Einführung und biblischer Ausgangspunkt
Zum Thema „Die verborgene Führung“ bringen wir eine Ansprache von Dekan Rolf Schäffbuch aus Schorndorf bei Stuttgart, aufgezeichnet bei der Gehertherstegen-Konferenz 1984 in Mülheim an der Ruhr.
Hören Sie zuvor den Bibeltext, auf den sich seine Ausführungen beziehen. Es ist das Ende der Josefs-Geschichte im ersten Buch Mose, Kapitel 50, ab Vers 15.
Dort wird berichtet: Die Brüder Josefs fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns Gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. Darum ließen sie ihm sagen: „Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters.“
Aber Joseph weinte, als sie solches zu ihm sagten. Seine Brüder gingen hin, fielen vor ihm nieder und sprachen: „Siehe, wir sind deine Knechte.“
Joseph aber sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt? Ihr dachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. So fürchtet euch nun nicht! Ich will euch und eure Kinder versorgen.“
Er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
So wohnte Joseph in Ägypten bei seines Vaters Hause, lebte hundertzehn Jahre und sah Ephraims Kinder bis ins dritte Glied.
Die Haltung der Brüder und das Geschenk der Vergebung
Er spricht nun Dekan Rolf Schäffbuch.
Liebe Brüder und Schwestern, zunächst ein Blick auf die Brüder des Joseph. Er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen – diese Brüder, die ihm nicht zutrauen, dass er wirklich vergeben hat. Es ist ja ein Triumph der Gnade Gottes, wenn es bei uns so weit kommt, dass wir wirklich einem, der uns Böses getan hat, vergeben können.
Von Herzen hat Herr Jesus einmal gesagt: „So ihr von Herzen vergebt, so wie er euch Gott vergeben hat.“ Es ist ein Triumph der Gnade Gottes. Und genau das ist Joseph schon damals geschenkt worden, als er sich seinen Brüdern offenbarte: „Fürchtet euch nicht, Gott hat mich doch hierher gesandt, nicht ihr. Ich will euch versorgen.“
Jetzt, nachdem der Vater gestorben ist, bekommen die Brüder Angst. Sie haben Muffensausen, fürchten, jetzt werden sie bestraft. In seinem Innern muss der Zorn wie eine Lavaglut sein, die sich entlädt. Joseph weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Es kann so beklemmend sein, wenn wir Christen einander die Ernsthaftigkeit unserer Motive bestreiten. Wenn wir einander nicht glauben, dass Gott an uns gewirkt hat, dass die Vergebung Gottes auf uns abgefärbt hat – so wie sie auf Joseph abgefärbt hat. Was sind das für Brüder! Und er schämt sich nicht, sie Brüder zu nennen.
Ja, noch mehr: Sie sagen, „Wir sind Diener des Gottes deines Vaters, erbarm dich über uns.“ Die Brüder, die doch ganz offensichtlich eine Lüge auf den Lippen haben! Ihr Vater, Jakob Israel, hätte doch die Freiheit gehabt, direkt mit seinem Sohn Joseph zu reden. Was für eine dumme Lüge! Aber sie nehmen noch die Autorität des verstorbenen Vaters als Zuflucht, in ihrer Dummheit und Angst. „Wir sind Diener des Gottes deines Vaters“ – das sind schöne Diener.
In der großen Dienstanweisung der Diener unseres Herrn, Psalm 118, die das Gütesiegel des großen Gottesknechtes Jesus trägt, heißt es: „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht. Was können mir Menschen tun?“ So können Dienerinnen und Diener Gottes sprechen – und doch bibbern sie vor Angst vor ihrem Josef.
In Psalm 118 heißt es weiter: „Der Herr ist mit mir, es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen und nicht sich zu verlassen auf Menschen.“ Und was tun diese Diener Gottes? Sie sagen: „Wir wollen deine Knechte sein. Wir sind bereit, in die Sklaverei zu gehen.“ Ganz Ägypten war schon leibeigen geworden, nur damit sie nicht verhungern müssen. So sagen jetzt die Brüder Josephs: „Wir wollen deine Sklaven sein, wir wollen Leibeigene sein, bloß mach uns nicht kaputt, lass uns leben.“
Sind das schöne Diener Gottes? Armselige Diener Gottes! Und doch war es nicht ganz verlogen, was sie sagten. Sie waren ja dabei gewesen, als ihr Vater Jakob auf dem weiten Weg vom Land Kanaan nach Ägypten in Beerscheba geopfert hatte. Keiner hatte zurückgezuckt. Als der Kreisvater Jakob den Segen Gottes auf ihr Haupt legte, den wollten sie haben.
Und was denken Sie, warum man in Israel nur nach drei Generationen, als man in Ägypten schon gar nicht mehr wusste, wer Joseph war, noch wusste, dass Hilfe ist beim Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs? Weil sie natürlich Hausandacht gehalten haben und ihren Kindern die Furcht Gottes weitergegeben haben. Sie waren schon Diener Gottes – mit viel Armseligkeit.
„Herr, du kennst meine Schwäche, nur deiner harre ich.“ Nicht das, was ich verspreche, sondern das, was du sprichst, tröstet mich. Oder ich darf an den anderen Vers von Paul Gerhardt erinnern, der ohne Ende hebt und trägt, die sich in seinem Dienst üben. Großartig: Die, die sich in seinem Dienst üben, gehören auch zu den Dienerinnen und Dienern Gottes, die noch erst beim Üben sind und dies doch erleben – wie die merkwürdigen Brüder Josephs.
Wie diese armseligen Diener Gottes mit vielen Fehlern, dass da ein Herr ist, der ohne Ende hebt und trägt, die sich in seinem Dienst üben. Nicht wegen der schönen blauen Augen der Brüder Josephs, sondern weil Gott einen Plan hat, auf dass alle Welt erkenne, dass Gott der Herr ist.
Das Ziel Gottes ist, dass er seine Familie, die Familie Jakobs, nach Ägypten schickt. Damit die Herren dieser Welt erkennen, dass ein ewiger Gott über ihnen steht. Gott hat einen Plan über dieser Jakobsfamilie, über diesen Nachkommen Abrahams. Deshalb trägt er sie in Schwachheit. Deshalb schämt er sich nicht, sie seine Knechte und Diener zu nennen.
Für uns heute gibt es einen anderen Plan Gottes, wenn wir nach der Führung Gottes fragen. Wenn uns Gott in großer Geduld trägt – uns, die wir uns in seinem Dienst erst üben – dann wird wahr, was in Römer 3 steht: Gott hat die Sünden vergangener Zeiten in großer Geduld getragen.
Wenn Sie morgen früh die Zeitung ansehen, mit all dem Durcheinander Tag für Tag, das Durcheinander unserer Welt, dann sehen Sie, dass die Welt sich nicht schon längst selbst in die Luft gesprengt hat. Das hat nur einen Grund: Ein Herr, der ohne Ende hebt und trägt – auch die unwürdigen Leute.
Im zweiten Petrusbrief heißt es: „Deshalb soll sich jeder zur Buße kehren. Deshalb hat Gott Geduld mit uns, darum trägt er uns.“ Denn ihr wisst, dass alles zergehen soll – nach dem Plan Gottes. Nicht die heile Welt ist das Ziel unserer Bemühungen, sondern weil ihr wisst, dass alles zergehen wird – mit großem Krach durch die Elemente.
Da steht im zweiten Petrusbrief: „Wie sollt ihr da geschickt sein mit heiligem Wandel? Ihr wartet und eilt auf die Zukunft des Herrn, ihr wartet und eilt auf die Welt, in der Gerechtigkeit wohnt.“ Er trägt uns.
Was haben die Brüder Josephs gemeint, als sie sagten: „Wir sind Diener Gottes“? Was meint die Christenheit bis heute, wenn sie sagt, wir seien die Akteure und Gott dürfe zusehen, Freude an uns haben, was wir alles schaffen? Es ist umgekehrt: Er trägt uns schwachen Leuten, der ohne Ende hebt und trägt, die sich in seinem Dienst üben.
Das Bild von Josef und die göttliche Weisheit
Nach dem Blick auf die Brüder des Joseph richtete Kahnreuf-Chefbuch sein Augenmerk auf Joseph selbst. Die Brüder hatten gedacht, er würde jetzt dastehen wie ein römischer Caesar, ein Imperator im Zirkus. Unten seien wilde Tiere, und ein Gladiator habe versagt. Es genügte, dass der Caesar den Daumen nach unten drehte, dann hatte der Gladiator, der es nicht geschafft hatte, sein Leben verwirkt. So dachten die Brüder, Joseph steht jetzt da und sagt: „Ha, jetzt seid ihr dran, aus!“
Doch Joseph weinte, als sie solches sagten, und sprach: „Stehe ich denn an Gottes Statt?“ Zum ersten Mal leuchtet dieses große Wissen im Alten Testament auf. In Psalm 105 wird gesagt, dass in Joseph die Fülle der Weisheit war – das Wissen, dass einmal jemand an Gottes Statt stehen wird. Davon hängt es ab, ob dieser zu mir sagt: „Komm her, du Gesegneter des Herrn!“ oder ob er sagt: „Geh hinaus, du gehörst nicht zu mir!“ Dieses Wissen, dass jemand an Gottes Statt steht – aber nicht ich, doch nicht ich, der Joseph, auch nicht Sie.
Wie ist das Neue Testament voll von diesem Wissen! Der Vater hat alles Gericht dem Sohn gegeben, damit sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Er wird einmal an Gottes Statt stehen und das entscheidende Wort sprechen: „Ich kenne euch nicht“ oder „Komm her zu mir!“ Deshalb hat das Neue Testament uns in all seinen Teilen immer wieder gemahnt. Schon Jesus hat uns gemahnt: „Richtet nicht! Es ist Majestätsbeleidigung des Sohnes.“ Wir haben keinen Einblick in Gottes Gerichtsakten, wir haben zu wenig Einblick in die Maßstäbe des heiligen Gottes. Das hat der Sohn.
Er wird urteilen, ob einem viel gegeben ist und von einem auch viel gefordert sein wird oder ob jemand ins Reich Gottes kommt wegen des berühmten Bechers kalten Wassers. „Darum rächt euch nicht selbst“, sagt der Apostel Paulus, „sondern gebt Raum dem heiligen Gott. Die Rache ist mein.“ Der Apostel Paulus sagt: „Richtet nicht vor der Zeit! Es wird der Tag kommen, der Tag des Herrn, und der Herr wird die Gedanken ans Licht bringen, die verborgensten Gedanken des Herzens.“ Aber ihr lasst eure Hände davon.
Sagt doch so, wie Joseph sagte: „Stehe ich an Gottes Statt, dass ich mich erkühlen könnte, einem anderen abzusprechen, ob er einmal in Ewigkeit gerettet wird?“ Jesus hat uns nie verboten, dass wir ein Wissen um Gut und Böse haben sollen. Er hat uns nie verboten zu urteilen.
Es ist die Knochenerweichung unserer Zeit, wenn man sagt: „Das hat jeder wohl recht.“ Nicht also! Es wäre, als hätte Joseph gesagt: „Na ja, es hat mir nicht ganz gefallen, wie ihr mit mir umgegangen seid, aber ihr werdet auch eure Gründe gehabt haben, und wahrscheinlich sind sogar eure Gründe die richtigen. Weiß nicht.“ Nein, er hat gesagt: „Ihr dachtet, Böses zu machen.“ Er wusste, was böse und was gut ist.
Aber: Stehe ich an Gottes Statt, dass ich verurteile? Ich darf um Gottes Weisheit und Sanftmut beten, dass ich in dieser Zeit der allgemeinen Verwirrung beurteilen kann und nicht verurteilen muss. Stehe ich denn an Gottes Statt?
Es ist, als ob Joseph das vorausgeahnt hätte. Es ist wie eine Ouvertüre dessen, was Joseph hier sagt, hin auf Jesus, den Einen, der an Gottes Statt steht. Lasst uns ihn fürchten und alles daran setzen, dass es immer wieder durch unser Gebet hindurchklingt: „Herr, gedenke an mich trotz meiner Sünde. Gedenke du an mich und sprich du einmal über mich, der du an Gottes Statt stehst: Komm her, du Gesegneter des Herrn!“
Der dann erst das aufdecken wird, was uns gar nicht bewusst ist – die Geheimnisse, die Ehre, die er in unser Leben hineingelegt hat –, sodass wir dann sagen: „Herr, wann, wann haben wir denn das getan?“ Und er wird entdecken, wie er mit seiner heilmachenden Gnade in unserem Leben gewirkt hat, bei uns schwachen Dienern und Dienerinnen Jesu.
Der göttliche Plan hinter dem Leid und die Rolle des Vaters
In einem dritten Teil rückt Dekan Rolfs Chefbuch den Vater ins Blickfeld. Hier erhalten wir einen ersten Einblick in den Vater Jesu.
Ihr dachtet, es böse zu machen, aber Gott gedachte es, gut zu machen. So wie es jetzt am Tag ist, um ein großes Volk am Leben zu erhalten. Ein großes Volk geht es ihnen durchs Ohr, was Jesus zu Johannes und Jehovis gesagt hat vor dem Samariterdorf. Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenleben zu zerstören, sondern um sie zu erhalten. Dieses Wort vom Erhalten ist bis in den Wortlaut hinein von Jesus aufgenommen.
Doch es geht um mehr. Es gibt zwei große alttestamentliche Worte, die uns zum Verständnis des gekreuzigten Jesus helfen können. Sie zeigen die Mitte dessen, was der Heiland Jesus Christus für uns ist.
Das eine Wort ist immer wieder im Alten und Neuen Bund zitiert: der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Die Fachleute sagten, dieser Stein taugt nicht, er hat keinen Wert, er ist sinnlos. Doch Gott hat diesen Stein zum Eckstein, zum Grundstein gemacht – nicht nur gebraucht, sondern gemacht.
Das andere Wort ist das prophetische Wort des Joseph, das erst in der Erfüllung im Leiden und Sterben Jesu sichtbar wird: Ihr dachtet, es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.
Viele Menschen plagen sich im Kopf, wie Gott gerecht sein kann. Sie denken, dass das Sühneleiden Jesu gar nicht möglich gewesen wäre, wenn es nicht den Verrat des Judas gegeben hätte, wenn Pilatus nicht so unentschlossen gewesen wäre, wenn der Hohe Rat nicht so entschlossen gewesen wäre, Jesus ans Messer zu liefern. Doch Gott hat diese Menschen gebraucht.
Gott hat sie nicht gebraucht, das ist ein Irrtum. Wir tun oft so, als ob wir auf der göttlichen Marionettenbühne im Hintergrund die Fäden in die Hand bekommen könnten. Dabei gibt es ein furchtbares Wirrwarr.
Gott hat doch nicht die Brüder des Joseph gebraucht, um Joseph schließlich nach Ägypten zu schicken. Er hätte Engel schicken können, die Joseph an seinem Hauptteil genommen und nach Ägypten transportiert hätten. Er hat die Brüder nicht gebraucht.
Aber dort, wo sich alle Gemeinheit und aller Hass gebündelt haben, wo die Lage aussichtslos war – so aussichtslos, wie eine Lage überhaupt sein kann – von Brüdern in die Fremde verkauft, in der Sklaverei in der Sklaverei, ins Gefängnis geworfen, im Gefängnis vergessen, von dem Mundschenk verraten – tiefer kann man kaum sinken. Dort hat Gott eingegriffen.
Und jetzt möchte ich Sie noch einmal auf die Spur dieser neutestamentlichen Worte setzen:
In Römer 4 heißt es: Unser Gott ruft dem, das nicht ist, dass es sei. Gott schafft Leben, wo nichts zu hoffen ist. Was schwach ist, hat Gott erwählt, damit er das Starke zu Schanden macht. Was unweise ist, hat Gott erwählt, damit er alle Klugheit zu Schanden macht.
Wo Gott eingreift, schon im Alten Bund, ist das wie eine Vorahnung der Auferweckung Jesu. Dort, wo nichts zu hoffen ist, da greift Gott ein und schafft sein göttliches neues Leben.
Dort, wo alle Gemeinheit und aller Hass gegen Gott wie komprimiert war, wo alle Dummheit und alle Unverschämtheit im Sterben Jesu konzentriert war, wo für Jesus kein Funken Hoffnung mehr bestand, wo Jesus entehrt und totgeschlagen war, wo seine Sache aussichtslos war – da hat Gott eingegriffen. Ihr dachtet, es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.
Gott greift dort ein, wo wir keine Pfennig mehr für eine Sache geben.
Als Mose als Flüchtling vierzig Jahre lang in den Hochebenen des Sinai Ziegen und Schafe gehütet hatte, obwohl er die Prinzenerziehung genossen hatte, dachte er sicher, Gott habe ihn vergessen. Wissen Sie, wie lang 40 Jahre sind? Doch dann hat Gott ihn gerufen: „Ich habe einen Auftrag für dich.“
Als David in den Psalmen sich oft vorkam wie ein Floh in der Wüste bei Engedi, einsam und verlassen, war er der Gesegnete des Herrn, an dem Gott Wohlgefallen hatte, mit dem Gott seine Pläne bis zu Jesus hin hatte.
Als der große Knecht Gottes im Buch Jesaja sprach: „Ich dachte, ich arbeite vergeblich und bringe meine Kraft unnütz zu“, da sagte Gott zu ihm: „Lass mir ein Geringes, dass du die Stämme Israels wiederbringst. Ich will dich auch zum Licht der Heiden machen.“
Ihr dachtet, es böse zu machen.
Wir haben ja das Handeln Gottes auch in unserer Generation erlebt: im Zweiten Weltkrieg, als das Böse sich austobte. Am 20. Juli hat einer der Mitverschwörer gesagt: „Ich kann in Adolf Hitler bloß den Inbegriff des Bösen sehen.“
Wissen Sie, was es damals gegeben hat? Es hat nie mehr solche Männerbekehrungen in unserem Jahrhundert gegeben wie in den Kriegsgefangenenlagern nach 1945 – gar nie mehr.
Wo Menschen dachten, böse zu machen, hat Gott gewirkt.
Wo wir Deutschen die große Schuld am Volk Israel auf uns geladen haben – es war mehr als nur das Denken, böse zu machen –, da hat Gott sein Volk, das Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs, im verheißenden Land zusammengeführt.
Und wenn auch all die Schrecken, die noch über Israel kommen, wir bangen jeden Tag um dieses Volk, an dem wir schuldig geworden sind, das Volk der Liebe Gottes.
Wenn die Schrecken über dieses Volk noch einmal kommen sollten, dann hat Gott erst recht sein Ziel, die große Möglichkeit, dass Gott sein Volk zur Erkenntnis des Messias Jesus bringen kann.
Gott hat noch große Möglichkeiten.
Ausblick auf Gottes Wirken in der Zukunft und persönliches Bekenntnis
Liebe Brüder und Schwestern, wir sollten gespannt sein darauf, was Gott tun kann. Mit unserer Menschheit wird es bestimmt nicht die große Aufwärtsentwicklung geben, von der manche Menschen hoffen. Sie glauben, wenn wir uns bloß zusammenreißen und zusammentun, um die Welt voll Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen, dann wird es kommen. Doch der Herr Jesus hat es ein bisschen anders gesagt.
Wenn es so schlimm kommt, dass kein einziger Auserwählter, auch keiner von uns, gerettet werden könnte, weil wir alle in der Anfechtung umkippen. Wenn unser Glaube schwach wird und Jesus nicht eingreifen würde, dann wäre Heil nahe. Dann wird er kommen mit großer Kraft und Herrlichkeit. Er wird die Tage verkürzen, damit die Auserwählten gerettet werden.
Wenn Menschen gedenken, es böse zu machen, wenn das Böse über uns zusammenberstet und kracht, ist unser Herr immer noch da. Er gedenkt, alles gut zu machen. Es war bei Joseph so – sie dachten, es böse zu machen, bei Jesus auch. Aber Gott hat gesagt: Entschuldigung, das ist nicht euer Opfer, mit dem ihr umgehen könnt, wie ihr wollt. Ich mache ihn zu meinem Opfer, das der Welt Sünde trägt. Gott gedachte es gut zu machen.
Der verstorbene Alttestamentler Gerhard von Rath, der in Heidelberg gelehrt hat, sagte immer: Alles Wissen Israels um Gott ist in der Gestalt und in dem, was Joseph sagte, wie gebündelt. Wir sollten noch viel mehr forschen, was in der Bibel über Joseph steht. Aber es drängt bei Joseph über das Wissen Israels hinaus zum Wissen des Volkes Gottes, alten und neuen Bundes.
Wenn er uns hebt und trägt, dann deshalb, damit wir echte Buße tun und noch einmal ganz neu anfangen. Wenn er an Gottes Stadt steht, dann kommt alles darauf an, dass er mit Augen der Liebe auf mich sieht, auf mich Sünder und mich annimmt. Dieser Jesus steht vor uns, mit dem Gott gedachte, alles gut zu machen – nicht bloß der Joseph.
Jesus steht vor uns und fragt uns: Willst du es denn gelten lassen, was ich für dich getan habe? Wollen wir es gelten lassen, der ohne Ende hebt und trägt? Er schämt sich nicht, Schwester und Bruder zu heißen. Er, der einmal am Ende der Tage Gottes an Gottes Statt stehen wird, er, der alle Sünde getragen hat und alles, was wir böse machen wollten und gewollt haben, gut machen kann.
Nun, ich wähle denn das Beste. Zu dem Leben dringe ich ein, ich will in der Wahrheit feststehen, ich will nicht verloren sein. „Treuer Heiland, Lebensfürst, halt mich, bis du kommen wirst!“
Die Wuppertaler Kurrende sang eine Strophe aus dem Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Davor hörten wir eine Ansprache von Dekan Rolf Schäffbuch aus Schorndorf bei Stuttgart zum Thema „Die verborgene Führung“. Diese Ansprache wurde gehalten bei der gehörtherstigen Konferenz 1949 in Mülheim an der Ruhr.