Von kindlichen Träumen zur geistlichen Reife
Hattet ihr als Kinder einen Traumberuf? Gab es etwas, das ihr schon als ganz Kleine werden wolltet?
Bei mir war es neben dem üblichen Wunsch, irgendwann einmal Fußballweltstar zu werden – was ja ungefähr die Hälfte der hier Anwesenden wohl auch gedacht hat – noch ein zweiter, etwas speziellerer und außergewöhnlicherer Wunsch: Ich wollte Müllmann werden.
Meine Logik dafür war genauso nachvollziehbar wie typisch kindlich. Ich wollte nämlich das größte Auto in der Stadt fahren. Und von dem Haus meiner Eltern aus war das größte Fahrzeug, das ich sehen konnte, einmal in der Woche das Müllauto.
Als ich dann älter und reifer wurde, habe ich dieses kindliche Denken hinter mir gelassen. Heute kann ich voller Dankbarkeit sagen, dass Gott mir einen Beruf und eine Berufung gegeben hat, die wohl viel mehr meinem Traumberuf entspricht, als es der Beruf des Müllmanns gewesen wäre.
Es ist also gut, dass wir solche wichtigen Entscheidungen wie die Berufswahl nicht im Kleinkindalter treffen, sondern normalerweise erst, wenn wir etwas reifer und klüger sind.
Bei manchen Erwachsenen scheint sich der Reifeprozess jedoch etwas zu verzögern. Genau solchen Menschen schreibt der Apostel Paulus. Er schreibt der Gemeinde in Korinth. Wir haben in den letzten Wochen bereits den Korintherbrief betrachtet und festgestellt, dass Paulus diesen Brief an eine sehr unreife Gemeinde richtet, die offensichtlich Belehrung zu allerlei Themen braucht. Und...
Geistliche Gaben und ihre Bedeutung für die Gemeinde
Nachdem Paulus einige andere Problemfelder angesprochen hat, kommt er nun in den Kapiteln 12 bis 14 auf einen Bereich zu sprechen, in dem sich die Unreife der Gemeinde ziemlich klar zeigt.
So beginnt er diesen Abschnitt in Kapitel 12, Vers 1 mit den Worten: „Über die Gaben des Geistes aber will ich euch, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit lassen.“ Das ist voller Ironie geschrieben, weil er letztendlich andeutet, dass die Korinther ohne das, was er jetzt zu sagen hat, in geistlichen Dingen unwissend wären. Sie haben die geistlichen Dinge noch nicht verstanden.
Deshalb erklärt er nun über drei Kapitel hinweg, was es mit den geistlichen Gaben, den Gnadengaben, auf sich hat. Dabei korrigiert er ein offensichtlich falsches Denken bei den Korinthern. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass es nicht nur darum geht, welche Gaben jemand hat. Das scheint ihnen sehr wichtig gewesen zu sein. Vielleicht hatten sie sogar die Vorstellung, dass man ohne bestimmte Gaben gar kein Christ sein könne.
Paulus erklärt daher gleich zu Beginn, dass wirklich zählt, nicht welche besonderen Gaben wir haben, sondern dass wir den Heiligen Geist besitzen. Und das zeigt sich vor allem im klaren Bekenntnis zum Herrn Jesus Christus. Darum geht es vorrangig.
Im weiteren Verlauf von Kapitel 12, das wir letzte Woche betrachtet haben, erklärt Paulus, dass Gott eine Vielzahl unterschiedlicher Gaben gegeben hat – so, wie er will. Jeder hat Gaben bekommen, aber nicht jeder alle Gaben und nicht jeder dieselben Gaben. Nein, jeder hat bestimmte Gaben erhalten, die er zum Nutzen anderer einbringen soll.
Er betont, dass wir voneinander abhängig sind. Jeder wird mit seinen Gaben gebraucht, und jeder braucht die anderen. So hat Gott uns in lokalen Gemeinden zusammengestellt, damit wir uns mit unseren Gaben gegenseitig ergänzen. Wie verschiedene Glieder an einem Leib sollen wir zusammenleben im einen Leib, Jesu Christi.
Paulus beendet Kapitel 12 mit der Betonung, dass Christen, wenn sie bestimmte Gaben erstreben, nach den größeren Gaben streben sollen. Das steht in Vers 31, der mit den Worten beginnt: „Strebt aber nach der größeren Gabe.“ Hier greift Paulus ein neues Thema auf.
Im weiteren Verlauf von Kapitel 14 erklärt er, dass die größeren Gaben diejenigen sind, die die Gemeinde erbauen. Christen sollen vor allem nach den Gaben streben, die anderen Christen dienen – zur Erbauung im Glauben, zur Ermahnung oder zum Trost, wenn nötig.
Wie gesagt, diese Themen werden wir in den nächsten zwei Wochen weiter betrachten, besonders in Kapitel 14.
Die Liebe als der bessere Weg
Doch bevor Paulus auf das Streben nach größeren Gaben eingeht, hat er den Korinthern etwas noch Wichtigeres zu sagen. So endet er Kapitel 12 mit den Worten: „Strebt nach den größeren Gaben! Und ich will euch einen noch besseren Weg zeigen.“ Genau das tut Paulus dann in Kapitel 13.
Mir ist klar, dass 1. Korinther 13 uns allen wohlbekannt ist. Wir hören diesen Abschnitt normalerweise völlig losgelöst von seinem Kontext. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Paulus bei der Anordnung seiner Schriften irgendwie durcheinandergekommen ist und seine „Hochzeitspredigt“ versehentlich zwischen die Kapitel eingefügt hat, die eigentlich um die Gaben des Geistes gehen.
Ich denke, so wird das oft behandelt. Doch ich hoffe, dass unsere Betrachtung heute hilft zu erkennen, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil: Das, was Paulus in diesem Kapitel sagt, ist von absoluter Zentralität für die Frage nach dem rechten Gebrauch der Gnadengaben.
Deshalb möchte ich uns nun Kapitel 13 genauer anschauen. Ich habe Kapitel 13 in einem kurzen Satz zusammengefasst: Es ist viel besser, nach der Liebe zu streben, die niemals aufhört, als nach besonderen Gnadengaben, die ohne Liebe völlig nutzlos sind. Diese Gaben sind immer nur Stückwerk und werden eines Tages aufhören. Wahre Liebe hingegen bleibt für alle Zeit.
Das ist die große Aussage dieses Kapitels. Es gliedert sich in drei Teile:
In den ersten drei Versen sehen wir die Notwendigkeit der Liebe.
In den Versen 4 bis 7, dem ganz bekannten Mittelteil, lesen wir von der Natur der Liebe.
Am Ende, auf den Teil, auf den wirklich alles in diesem Kapitel zutreibt, zeigt uns Paulus die Überlegenheit der Liebe gegenüber den Gnadengaben.
Das sind die drei Abschnitte, die ich im Folgenden mit uns betrachten möchte.
Die Notwendigkeit der Liebe
Nur die ersten drei Verse
In den ersten drei Versen zeigt uns Paulus die zentrale Notwendigkeit der Liebe, ohne die selbst die spektakulärsten Gnadengaben nutzlos sind. Ich lese uns noch einmal die ersten drei Verse:
Dort schreibt Paulus:
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe mein Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze.“
Gnadengaben wie die Zungenrede, die Prophetie, die Worte der Erkenntnis, die Worte der Weisheit, der Glaube, aber auch Großzügigkeit oder Selbstaufopferung – all diese Dinge wären wertlos, nichts, unnütz, wenn sie nicht mit Liebe einhergehen.
Interessant ist, dass Paulus hier wirklich übertreibt, wenn er die Gnadengaben nennt. Zum Beispiel sagt er: „Wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und hätte alle Erkenntnis und hätte allen Glauben.“ In Vers 9 erklärt er dann später, dass unsere Erkenntnis hier auf Erden immer nur Stückwerk ist.
Auf gut Deutsch sagt er hier: Selbst wenn wir die superduper ultrafantastischen Gaben hätten, mehr als überhaupt möglich ist, und keine Liebe hätten, dann wäre das alles Schall und Rauch, völlig wertlos.
Vielleicht kann ich das mal mit einer Illustration aus meinem Eheleben erklären: Stellt euch vor, ich will meiner Frau in besonderer Weise dienen. Ich komme nach Hause, bringe den Müll raus, wasche die Wäsche und bügle sie, ich wasche alles ab, was an Geschirrfleisch noch da ist, räume das ganze Haus auf, putze die Fenster womöglich sogar und dann lade ich meine Frau in ein Fünf-Sterne-Restaurant ein.
Dann sitzen wir am Tisch, ich greife in meine Jacketttasche, hole eine kleine Box heraus, öffne sie und gebe ihr einen wunderschönen Brillantring. Boah, wäre meine Frau nicht begeistert, würde sie nicht dahinschmelzen?
Ah, kommt drauf an, liebe Katie, es kommt drauf an.
Jetzt stell dir mal vor, ich würde zu dir sagen: „Na ja, das mit dem Haus, dem Saubermachen, das habe ich ja nur gemacht, weil ich dachte, du bist das schwache Geschlecht. Das ist ja offensichtlich, sonst wäre das Haus nicht so ein Dreckloch. Dass ich dich ins Fünf-Sterne-Restaurant einlade, hat einen ganz einfachen Grund: Ich will endlich mal was Vernünftiges essen. Dein Kochen kann ich nicht ausstehen. Und das mit dem Brillantring – nur damit du mich richtig verstehst – passt gut auf das Ding, weil mein Finanzberater gesagt hat, die Aktienkurse gehen nicht bergab, und ich will unsere Finanzen irgendwie retten. Also habe ich das Ding gekauft, weil er meinte, Brillantringe verlieren ihren Wert nicht. Also passt gut auf.“
Alles Schall und Rauch, ohne Liebe. All diese scheinbar großartigen Taten wären nichts, sie wären unnütz, wenn sie nicht durch die Liebe motiviert wären.
Das ist es, was Paulus hier den Korinthern deutlich sagt: All diese Dinge, von denen ihr so wahnsinnig begeistert seid, diese ganzen spektakulären Gnadengaben – ohne Liebe ist das alles nichts.
Ich möchte fragen: Strebst du nach Gnadengaben? Ist es dein Verlangen, eine bestimmte Gabe zu haben, etwas Besonderes zu können, vielleicht etwas Besonderes zu sein? Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber Paulus zeigt hier einen noch besseren Weg: Strebt vor allem und zuerst nach der Liebe.
Die Natur der Liebe
In den Versen 4 bis 7 zeigt uns Paulus die Natur der Liebe. Ich lese diese Verse noch einmal vor, weil ich denke, dass sie zum einen so wunderbar sind und zum anderen so herausfordernd, dass wir sie nicht oft genug hören können.
Die Liebe ist langmütig und freundlich. Sie eifert nicht, treibt nicht Mutwillen, bläht sich nicht auf, verhält sich nicht ungehörig, sucht nicht das Ihre, lässt sich nicht erbittern und rechnet das Böse nicht zu. Sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles.
Mal ganz ehrlich: Wenn wir diese Beschreibung von Liebe hören, müssen wir doch alle eingestehen, dass wir diesem Liebesanspruch oft nicht genügen. Ich weiß das von mir selbst. Ich weiß, dass ich oft nicht geduldig und freundlich bin, dass ich wenig ertrage, manchmal stolz und ungehörig und selbstsüchtig bin. Oft bin ich nachtragend, kleingläubig und werde über Kleinigkeiten schon böse. Ich liebe nicht so, wie Paulus es hier beschreibt, und ich denke, dass es dir da nicht anders geht.
Im Endeffekt sind wir Menschen aus uns heraus nicht in der Lage, so zu lieben. Diese Liebe ist etwas Übernatürliches. Sie kommt von Gott.
Christina hat vorhin aus dem ersten Johannesbrief Kapitel 4 ab Vers 7 vorgelesen. Dort beschreibt der Apostel Johannes die Liebe und erklärt, wo unsere Fähigkeit zu lieben herkommt. Es beginnt mit den Worten: "Lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist von Gott. Wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott." Etwas weiter heißt es: "Denn Gott ist die Liebe."
Dann wird diese Liebe beschrieben mit den Worten: "Darin erschien die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen." Darin besteht die Liebe nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn gesandt hat zur Versöhnung für unsere Sünden.
Ihr Lieben, Gott hat uns so geliebt, so sollten wir uns auch untereinander lieben. Was Johannes hier tut, ist, uns die selbstlose, vollkommen bedingungslose Liebe Gottes für uns Menschen zu zeigen. Er erklärt, dass das die notwendige Grundlage dafür ist, dass wir nun auch so lieben können – bedingungslos und selbstlos. Gott ist dabei das Maß aller Dinge.
Wenn wir diese Verse betrachten, erkennen wir schnell, dass diese Liebe in Reinkultur die Liebe Gottes ist. Nicht aus Liebe hat Gott diese wunderbare Welt geschaffen, nicht nur aus Liebe hat Gott uns Menschen in seinem Ebenbild geschaffen, damit wir Gemeinschaft mit ihm haben und uns an seiner Liebe erfreuen können.
Aber wir haben uns von Gott abgewandt. Haben wir uns so geliebt, wie er uns geliebt hat? Nein, wir haben uns von ihm abgewandt in egoistischer Selbstliebe. Gott hätte jedes Recht gehabt, uns nun uns selbst zu überlassen und von seiner eigenen Liebe für alle Zeit zu trennen, uns von sich zu stoßen.
Aber weil Gott die Liebe ist, hat er unsere Rebellion uns nicht angerechnet. Er hat sich nicht über unsere Rebellion ereifert, sich nicht erbittern lassen und uns nicht verdammt. Gott ist die Liebe, und deshalb ist er langmütig und freundlich. So hat Gott uns nicht verworfen, sondern einen Weg für uns bereitet, damit wir gerettet werden können.
Aufgrund seiner Liebe kam Gott in Jesus Christus zu uns Menschen. In Liebe blähte er sich nicht auf, sondern erniedrigte sich. Er ertrug alles, erduldete alles, bis dahin, dass er sich brutal von Sündern an ein Kreuz nageln ließ. Dort am Kreuz nahm er die Schuld all derer auf sich, die zu ihm kommen und ihn als ihren Retter und Herrn anerkennen.
Aufgrund seiner Liebe rechnete er den Gläubigen ihre bösen Taten nicht zu. In Liebe litt Jesus am Kreuz und hoffte und glaubte an die Verheißungen des Vaters. Aufgrund seiner Liebe hat Gott der Vater seinen Sohn nicht dauerhaft dem Tod überlassen, sondern ihn am dritten Tag von den Toten auferweckt.
Er hat ihn dann wieder zu sich genommen, in seine Gegenwart, damit die Liebe Gottes dort wieder ihre Entsprechung findet. Aber auch dort hat Gott sich nicht in seiner Liebe auf sich selbst zurückgezogen. Nein, in seiner großen Liebe hat Gott der Vater durch den Sohn uns seinen Geist gesandt.
So ist der Heilige Geist nun uns gegeben, damit wir, alle, die Jesus Christus als unseren Herrn kennen, durch den Geist und durch die Gaben des Geistes getröstet, ermutigt, gelehrt, korrigiert und im Glauben erbaut werden.
In der Tat beschreibt die Bibel, dass Gott in seiner Liebe durch den Geist seine Liebe in unsere Herzen ausgegossen hat, sodass wir nun befähigt sind, auch einander zu lieben. Eines Tages, sagt uns Gottes Wort, werden wir hindurchkommen aus dieser nicht immer liebevollen Welt zu ihm hin, zu dem perfekten, liebevollen Gott.
Dann werden wir für alle Zeit mit ihm leben und auch vollkommen lieben können. Denn wir werden in der Gegenwart dessen sein, den wir von Angesicht zu Angesicht sehen werden – den Gott, der so voller Liebe ist, dass Johannes ihn im ersten Johannesbrief Kapitel 4 als "den Gott, der die Liebe ist" beschreibt.
Ihr Lieben, ich hoffe, ihr seht, dass alle Liebe hier auf Erden ihren Ursprung bei Gott findet. Wenn du diese Worte hörst und nicht sicher bist, ob du diese tiefe, ewige, selbstlose und bedingungslose Liebe erlebt hast, dann nimm eine Bibel zur Hand und lies. Lass dir die Augen öffnen und erkenne Gott, den Gott, der die Liebe ist.
Erfahre, was es bedeutet, wahrhaft bedingungslos geliebt zu sein. Wende dich dem Herrn Jesus Christus zu und erfahre diese einzigartige Liebe. Erst wenn wir das erfahren und erlebt haben, werden wir befähigt, selbst so zu lieben.
Die Überlegenheit der Liebe gegenüber den Gnadengaben
Und, ihr Lieben, ich glaube, uns allen ist klar, wenn wir das betrachten und die Liebe Gottes bedenken, dass das ein viel besserer Weg ist. Es ist noch viel erstrebenswerter als alle Gnadengaben.
Genau das erklärt Paulus in den Versen 8 bis 13, denen wir uns noch zuwenden wollen. In den Versen 8 bis 10 zeigt uns Paulus die Überlegenheit der Liebe. Ich lese uns diese Verse noch einmal ab Vers 8 vor:
„Die Liebe hört niemals auf. Wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber das Vollkommene kommen wird, so wird das Stückwerk aufhören.“
Paulus zeigt hier, dass die Gnadengaben nicht für die Ewigkeit bestimmt sind. Sie sind nicht vollkommen, sie sind Stückwerk, und sie werden aufhören. Aber die Liebe hört niemals auf.
Diese Verse, in denen es darum geht, dass bestimmte Gnadengaben eines Tages aufhören werden, geben immer wieder Anlass zu Diskussionen, teilweise zu sehr hitzigen Diskussionen. In der Tat gehe ich davon aus, dass vielleicht einige von euch bei dem ganzen Kapitel eigentlich nur darauf gewartet haben, dass ich jetzt zu diesem Thema etwas sagen werde.
Ganz ehrlich: Bei der Vorbereitung dieser Predigt war ich versucht, einen längeren theologischen Exkurs einzubauen und auf diese Frage im Detail einzugehen. Ich hätte zeigen wollen, dass diese ganze Thematik wirklich sehr komplex ist – viel komplexer, als oft von den beiden Extremseiten in dieser Diskussion eingestanden wird und vielleicht auch erkannt wird. Ich war immer geneigt, eine möglichst differenzierte Betrachtung zu bringen.
Dann wurde ich an meinen biblischen Auftrag erinnert. Ich denke, der biblische Auftrag, den ich habe, ist der, den Paulus an Timotheus im 2. Timotheusbrief Kapitel 4 gibt. Er ist ganz einfach: Predige das Wort.
Paulus fährt fort und sagt: Steh dazu, es sei zur Zeit oder zur Unzeit. Weise zurecht, ermahne mit aller Geduld und Lehre. Keine Anfeindung. Ich lese einfach nur weiter:
„Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Gelüsten werden sie sich selber Lehrer aufladen, nach denen ihre Ohren jucken; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zuwenden.“
Dann sagt Paulus, und das ist wichtig: „Du aber sei nüchtern in allen Dingen, leidewillig, tu das Werk eines Predigers des Evangeliums, richte dein Amt redlich aus.“
Getreu diesem Auftrag muss ich feststellen, dass Paulus in diesem Abschnitt nicht die Absicht hat, uns zu erklären, wann welche Gnadengaben aufhören werden. Darum geht es ihm hier nicht.
Wenn ich Gottes Wort predige, dann werde ich nur über das reden, was hier steht. Was hier steht, ist schlicht und ergreifend: Die Gnadengaben werden eines Tages, wann auch immer, aufhören. Eines Tages wird es vorbei sein. Aber die Liebe nicht. Die Liebe bleibt für alle Zeit.
Paulus will uns hier letztendlich eines zeigen: Die Liebe ist größer, überlegen, ein noch besserer Weg als alle Gnadengaben.
Deshalb möchte ich nicht darüber spekulieren, wann sie aufhören, und uns dann von dem wegführen, was Gott uns hier eigentlich sagen will. Das Spekulieren will ich denen überlassen, die darin begabter sind als ich.
Ich möchte mich auf das konzentrieren, was Paulus hier sagt.
Und ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich glaube nicht, dass Paulus hier in irgendeiner Weise etwas gegen Gnadengaben hat. Im Gegenteil, Paulus findet Gnadengaben großartig. Er freut sich darüber und ist Gott dankbar für die wunderbaren Gaben, die Vielzahl der Gaben.
Es ist gut, nach diesen Gaben zu streben. Es ist gut, diese Gaben zu haben, wenn sie denn zum Wohle der Gemeinde eingebracht werden.
Das Problem in Korinth war nicht die Gnadengaben, sondern der Umgang damit.
So ruft Paulus die Korinther dazu auf: Werdet erwachsen und strebt nach dem, vor allem nach dem, was viel besser ist, was bei weitem besser ist und wirklich ewig Bestand hat – strebt nach der Liebe.
Erwachsenwerden im Glauben: Liebe als Lebensstil
Genau das erklärt Paulus dann in den Versen 11 bis 13. Er sagt: „Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind, aber klug wie ein Kind. Als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
In Vers 11 sagt Paulus, es ist ganz legitim, dass ein Kind kindlich denkt und kindlich redet. Aber wir sollten das Kindliche hinter uns lassen, wenn wir erwachsen werden. Das heißt: Wenn ich als kleiner Junge davon geträumt habe, irgendwann mal ein Fußballweltstar zu werden, obwohl meine fußballerischen Fähigkeiten eher mittelmäßig sind, dann ist das okay. Aber wenn ich heute, mit 41 Jahren, sagen würde: „Mein Traumberuf, mein Ziel ist es, irgendwann mal ein Fußballweltstar zu werden“, dann würden viele sagen: „Matthias, komm mal klar, werde erwachsen!“
Wenn ich sagen würde, mein Traumberuf sei Müllmann zu werden, nur weil ich endlich mal ein großes Auto fahren will, würden mich manche mitleidig belächeln und sagen: „Junge, das ist kindisch!“ Die Kinder hatten eine falsche Begeisterung für spektakuläre Gnadengaben. Sie gingen offensichtlich so mit ihnen um wie Kinder mit ihrem Spielzeug: „Das ist meins, das kriegst du nicht!“ Paulus hat ihnen schon gesagt: „Das ist nicht für dich, das ist zum Wohle anderer.“
Er fordert sie auf, sich nicht stolz auf die Dinge zu setzen, die Gott ihnen gegeben hat. Stattdessen sollen sie diese Gaben einbringen und nicht nur auf sich selbst bedacht sein, sondern an die anderen denken und in Liebe leben. Außerdem warnt Paulus davor, die Gaben zu überbewerten. Eines Tages wird all das aufhören. Selbst die Gaben der Erkenntnis, die Prophetie und all diese Dinge sind nicht vollkommen.
Das ist es, was Paulus hier erklärt: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, wir kennen nur stückweise.“ Das ist gut, aber es ist nicht so grandios, wie manche denken. Wenn ihr wirklich erwachsen seid und echtes Verständnis habt, dann strebt vor allem nach dem, was für alle Zeit bleibt: Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Das ist meine Herausforderung für uns. Wie steht es um uns? Haben wir diese Liebe? Die Bibel nennt viele Bereiche, in denen Liebe geübt werden soll und uns kennzeichnen soll. Wir sollen unsere Feinde lieben und die Nächsten lieben. Wir sollen Gott lieben und unseren Ehepartner in der Ehe so lieben, wie Christus die Gemeinde liebt. Ja, wir sollen einander lieben in der Gemeinde. Diese Form der Liebe wird in der Bibel öfter erwähnt als alle anderen.
Ich denke, genau das hat Paulus hier im Blick: Es geht um die Gemeinde, um das Zusammenleben in der Gemeinde. Deshalb möchte ich uns herausfordern: Lasst uns danach streben, in unserer tätigen Liebe füreinander so zu leben, dass dies zum großen Erkennungszeichen der FWG München Mitte in dieser Stadt wird. Dass die Menschen sagen: „In der FWG München Mitte haben die Menschen eine Liebe füreinander, die deutlich macht, dass sie den Gott der Liebe kennen und ihm nachfolgen.“
So wie Jesus betet, möchte auch ich beten, dass jedermann an unserer Liebe erkennen möge, dass wir seine Jünger sind. Konkret heißt das, dass wir auf Menschen, die neu hierherkommen und vielleicht noch nicht so geliebt werden, weil sie noch keine Beziehung haben, zuerst zugehen. Unsere Liebe soll sich nicht nur auf fünf oder sechs Leute konzentrieren, mit denen wir jede Woche zusammen sind und die wir besonders gut kennen.
Vielmehr sollten wir ganz bewusst die verschiedenen Glieder in der Gemeinde annehmen. Gerade auf diejenigen zugehen, die uns vielleicht fremd sind oder anders erscheinen. Zeigen wir gerade diesen Menschen unsere Liebe, denn sie haben es am nötigsten.
Lasst uns in Liebe miteinander umgehen und nicht auf das pochen, was uns dient oder uns vielleicht zusteht. Vielmehr sollten wir selbstlos darauf achten, was den anderen dient, was gut für die Gemeinde als Ganzes ist oder was der eine oder die andere im Moment braucht. Lasst uns einander bedingungslos und selbstlos lieben, gerade weil wir wissen, dass Gott uns so liebt – bedingungslos und selbstlos.
Wir können gerne später noch darüber diskutieren, wann welche Gnadengaben aufhören. Ich gehe nachher wieder ins Marianne und bin ab 21:30 Uhr gerne bereit, mit euch über diese Dinge zu reden. Auch darüber, was Paulus genau meint, wenn er sagt: „Strebt nach den größeren Gaben“, obwohl er doch vorher dreimal betont hat, dass Gott die Gnadengaben so verteilt, wie er will. Das sind interessante Diskussionen.
Aber lasst uns vor allem darauf achten, dass unser Miteinander von Liebe geprägt ist. Ich denke, dann werden wir alle unsere Gaben, inklusive unserer jeweiligen Erkenntnis, so einsetzen, wie Gott es will – zum Wohle aller, in Demut.
Persönliche Einladung zum Wachstum in der Liebe
Lass mich zum Abschluss noch eins sagen: Ich weiß, dass ich gut darin bin, manchmal Predigten besonders für andere zu hören. Ich höre die Predigt und denke: Mensch, das ist gut, dass der das mal gesagt bekommt. Der brauchte das heute, das war hilfreich. Ich habe mir das schon immer mal für den gewünscht.
Also, diese Predigt heute ist nicht eine solche Predigt, okay? Diese Predigt ist für dich ganz persönlich, weil ich denke, dass wir alle noch Wachstumspotenzial in diesem Bereich haben.
So möchte ich dich, ich möchte jeden Einzelnen einladen, jetzt noch einmal auf die Verse 4 bis 7 zu hören. Ich möchte dich einladen, vielleicht ganz still Gott zu bitten, dir zu helfen, immer erwachsener im Glauben und immer reifer zu werden.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern. Sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Lieber Vater, danke, dass du uns so geliebt hast. Danke, dass du dich unserer erbarmt hast, als wir uns aus deiner Liebe davongemacht haben und uns ganz egoistisch auf uns selbst konzentriert haben, in Selbstliebe dich ausgeblendet haben.
Herr, danke, dass du uns nicht verworfen hast, sondern dass du in deiner großen Treue und Geduld zu uns gekommen bist, in Jesus Christus. Danke, dass du dich so erniedrigt hast und für uns am Kreuz gestorben bist. Danke, dass du unsere Schuld uns nicht anrechnest, sondern dass wir deine Liebe erfahren dürfen.
Ja, danke, dass du sie uns, wenn wir denn an dich glauben, in unsere Herzen ausgegossen hast durch deinen Geist. Herr, so wollen wir dich bitten: Nimm immer mehr Raum in uns ein. Hilf uns, immer mehr voller Liebe zu sein in unserem Miteinander und in unserer Beziehung zu dir.
Herr, ich bete für die unter uns, die dich noch nicht kennen. Herr, lass sie erfahren, was es heißt, wahrhaft bedingungslos geliebt zu sein. Herr, und hilf uns allen, uns immer wieder daran zu erinnern und davon bewegt und berührt zu sein.
Und hilf uns immer mehr, umgestaltet zu werden, hinein in dein Ebenbild, dass wir immer mehr so werden wie du, denn du bist die Liebe. Amen.