Einführung in eine spannende biblische Geschichte
Einen Abschnitt haben wir ausgewählt, in dem es spannend zugeht, so könnte man sagen. Ich habe mir gedacht, nachdem ihr jetzt erschöpft hier zurückgekommen seid, ist es ganz gut, eine spannende Geschichte als Ausgangspunkt zu nehmen.
Der Abend wird sich, und da reitet sich das durchaus ein, um eine biblische Person drehen. Diese Person ist euch sehr wahrscheinlich von Kindheit an bekannt, ganz gleich, ob eure Eltern gläubig oder nichtgläubig waren. Es handelt sich um eine der bekanntesten Figuren des Alten Testaments.
Ich möchte diese Person heute unter einem besonderen Aspekt beleuchten, der uns zeigen soll, was wir von ihr als Vorbild lernen können. Es handelt sich um David. Ich werde einen Abschnitt, eine Episode aus seinem Leben vorlesen, die wir im ersten Buch Samuel finden.
Die Freundschaft zwischen David und Jonathan im ersten Samuelbuch
Im ersten Samuelbuch, Kapitel 20, lese ich ab Vers 1 ein längeres Stück.
David aber floh von Najot in Rama und kam zu Jonathan. Er sprach zu ihm: „Was habe ich getan? Was habe ich misshandelt? Was habe ich vor deinem Vater gesündigt, dass er nach meinem Leben trachtet?“
Jonathan antwortete ihm: „Das sei ferne! Du sollst nicht sterben. Siehe, mein Vater tut nichts, weder Großes noch Kleines, ohne es mir zu offenbaren. Warum sollte er das vor mir verbergen? Es wird nicht so sein.“
David schwor weiter und sagte: „Dein Vater weiß wohl, dass ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe. Darum wird er denken: ‚Jonathan weiß nichts davon‘. Das könnte ihn bekümmern. Wahrlich, so wahr der Herr lebt und so wahr deine Seele lebt, es ist nur ein Schritt zwischen mir und dem Tod.“
Jonathan sprach zu David: „Ich will an dir tun, was dein Herz begehrt.“
David erwiderte: „Siehe, morgen ist Neumond, und ich soll mit dem König zu Tisch sitzen. Lass mich mich auf dem Feld verbergen bis zum Abend des dritten Tages. Wenn dein Vater nach mir fragt, so sprich: ‚David bat mich, dass er gern nach Bethlehem zu seiner Familie laufen möchte, denn dort ist ein jährliches Opfer für das ganze Geschlecht.‘ Wenn er sagt: ‚Es ist gut‘, dann steht es wohl um deinen Knecht. Wird er aber zornig, so wirst du merken, dass Böses bei ihm beschlossen ist.
So tue nun Herzlichkeit an deinem Knecht, denn du hast mit mir, deinem Knecht, einen Bund im Herrn geschlossen. Sollte aber eine böse Tat an mir sein, so töte mich – warum solltest du mich deinem Vater ausliefern?“
Jonathan antwortete: „Das sei ferne von dir! Wenn ich merke, dass Böses bei meinem Vater gegen dich beschlossen ist, werde ich es dir nicht verschweigen.“
David sagte: „Willst du es mir ansagen, wenn dein Vater dir etwas Hartes antwortet?“
Jonathan erwiderte: „Komm, lass uns aufs Feld hinausgehen.“ Sie gingen hinaus aufs Feld, und Jonathan sprach zu David: „Der Gott Israels ist Zeuge, wenn ich morgen und am dritten Tag bei meinem Vater erforsche, dass es dir wohl ergeht, und ich dich nicht zu dir hinsende und es dir nicht offenbare, so tue der Herr mir dies und das!
Wenn aber das Böse meinem Vater gefällt, um dich zu vernichten, so will ich es dir vor deinen Ohren offenbaren und dich ziehen lassen, damit du in Frieden gehst. Der Herr sei mit dir, wie er mit meinem Vater gewesen ist! Tue ich es nicht, so soll keine Barmherzigkeit des Herrn an mir sein, solange ich lebe – auch nicht, wenn ich sterbe!
Und wenn der Herr die Feinde Davids ausrotten wird und ein Erträgliches vom Land übrigbleibt, so sollst du meine Barmherzigkeit nicht von meinem Haus ewiglich entbehren.“
So schloss Jonathan einen Bund mit dem Haus Davids und sprach: „Der Herr fordere es von der Hand der Feinde Davids!“
Jonathan schwor David und zeigte ihm große Liebe, denn er liebte ihn wie seine eigene Seele.
Jonathan sprach zu ihm: „Morgen ist Neumond, da wird man nach dir fragen, denn man wird dich vermissen, wo du sonst zu sitzen pflegst.“
Die Bedeutung der Freundschaft zwischen David und Jonathan
Und dann geht das Ganze noch weiter. Es kommt schließlich zur Ausführung, und Jonathan beschreibt David auch, was er tun will, um ihm sozusagen durch ein Zeichen mitzuteilen, wie sein Vater über ihn denkt. Ihr erinnert euch daran: Er kommt mit Pfeil und Bogen, will dort schießen und dann eben zu seinem Knecht etwas sagen. Wenn er ihm dann sagt, er solle schnell weglaufen, ist das eigentlich für David bestimmt. Er soll eben auch schnell weglaufen, weil der König ihn verfolgt.
Nun, heute Abend soll es nicht darum gehen, wie wir möglicherweise Menschen verfolgen oder wie wir uns unter Lebensgefahr in Sicherheit bringen. Wir wollen unser Augenmerk auf einen anderen Aspekt im Leben Davids richten. Dieser Aspekt heißt Freundschaft.
Die engste Beziehung, die uns in der Bibel von David beschrieben wird, ist nicht einmal die zwischen David und irgendeiner seiner Frauen. Er heiratete ja mehrere Frauen, das kennen wir aus der Geschichte im Alten Testament. Sondern es ist die innige Beziehung, die David zu Jonathan hat. An mehreren Stellen im ersten Samuelbuch wird uns das beschrieben.
Wir finden das beispielsweise im 18. Kapitel, im 3. Vers. Dort lesen wir: 1. Samuel 18,3: „Und Jonathan und David machten einen Bund miteinander, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz.“ Hier wird ganz extrem ausgedrückt, dass er ihn so lieb hatte wie sich selbst. Und hier ist mehr gemeint als die geforderte Nächstenliebe im Neuen und Alten Testament. Es geht um diese innige Verbindung: Was dir gut ist, ist für mich gut; was für mich gut ist, ist für dich auch gut.
Dann lesen wir in 1. Samuel 19,1: „Saul aber redete mit seinem Sohn Jonathan und mit allen seinen Knechten, dass sie David sollten töten. Aber Jonathan, Sauls Sohn, hatte David sehr lieb.“ Hier wird das von der Seite Jonathans beschrieben. Zuerst wurde gesagt, dass David ihn so lieb hatte wie sich selbst, und hier lesen wir von Jonathan, dass er David sehr lieb hatte.
Wir lesen das noch etwas weiter in Kapitel 20, Vers 17: „Und Jonathan fuhr fort und schwur David, so lieb hatte er ihn, denn er hatte ihn so lieb wie seine Seele.“ Hier wiederum beschreibt Jonathan, wie sehr er David liebte.
Dann lesen wir in 2. Samuel 1,17 und folgende eine weitere Bestätigung. Dort heißt es: „Und David klagte diese Klage über Saul und Jonathan, seinen Sohn, und befahl, man solle die Kinder Judas das Bogenlied lehren.“ Weiter unten lesen wir: „Wo ist der Bogen? Saul, die Töchter Israels weinen über Saul, der euch kleidete mit Scharlach säuberlich und schmückte euch mit goldenen Kleinodien an euren Kleidern.“ In Vers 24 heißt es: „Wie sind die Helden so gefallen im Streit? Jonathan ist auf deinen Höhen erschlagen. Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan. Ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt. Deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, denn Frauenliebe ist.“ Dann folgt: „Wie sind die Helden gefallen, die Streitbaren umgekommen!“
Hier drückt David von seiner Seite noch einmal eine ganz besondere Beziehung aus. Moderne Theologen, die hier nun alles kritisch interpretieren wollen und gleich etwas vermuten, sagen, das sei ein typisches Zeichen dafür, dass David homosexuell gewesen sei. Denn es wird ja gesagt: „Deine Liebe ist mir mehr als Frauenliebe.“ Aber das hat damit gar nichts zu tun.
Dort, wo im Alten Testament Homosexualität erwähnt wird, versteckt die Bibel das nicht, sie verschleiert es nicht. Sie nennt es deutlich und verurteilt es auch. Hier handelt es sich um etwas ganz anderes, nämlich um eine tiefe, innige Beziehung zwischen zwei Menschen, die auch ohne Sexualität bestehen kann.
Darum soll es heute Abend gehen: um Freundschaft.
Freundschaft als Vorbild und praktische Aspekte
Wir können uns die Frage stellen: Wie können wir Freundschaft mit einem anderen Menschen eingehen? Dabei ist hier nicht in erster Linie eine eheliche Freundschaft gemeint oder eine Freundschaft, die zur Ehe führt. Vielmehr geht es um eine Freundschaft, die auch zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau bestehen kann – so wie die Freundschaft zwischen David und Jonathan.
Meine Frau nennt das immer so. Ich war damals ganz überrascht, als wir darüber gesprochen haben, nachdem wir uns kennengelernt hatten. Sie sagte mir: „Ich habe eine beste Freundin, meine beste Freundin wohnt in Frankreich.“ Dann erzählte sie mir von ihr. Später habe ich diese beste Freundin auch kennengelernt. Für mich war das zu diesem Zeitpunkt neu, denn ich hatte keinen besten Freund im engeren Sinne.
Ich weiß nicht, wie es euch damit geht und ob das für den einen oder anderen typisch ist. Ich hatte einfach viele Leute, mit denen ich befreundet war, aber nicht in der Weise, einen besten Freund oder eine beste Freundin zu haben. Das wurde dann ja meine Frau.
Freundschaft kann schön sein und Freundschaft soll auch schön sein. Doch Freundschaft fällt normalerweise nicht einfach vom Himmel. Echte, tiefe Freundschaft, bei der wir uns einer anderen Person vollkommen öffnen und uns mitteilen können, ist ein Geschenk Gottes. Sie steht sicherlich auch unter dem Schutz der Ordnung Gottes.
Es gibt aber auch bestimmte Bedingungen und Hilfen, die wir aus der Bibel herausziehen können. Dabei können wir sagen: Die Beziehung zwischen David und Jonathan ist uns ein Vorbild. Ich habe sieben Punkte herausgesucht. Ich könnte auch sagen „sieben Punkte plus einen“, aber „sieben Punkte“ klingt besser, deshalb bleibe ich dabei. Sicherlich ließen sich noch mehr Punkte finden.
Doch das ist nicht der einzige Grund. Den einen Punkt habe ich besonders behandelt, gerade weil er etwas beschreibt, das eigentlich nicht da sein sollte. Und gerade das ist wichtig für eine Freundschaft. Also gibt es sieben positive Punkte und einen Punkt, der uns beschreibt, was nicht da sein sollte, damit sich Freundschaft gut entwickeln kann.
1. Gegenseitigkeit als Grundlage der Freundschaft
Nun, zunächst habe ich hier den Punkt Gegenseitigkeit notiert. Eine Freundschaft, so wie die zwischen David und Jonathan, beruht auf Gegenseitigkeit. Vielleicht denkt ihr, das sei selbstverständlich, natürlich – wie sollte es denn anders sein?
Doch ich weiß nicht, ob ihr das schon einmal erlebt habt oder ob ihr vielleicht gerade in so einer Situation steckt. Da ist vielleicht jemand, der unbedingt Freundschaft zu euch haben will, während ihr gar nicht sonderlich daran interessiert seid. Diese Person hängt sich an eure Fersen, will immer mit euch zusammen sein, und euch fällt das vielleicht sogar auf die Nerven.
Es muss nicht immer so sein, dass Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruht.
Eine Freundschaft bedeutet natürlich, dass diese Gegenseitigkeit bei mir vorhanden ist und auch beim anderen. Bin ich immer nur derjenige, der gibt, dann ist es meistens eine Freundschaft, die nur von mir ausgeht, ohne dass etwas zurückkommt. Wenn ich ständig nur darauf aus bin, etwas zu bekommen oder zu nehmen, dann ist es eine Freundschaft, die den anderen nicht ernst nimmt – nicht das, was er braucht oder was ihm oder ihr zuteilwerden kann, wo sie Hilfe, Verständnis oder Freundschaft benötigen.
Sonst ist es möglicherweise nur eine verkappte Form von Mitleid, Fürsorge oder auch von Aufdringlichkeit. Das gibt es hier und dort. Manche haben Mitleid mit einem anderen. Das gibt es auch so zwischen Mann und Frau. Manche heiraten sogar ihren Mann nur deshalb, weil sie denken: „Der arme Kerl, dem muss ich ja ein bisschen weiterhelfen. Ich nehme da schon die Zügel in die Hand, so eine starke Frau.“ Dann sieht er endlich ordentlich aus, sonst sieht er immer schlampig aus. Oder: „Der kommt ja in seinem Leben nicht zurecht, jetzt muss ich da mal zugreifen.“ Manchmal klappt das ja auch, aber das ist keine Freundschaft, wie sie uns hier beschrieben wird.
Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Beide bekommen und beide nehmen in dieser Beziehung.
Eine Sache haben wir hier in dem Abschnitt gelesen, den wir uns angeschaut haben: David bekommt Schutz und Sicherheit von Jonathan. Jonathan selbst nimmt Gefahren in Kauf, um seinen Freund David zu beschützen. Freundschaft ist also etwas, das auf Gegenseitigkeit beruht.
Wir haben das hier auch gelesen. Deshalb habe ich diese Stellen vorgelesen, in denen David sagt: „Ich habe dich so lieb wie mich selbst, wie meine eigene Seele.“ Und dann hören wir genau dasselbe, was Jonathan auch sagt – Gegenseitigkeit, ausgedrückt in der Freundschaft zwischen ihnen: „Ich zu dir und du zu mir als Freunde untereinander.“
2. Einen Bund schließen als Ausdruck von Verpflichtung
David kann uns auch ein Vorbild sein, wenn es um Freundschaft geht, besonders in dem, dass er einen Bund mit seinem Freund Jonathan schließt.
Häufig sind wir in einer Beziehung, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein, dass eine Freundschaft besteht. Manchmal setzen wir sie stillschweigend voraus, ohne sie dem anderen auszudrücken. Ein solcher Bund kann durchaus hilfreich sein – nicht aus Sentimentalität, wie man sie vielleicht aus der Jugend kennt, wenn man Indianerbücher von Karl May gelesen hat und eine Blutsbrüderschaft schließt, indem man sich in den Arm schneidet und das Blut aufeinander drückt. Das kann sehr theatralisch und sentimental wirken, doch darauf soll es gar nicht so sehr ankommen.
Vielmehr geht es um einen Bund, ähnlich dem Ehebund, der eine enge Freundschaft zwischen Mann und Frau ausdrückt. Auch ein Freundschaftsbund zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau kann sich durch einen solchen Bund ausdrücken. Natürlich werden wir beim Standesamt schief angeschaut, wenn wir dort einen Freundschaftsbund schließen wollen. Man könnte uns missverstehen und denken, wir wollten Polygamie betreiben oder seien homosexuell.
Ein solcher Bund kann einfach mündlich gegeneinander ausgesprochen werden. Er drückt aus, wie sehr ich den anderen schätze, und gibt zugleich eine gewisse Verpflichtung. Ich will bei dir stehen und mit dir gehen. Denken wir zum Beispiel an Ruth, die so zu ihrer Schwiegermutter spricht. Auch hier sehen wir einen Ausdruck enger Freundschaft. Ruth sagt: „Ich will dahin gehen, wo du hingehst, ich will das tun, was du tust, deine Götter seien meine Götter“ usw. Häufig wird das als Beispiel für die Beziehung zwischen Mann und Frau genommen. Doch wenn wir genauer lesen, handelt es sich um eine Frau, die das zu einer anderen Frau sagt. Diese tiefe Freundschaft zwischen den beiden wird durch einen Bund zum Ausdruck gebracht, der auch Verpflichtungen mit sich bringt.
Eine oberflächliche Freundschaft, die nie Tiefe erreicht und in der ich mich nicht ganz mitteilen kann, braucht einen solchen Bund nicht. Doch wenn ich eine intensive Beziehung zu einer anderen Person aufbauen will, ist es hilfreich, dem anderen das auszudrücken. So hört er von mir, dass er sich auf mich verlassen kann und ich mich auf ihn.
Das finden wir an mehreren Stellen in der Bibel. Zum Beispiel in 1. Samuel 18, ab Vers 1: „Und da hatte er ausgeredet, verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids. Das Herz Davids verband sich mit dem Herzen Jonathans, und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigenes Herz. Saul nahm ihn des Tages und ließ ihn nicht wieder zu seines Vaters Haus kommen. Jonathan und David machten einen Bund miteinander, denn er hatte ihn lieb wie sein eigenes Herz.“
In Kapitel 20, Vers 17, wird das noch einmal wiederholt: „Und Jonathan fuhr fort und schwur David, so lieb hatte er ihn.“ Dieses Schwören bedeutet hier so viel wie einen Bund schließen, nur als Verb ausgedrückt.
Im selben Kapitel, Vers 42, heißt es: „Und Jonathan sprach zu David: Gehe hin mit Frieden! Denn was wir beide geschworen haben im Namen des Herrn und gesagt: Der Herr sei zwischen dir und mir, zwischen meinem Samen und deinem Samen, das bleibe ewiglich.“ Hier wird noch einmal eine Bestätigung vor Gott gegeben. Sie wollen zusammenstehen und sich füreinander einsetzen.
Auch in Kapitel 23, Verse 16 und folgende, lesen wir: „Da machte sich Jonathan auf, der Sohn Sauls, und ging hin zu David in die Heide und stärkte seine Hand in Gott. Und er sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, meines Vaters Sohn, meines Vaters Sauls Hand wird dich nicht finden, und du wirst König werden über Israel.“ In Vers 18 heißt es: „Und sie machten beide einen Bund miteinander vor dem Herrn, und David blieb in der Heide, aber Jonathan zog wieder heim.“
Mehrfach wird betont, dass ein Bund geschlossen wird. Das bedeutet nicht, dass wir das unbedingt tun müssen. Doch hier wird es als Zeichen der Stärke dieser Verbindung und als Grundlage der Vertrauensbasis als Beispiel gegeben.
3. Ausnahmepunkt: Keine geschäftlichen Bedingungen in der Freundschaft
Und dann habe ich noch einen weiteren Punkt, den ich hier mit aufgenommen habe. Er gehört eigentlich auch ein Stück weit zu diesem Bund dazu. Es ist mein Ausnahmepunkt, den ich jetzt nicht richtig mitzähle, weil er nur etwas beschreibt, das eigentlich nicht vorhanden ist.
Die Beziehung zwischen David und Jonathan basiert nicht auf einer geschäftlichen Abmachung. Es ist nicht so, dass einer sagt: „Du bekommst von mir dies, und ich bekomme von dir das“, mit festen Erwartungen. Es ist nicht so, dass ich genau abwäge und sage: „Erst wenn mir das und das und das und das bringt, dann schließe ich Freundschaft.“ Denn das würde bedeuten, dass die Freundschaft sich auflöst, sobald diese Bedingungen nicht mehr erfüllt sind.
Eigentlich gehört das schon ein bisschen dazu, wenn ich von Freundschaft auf Gegenseitigkeit spreche: Wenn ich nur erwarte, dass etwas kommt, und wenn das nicht mehr da ist, schreibe ich den anderen ab. Dann ist das keine Grundlage für eine dauerhafte Freundschaft, wie sie uns hier zwischen David und Jonathan beschrieben wird.
Es sind keine speziellen Forderungen an die Freundschaft geknüpft. David sagt nicht: „Aber nur wenn du mir hilfst, König zu werden, dann werde ich dein Freund.“ Oder Jonathan sagt: „Also nur wenn du mir hilfst, diese Schlacht zu bestehen, denn du bist ja so ein starker Krieger, dann wirst du mein Freund.“ So etwas lesen wir hier nirgends.
Später setzen sie sich füreinander ein. Aber das ist eine Auswirkung der Freundschaft, keine Bedingung, auf der die Freundschaft aufgebaut wird.
4. Über den anderen Bescheid wissen und sich öffnen
Und jetzt komme ich zu meinem regulären Punkt drei. Punkt eins war, dass Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruht. Punkt zwei bedeutet, einen Bund zu schließen und damit eine Verpflichtung einzugehen. Punkt drei heißt, über den anderen Bescheid zu wissen.
Das heißt zunächst einmal, ich muss an dem anderen interessiert sein. Wenn ich eine Freundschaft schließen will, nur damit ich mir alles von der Seele reden kann und jemanden habe, der zuhört, dann würde ich sagen: Es geht besser zum Psychologen. Oder man stellt sich ein Tonbandgerät hin – heute geht das sogar noch interaktiver mit einem Bildschirm, zum Beispiel dem Computer. Dann kann man mit ihm reden, er hört zu, zeichnet das vielleicht sogar alles auf und behält es in seinem elektronischen Gedächtnis, was ein Mensch nicht unbedingt tut.
Nein, hier bedeutet es vor allem, dass ich an dem anderen interessiert bin und ihn kennenlernen will. Das heißt auch, einmal nachzufragen, wie es ihm geht, während der Woche anzurufen. Freundschaft, die sich nur darauf beschränkt, sich einmal im Monat zu sehen, einmal im Jahr einen Geburtstagsgruß zu schicken und zu Weihnachten Karten auszutauschen, ist keine Freundschaft, wie sie hier beschrieben wird. Es ist eine Freundschaft, die sich intensiv mit dem anderen auseinandersetzt und über den anderen Bescheid weiß: Geht es ihm gut? Womit beschäftigt er sich? In welchen Fragen hat er gerade zu kämpfen? In welchen Spannungen steht er?
Das heißt natürlich auch umgekehrt: Nicht nur sich für den anderen interessieren, sondern auch ein Stück weit von sich selbst preisgeben. Und das tun die beiden hier. Zum Beispiel David, der sagt: „Ich bin des Todes.“ Da könnte man sagen, dieser kräftige Held, von dem geschrien wird, Saul habe tausend Mann geschlagen, David aber zehntausend. Und hier gesteht er seinem Freund gegenüber, dass er Todesangst hat. Er hat Angst, bald umzukommen.
Das bedeutet also nicht nur, nachzufragen und sich für den anderen zu interessieren, sondern auch offen zu sein und frei zu reden, was uns bewegt. Das ist eine äußerst schwierige Sache. Ich weiß nicht, ob ihr einen Menschen habt, mit dem ihr euch wirklich aussprechen könnt. Und zwar nicht nur so: „Mir geht es gut“ oder intellektuelle Auseinandersetzungen, sondern wirklich darüber, wie ihr euch fühlt. Auch Zweifel auszudrücken, wenn ihr irgendwo im Glauben zweifelt oder mit täglichen Lebensschwierigkeiten zu kämpfen habt.
Häufig ist es gerade dann gut, einen Freund oder eine Freundin zu haben, auch außerhalb der Ehe. Nicht jemanden, der versucht, in die Ehe hineinzuregieren. Also jemanden, der sagt: „Das ist ja wirklich ein Schwein, dein Mann, und du musst jetzt einmal richtig auf die Barrikaden gehen, du musst ihn fertig machen.“ Solch eine Freundin ist meistens keine echte Freundin. Denn eine Freundin der Frau oder ein Freund des Mannes, der die Beziehung und damit den Partner nicht respektiert, meint es letztendlich nicht gut mit dieser Person.
Gott will nicht, dass wir uns gegeneinander aufhetzen, sondern dass wir Verständnis füreinander haben und als Ehepaar zueinander finden. Aber es gibt manche Fragen, die kann man mit dem Ehepartner nicht so gut besprechen wie mit einer wirklich tiefen, engen Freundin oder einem Freund.
Das sind Fragen, bei denen ihr vielleicht schon in der Ehe gemerkt habt, dass die Frau einen manchmal nicht versteht. Oder dass der Mann etwas ganz anders meint, als die Frau es versteht. Frauen denken manchmal anders, Männer auch. Ich habe das schon in unserer Ehe gemerkt und von anderen Ehepaaren gehört, dass es oft Missverständnisse gibt. Ein Mann meint etwas ganz anders, als die Frau es versteht, oder umgekehrt. Das kann Schwierigkeiten bringen.
Dann ist es gut, wenn man mit jemand anderem darüber reden kann, beten kann und neue Kraft für die Beziehung sammeln kann. Und daran baut man in der Ehe. Das heißt auch, ein bisschen von sich preiszugeben, und das ist eine Überwindung.
Ich weiß nicht, ob jemand anders ausdrücken kann, wenn er sagt: „Da ist Sünde in meinem Leben, zum Beispiel habe ich schlechte Gedanken meiner Frau gegenüber. Lass uns darüber beten, nicht lange diskutieren, sondern komm, bete mit mir, dass ich das loswerde und neu anfangen kann.“ Das kann unheimlich Kraft freisetzen in einer Beziehung, sodass ihr nicht allein dasteht als Einzelkämpfer in allen Beziehungen, in denen ihr seid, sondern jemanden habt, der euch unterstützt.
Jonathan unterstützt David, und David unterstützt Jonathan auch dort, wo sie ganz persönliche, tiefe Schwierigkeiten haben, die sie nach außen tragen. Wir lesen an einzelnen Stellen, dass sie keine Geheimnisse voreinander hatten, sondern ganz erstaunlicherweise übereinander Bescheid wussten – auch an Punkten, wo man das nicht erwarten würde.
Ein Beispiel ist 1. Samuel 20,39: „Und der Knabe wusste nichts davon, allein Jonathan und David wussten um diese Sache.“ Sozusagen ein gemeinsames Geheimnis, das vor anderen verborgen war. Nur die beiden hatten miteinander zu tun.
In 1. Samuel 23,14 heißt es weiter: „David blieb in der Wüste verborgen, und er blieb auf dem Berg in der Wüste Sieb. Saul aber suchte ihn sein Leben lang, aber Gott gab ihn nicht in seine Hände. David sah, da Saul ausgezogen war, sein Leben zu suchen, aber David war in der Wüste Sieb, in der Heide. Da machte sich Jonathan, der Sohn Sauls, auf und ging hin zu David in die Heide und stärkte seine Hand in Gott.“
Hier merken wir, dass Jonathan ihn stärkt. Aber was mir besonders auffällt, steht in der Beschreibung: Saul mit seiner ganzen Armee zieht aus, sucht überall nach David, aber findet ihn nicht. Er zieht herum in jede Ecke, doch David bleibt verschwunden.
Dann lesen wir ganz lapidar, dass Jonathan loszieht, hin zu David geht und ihn stärkt – so, als ob es gar kein Problem wäre, David zu finden. Was merken wir dabei? Hier heißt es, sich mitzuteilen, an dem anderen interessiert zu sein, zu sehen, wie es dem anderen geht. Und es heißt auch, zu wissen, wo der andere zu finden ist.
Saul konnte David in seiner Verblendung nicht finden, obwohl er viel mehr Leute hatte. Jonathan wusste genau, wo David war. Wir lesen nicht, dass Jonathan David vorher gesagt hätte, wo er sich versteckt. Wie er es wusste, bleibt unklar. Es gab keinen Spion, der hin und her geschickt wurde. Er wusste es einfach.
Hier zeigt sich, dass Jonathan immer besorgt war, wie es seinem Freund geht. Er hat nicht einfach gesagt: „Na ja, der wird schon für sich selbst sorgen. Ich habe ihm ja zur Flucht verholfen.“ Sondern er sorgt sich weiterhin um ihn.
5. Miteinander reden als Grundlage der Beziehung
Nun komme ich zu Punkt vier. Punkt vier ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die das, was wir bisher gehört haben, noch mehr vertieft. Ich habe Punkt vier „miteinander reden“ genannt.
Miteinander reden ist etwas Wichtiges am Arbeitsplatz, damit wir uns verstehen. Es ist auch dort wichtig, wo wir als Ehepartner zusammen sind, um zu wissen, was der andere denkt. Nicht nur darüber zu spekulieren, was der andere meint – das geschieht ja in der Ehe manchmal auch. Ich meine wirklich zu wissen, was der andere denkt oder sagen will.
Dazu gibt es nur ein Stichwort: Manchmal glaube ich schon zu wissen, was der andere sagen will, und höre gar nicht mehr richtig zu. Das kann dazu führen, dass wir aneinander vorbeihören.
Miteinander reden bedeutet auf der einen Seite auch zuhören. Ich habe vorher gesagt, dass es wichtig ist, sich füreinander zu interessieren beziehungsweise über den anderen Bescheid zu wissen. Das ist das Generelle, die Motivation dahinter. Hier kommt es zur Praxis.
Das bedeutet nicht immer zu reden, wenn ich mit jemandem, mit meinem Freund oder meiner Freundin zusammen bin – jetzt gleichgeschlechtlich gedacht. Es heißt auch, einmal ruhig sein zu können und genau hinzuhören: Was sagt der andere? Möglicherweise auch zwischen den Zeilen. Wo geht es ihm besonders gut? Wo freut er sich? Wo leidet sie gerade in diesem Augenblick?
Das heißt aber auch, an der geeigneten Stelle selbst zu reden. Nicht zu schweigen, mucksmäuschenstill oder traurig in der Ecke zu sitzen, sondern dem anderen mitzuteilen, wie es einem geht.
Hier erleben wir das Sprichwort: Geteiltes Leid ist halbes Leid, und geteilte Freude ist doppelte Freude. Oder wir könnten es auch biblisch sagen: Mit den Weinenden weinen und mit den Freuenden sich freuen.
Das ist eine Grundlage, die ganz besonders in der Beziehung der Ehe gilt.
6. Einander beschenken als Ausdruck von Zuneigung
Und dann kommen wir zu Punkt 5. Ich mache die letzten hier etwas kürzer, unserer Zeit wegen. Ich habe mir notiert: einander zu beschenken.
Wir lesen das in 1. Samuel 20, Vers 41, als sie ihren Bund schließen. In 1. Samuel 20, Vers 41, steht nämlich: „Da der Knabe hinkam, stand David auf von dem Ort gen Mittag und fiel auf sein Angesicht zur Erde, beugte sich dreimal nieder und küsste ihn.“
Nein, das ist nicht der Vers, den ich lesen will. Irgendwo habe ich mir hier einen falschen Vers aufgeschrieben. Die Geschichte, in der sie ihren Bund schließen, ist ganz genau in Vers 18. Dort steht: „Und Jonathan zog aus seinen Rock, den er anhatte, und gab ihn David, dazu seinen Mantel, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel.“
Also schenkt Jonathan hier David etwas, das ihm sehr wichtig und wertvoll ist. Das ist nur ein Beispiel.
Wir finden auch noch andere Verse. Ich habe mir hier 2. Samuel 1, Vers 17 aufgeschrieben, wo es darum geht, dass David nach dem Tod Jonathans ihn ehren und ihm Gutes tun will.
Denn einander beschenken ist natürlich nicht nur mit materiellen Gütern möglich, wie wir es hier im 1. Samuel 18 lesen. Beschenken kann auch bedeuten, jemanden mit Aufmerksamkeit zu beschenken, mit Zeit, die ich für den anderen investiere.
Das heißt aber auch – und deshalb möchte ich das hier betonen – wenn ihr Freundschaft pflegt, so liegt darin viel mehr als nur ein Wort auszudrücken. Es bedeutet auch, dieses Wort mit einem Gegenstand zu unterstützen, dem anderen etwas zu geben.
Ich weiß nicht, wie es euch geht: Die Schüler freuen sich immer wahnsinnig, wenn bei ihnen im Postfach etwas liegt – mal eine kleine Praline, mal ein kleines Stückchen Schokolade. Dann steht da ein kleiner Gruß drauf, zum Beispiel „Ich habe dich gern“ oder Ähnliches von irgendeiner Zimmerkollegin oder einem Zimmerkollegen, mit dem sie zusammen sind. Und das kann eine Ermutigung sein.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Oder etwas Materielles: Dann bekommt ihr zum Beispiel einen Brief, den jemand geschrieben hat. Das ist ja auch etwas Materielles, das könnt ihr anfassen. Man kann ihn schön gestalten, etwas draufmalen, ein Foto aufkleben oder sonst etwas damit machen.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich von Freunden Briefe bekommen habe, hebe ich die häufig auf und lese sie mehrfach durch.
Oder bei Dingen, die ich geschenkt bekommen habe – besonders wenn ich weiß, dass das nicht einfach etwas ist, das jemand schnell im Aldi gekauft hat, weil er nichts anderes gefunden hat, sondern dass der andere sich wirklich Gedanken gemacht hat: Was habe ich gern? Was schätze ich?
Dann kann das irgendeine Kleinigkeit sein, aber ich freue mich ungemein darüber. Das kann Freundschaft pflegen und Freundschaft vertiefen. Es ist ein Zeichen, ein äußeres Zeichen dieser inneren Freundschaft, wie es bei David und Jonathan hier vorhanden ist.
Und sicherlich ist das auch eine Herausforderung, die Beziehung zwischen mir und meiner Frau oder meiner Freundin durchaus fördern kann.
Das kostet natürlich Mühe und Zeit, sich Gedanken zu machen: Was könnte den anderen erfreuen? Was mag der andere gerne? Aber das zeigt ja auch, ob ich wirklich auf den anderen ausgerichtet bin oder ob es in erster Linie eine Freundschaft ist, von der ich zu profitieren hoffe.
7. Treue trotz Schwierigkeiten und Veränderungen
Dann komme ich zu den letzten beiden Punkten, die mir hier wichtig geworden sind, obwohl ihr sicherlich noch weitere herausarbeiten könntet.
Punkt sechs ist bei mir Treue – und zwar Treue, auch wenn sie mit Nachteilen verbunden ist, Treue, auch wenn sich die Ausgangslage verändert hat, Treue, auch wenn Probleme auftauchen. Treue sollte eine Selbstverständlichkeit sein in einer ehelichen Beziehung, aber auch in einer Freundschaft.
Heute kann es schnell passieren, dass Ehepaare auseinandergehen und sagen: „Na ja, als ich dich kennengelernt habe, warst du noch ein anderer, du hast dich verändert, ich habe mich verändert, wir haben uns auseinandergelebt, wir sind nicht mehr dieselben, wir haben nichts mehr miteinander zu tun.“ Diese Auffassung von Ehe kennt die Bibel nicht. Und diese Sicht auf Freundschaft kennt die Bibel ebenfalls nicht.
Natürlich versprechen wir uns bei einer Freundschaft normalerweise nicht lebenslange Treue in der Form, wie es die Ehe tut. Aber wenn eine Freundschaft nicht darauf aufgebaut ist, auch bei veränderten Bedingungen standzuhalten, dann ist es eine Freundschaft, die uns in schwierigen Lagen nicht weiterhilft.
Wir lesen das an einigen Beispielen. Ich möchte diese mit euch lesen.
In 1. Samuel 19,4 lesen wir beispielsweise: Jonathan redet das Beste von David mit seinem Vater Saul und sagt zu ihm: „Es versündigt sich der König nicht an einem seiner Knechte, denn er hat keine Sünde widerlich getan, und er ist dir sehr nützlich.“
In welcher Situation sagt er das? Er sagt das, als sein Vater sauer auf David ist und ihn eigentlich umbringen will. Jonathan steht hier selbst in veränderten Bedingungen zu David.
Zudem ist David ein hoch angesehener Kämpfer am Hof von König Saul. Da könnte man sagen: Warum nicht? Doch hier treten Schwierigkeiten auf, denn Sauls Vater will David umbringen. Und Jonathan steht in dieser Situation zu David.
In Kapitel 20, Vers 3 lesen wir das wieder: „Da schwur David weiter und sprach: Dein Vater weiß wohl, dass ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe. Darum wird er denken, Jonathan soll solches nicht wissen, es möchte ihn bekümmern. Wahrlich, so wahr der Herr lebt, so wahr deine Seele lebt, es ist nur ein Schritt zwischen mir und dem Tod.“
Hier drückt David aus, wie sehr er das schätzt. Er weiß, die Ausgangsbedingungen sind verändert, er weiß, Jonathan setzt sich für ihn ein. David sagt: „Ich weiß darum, ich schätze das, wie du zu mir stehst, denn ich weiß, dein Vater wird dir das gar nicht sagen, weil er weiß, dass du zu mir stehst.“
Im selben Kapitel, Vers 30, lesen wir das noch einmal: „Da ergrimmte der Zorn Sauls wieder gegen Jonathan, und er sprach zu ihm: Du ungehorsamer Bösewicht, ich weiß wohl, dass du den Sohn Isaies auserkoren hast, dir und deiner Mutter, die dich geboren hat, zur Schande. Denn solange der Sohn Isaies lebt auf Erden, wirst du auch dein Königreich nicht bestehen. So sende nun hin und lass ihn herholen zu mir, denn er muss sterben.“
Hier sehen wir ganz deutlich: Die Ausgangssituation hat sich total verändert. Freundschaft kostet plötzlich etwas. Sie bringt nicht nur Vorteile, sondern auch große Schwierigkeiten – Schwierigkeiten mit dem Vater, Schwierigkeiten für das Königreich. Denn wir sehen hier, dass es in der Zukunft nicht mehr glatt läuft, wenn diese Freundschaft möglicherweise weitergeht.
Wir lesen das Ganze auch noch mit Treue über den Tod hinaus in 2. Samuel 9,1. Dort wird Mephiboscheth zu David gebracht. Er ist ein Nachkomme von Jonathan, und David erweist ihm Gnade, indem er ihn am Königshof aufnimmt und für seinen Unterhalt sorgt. Das ist eine Folge der innigen und tiefen Freundschaft, die zwischen David und Jonathan bestand.
Also auch hier zeigt sich Treue, selbst wenn der andere nichts mehr davon hat. Doch um dieser Freundschaft willen nimmt David Mephiboscheth auf.
Treue, die dazu führt, dem anderen das Leben anzuvertrauen, das Gut anzuvertrauen, die eigene Ehre anzuvertrauen, weil ich weiß, dass er gut und vertrauensvoll damit umgeht – das ist eigentlich das, was wir uns nur von einem Freund oder einer Freundin wünschen können.
Und genau das tun sie hier. Das Leben des Jonathan, das Leben des David – sie sagen ja auch: Wenn du willst, wenn du meinst, ich bin in Sünde, dann komm her und bring mich um. Und er hätte es tun können. Er hätte einfach sagen können: „Alles in Ordnung, komm an den Königshof zurück.“ David wäre gekommen, Saul hätte ihn festgenommen, und er wäre tot gewesen.
Hier heißt es sogar, diese Freundschaft ist so innig und so vertrauensvoll, dass man sein Leben in die Hand des anderen legen kann, wenn man die anderen Bedingungen hat, wenn man weiß, dass man selbst auch Treue geben will dem anderen gegenüber und auch das Gut dem anderen anvertraut.
Jonathan hat kein Problem damit, David so sehr zu vertrauen, dass er sagt: Selbst wenn du König wirst, ich weiß, du meinst es gut mit mir, und ich habe keine Bedenken. Denn normalerweise war es meistens so, dass, wenn ein König einen anderen abgelöst hat, erst einmal alle Thronfolger umgebracht wurden, damit niemand mehr den Anspruch auf den Thron erheben konnte.
Kein Problem hier für Jonathan – er vertraut David vollkommen.
8. Glaube als Grundlage der Freundschaft
Dann haben wir den siebten und letzten Punkt, nämlich dass der Glaube über den eigenen Interessen steht. Freundschaft, wenn sie nur ein Selbstzweck ist, wenn es nur darum geht, Zeit miteinander zu verbringen und keine Grenzen kennt, dann fehlt die Grundlage. Und ohne diese fehlt auch das, womit wir Freundschaft messen können.
Freundschaft, die wirklich halten soll, braucht eine Grundlage und einen Rahmen. Diesen haben die beiden hier auch. Wir lesen das in 1. Samuel 20,30 und folgende. Dort finden wir die Verse, die ich gerade schon vorgelesen habe. Wir sehen, dass Jonathan wusste, dass David das Königreich zugesprochen worden ist.
Was tut Jonathan in dieser Situation? Er denkt nicht an seine eigenen Interessen, sondern an die Beziehung zu Gott. In dieser Freundschaft steht der Glaube über seinen eigenen egoistischen Interessen. Wir können uns das so vorstellen: Du erbst von deinem Vater oder deiner Mutter ein großes Vermögen, sagen wir ein Millionen-Erbe. Denn das ist ja ein Königreich, das hier vererbt wird.
Wenn du weißt, dass das Geld eigentlich von Gott einem anderen zugedacht ist, dann soll dieser es auch bekommen – und das ist sogar dein engster Freund. Es ist schwierig, so zurückzustecken. Eigene Interessen, das, was ich eigentlich gerne hätte, einem anderen anzuvertrauen und zu geben, nur weil ich weiß, dass Gott es so möchte, ist ein großer Schritt.
Dieser Schritt zeigt, wie sehr Gott diese Beziehung prägt. Wir lesen das Ganze auch im 23. Kapitel noch einmal, nämlich ab Vers 16: Jonathan, der Sohn Sauls, machte sich auf, ging zu David in die Heide und stärkte seine Hand in Gott. Er sprach zu ihm: „Fürchte dich nicht, die Hand meines Vaters Sauls wird dich nicht finden, und du wirst König über Israel werden. So will ich der Nächste um dich sein. Auch weiß mein Vater solches wohl.“
Dann kommt wieder das Thema Bund schließen zur Sprache. Wir lesen hier ganz deutlich, dass Jonathan sich dessen bewusst war. Er hatte keine falschen Hoffnungen. Er dachte sich nicht, dass das alles schon wieder vorbeigeht oder dass man es irgendwie schaffen wird. Ganz bewusst war er bereit, den Willen Gottes über seine eigenen Interessen und über eine Freundschaftsbeziehung auf egoistischer Basis zu stellen.
Wir sehen also: Echte, tiefe Freundschaft braucht einen Maßstab, einen absoluten Punkt, von dem aus die eigenen Interessen des Freundes und die eigenen relativiert und in Grenzen gesetzt werden können.
Schlussgedanken und Gebet
Und damit möchte ich hier aufhören, ohne die Punkte noch einmal zu wiederholen oder euch dazu aufzufordern, zu sehen: Habt ihr solch einen Freund oder eine solche Freundin?
Wenn ihr einen Freund oder eine Freundin habt, dann pflegt diese Beziehung. Versucht von David und Jonathan zu lernen, wie ihr in diese Freundschaft investieren könnt, um sie zu stärken und auszubauen.
Wenn ihr das nicht habt, dann schaut euch um und sucht danach. Denn so wie für David und Jonathan war diese Freundschaft ein ganz wichtiger Punkt und eine Stärkung in ihrem Leben, so kann es das auch in unserem Leben sein.
Diese Beziehung kann man nicht zu jedem haben. Solche Freundschaft ist auf eine gewisse Weise exklusiv, so wie hier auch. Man kann sie nur mit einem Menschen oder mit zwei Menschen haben, weil sie innig und tief ist. Man kann sich dem anderen total öffnen. Es ist auch eine Befreiung, wenn jemand so für einen da ist.
Ich war beispielsweise ganz beeindruckt davon, wenn ich einen Freund so nennen darf, auch wenn die Freundschaft in den letzten Jahren durch die Entfernung, in der wir jetzt wohnen, etwas schwächer geworden ist.
Vor zwei Jahren, im Sommer, einige wissen es, kam ich wenige Tage bevor die Freizeit begann mit Krebs ins Krankenhaus. Ich wurde dort mehrfach operiert und habe eine Chemotherapie bekommen.
Eine Sache, die für mich sehr stärkend war, waren viele Freunde, wenn ich sie so nennen darf, die zu Besuch gekommen sind. Was mich aber besonders beeindruckt hat, war, dass noch am selben Tag, als ich im Krankenhaus war, ein Freund in Zürich mir ein Fax geschickt hatte. Ich wusste gar nicht, dass er Bescheid wusste. Ich bekam das Fax im Krankenhaus. Darauf stand nur: „Michael Kotsch im Krankenhaus“. Er wusste gar nicht, in welchem Zimmer ich lag. Das hat mich innerlich sehr gefreut und gestärkt.
Wenige Tage später, nach der ersten Operation, sagte er einfach, er habe alle Termine abgesagt. Seine Frau stieg in den Zug, fuhr von Zürich her, nur für das Wochenende, und dann wieder zurück. Das war für mich beeindruckend. Es war beeindruckend zu sehen, wie jemand so zu mir steht. Geld war kein Problem, Zeit auch nicht. Und das war nicht jemand, der Geld im Überfluss hat. Das zeigt, was tiefe, echte Freundschaft in solchen schwierigen Situationen bedeuten kann.
Das war für mich eine Stärkung und eine große Hilfe. Wir haben dann zusammen gebetet, in der Bibel gelesen und konnten einfach darüber sprechen, wie schlecht es mir im Krankenhaus ging. Es ging mir wirklich schlecht, und ihr könnt euch vorstellen, wie es ist, mit dem Gedanken zu leben, vielleicht in ein paar Monaten tot zu sein. Wie sieht die Zukunft aus? Wie sieht es mit meiner Familie aus? Wie mit meiner Aufgabe an der Bibelschule, zu der mich Gott berufen hat?
Da einen Freund an der Seite zu haben, der das mitträgt, war für mich eine unheimliche Hilfe.
Ich habe sieben Punkte genannt, plus einen Zusatzpunkt:
Freundschaft muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Man darf sich nicht einfach an den anderen anhängen oder nur geben, ohne etwas zurückzuerwarten. Sonst ist es vielleicht Fürsorge, Mitleid oder Aufdringlichkeit.
Freundschaft kann ein Bund sein. Wenn ich bewusst mit dem anderen einen Bund eingehe, kann das eine große Hilfe sein. So kann ich dem anderen zeigen: Ich will zu dir stehen, ich will mit dir eine Freundschaft haben.
Man sollte über den anderen Bescheid wissen wollen, sich für ihn interessieren und selbst bereit sein, sich zu öffnen.
Praktisch bedeutet das, dem anderen zuzuhören und auch bereit zu sein, von sich zu erzählen, was einem auf dem Herzen liegt.
Hier möchte ich noch einmal betonen: Freundschaft beruht nicht auf Vorbedingungen. Man sagt nicht: Wenn du mir das gibst, gebe ich dir das, und dann schließen wir Freundschaft.
Einander beschenken – mit Zeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, aber auch mit materiellen Geschenken, die Ausdruck von Zuneigung sein können.
Freundschaft bedeutet auch Treue. Man will treu sein, Freundschaft nicht verraten und jemandem alles anvertrauen können – auch wenn sich die Lage ändert und Probleme auftauchen.
Die Grundlage dauerhafter Freundschaft muss der Glaube an Gott sein. Die gegenseitige Bereitschaft, sich auch von Gott korrigieren zu lassen, selbst wenn das in der Freundschaft Nachteile mit sich bringt.
Zum Abschluss möchte ich mit uns beten:
Herr Jesus, wir danken dir für solche ganz praktischen Beispiele, die wir in der Bibel lesen können, wie die Freundschaft zwischen David und Jonathan im Alten Testament. Wir danken dir für die tiefe, innige Beziehung, die diese beiden Männer verbunden hat.
Wir bitten dich, dass du uns solche Menschen an die Seite stellst, die uns eine Kraftquelle sein können. Mit denen wir uns austauschen können, denen wir auch unsere Sünden sagen können, um sie vor dich zu bringen und auszuräumen. Die uns eine Hilfe sind.
Gebrauche uns, dass wir solche Freunde und Freundinnen für andere Geschwister sein können, die wir kennen oder noch kennenlernen werden. Führe uns solche Menschen zu, dass wir sie kennenlernen und uns einbringen können.
Segne diese Beziehungen und hilf uns. Gib uns Kraft, eine solche Freundschaft zu haben und die Bedingungen einzuhalten, wie David und Jonathan das getan haben.
Vielen Dank für den Abend, der vor uns liegt, und für die Nacht. Wir bitten dich, dass du uns Frische und Erfrischung gibst für alle Herausforderungen des morgigen Tages.
Segne die letzten Stunden und Minuten, die wir noch vor uns haben, die Gespräche und alles, was wir geplant haben zu tun.
Amen.
Ich hoffe, dass ihr trotz des bewegten Nachmittags einige Gedanken mitnehmen konntet, die euch innerlich bewegen und euch anregen, eure Beziehungen zu pflegen. So können wir in diesem Aspekt etwas von David lernen.
Ich wünsche euch einen schönen Abend und eine gute Nacht. Bis morgen früh: Acht Uhr Frühstück, viertel nach neun Morgenstunde. Dann werdet ihr erfahren, wie es morgen weitergeht.