Die bleibende Auseinandersetzung zwischen Licht und Finsternis
Wenn wir vom Kind in der Krippe weiter hinausschauen bis ans Ende der Zeit, wie sie in der Bibel beschrieben wird, ist dies durch das Lesen der Offenbarung des Johannes möglich. Dabei fällt uns auf, dass auch dort, bis hinein in die letzte Weltzeit, die große Auseinandersetzung um Licht und Finsternis in ihrer ganzen Schärfe stattfindet.
Es ist, als wollte die Hölle noch einmal den Sieg Jesu rauben, der am Kreuz über die Welt errungen wurde. In der Offenbarung heißt es, dass die Macht der Finsternis am Ende der Zeit von außen betrachtet zunimmt.
Der einzige Trost ist, dass diejenigen, die im Glauben an Jesus festbleiben, durch seine Macht bewahrt werden. Nach der Ordnung unserer Kirche haben wir einige Predigttexte, von denen einer auf diesen Stephanustag fällt.
Der Abschnitt, den ich verlesen habe, und ein anderer in der Schriftlesung, stammen aus Offenbarung 7,9-17. Dieser Text gehört zur Weihnachtsbotschaft.
Die Vision der großen Schar vor dem Thron Gottes
Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte. Sie kamen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen. Diese standen vor dem Thron und vor dem Lamm, mit weißen Gewändern bekleidet und mit Palmzweigen in den Händen. Sie riefen mit lauter Stimme: „Die Rettung kommt von dem, der auf dem Thron sitzt, unserem Gott, und dem Lamm.“
Alle Engel standen im Kreis um den Thron, um die Ältesten und um die vier Gestalten. Sie warfen sich vor dem Thron nieder und beteten Gott an: „Amen! Lob und Ehre, Weisheit und Dank, Preis, Kraft und Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit!“
Einer der Ältesten fragte mich: „Wer sind diese, die mit weißen Gewändern bekleidet sind, und woher sind sie gekommen?“ Ich antwortete ihm: „Herr, du weißt es.“ Er sagte zu mir: „Das sind die, die aus der großen Bedrängnis gekommen sind.“
Bis zum Schluss dauert diese Bedrängnis an, in der gläubige Menschen stehen. Sie haben das nur im Glauben zugesprochen bekommen, nicht im Schauen. Denn das Reich Gottes in dieser Welt ist keine sichtbare Größe, sondern ein Wunder, das sich dort ereignet, wo Christus gepredigt wird.
Diese sind es, die aus der großen Bedrängnis gekommen sind und ihre Gewänder im Blut des Lammes gewaschen und weiß gemacht haben. Darum stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Der auf dem Thronsitz wird über ihnen bleiben. Sie werden nie mehr Hunger und Durst haben. Auch die Sonne oder irgendeine andere Hitze wird ihnen nicht mehr schaden.
Denn das Lamm, mitten in der Mitte am Thron, wird sie weiden und zu den Quellen des Lebenswassers leiten. Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.
Herr, mache du uns in deinem Wort ganz gewiss! Amen!
Die Realität des Friedens in einer unruhigen Welt
Es wäre schlimm, liebe Brüder und Schwestern, wenn wir nur aus der Kritik der Ungläubigen immer wieder hören würden, dass es doch gar keinen Frieden in der Welt gibt. Sie weisen uns dann auf all die Krisenherde hin. Das ist ja auch in vielen Weihnachtsansprachen ausgesprochen worden: Dort wird geschossen, dort wird gelitten.
Als Christen sehen wir jedoch noch viel tiefer. Wir erkennen, wo der Unfriede wirklich liegt: darin, dass das Evangelium von der Welt verworfen wird. Derjenige, der kommt, liegt nicht zufällig in der Krippe. Es ist kein Raum in der Herberge für ihn. Menschen sperren sich gegen ihn.
Wir sehen darin auch unsere eigene Lebensgeschichte, unsere eigene Ablehnung. Plötzlich fällt es uns gar nicht mehr so leicht, einfach nur zu klagen über die Schäden dieser Welt. Stattdessen erkennen wir, dass das eine Not ist, an der wir alle teilhaben.
Das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.
Die Nachfolge Jesu inmitten von Verfolgung und Widerstand
Das war kein Einzelschicksal, das Jesus ereilt hat, als sie ihn hinaus vor das Tor schleiften. Auch nicht, als sie wenig später den Boten der Liebe, jenen Stephanus, hinausführten und ihn mit großen Steinen erschlugen.
Bald darauf brach in der frühen Christenheit eine furchtbare Verfolgungswelle los. Schon unter Nero, etwa 64 Jahre nach der Geburt Christi, führte dies zu grausamen Verfolgungen.
Ich weiß nicht, was die Soldaten sich dabei dachten, als sie Männer und kleine Kinder zur Hinrichtung führten. Sie mussten jene Listen abhaken, auf denen alle antreten mussten, um Weihrauchkörner vor den Kaiserstandbildern niederzulegen.
Ob sie sich nicht manchmal seltsam vorkamen: Was sind das für Feinde? Werden sie dem römischen Imperium wirklich gefährlich? Ich kann mir vorstellen, dass diese muskelstarken Soldaten – die römischen Soldaten waren meist große, kräftige Männer – sich vielleicht sogar genierten, Hand an diese schwachen Leute zu legen, die sich ja nicht einmal wehrten.
Es war ein Zerrbild, wenn man sie den Löwen vorwarf. Ausgerechnet diese, die sich nicht wehrten und nicht kämpften wie Gladiatoren, sondern singend ihrem Sterben entgegengingen. Hat das römische Imperium mit seiner ganzen Staatsmacht nicht viel besser verstanden, welche Gefahr in dieser Gewaltlosigkeit Jesu lag?
Darum fürchtete der römische Kaiser Nero keine Armeen mit Legionen von Soldaten, sondern das Wort von dem gekreuzigten Jesus, der die Welt überwunden hat.
Die Kraft des Glaubens und die Herausforderung der Gegenwart
Und ich frage mich, ob die Christenheit heute überhaupt noch weiß, ob sie noch weiß, worin unsere Stärke liegt.
Es mag durchaus sein, dass – trotz all dessen, was das prophetische Wort über das Ende der Zeit sagt – die Zahl der wahren Jesusjünger noch viel, viel kleiner wird als sie es heute bereits ist. Es könnte sein, dass die Verfälschung des Glaubens weiterhin lawinenartig zunimmt und dass sich viele einen eigenen christlichen Glauben zurechtschmieden.
Doch unsere Sorge sollte sein, ob wir noch wissen, worin die Kraft unseres Zeugnisses liegt. Wir dürfen nicht verschweigen, dass Jesus nicht gekommen ist, um dieser Welt einen Frieden zuzusprechen, den sie gar nicht hat. Er ist nicht gekommen, um die Menschen in ein Glück hineinzutäuschen, das sie letztlich gar nicht wollen.
Jesus hat zur Entscheidung gerufen und die Menschen aufgefordert, ihm nachzufolgen und das Kreuz zu tragen. Er hat gesagt, dass man in dieser Welt sein Leben nur erhalten kann, wenn man es verliert. Und wer sein Leben um Jesu Willen verliert, der wird es finden.
Dann sieht es plötzlich so aus, als stünden die Christen mitten in der Welt als eine kleine Schar umkämpfter Menschen, denen widersprochen wird. Man mag sich fragen: Wer wird diesem Zeugnis noch folgen können? Wer wird das noch annehmen?
Es wird nicht anders sein als damals, als die ersten Apostel in die Länder hinaus in die Welt ausgezogen sind.
Die Ermutigung durch die Offenbarung des Johannes
Sie brauchen sich keine Sorgen um dieses Evangelium zu machen – das Evangelium von Jesus, der mit seinem Licht die Finsternis richtet. Dieses Wort ist das Siegeswort über die Welt.
Dabei hilft uns ein Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes. Johannes war damals auf Patmos und nahm bereits teil an den Deportationen und der Christenverfolgung. Er erhielt einen prophetischen Durchblick durch die Zeiten, der als Ermutigung für angefochtene und leidende Christen dient.
Was sieht er dort? Er sieht Sieger – das ist das Erste. Gerade in der Offenbarung spricht Johannes sehr deutlich von den Schwächen der Christen. Die ersten Christengemeinden, die er in den sieben Sendschreiben ansprach, hatten viele Mängel. Sie waren müde und lau geworden in ihrem Glauben und folgten Jesus nicht alle treu nach.
Da wird einem bange: Wie werden diese schwachen Gemeinden durchhalten, wenn die Verfolgung losbricht? Wenn der Widerstand und der Hass gegen Jesus und sein Evangelium entfacht wird?
Doch Johannes sieht in der Ewigkeit Sieger, die fröhlich rufen: „Wir sind hindurch! Wir haben es geschafft!“ Sie sind durch alle Nöte hindurchgekommen.
Wie ist das möglich? Diese schwachen, kleinen Gemeinden – eine unzählbare Schar aus allen Nationen, Völkern und Sprachen. Auffallend ist, dass diese Leute vor dem Thron Gottes in der Ewigkeit nicht sagen: „Wir haben es geschafft, wir haben es fertiggebracht, wir sind durchgekommen.“ Stattdessen sagen sie: „Er hat uns durchgebracht, er hat uns bis zum Ziel geschleppt.“
Durch alle Anfechtungen, Nöte und Bedrängnisse dieses Lebens zieht uns nur dieser starke Jesus hindurch. Dieses Kind von der Krippe ist der große Träger, Schlepper und Retter. Er will müde und laue Christen durch seine Treue hindurchziehen.
Er kommt immer wieder mit neuem Erbarmen zu seiner Gemeinde und macht ihr Mut – gerade dort, wo falsche Kompromisse gemacht werden wollen oder wo man am Evangelium etwas abschneiden und abdrehen will.
Paulus’ Abschied und die Mahnung zur Treue
Vor mir steht noch einmal die Erzählung aus der Apostelgeschichte, in der Paulus sich von den Ältesten und den Kirchengemeinden in Ephesus verabschiedet. Er erinnert sie daran und sagt: „Wisst ihr, ich habe Tag und Nacht nicht abgelassen, euch mit Tränen zu vermahnen.“
Paulus wollte für seinen Dienst und sein Predigen eines zum Mittelpunkt machen: dass im Glaubensleben der Menschen nur eins zählt. Sie sollen in Einfalt und Treue bei Jesus bleiben, der sie durchtragen kann – und sonst bei niemandem. Sie sollen sich nicht beirren lassen von Zeitströmungen und Zeitmeinungen oder von dem, was als neu und modern ausgegeben wird. Wichtig ist allein, dass Jesus Christus sie ruft, trägt und heimholt in sein Reich.
Wie viel schreckliche Verirrung ist doch im Laufe der Geschichte über die Gemeinde Jesu hinweggegangen! Wie sehr haben sie sich von allen möglichen Zerrbildern und Zeitmeinungen prägen lassen. Doch es gibt eine Schar, die Jesus treu blieb und bei ihm bleiben wollte – bei dem, der sein Leben für seine Jünger gab.
Diese Menschen beten ihn an und stehen um seinen Thron herum. Dann heißt es: Sie beten das Lamm an.
Das Lamm als Zeichen des Opfers und des Sieges
Es wird Ihnen sicher ähnlich gehen wie mir: Das Wort „Lamm“ ist einem fremd geworden und klingt wie ein Begriff aus einer anderen Zeit. Doch für die Menschen damals war es ein Bild, das sich nicht anders ausdrücken lässt als durch das Opferlamm, das auf dem Altar lag. Es war das Tier, dessen Blut vergossen wurde, das Lamm, das sein Leben gab zur Sühnung der Schuld des Volkes.
Es wird gesagt, dass in der Ewigkeit das Lamm das Siegeszeichen Jesu ist – die Lammesgestalt desjenigen, der sein Blut für seine Gemeinde gegeben hat. Wenn Sie wissen wollen, womit man in der Gemeinde Jesu überhaupt siegen kann, dann ist es die Kraft des Opfers Jesu, der sein Leben für uns hingegeben hat. Darin gründet unser Glaube. So können wir danken und sagen: Herr, unsere Treue war es nicht, es war auch nicht unsere Festigkeit oder Entschlossenheit, sondern deine Güte, dein Erbarmen mit uns.
Das Bild des Lammes ist ein Bild, in das Jesus uns verwandeln will. Das fällt uns oft schwer, weil wir Geduld nicht sofort als Kennzeichen unseres Glaubens erkennen. Diese Schar der Überwinder vor dem Thron Gottes hat in der Kraft des Lammes gesiegt. Das heißt: So wie ein Lamm still und geduldig ist. Ein Lamm hat nichts mit einem Hengst oder einem Löwen zu tun; ein Lamm ist ein mildes Tier.
Die Kraft der Gemeinde Jesu ruht in dieser Geduld, in der Stille des Lammes, und im Aufschauen auf das große Opfer Jesu für uns. Damals veranstalteten die römischen Kaiser gewaltige und prächtige Siegeszüge. Sie ließen Fanfaren schmettern, wenn ihre Armeen von siegreichen Schlachten zurückkehrten. Von Jesus heißt es in Jesaja 53,7: Er tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; es verstimmt vor seinem Scherer und tut seinen Mund nicht auf.
Die Gemeinde Jesu hat nie in der Welt Verheißung, wo sie das große Wort führt und wo ihr der Beifall der Massen sicher ist. Haben Sie Mut, sich zu der Gemeinde Jesu zu stellen, die in der Welt keinen Raum hat, die keinen Widerhall bekommt, in den Zeitungen und im Fernsehen totgeschwiegen wird? Über die man lächelt: Was sind das für Leute, die doch dem Lamm nachfolgen, dem Lamm, das Jesus schon überwunden hat?
Und es ist eine Gemeinde, auch wenn sie noch so klein ist, die zum Sieg geeilt ist. Sie sind Sieger!
Die Heiligen vor dem Thron Gottes
Dann sieht Johannes als Zweites die Heiligen. Die Leute, die vor dem Thron Gottes stehen, aus allen Nationen und Völkern, sind Heilige. Das überrascht uns, weil wir sie doch aus dem Neuen Testament kennen. Die ersten davon waren große Sünder, darunter auch eine große Sünderin und Zöllner, von deren schmutzigem Lebenswandel man wusste. Menschen, die so viel in ihrem Leben getan hatten, was gegen Gottes Gebot war.
Aber es heißt, sie haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht. Wir können unser Leben nicht bereinigen und auch nicht neu machen, indem wir versuchen, uns die Flecken wegzuputzen. Es gibt kein Waschpulver, das Grau rauswäscht und Weiß reinwäscht – außer das Blut Jesu, das ein Leben reinmacht.
Es ist sicher auch bei uns so, dass wir im Kampf mit den alten, schmutzigen Dingen unseres Lebens laufend in diesen Unterdrückungsweg hineingegangen sind, der uns innerlich so zermürbt. Wie oft verschließen wir uns? Es gibt viele Christen, die immer wieder sagen: „Ich könnte darüber mit gar niemandem reden, wo käme ich denn hin?“ Und sie machen sich kaputt dabei, indem sie die ganze Last ihres Lebens in sich hineinfressen.
Stattdessen sollten sie einen Bruder oder einen Seelsorger suchen und ihm die Last hinlegen, damit er ihnen in der Kraft des Blutes Jesu die Vergebung zuspricht. Es ist doch so schlimm, wenn man alles in sich hineindrücken will. Das führt zu furchtbaren Verdrängungen in uns, wenn das Alte nicht bereinigt ist. Es gibt nur eine Kraft, die unser Leben neu macht: die Vergebung im Blut Jesu.
Darum sieht Johannes die Heiligen vor dem Thron Gottes stehen. Es gibt Menschen, die rein geworden sind im Blut Jesu. Sie stehen vor dem Thron Gottes, beten ihn an und danken ihm, dass er dieses große Wunder in ihrem Leben vollbracht hat. Das ist die Kraft der Gemeinde Jesu: Sie rühmt diesen Sieg, denn er hat mein Leben neu gemacht.
Die Bedeutung des Kreuzes in der Weihnachtsbotschaft
Fällt es Ihnen nicht auf, wie heute in der Christenheit viele Predigten und viele große Worte gesprochen werden, die nicht mehr vom Kreuz Jesu reden?
Fällt Ihnen nicht auf, dass es Weihnachtspredigten und Weihnachtsworte gibt, die nicht mehr vom Kreuz sprechen? Auf einmal wird das weggedrückt, was doch der Mittelpunkt des Kommens Jesu war.
Das ist doch der Punkt, den wir immer wieder über unserem Altar in der Mitte unserer Kirche anschauen. Er bringt uns durch, nicht wir bringen uns durch. Er macht uns heilig, nicht wir können unser Leben gut machen. Wir leben von seinem Erbarmen und danken ihm für das, was er für uns getan hat.
Zinzendorf hat so viel vom Lamm gesprochen – in unserer Zeit fast anstößig. Er hat es einmal in einem Wort erklärt, warum er so viel vom Lamm rede. Er sagte, man könne noch so hochtrabend von Vergebung reden. Wer nicht vom Lamm redet, das geschlachtet wurde, rede wie Worte ohne Vokale, wie Worte ohne A, E und U. Das seien leere Worte, die nur Geräusche machen und doch keine Kraft mehr hätten.
Er hat sich gewehrt gegen ein Reden von der Vergebung ohne das Wissen darum, dass Jesus für uns gekreuzigt wurde und sein Leben hingegeben hat, damit der Zorn Gottes getragen wird.
Der Weihnachtsfrieden als Trost in Bedrängnis
Wenn wir heute über die Weihnachtsbotschaft nachdenken, erkennen wir, dass es um eine Auseinandersetzung in unserer Welt geht, auch mit den Mächten der Finsternis. Das Bild des für uns geschlachteten Lammes erinnert uns an den Sieg, den er errungen hat. Dieses Bild soll die Gemeinde trösten und sie in allen Bedrängnissen mutig und fröhlich machen.
Bei Krankenbesuchen, wenn ich nicht mehr viel sagen kann, sage ich den Kranken gerne: Wissen Sie eigentlich, wo Sie es ganz sicher wissen können, dass Gott Sie nicht loslässt? Vielleicht denken Sie: Bin ich Gott über? Vielleicht will Gott mich strafen? Solche Gedanken kommen vor. Aber woher wissen Sie es felsenfest, dass Gott nur gute Gedanken mit Ihnen hat? Er hat seinen Sohn für Sie verbluten lassen. Dieser Gott, der das tut, lässt Sie nicht los. Das ist das Siegeszeichen, das wir haben.
Darum kann keine Schuld, die wir vor Gott bringen, größer sein, als dass sie uns nicht heute vergeben werden könnte. Und genau darum ist das der Sinn dieses Weihnachtsfestes: Nicht, dass wir vom Frieden singen, den wir gar nicht haben, sondern dass wir Frieden finden unter dem Opfer, das er uns gebracht hat.
Der Frieden Jesu inmitten der Welt
Es gab neulich einen Höhepunkt in unserer synodalen Arbeit, über den in der Zeitung nur noch spöttisch berichtet wurde, weil der Reporter ihn nicht mehr verstand.
Es ging um die große Frage der Friedensresolutionen, die hier und da in der Welt diskutiert wurden. Dabei ging ein Synodaler einen Schritt weiter und sagte: Wissen wir noch, dass der Friedensbringer Jesus, den Jesus meint, ein Frieden ist, den die Welt nicht kennt? Ein Frieden, der höher ist als alle Vernunft.
Der Friede Jesu kann oft nur dort ergriffen werden, wo die Gemeinde Jesu nicht mehr den Beifall der Welt hat und dennoch im Frieden Jesu steht. Christen stehen heute mitten in Auseinandersetzungen und sind dennoch im Frieden Jesu behütet, bewahrt und geborgen, weil der Gekreuzigte sie trägt und hält.
Wissen wir noch, dass der Weihnachtsfrieden nur unter dem Kreuz Jesu ruht?
Das Lamm als Hirte und das verbindende Band der Christenheit
Und noch das Dritte: Er sieht Behütete, er sieht Sieger, er sieht Heilige, er sieht Behütete. Da heißt es, das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten. Dass ein Lamm eine Herde weidet, ist nun wieder eine Verdrehung eines Bildes.
Aber das ist so schön in der Bibel, dass da schon deutlich wird: Die Bilder kann man gar nicht ganz ausdeuten, da überschlagen sie sich an einem Punkt. Eine Herde wird zusammengehalten durch einen Hirten oder durch einen Hund, aber nicht durch ein Lamm.
Was Johannes sagen will, ist doch klar: Er sieht ja etwas. Und es ist so, dieses Lamm, das noch ein geschlachtetes Lamm ist und doch lebt, hält die große Schar zusammen, die vor dem Thron Gottes steht.
Das bedeutet doch, was uns als Christen zusammenbindet, ist kein Konfessionsname. Auch das sage ich ganz freimütig: Es ist nicht der Name evangelisch, auch nicht der Name evangelikal oder pietistisch. Auch das nicht.
Sondern was uns zusammenhält, ist das Lamm, der gekreuzigte Jesus. Dort sind Christen aus anderen Konfessionen und aus anderen Gruppen und Gemeinschaften, die alle ihn liebhaben. Das zieht uns doch zu ihm, und ihm gehört unser Herz.
Wir wissen, dass wir ihm nachfolgen wollen und dass es uns nicht erspart sein kann.
Die Nachfolge Jesu im Leiden und die Herausforderung der Mission
Und auch diese Predigt wird von einigen gehört, die durch körperliche Bedrängnisse hindurchgehen und einen schweren Leidensweg vor sich haben. Sie hören sie heute Mittag oder morgen, nicken nur still und wissen etwas vom Kreuzesweg Jesu.
Ich weiß nicht, welchen Kreuzesweg Jesus für sie bereit hat. Aber am Weihnachtstag wollen wir nicht von diesen wunderbaren Dingen sprechen, ohne dies zu bedenken.
Ich kann diese Botschaft nur annehmen, wenn ich bereit bin, die Schmach Jesu in der Welt zu tragen und zu sagen: Ich folge dir nach, Jesus, auch durch Leiden und Schmach. Ich will dein Bekenner sein, auch wenn meine Kameraden über mich lachen. Auch wenn ich in meiner Verwandtschaft ein Einzelgänger bin, will ich dir nachfolgen. Ich will mich zu dir bekennen und mich zu dir stellen, zu dir, dem Gekreuzigten.
Was ist eigentlich in unserer Christenheit geschehen, dass Leute es schon für eine Mission halten, wenn sie den Namen Gottes in den Mund nehmen? Wissen Sie, dass auch die Heiden von Gott reden, sogar die Atheisten?
Gott ist doch nicht das, was wir der Welt verkündigen. Jeder Mensch weiß doch, dass Gott existiert. Wir verkünden, dass Gott seinen Sohn geopfert hat. Das ist die christliche Missionspredigt: dass der Vater sich erbarmt und seine Söhne heimholt. Dies wird besiegelt, indem er das Opfer darbringt, das größer nicht sein kann.
Zeugnis aus Äthiopien: Glaube inmitten von Verfolgung
Erst wenn Sie das erzählen, sind Sie am Punkt, der christliches Zeugnis ist. Mir ist in diesen Tagen ein Bericht in die Hände gefallen, der für viele stehen soll. Er stammt nicht aus dem Osten, sondern aus Äthiopien.
Johannes Hasselhorn, Oberlandeskirchenrat in Hannover und Vorsitzender der Aktion Missionarisches Jahr 1980, erzählt von einem Erlebnis, das er im Frühjahr 1978 in Addis Abeba hatte. Er war zur Predigt in die Mekane-Jesus-Kirche in Addis Abeba eingeladen worden. Am gleichen Sonntag war für den ganzen Tag eine politische Schulung durch die Behörden angesetzt worden. Wer der Aufforderung nicht Folge leistete, sollte streng bestraft werden.
Die erste Frage von Hasselhorn war: Wird überhaupt jemand von den 400 Gemeindegliedern in den Gottesdienst kommen? Es kamen 250, und ein Chor von Schülern und Studenten sang mit großer Freude selbst getextete Lieder. Sie machten sich strafbar, weil sie nicht zur politischen Schulung kamen. Hasselhorn predigte über das Wort vom Kreuz, das eine Torheit ist denen, die verloren werden, uns aber eine Gotteskraft ist.
Nun lese ich aus diesem Bericht: Wochen später, im Jahr 1978, erfuhr ich, dass der ganze Chor von Schülern und Studenten entweder verhaftet, gefoltert oder getötet worden ist. Sie hatten zu den politischen Schulungen ihre Bibel mitgebracht und auf Matthäus 5, Vers 44 hingewiesen: „Liebet eure Feinde!“ Mit der Berufung auf dieses Schriftwort weigerten sie sich, standhaft in die politischen Verdammungsurteile einzustimmen, die im Schulungsprogramm regelmäßig vorgesehen waren.
Die Haltung dieser und vieler anderer Jugendlicher ist die stärkste missionarische Kraft der Kirchen in Äthiopien. Sie haben Glauben gehalten, sie haben das Bibelwort gegen die herrschende Ideologie gesetzt und die Konsequenzen daraus am eigenen Leib getragen.
Um sie brauchen sie sich nicht zu sorgen, sie brauchen kein Mitleiden mehr. Sie sind im Frieden beim Herrn und haben den Weihnachtsfrieden mitten im Tumult geschmeckt.
Die Herausforderung für die Christenheit heute
Ob unsere überfütterte, übersättigte Christenheit in Deutschland, ob wir – liebe Gemeinde – wir jetzt, jetzt reden wir von uns, den Weihnachtsfrieden noch fassen können?
Wir haben ihn nur, wenn wir auch bereit sind, Jesus nachzufolgen und seine Schmach zu tragen. Amen.