Herr Präsident! Sie haben bereits in der Einladung gehört, dass es heute um das Thema Ausländer gehen soll. Ich habe dieses Thema ganz bewusst ausgewählt, denn zurzeit gibt es in der deutschen Innenpolitik fast nur eine Thematik: Ausländer und Asylanten.
Nach den Vorfällen von Hoyerswerda und anderen Orten beschäftigt viele Menschen die Frage, ob die Rechtsradikalen mit ihren Slogans Recht haben. Slogans wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ werden laut. Auf der anderen Seite vertreten die Liberalen die Ansicht, dass Deutschland ein multikulturelles, offenes Land ist. Es stehe jedem offen, der kommen will. Doch gibt es nicht auch einen Mittelweg zwischen diesen beiden Positionen?
Als ich gestern Morgen in einem Laden in Käferthal hier im Stadtteil einkaufen wollte, lag an der Theke eine Liste aus, auf der man sich eintragen konnte. Diese Liste war von den Republikanern aufgelegt worden mit dem Titel „Gegen die Asylantenflut“. Die Ladenbesitzerin ist offensichtlich dort engagiert. Die Stimmung in unserem Land ist gereizt, und wir wissen nicht, wie alles noch weitergehen wird – trotz der eindringlichen Appelle der Politiker.
Wie sollen wir uns nun als bewusste, engagierte Christen in dieser angespannten Lage verhalten? Und was sagt die Bibel zum Thema Ausländer? Kann sie uns weiterhelfen? Ich meine, dass die Bibel Antworten auf viele Fragen unseres Lebens gibt und auch Richtlinien enthält, die für diese Thematik relevant sind.
Ich persönlich habe vielleicht von uns allen das größte Interesse an diesem Thema Ausländer, weil ich schließlich mit einer Ausländerin verheiratet bin. Zwar werden Österreicherinnen in unserem Volk nicht so negativ angesehen wie Türkinnen oder Afrikanerinnen, aber wer weiß, vielleicht schlägt das auch noch um – gegen die Österreicher. Und da hätte ich dann schon ein persönliches Interesse, dass das nicht geschieht. Aber auch nicht gegen andere Nationalitäten.
Alttestamentliche Perspektiven auf Fremdlinge
Wir wollen zunächst einen Blick ins Alte Testament werfen und die Stelle noch einmal aufschlagen, die Helmut vorhin zu Beginn gelesen hat. Es handelt sich um das fünfte Mosebuch, Kapitel 10. Ich nenne immer die Seitenzahl dazu: Fünftes Mose, Seite 198 im Alten Testament, Verse 16 bis 19.
Dort sagt der Herr zu seinem Volk Israel: „So beschneidet nun eure Herzen und seid nicht halsstarrig! Denn der Herr, euer Gott, ist der Gott aller Götter und der Herr über alle Herren, der große Gott, der mächtige und der schreckliche, der die Person nicht ansieht und kein Geschenk nimmt. Er schafft Recht den Weisen und Witwen und hat die Fremdlinge lieb.“
Wir würden heute sagen, er hat die Ausländer lieb. Das Wort „Ausländer“ kommt in der Bibel nicht vor, aber das Wort „Fremdling“. Das meint hier ganz eindeutig den Ausländer. Er hat die Fremdlinge lieb, sodass er ihnen Speise und Kleider gibt. Darum sollt auch ihr die Fremdlinge lieben, denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen im Ägyptenland.
Ein klares Wort an Israel, die Ausländer in den eigenen Reihen lieb zu haben. Sie sollen nicht nur zähneknirschend erduldet werden, sondern man soll sie wirklich lieb haben und sich daran erinnern: Ihr seid auch mal Fremdlinge gewesen.
Vielleicht kennen manche von euch diesen Satz: Jeder ist Ausländer fast überall. Wir sind nur hier in Deutschland keine Ausländer, aber in den anderen über zweihundert Ländern der Erde sind wir alle Ausländer. Jeder ist Ausländer fast überall auf dieser Welt. Nur hier innerhalb dieser Grenzen sind wir keine.
Und darum, wenn wir uns das bewusst machen, sollen wir die Fremdlinge, die Ausländer, lieb haben.
Lasst uns ein paar Kapitel weiterblättern, in das 5. Mosebuch, Kapitel 14, Vers 29, Seite 203: „Dann soll kommen der Levit, der weder Anteil noch Erbe mit dir hat, und der Fremdling und die Waise und die Witwe, die in deiner Stadt leben, und sollen essen und sich sättigen, auf dass dich der Herr, dein Gott, segne in allen Werken deiner Hand, die du tust.“
Der Fremdling in deiner Stadt soll essen und sich sättigen, sagt Gott zu seinem Volk Israel. Fremdlingen soll Barmherzigkeit widerfahren, sie sollen keinen Hunger leiden.
Wir bleiben noch im fünften Mosebuch, Kapitel 24, Vers 17, Seiten 212 und 213: „Du sollst das Recht des Fremdlings und der Waise nicht beugen und sollst der Witwe nicht das Kleid zum Pfand nehmen.“
Es wird ausdrücklich gesagt, dass das Recht des Fremdlings nicht gebeugt werden darf. Es war streng verboten in Israel. Er war unter dem Schutz Gottes.
Gott ist in besonderer Weise ein Gott der Witwen, der Waisen und auch der Fremdlinge – gerade der sozial Schwächsten, die die meiste Hilfe bedürfen. Deren nimmt sich Gott besonders an.
Eine Stelle, die wir nicht aufschlagen wollen, ist 3. Mose 24. Dort wird auch gesagt, dass dem Fremdling gleiches Recht wie dem Israeliten zugebilligt werden soll von dem Volk Israel.
Soweit dieser Blick in das alttestamentliche Gesetz.
Noch ein kurzer Blick in die Propheten, in Jeremia Kapitel 7. Diese Stelle wollen wir noch aufschlagen. Dort wird uns ebenfalls ein wichtiges Wort zur Ausländerthematik gesagt. Jeremia 7, Seite 726, Verse 5-6:
„Bessert euer Leben und euer Tun, dass ihr Recht handelt einer gegen den anderen und keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, keine Gewalt gegen Ausländer, Waisen und Witwen, und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort und nicht an anderen Göttern nachlauft, zu eurem eigenen Schaden.“
Keine Gewalt gegen Ausländer! Dieses Wort haben die Menschen in Hoyerswerda und an vielen anderen Orten, auch hier in den alten Bundesländern, nicht bedacht, als sie sich erregten und diese Menschen bedrängten.
Es gibt noch viele weitere Stellen, auch in den Propheten, die wir jetzt nicht alle aufschlagen wollen. Wir sehen jedoch eine klare Linie schon im Alten Testament: Rücksicht und Barmherzigkeit gegenüber den Ausländern in unserem Land.
Neutestamentliche Erweiterungen und Herausforderungen
Einen zweiten Gedankengang finden wir auch im Neuen Testament zum Thema Ausländer. Im Neuen Testament haben wir eine etwas andere Situation. Im Alten Testament stand das Volk Israel als das Volk Gottes des Alten Bundes im Mittelpunkt. Alle anderen Nationen wurden nur aus der Sicht Israels betrachtet. Im Alten Testament geht es ganz zentral um Israel, und wenn andere Völker vorkommen, dann immer aus der Perspektive Israels.
Mit Jesu Kommen, mit seinem Leiden, Sterben und Auferstehen für diese ganze verlorene Welt, rücken immer mehr die Völker, alle Nationen, ins Blickfeld des Geschehens. Übrigens finden wir bei Jesus selbst keine Spur von Fremdenhass. Er begegnete allen Menschen mit gleichbleibender Liebe und Güte.
In seiner Rede vom Weltgericht hören wir, dass Jesus sagt: „Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt.“ Jesus selbst war als kleines Kind auch ein Fremdling. Seine Eltern mussten nach Ägypten fliehen, ins Ausland. Dort war er auf die Hilfe und Toleranz der Menschen angewiesen.
In dieser Rede lobt Jesus diejenigen, die Fremdlinge beherbergen. Wenn die Frage kommt, wo man ihn als Fremdling gesehen hat, überträgt Jesus das auf unsere Mitmenschen und sagt: „Was ihr einem unter diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Wenn wir den Ausländern gegenüber wohlgesonnen sind, tun wir das ebenso dem Herrn.
Als sich Jesus von seinen Jüngern verabschiedete, sandte er sie auch zu den Ausländern, von Israel aus in die benachbarten Länder und bis an die Enden der Erde. Er sagt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, welcher auf euch kommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“
Zunächst jedoch hatten die Apostel, die alle ohne Ausnahme Juden waren, eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Verantwortung für andere Völker. Für sie galt zunächst das Wort: So sehr hat Gott Israel geliebt. In ihrem Denken stand Israel, das auserwählte Volk, im Mittelpunkt. Ihnen war anvertraut, was Gott geredet hat, ihnen wurde das Alte Testament gegeben. Sie sahen die Völker noch nicht.
Dann musste Gott eine Verfolgung zulassen, die die Jünger aus ihrem warmen Nest warf. Erst danach machten sie sich auf den Weg. So begann auch die Ausländermission. Philippus evangelisierte unter den Samaritanern. Er war eigentlich der Erste, von dem berichtet wird, dass er eine konsequente Ausländermission begann. Er ging nach Samaria. Jesus hatte diese von den Juden verachtete Volksgruppe immer wieder aufgewertet, schon vor seinem Leiden und Sterben.
Ich denke an die Frau am Jakobsbrunnen, der er in wunderbarer Weise begegnet ist – eine Samariterin. Wir würden heute sagen, das war eine Türkin. Für die Juden damals war sie so fremd wie für viele Menschen heute eine Türkin. Für mich ist eine Türkin genauso ein Mensch wie eine Deutsche – darauf komme ich gleich noch zurück. Damals jedoch gab es zwischen Juden und Samaritanern eine große rassische Kluft. Die Samariter wurden verachtet, und Jesus wandte sich dieser Frau wunderbar zu.
Im Gleichnis hilft der barmherzige Samariter einem Menschen, der unter die Räuber gefallen ist, nachdem zwei Juden vorbeigegangen waren. Wir sehen, wie Jesus immer wieder die Samariter aufwertete und den Ausländern einen hohen Stellenwert gab. Philippus evangelisierte nun unter diesen Samaritanern, und Gott schenkte dort eine Erweckung. Es entstand eine Gemeinde, viele Menschen kamen zum Glauben.
Als dann die sogenannten Heiden an der Reihe waren, wurde es für die Juden noch schwieriger. Die Samaritaner kannten wenigstens noch das Alte Testament, sie waren so etwas wie Halbjuden. Aber als es richtig an die Heidenmission ging, also an hundertprozentige Ausländer, war das für die Juden eine noch größere Herausforderung.
Wir wollen einmal lesen, was sich Gott einfallen lassen musste, um Petrus in Bewegung zu bringen, auch Ausländern das Evangelium zu predigen. Apostelgeschichte 10 berichtet davon. Das ist Seite 153 im Neuen Testament, im hinteren Teil der Bibel.
Dort wird erzählt von einem römischen Hauptmann namens Cornelius, der in Caesarea lebte. Er war gottesfürchtig, betete, gab Almosen und war ein suchender Mann. Während er betete, schenkte Gott ihm eine Vision. Er sah einen Engel, der ihm sagte, er solle nach Joppe (das heutige Jaffa in Israel) gehen und dort Simon Petrus holen lassen, den er überhaupt nicht kannte.
Am nächsten Tag betete Petrus auf einem Dach in Joppe, als auch er eine Vision erhielt. Er sah ein Gefäß mit unreinen Tieren – Schlangen, Reptilien und kriechende Tiere –, die für die Juden völlig unrein waren und die sich ein Jude nie anzurühren getraut hätte. Dann hörte er eine Stimme: „Schlachte und iss!“ Petrus antwortete: „Oh nein, ich habe noch nie etwas Unreines gegessen.“ Die Stimme wiederholte dies dreimal: „Schlachte und iss!“ Dann wurde das Gefäß wieder in den Himmel gezogen.
Petrus wachte auf, verstand zunächst nichts und bewegte das Gesicht. Dann klopfte es an der Tür. Draußen standen Männer von Cornelius und sagten, sie sollten Petrus zu ihm rufen, denn ihr Herr habe gesagt, sie sollten ihn holen.
Am nächsten Tag kam Petrus nach Caesarea. Dort war Cornelius mit vielen Freunden und Verwandten versammelt, die er eingeladen hatte. In Apostelgeschichte 10, Verse 28 und 29 lesen wir: „Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden, mit einem Ausländer umzugehen oder zu ihm zu kommen. Aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen meiden oder unrein nennen soll.“ Petrus hatte das verstanden.
Er sagt weiter: „Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.“ Cornelius erzählt daraufhin von seiner Vision.
In Vers 34 und 35 lesen wir: „Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht, keine Unterschiede macht, sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.“
Gott macht also keine Unterschiede zwischen Rassen, Nationalitäten oder Kulturen. In jedem Volk ist derjenige, der Gott fürchtet und Recht tut, ihm angenehm. Das ist ein wichtiger Vers, ein Merkvers. Wenn ich das unseren Wegfindern erzählt hätte, hätte ich gesagt, den wollen wir auswendig lernen: „Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.“
Dann predigt Petrus diesen Menschen vom Kreuz und der Auferstehung, von der Liebe Gottes in Christus. In Vers 44 lesen wir die wunderbare Antwort Gottes: „Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten. Diese Menschen wurden gläubig, wurden getauft und zur Gemeinde hinzugetan.“
Großartiges Wirken Gottes im Haus des Cornelius! Zum ersten Mal kommen reine Heiden, Ausländer, zum Glauben. Wir haben gesehen, wie schwer sich Petrus tat und welche Dinge sich Gott einfallen lassen musste, um diese rassischen und kulturellen Schranken zu überwinden. Petrus wäre von sich aus nie dorthin gegangen. Gott musste zwei Visionen gebrauchen, um Petrus über diese Hürden zu helfen. Wie barmherzig ist unser Herr!
Bei der Vorbereitung habe ich mich gefragt: Sind in meinem Herzen noch Hürden gegenüber Ausländern? Habe ich Vorurteile, weil der eine nach Knoblauch riecht, der andere nach Kümmel, weil sie sich anders kleiden oder eine andere Hautfarbe haben? Wie leicht kultivieren wir Vorurteile gegen Menschen, nur weil sie anders sind!
Das ist für uns eine Herausforderung: mit Menschen zusammenzuleben, die eine ganz andere Kultur und vielleicht eine andere Religion haben – vor allem Moslems, die ganz verschieden von uns sind. Aber diese Hürden will Gott uns überwinden helfen. Er möchte, dass wir erkennen: Es ist ein Mensch, den Gott mit gleicher Liebe liebt wie mich.
Als diese ersten Heiden gläubig wurden, war der Bann gebrochen. Petrus blieb zwar in erster Linie der Apostel der Juden, aber bald entstand die erste heidenchristliche Gemeinde in Antiochien, im heutigen Syrien. Wenig später zogen Paulus und seine Mitarbeiter in alle Länder aus. Weltmission begann bis an die Enden der Erde.
Ich sage noch einmal: Nationalität, Kultur und Religion spielten keine Rolle mehr. Was zählte, war: Gott macht keinen Unterschied, er liebt alle Menschen. Friedrich von Bodelschwing sagte: Kein Mensch geht über diese Erde, den Gott nicht liebt. Ich habe also noch nie einen ungeliebten Zuhörer gehabt, auch heute nicht. Wir sind alle mit gleicher Liebe von Gott geliebt.
Jesus hat alles für alle getan. Er starb auch für Zailonesen, für Angolaner, für Eskimos und für Deutsche – für jede Nation. Er hat alles für alle getan. Darum müssen alle die Botschaft hören.
Paulus schrieb an die Römer: „Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen. Ich habe allen etwas zu bringen, nämlich das Wichtigste: das Evangelium von der Liebe Gottes in Christus.“
Die heutige Situation und christliche Verantwortung
Damit bin ich bei meinem dritten und letzten Punkt heute Morgen: Wir Christen heute und die Ausländer.
In Deutschland leben zurzeit circa 4,5 Millionen Ausländer. Ein Drittel davon sind Türken, also etwa anderthalb Millionen. Bekanntlich ist Berlin mit seinen über 100.000 Türken nach Istanbul, Izmir und Ankara die viertgrößte türkische Stadt. Besonders in Kreuzberg und anderen Stadtteilen leben mehr als 100.000 Türken.
In Calw hier in Baden-Württemberg beträgt der Ausländeranteil 60 Prozent. Ich weiß nicht genau, wie es in Mannheim aussieht, aber auch dort ist der Ausländeranteil recht hoch, wenn auch nicht so hoch wie in Calw. Ebenso gibt es in Herrenberg, Sindelfingen und rund um Daimler-Benz einen sehr hohen Ausländeranteil.
Woher kommen die Ausländer? Man hat Arbeitskräfte geholt, aber es kamen Menschen. Es kamen nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch andere Menschen. In den sechziger Jahren, in Zeiten des steilen Wirtschaftswachstums, wurden sie geholt, weil man sie brauchte. Wir wissen ja, welche Arbeiten sie weitgehend in unserem Land verrichten.
Die hohe Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung ist zunächst eine menschliche Herausforderung für uns. Jeder Ausländer ist ein Mensch mit dem unbestreitbaren Recht, von uns voll anerkannt und geachtet zu werden, ja sogar geliebt. Die Bibel sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Darum möchte ich eindringlich an uns appellieren, dass wir uns nicht von den ausländerfeindlichen Parolen der Rechtsradikalen mitreißen lassen, egal aus welcher Ecke sie auch kommen. Es gibt folgende Vorurteile: Ausländer nehmen Arbeitsplätze weg, Ausländer nehmen deutschen Frauen weg, Ausländer nehmen Wohnungen weg. Aber das stimmt so nicht.
Von wegen „nehmen deutschen Frauen weg“: Es heiraten viel mehr deutsche Frauen ausländische Männer als umgekehrt. Wir nehmen den Ausländern eher die Frauen weg, so wäre es richtig formuliert. Auch das Argument „nehmen Arbeitsplätze weg“ ist zu hinterfragen. Welche Arbeiten machen denn meistens die Ausländer in unserem Land? Wie viele Leute sind bei der Müllabfuhr beschäftigt oder verrichten andere Arbeiten, die kaum ein Deutscher tun will?
Was Wohnungen betrifft, mag ein Teil der Kritik stimmen. Aber man muss sich mal im Jungbusch die Ausländerwohnungen ansehen. Da will kaum ein Deutscher wohnen, weil sie dort oft zusammengepfercht sind.
Ausländer sind Moslems, Ausländer sind Hindus, Ausländer haben andere Religionen – aber das spielt keine Rolle. Sie sind Menschen wie wir. Sie sind in unser Land gekommen, teilweise weil sie verfolgt wurden – politisch oder menschlich. Teilweise kamen sie auch einfach, weil unser Wohlstand ein Anreiz war. Das ist ganz klar.
Ich will hier nicht dafür eintreten, dass wir jetzt grenzenlos Menschen in unser Land holen sollten. Unsere Politiker müssen Wege finden, um diesem Wohlstandstrend einen Riegel vorzuschieben. Es darf nicht sein, dass nur Leute kommen, um in ein paar Jahren unseren deutschen Wohlstand zu genießen. Das geht auf Dauer nicht, das ist klar. Es müssen richtige Wege gefunden werden.
Aber die Ausländer, die hier sind, haben Anspruch auf unsere Mitmenschlichkeit und auf unsere menschliche Zuwendung. Ausländer unter uns sind nicht nur eine menschliche, sondern für uns Christen auch eine missionarische und geistliche Herausforderung.
Viele Ausländer kennen die Bibel nicht. Sie hatten in ihrem Herkunftsland oft nie die Möglichkeit, die Bibel kennenzulernen. Wenn sie aus der Türkei oder anderen Ländern kommen, hatten viele nie die Chance, das Evangelium so zu hören, dass sie zu einer persönlichen Glaubensentscheidung für Jesus hätten kommen können.
In vielen Ländern werden Christen sogar verachtet oder verfolgt. Nun sind diese Menschen aus verschiedenen Gründen hierher gekommen, in das sogenannte christliche Deutschland. Und das Erste, was sie oft erleben, ist eine bittere Enttäuschung. Sie erleben häufig ein völlig unglaubwürdiges Christentum.
Ich will ein Beispiel bringen: Ein eritreisches Ehepaar klagte, dass sie achtzehnmal im Gottesdienst waren, aber niemand ihnen auch nur die Hand gegeben oder ein Wort mit ihnen gesprochen hat.
Wie hätten wir heute Morgen reagiert, wenn eine türkische Familie, oder schwarze Menschen aus dem Senegal oder anderen Ländern, zu uns in den Gottesdienst gekommen wären? Hoffentlich hätten wir uns gefreut, dass diese Menschen kommen.
Ich habe schon manches Mal Kontakt mit Türken vorne auf dem Sand gehabt, weil das mein Verteilgebiet ist. Ich versuche, in Kontakt zu kommen, und habe auch schon Türken hierher eingeladen. Vielleicht kommt eines Tages der Erste. Das ist natürlich eine große Schwelle für sie.
Aber wenn ein Türke kommt, hoffe ich, dass er keine abfälligen Blicke bekommt. Hoffentlich begegnen wir ihm genauso herzlich wie Gästen aus Leverkusen oder anderen Orten.
Kein Wort gesprochen, nicht einmal die Hand gegeben – das darf nicht sein. Im Gegenteil: Wir wollen uns freuen und versuchen, gleichmenschliche Kontakte zu diesen Menschen zu knüpfen.
Ein Türke sagte mir im Gespräch Folgendes: „Hört doch bitte auf, uns missionieren zu wollen. Missioniert zuerst euer eigenes, so durch und durch unsittliches Volk. Wir Türken sind doch längst nicht so verkommen wie ihr Deutschen, und unser Glaube bestimmt viel mehr unser Alltagsleben als der eure.“
Das war sein Eindruck, nachdem er einige Jahre hier gelebt hatte.
Wir müssen diese Menschen verstehen. Sie lernen ja überwiegend Namenschristen kennen – Menschen, die zwar in irgendeiner Kartei einer Kirche geführt werden, aber weitgehend keine lebendige Beziehung zu Christus haben.
Sie lernen sie kennen im Alltag, im Berufsleben, wie sie mit Ellbogen kämpfen, wie sie Ausländer vielleicht prellen und in die Ecke drängen. Sie lernen die Ehen und Familien der Deutschen kennen, sie lernen sie in ihrem Umfeld kennen. Dann sind sie enttäuscht. Oft werfen sie dann das Christentum mit über Bord, obwohl sie vielleicht nie echte Christen kennengelernt haben.
Konkrete Möglichkeiten christlichen Engagements
Zum Schluss möchte ich noch einige konkrete missionarische Möglichkeiten aufzählen, die wir hier vor Ort haben – sei es in Käferthal, auf dem Waldhof oder in der Stadtmitte. Wir haben ganz konkrete Chancen, unter Ausländern missionarisch tätig zu sein.
Das Erste und Wichtigste, was wir für Ausländer in unserer Stadt tun können, ist für sie zu beten. Hat das Gebet auch für die ausländischen Mitbürger in unserer Gebetszeit einen festen Platz? Auch am Freitagabend im Gebetskreis haben wir bisher vielleicht noch zu wenig für die Ausländer unter uns gebetet. Das sollten wir unbedingt ändern.
Außerdem sollten wir missionarische Schriften für Ausländer bereithalten. Jeder von uns sollte ein paar Traktate in türkischer Sprache, jugoslawischer oder italienischer Sprache – denn das sind wohl die Hauptgruppen der Ausländer hier – zu Hause oder im Auto haben. Im Keller gibt es eine ganze Reihe von Schriften für Ausländer, die ihr euch gerne mitnehmen könnt.
Es gibt auch die Südosteuropa-Mission und andere Missionswerke, die eine große Auswahl an Literatur in vielen Sprachen anbieten. Im Literaturbus der Südosteuropa-Mission sind über 160 Sprachen vertreten. Zudem gibt es Kalender in vielen Sprachen, die gerade jetzt zum Jahreswechsel eine große Möglichkeit bieten. Wenn ihr Ausländer in eurer Nachbarschaft habt, schenkt ihnen doch zu Weihnachten oder zum Neujahr einen Kalender in ihrer Sprache. Sie werden sich sehr darüber freuen. Ob sie den Kalender alle lesen, ist eine andere Frage, aber zumindest werden sie hineinschauen, und so kann Gott sie ansprechen.
Es wäre außerdem gut, wenn wir in unserer jungen Gemeinde einen Ausländerbeauftragten oder eine Ausländerbeauftragte bestimmen würden. Ich könnte mir da schon jemanden gut vorstellen, zum Beispiel Helmut. Ein Ausländerbeauftragter könnte im Gottesdienst regelmäßig Informationen über Ausländer in der Stadt und über die Arbeit für Ausländer geben.
In Mannheim gibt es mehrere Auslandsmissionsgemeinden, zum Beispiel eine Spaniergemeinde, eine Italienergemeinde und weitere Gemeinden, die gezielt Ausländer für Christus gewinnen wollen. Der Ausländerbeauftragte könnte immer wieder darüber berichten oder bei Aktionen mitwirken, wie bei der Ausländerwoche im letzten Monat. Dabei könnten wir uns beteiligen, helfen und Ausländer einladen – das ist sehr wichtig.
Das Allerbeste, was wir tun können, ist, persönliche Kontakte zu Ausländern zu pflegen, die vielleicht am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft entstanden sind. Es ist sehr schwer, einfach an ihre Tür zu klopfen und zu sagen: „Komm mal mit in unsere Gemeinde.“ Das wird wohl kaum passieren. Aber wenn wir einen menschlichen Kontakt aufbauen und pflegen, können wir langfristige Beziehungen schaffen.
Wir können ihnen auch bei Behördengängen oder Formalitäten helfen. Viele Ausländer haben große Schwierigkeiten, Fragebögen auszufüllen – wir haben ja selbst schon Probleme damit, und sie haben zusätzlich Sprachbarrieren. Wenn sie krank sind, können wir sie besuchen oder im Krankenhaus begleiten. Es gibt so viele Möglichkeiten, Kontakte zu Ausländern aufzubauen.
Zum Schluss möchte ich noch von einem Erlebnis berichten: Johannes und ich waren kürzlich bei einem Missionarstreffen. Dort wurde von einem Bruder berichtet, den ich kenne. Er arbeitet in Heusenstamm bei Frankfurt. Dort haben sie ein Gospelmeeting für Asylanten begonnen. In einer Teestube wurden Lieder gesungen – auch einige auf Englisch – und eine kurze Botschaft wurde auf Deutsch und Englisch gehalten. Ein Teilnehmer, der gut Englisch konnte, übersetzte die Botschaft.
So konnten sie bereits eine ganze Reihe von Asylanten aus vielen Ländern für das Evangelium gewinnen. Diese Menschen sind oft sehr fragend und völlig entwurzelt aus ihrer Heimat und Kultur. Sie sind hier viel empfänglicher für einen Halt und für die Botschaft des Evangeliums als viele Menschen in ihrem Heimatland.
Ein Gospelmeeting – ich weiß nicht, ob wir das hier umsetzen können – wäre eine Möglichkeit, um in einer größeren, gefestigten Gemeinde gezielt evangelistisch auf Ausländer zuzugehen.
Schlussgedanken und Appell zur Nächstenliebe
Ich muss schließen. Wir haben gesehen, dass die Bibel einiges zum Thema Fremdlinge und Ausländer sagt. Wenn wir das beherzigen, erkennen wir, dass sie Menschen sind wie wir. Deshalb sollten wir keinerlei Vorurteile oder Vorbehalte in unseren Herzen gegen sie haben – egal aus welchen Gründen sie hierhergekommen sind.
Ich persönlich kann es keinem Rumänen verdenken, dass er hierherkommt, wenn zu Hause die Kinder kaum Brot zum Essen haben. Das kann ich wirklich nicht. Natürlich müssen Wege gefunden werden, um in den betreffenden Ländern die Missstände zu ändern. Aber das können wir nicht – du und ich. Dafür sind größere Anstrengungen nötig.
Wenn diese Leute nun schon hier sind, kann ich es ihnen nicht verdenken, dass sie in die reiche Bundesrepublik kommen, in das reichste Land dieser Welt. Deshalb sollten wir sie als Menschen annehmen und sie als Nächsten lieben – so wie wir uns selbst lieben.
Das Beste, was wir für sie tun können, ist, sie zu versuchen, für Jesus und das Evangelium zu gewinnen. Ich glaube, das ist eine ganz große Chance für uns, auch hier in unserer Stadt.