Medikamente nehmen. Aber die Dinge sind alle schon mal gesetzt. Mein Temperament ist auch so eine Grundsache, die eigentlich festgelegt ist.
Heute ist das praktisch eine Sache der Entscheidung, dass man in allem sagt: Nein, ich definiere mich jetzt neu. Das ist natürlich enorm schwierig, denn wie willst du das nur machen? Du musst dich ja praktisch selbst designen. Und vor allem lehnst du die Bestimmung ab, die Gott dir im Grunde genommen gibt.
Um vielleicht auch noch mal auf die Identität als Christ zurückzukommen: Wenn ich meine Identität entdecke, dann entdecke ich meine Bestimmung. Und das ist positiv. Es ist keine Frage der Entscheidung oder meiner Anstrengung, sondern etwas, das Gott mir geschenkt hat.
So begreife ich: Hey, er hat mir das gegeben. Ich setze das ganz praktisch in meinem Leben um. Wenn ich weiß, was die Bibel über mich sagt, dann kann ich diesen Tatsachen, die ich aus der Bibel sehe, die Lügen entgegenhalten, die mir mein Gefühl weismachen möchte.
Vielleicht denke ich zum Beispiel: Ich bin Gottes Stiefkind, in meinem Leben läuft alles schief. Aber wenn ich weiß, ich bin Gottes geliebtes Kind, dann kann ich eine schwere Situation auch viel besser annehmen. Ich weiß, das Schwere in meinem Leben hat nichts damit zu tun, ob Gott mich liebt oder nicht.
Gott hat mich lieb, auch wenn ich das manchmal nicht zuordnen kann. Warum treffen mich diese Dinge? Aber meine Identität ist klar. Oder wenn ich Jesus ähnlicher werden möchte, dann begreife ich: Das läuft nicht über meine Anstrengung.
Gottes Prinzip ist, dass ich, wie ich vorhin gesagt habe, die Rebe am Weinstock bin. Das Einzige, was ich tun muss, ist, am Weinstock zu bleiben.
Um sich das immer wieder vor Augen zu führen, haben wir als Gemeinde eine Karte gestaltet, die man auch bekommen kann. Die Zukunft, oder? Ich habe sie noch nicht gesehen, oder? Nein, die hast du noch nicht gesehen, aber sie kommt. Wahrscheinlich wird sie da sein, wenn dieser Podcast draußen ist. Das ist jetzt eine Bemerkung, ich habe nicht an den Sendetermin gedacht.
Diese Karte soll mir meine Identität in Christus bewusst machen, damit ich eine klare Antwort auf die Frage geben kann: Wer bin ich? Dann kann ich vielleicht so wie Johannes sagen, nach dem Motto: Ich bin eine Rebe am Weinstock, der Jesus ist. Oder: Ich bin ein von Gott Berufener, ich bin Gottes Tempel, Gott wohnt in mir. Und das sage ich nicht selbst über mich, sondern Gottes Wort sagt das über mich. Ich spreche nur nach, was Gott sagt, und nehme es so in Anspruch.
Das Inanspruchnehmen fand ich interessant. Ich erinnere mich an eine Schwester, das ist schon lange her. Wahrscheinlich hat sie auch dieses Buch gelesen, vermute ich jetzt mal. Sie hatte es im Leben nicht einfach, wirklich schwierig in verschiedenen Bereichen, und wurde zudem von Schicksalsschlägen getroffen. Auf ihrem Klo hatte sie eine DIN-A4-Liste, ich denke, es war DIN A4, mit all den Aussagen, zum Beispiel: Ich bin die Rebe am Weinstock, ich bin ein geliebtes Kind Gottes und so weiter.
Sie hat sich das immer wieder vor Augen gemalt. Auf dem Klo hat man ja Zeit, da liest man mal einen Vers und denkt nach – was sollte man sonst machen? Das hat sie im Laufe der Jahre wirklich verändert. Am Anfang, als ich jünger war, dachte ich: Na ja, vielleicht ist das ein bisschen spinnert, immer so darauf zu schauen. Das würde ich heute überhaupt nicht mehr so sagen. Das war richtig, das hat etwas bewirkt – dieses immer wieder Nachdenken über die Frage: Wer bin ich eigentlich?
Sie hat in ihrem Leben natürlich etwas ganz anderes erfahren, aber sie hat immer wieder das entgegengesetzt, was Gott über sie gesagt hat. Richtig. Und das hat sich im Lauf der Jahre ausgezahlt. Ich hatte noch eine Vergleichsperson, die ähnlich wie sie gestartet ist, und ich konnte die Entwicklung von beiden sehen. Bei ihr war das wirklich ein extrem positiver Einfluss.
Ihr ging es im Leben dadurch nicht besser, im Gegenteil, es wurde eigentlich nur noch schlimmer. Aber sie war über die Jahre wirklich gefestigt, und ich glaube, das war ein wesentlicher Bestandteil. Sie konnte damit besser umgehen, weil sie ihre wahre Identität kannte, die Gott ihr geschenkt hat – obwohl sich die Situation dadurch nicht geändert hat.
Jetzt habt ihr die Karte mit einem bestimmten Ziel gemacht. Wie ist das gedacht? Die Karte ist ja nicht dafür gemacht, wahrscheinlich nur neben zehn weiteren christlichen Postkarten zu liegen, sondern sie soll benutzt werden. Wie habt ihr euch das vorgestellt?
Ja, also auch die Person, die sie designt hat, vor allem. Mir war es wichtig, die Karte wertig zu gestalten, sodass ich sie einfach auch in die Bibel legen kann und mir den Inhalt immer wieder vor Augen führe. Ich war für den Inhalt zuständig, jemand anders für das Design, und ich glaube, das kommt sehr, sehr gut rüber. Umgekehrt wäre es nicht so gut gewesen.
Ja, ich weiß nicht. Jedenfalls, wenn ich das Design gemacht hätte, wäre es nicht so gut gewesen. Mir ist das Thema auch wichtig: Identität. Ich habe da ein Beispiel im Kopf, das mir wirklich weitergeholfen hat.
Es fiel mir mal ein: Wenn ich in einem Konzentrationslager gewesen wäre und befreit worden wäre, dann war es ja so, dass von einem Tag auf den anderen die Gefangenen zu freien Leuten wurden und die Bewacher zu Gefangenen, logisch. Wenn dann am nächsten Tag ein ehemaliger Bewacher zu mir gesagt hätte: „Jetzt gehst du einfach arbeiten, nimm die Schaufel und geh arbeiten“, dann wäre die Chance vielleicht groß gewesen, dass ich es gemacht hätte. Denn ich habe das ja monatelang, jahrelang gehört.
Dann muss ich mir meiner neuen Identität bewusst werden: Nein, ich bin freigemacht, und er hat eine andere Identität. Dann kann ich sagen: „Also, wenn es dir wichtig ist, dann nimm gerne die Schaufel und geh in den Steinbruch, aber ich werde es nicht mehr tun.“
Ich glaube, das kann man gut auf mein Leben übertragen. Wenn ich vor Herausforderungen stehe und denke: „Hey, ich schaffe das nicht“, dann weiß ich: „Ja, ich habe aber eine Identität in Christus und darf diese in Anspruch nehmen. Ich kann sagen: Herr, du hast mir zum Beispiel den Geist der Kraft gegeben.“ Und auch in aller Schwachheit bleibt es eine Herausforderung für mich, aber ich weiß, ich darf das anpacken.
Ich muss nicht in meiner eigenen Identität zu Hause sein, sondern in der Identität, die der Herr Jesus mir gibt.
Oder das Beispiel von der Uniform fand ich auch gut: Wenn ich jetzt irgendwo stehe und versuche, Autos anzuhalten, dann wird keiner anhalten. Die Leute würden sagen: „Gehen Sie von der Straße, was soll das?“ Je nachdem, wie autoritativ du vor das Auto sprichst. Ja, das kann gefährlich werden.
Aber wenn ich eine Polizeiuniform anhabe, dann würden die Leute anhalten. Ich als Person habe mich ja nicht verändert, aber jemand von außen gibt mir eine andere Identität. Ich bin Polizist – oder man könnte auch sagen, ich habe eine Rolle oder so etwas in der Richtung. Damit habe ich auch eine gewisse Autorität.
So kann ich auch Versuchungen in meinem Leben mit einer anderen Autorität entgegentreten, wenn ich begreife, welche Identität Jesus mir geschenkt hat.
Auf jeden Fall.
Man ist so lange in diesem alten Denken und Leben drin gewesen, dass sich das natürlich nicht so schnell ändert.
Oder wie du es letztendlich aus deiner Jugend mit den Hühnern berichtet hast: Ihr hattet freilaufende Hühner, und dann habt ihr Käfighühner dazu gekauft. Diese standen erst einmal nur am Platz – es war nichts.
Ich fühle mich auch manchmal wie so ein Käfighuhn. Ich stehe nur herum und habe die ganzen Freiheiten, die Christus mir eigentlich gegeben hat, nicht, weil ich in meinem menschlichen Denken gefangen bin.
Das braucht natürlich Zeit. Da kann so eine Karte vielleicht wirklich helfen, wenn man immer wieder darüber nachdenkt.
Das Spannende finde ich: Du hast die Karte nach zwei, drei oder sechs Monaten zur Hand genommen, die Bibel aufgeschlagen und plötzlich einen Punkt gelesen, der vorher völlig unwichtig war. Auf einmal trifft es dich und du merkst: Das betrifft mich ja in dieser Woche. Das finde ich eine gute Frage.
Genau, das ist also das Ziel der Karte: dass wir uns dieser Identität immer wieder bewusst werden. Dass wir das auch zum Teil unseres Gebets machen, also auch als Dankgebet sagen: Herr Jesus, danke, dass du mir das und das geschenkt hast, dass ich das weiß. Ich brauche gar nicht mehr darum bitten, ich kann nur noch danken. Und es dann in meinem Alltag anwenden.
Jetzt ist das natürlich ein Prozess. Wenn zum Beispiel etwas über Liebe darin steht – den Geist der Liebe, den Gott in uns ausgegossen hat nach Römer 5 – und ich am Tag sehr lieblos war, was mache ich dann? Ich werde natürlich nicht sagen, ich habe diesen Geist nicht bekommen, oder?
Welche Konflikte treten auf, wenn man damit arbeitet und immer mehr hineinkommen will?
Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Dann darf ich sagen, Herr Jesus, du hast mir den Geist der Liebe gegeben. Ob ich es fühle oder nicht, es ist Fakt. Die Frage ist, ob ich das dann in meinem Leben anwende.
Ich wende es an, indem ich sage: Jesus, danke, du hast es mir gegeben. Liebe ist ja auch Tat. Also gehe ich auf eine Person zu, tue etwas ganz Bestimmtes, wozu mein Gefühl mich vielleicht gar nicht animiert, aber mein Wissen sagt: Ich habe hier eine neue Identität. Und diese neue Identität setze ich um.
Vielleicht ist es so ähnlich wie Paulus es in 2. Korinther 5 sagt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.
Man könnte auch sagen: In Christus hat Gott mir eine neue Identität gegeben. Aber ich muss dieses Neue, das geworden ist, dann auch in meinem Alltag immer wieder anwenden.
Ich finde, da ist ein schmaler Grat zwischen verkrampften Versuchen, etwas zu machen, und dem bewussten Werden, wer ich bin, dafür zu danken und in dem auch zu leben.
Je nachdem, wie man auf dem Weg unterwegs ist, kann man zur einen oder anderen Seite in den Abgrund stürzen. Aber es nicht zu machen, ist natürlich auch ein Fehler.
Genau, und die Gefahr spricht ja nicht dagegen. Vor allem sollte man nachdenken: Wer bin ich? Und aus dem heraus handeln – nicht im Krampf, nicht auf mich schauen, sondern darauf, was Gott eigentlich vorgesehen hat. Auf ihn schauen und dadurch handeln.
Und es eben auch wissen: Ich bilde mir hier nichts ein, sondern nehme das für bare Münze, was Gott mir gesagt hat.
Vielleicht zum Schluss noch ein Beispiel, das mir hilft. Ich weiß nicht, ob es wirklich so passiert ist, aber man sagt, dass Napoleon, als er bei seinen Soldaten war, dass sein Pferd gescheut hat. Das ist immer ein bisschen unpraktisch.
Man kann als kleiner Kaiser vom Pferd fallen, und das ist dann sehr peinlich. Ein Soldat sprang aus der Formation heraus, packte das Pferd am Zaumzeug, riss es herunter und hielt es fest. Dadurch wurde diese Peinlichkeit vermieden. Napoleon schaute diesen Soldaten an und sagte: „Danke, Herr Hauptmann.“ Er beförderte ihn also in diesem Moment.
Der Soldat ging nicht zurück zu seinem ursprünglichen Platz, sondern stellte sich zu den Hauptleuten. Das war ein kluger Schachzug. Ich hätte mich nicht getraut, nach vorne zu gehen, weil was wäre, wenn Napoleon ärgerlich geworden wäre? Schließlich zeigte das, dass er Schwäche hatte, wenn ein Soldat so eingreifen musste. Napoleon schaltete wohl ziemlich schnell, wenn die Geschichte stimmt – und wahrscheinlich stimmt sie.
Der Soldat wusste, dass er jetzt Hauptmann war. Aber vieles, was Hauptleute wissen müssen, hatte er noch nicht gelernt. Das führt zum Thema Heiligung: Man wächst noch hinein in das, was man ist. Er war sich aber bewusst, was er war.
Das finde ich spannend: Er war Hauptmann, aber um alles zu lernen – Taktik, Strategie, Menschenführung – braucht man eine längere Ausbildung. Ein Hauptmann macht das ein paar Jahre lang. Die Grundausbildung hatte er bereits durchlaufen, er war ja früher ein normaler Rekrut. Aber die Aufgaben sind ganz andere. Trotzdem war er schon Hauptmann, auch wenn er die „Schuhe“, die er bekommen hatte, noch nicht aushöhlen konnte. Er musste also noch hineinwachsen.
Ich finde das ein tolles Bild. Und jemand anders hatte ihm diese Identität von oben gegeben. Er hatte sie sich nicht selbst erarbeitet. Deshalb finde ich das Bild super: Man kann sich daran erinnern, auch wenn man die Karte sieht, dass man weiß: Das ist vielleicht noch nicht so in meinem Leben, aber es ist auf jeden Fall etwas, das Gott mir zusichert. Das ist seine Sicherheit oder seine Gerechtigkeit, und das nehme ich jetzt für mich in Anspruch.
Wir müssen unsere Identität kennen – oder besser: Wir dürfen unsere Identität kennen – und dann auch darin leben. Dabei wachsen wir immer mehr hinein in das, was Gott für uns vorgesehen hat.
Das haben wir heute im Podcast diskutiert. An dieser Stelle ist der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart auch schon wieder zu Ende. Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gern unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und eine Identität, die immer mehr in eurem Leben Gestalt gewinnt.