Einführung in das persönliche Zeugnis des Glaubens
Ein Psalm Davids zum Vorsingen: Ich harrte des Herrn, und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien. Er zog mich aus der grausigen Grube, aus lauter Schmutz und Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Fels, sodass ich sicher treten kann.
Er hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unseren Gott. Das werden viele sehen, sich fürchten und auf den Herrn hoffen. Wohl dem, gepriesen sei der, der seine Hoffnung auf den Herrn setzt und sich nicht wendet zu den Hoffärtigen und denen, die mit Lügen umgehen.
Das Schönste, was wir eigentlich in unseren Versammlungen machen können, ist, dass wir ein persönliches Zeugnis von unserem Glauben geben. Ich fand es auch in unserem Gottesdienst in der Ludwig-Hofacker-Gemeinde in der Stuttgarter Innenstadt so schön, wenn jemand bereit war, einfach zu erzählen, wie er Jesus erlebt hat.
In den vergangenen Tagen oder in einer großen Lebenskrise sind Zeugnisse und Berichte wichtig, hilfreich und aufbauend. Aber jetzt haben Sie ja gemerkt: Es gibt in der Christenheit Kreise, die sich darüber ärgern. Sie ziehen die Mundwinkel herunter und protestieren dagegen. Ihnen gefällt das nicht, sie sagen, man solle es nicht so persönlich machen.
Haben Sie das auch schon bemerkt? Ich bin ganz froh darüber, denn in der Bibel sind es alles persönliche Zeugenberichte. Und ich habe schon als kleines Kind gemerkt: Was nicht perdu geht, das geht perdu, das verduftet. Also das Persönliche ist doch das, was immer wieder anspricht.
Davids Lebenserfahrung als Grundlage des Psalms
Wir haben heute einen persönlichen Zeugenbericht von David vor uns. Er spricht aus seiner Lebenserfahrung und aus seiner Not. Dabei sehen wir David vor uns, wie König Saul ihn verfolgte, wie er um sein Leben rannte, in der glutheißen Wüste lebte und nachts keinen Platz hatte, um seinen Kopf zu legen. Seine ganze Zukunft war ungewiss.
In diese Situation passt dieser Psalm, den David persönlich erlebt hat. Für uns hat das Jahr eine ganz wichtige Bedeutung. Sie erwarten von meinem Wort heute, dass Sie merken, dass David persönlich dahintersteht. Es soll ein persönliches Wort sein, das uns sagt, dass wir nichts Abstraktes brauchen, keine großen Lehren oder gewaltigen Sätze. Damit können wir nichts anfangen. Wir wollen Erfahrungen hören.
Wunderbar, dass wir das so sehen. David hat diesen Psalm in seinem Leben gedichtet. Aha, da gehört er hinein. Er hat seinen Herrn so erlebt – in den dunklen Stunden, in der grausamen Grube, in der Verzweiflung, in der Depression und in der Mutlosigkeit.
Und dann hat er es erlebt und daraus seine Psalmen gedichtet. Diese Psalmen sind natürlich nicht an Sonnentagen entstanden, wenn man im Liegestuhl sitzt oder im Urlaub ist. Sondern in den ganz harten Bedrohungen, in den Krisen und in den Ängsten hat er seine Psalmen geschrieben.
David als Typus für Jesus Christus
Aber jetzt wissen Sie ja auch aus der Bibel, dass David eine ganz wichtige Bedeutung hat. Nicht nur durch sein eigenes Leben, sondern er ist auch ein Vorbild, ein Typus, der auf Jesus hinweist. Er hat wirklich gelebt, und alles ist so geschehen, wie es berichtet wird.
Trotzdem ist das ganze Leben Davids, ebenso wie das von Moses, ein Vorbild auf Jesus. So dürfen wir diesen Psalm im Blick auf die Person von Jesus lesen. Er befand sich in der grausigen Grube, war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg.
Warum ich Ihnen das gleich am Anfang so sagen möchte: Heute gibt es große Strömungen in der Christenheit. Diese Strömungen wollen uns oft sagen, dass man nur richtig beten muss, und dann hat man keine Nöte mehr. Dann wird alles hell in deinem Leben.
Kritik an oberflächlichen Glaubensvorstellungen
Ich habe vor acht Tagen zufällig an einem Samstagabend einen Fernsehkanal eingeschaltet. Dabei war ich sprachlos. Es wurde dort gesagt: Wenn dein Konto leer ist und du den Kontoauszug ansiehst, auf dem nur Minusbeträge stehen, dann musst du nur ganz fest mit dem Sieg Jesu rechnen. Du sollst einfach glauben und alles unter den Sieg Jesu stellen. Dann wirst du sehen, dass dein Kontoauszug plötzlich große rote Zahlen zeigt.
Was sagen Sie dazu? Ich persönlich halte nichts davon. Ich lehne das ab, weil das die Denkweise der Welt ist. Deshalb lege ich großen Wert darauf, dass Jesus auch diesen Psalm gebetet hat – Psalm 40 – der von der grausamen Grube spricht.
In der Welt ist alles darauf ausgerichtet, dass unser Leben konfliktfrei verläuft. Dort sagt man: Du bist ein Glückspilz, wenn du viel Geld hast, wenn deine Karriere gut läuft, wenn du brave Kinder hast und eine treue Ehefrau, wenn alles in deinem Leben glatt geht und du nie krank wirst. Dann sagen die Leute, das sei das Wichtigste: du musst gesund sein.
Doch was hat Jesus uns gesagt? Er sprach: Gepriesen sind die Trauernden, gepriesen sind die Leidtragenden.
Man muss aufpassen, denn das Evangelium wird immer wieder im Sinne des Geistes der Welt umgedeutet.
Die Realität von Leid und Krisen im Glaubensleben
Da passiert es dann, dass sich diejenigen in der Gemeinde besonders benachteiligt fühlen, die durchs Leid gehen. Sie fragen sich: Was ist bei mir kaputt? Funktioniert Gott nicht mehr? Hat er mich etwa auf seiner Liste, um mich zu strafen? Dabei wird oft vergessen, dass wir das Evangelium verdreht haben.
Unser Herr und Meister Jesus Christus ging hinunter in die Tiefe. Er saß bei den Aussätzigen und bei den schuldig Gewordenen und blieb bei ihnen ausgeharrt. Warum? Weil wir in diesen schweren Krisen unseres Lebens erst richtig die Leuchtkraft der Erlösung sehen können. Erst dann erkennen wir unseren Heiland wirklich.
Wir leben in einer Welt, die sich selbst nicht kennt und deshalb leugnet, dass sie eine Welt der Krise, der Armut und des Leidens ist. Es stimmt ja gar nicht, dass es Gesundheit gibt. Wer von Ihnen ist denn wirklich gesund? Nicht einmal die Kinder sind gesund. Wenn man an die schrecklichen psychischen Erkrankungen denkt, die schon die Kinder heimsuchen – Schwermut, Ichsucht und vieles mehr – wird das deutlich.
Angesichts dieser großen Nöte ist es für uns Christen ganz normal, dass wir uns auch der eigenen Krise stellen.
Die Bedeutung der inneren Krise und Gottes Wort
Und ich meine immer wieder: Wenn wir das Wort Gottes lesen, eröffnet sich vor uns ein ganz neues Verstehen. Wir stehen vor dem heiligen Gott.
Und wenn es bei Ihnen keine äußeren Nöte sind, die Sie bedrängen, dann möchte ich, dass immer wieder aufwacht, wie unser Leben voll ist von dunklen, unheimlichen Dingen. Wenn diese im Licht Gottes einmal gesehen werden – unser Unglaube, unsere Untreue, unsere schmutzigen Gedanken, die Sünden, die uns belasten – dann wird die grausame Grube auch hier ganz aktuell.
Wir haben das einfach geleugnet oder überspielt. Doch unser Herr kommt, um uns herauszuholen aus der grausamen Grube, um uns herauszuholen aus den Tiefen, aus der Traurigkeit, aus der Dunkelheit. Wir sollen ihn ganz neu erfahren und erkennen.
Es liegt ein großer Ernst tatsächlich über unserem Glaubensleben, und das Wort Gottes rührt immer an den Punkt. Das ist ja auch tatsächlich die Ursache, dass es gar keine Lebenslage bei uns gibt – was es auch ist –, in der uns das Wort Gottes nicht aufrichtet, tröstet, fröhlich macht, Geborgenheit schenkt und Frieden gibt.
Das kann der schlimmste Todesfall sein. Ach, wie oft habe ich das in meiner vierzigjährigen Pfarrerstätigkeit erlebt. Mich hat der plötzliche Kindstod immer so erschütternd getroffen, wenn man das mittragen muss. Wenn eine Mutter anruft: „Ich komme gerade nach Hause, mein Kind ist tot.“ Dann kommen Polizei, psychologischer Notdienst und vieles mehr. Die ganze Straße steht voll mit Rettungswagen, und da sind Menschen allein mit ihrer Not.
Das Schlimmste ist, dass dann die Kripo sagt: „Jetzt müssen wir zuerst noch das Kind beschlagnahmen, weil der Verdacht besteht, vielleicht hat die Mutter etwas an dem Kind getan.“ Das müssen wir mitnehmen und so weiter. Wie oft habe ich es dann erlebt, dass wir das Wort Gottes aufschlagen und lesen – wie das passt. Wie das passt für die dunkelsten Stunden, in denen Ihnen kein Mensch mehr beistehen kann.
In den großen Krisen, wenn Freunde Sie verlassen, wissen Sie, was die schlimmste Not ist, die man in dieser Welt erleben muss? Schande! Ich habe es mir zur Regel gemacht: Wenn Freunde, die ich kenne, durch die Zeitung geschmiert werden, dann mache ich gleich einen Besuch, sofort.
Da war eine Mutter, Großmutter, schwer leidend, und eines Tages kam in der Abendschau die Meldung, ihr Enkel werde als Terrorist gesucht. Ich habe alles liegen und stehen lassen und bin zu ihr ans Bett gegangen. Dann haben wir den Trost des Evangeliums gehört und gelesen, dass der Herr da ist, der mich kennt, der mich sucht und der mich liebt. Das ist doch das Wichtige.
Der Glaube als Fundament jenseits irdischer Sicherheiten
Es gibt keine Situation, in der das Wort Gottes nicht passt, denn es geht nicht um irdische Sicherheiten. Liebe Freunde, es geht doch nicht um ein Bankkonto. Unser Glaube hängt nicht von der Gesundheit ab. Unser Leben hängt nicht vom Erfolg, vom Glück oder von der Ehre ab. Vielmehr hängt unser sterbliches Leben davon ab, ob wir einen Heiland haben, dem wir im Leben und im Sterben gehören.
Ich weiß nicht, in welchen grausamen Gruben Sie leben, aber das Wort beschreibt eine wirklich grausame Grube. Man stellt sich einen Brunnenschacht vor. Oben ist das Wasser verdampft und vertrocknet in den heißen, trockenen Monaten, in denen es nicht regnet. Unten liegt noch eine Schlammschicht.
Wenn man dort steht, versinkt man darin. Im Schlamm kann man sich nicht wehren. Im Wasser könnte man noch schwimmen, aber im Schlamm sinkt man immer tiefer in den Dreck ein. Sie wissen sicher, wie es ist, wenn die Schwermut sie plagt. Es ist wie Schlamm, eine grausige Grube, in die man immer tiefer gerät – in Spannungen innerhalb der Familie und in persönlichen Lebensnöten.
Die Rolle des Heiligen Geistes in der Not
Jetzt haben wir das Thema, dass der Heilige Geist uns Gewicht verleiht. Zunächst einmal eröffnet er uns die Augen in der grausamen Grube. Er öffnet uns die Augen.
In Ihrer Einleitung zu Ihrem Programm, zu dieser Allianzkonferenz, steht, dass manche Christen den Heiligen Geist nicht kennen. Mindestens genauso schlimm ist es, wenn man falsche Ansichten über den Heiligen Geist hat. Das ist heute ebenfalls weit verbreitet. Es gibt ganz verrückte Vorstellungen vom Heiligen Geist.
Manche Leute tun so, als könnten sie den Heiligen Geist verwalten oder als hätten sie ihn in ihren Händen, um ihn weiterzugeben. Das ist alles Unsinn. Der Heilige Geist ist der souveräne Herr, Jesus Christus, der in gläubigen Wohnungen wirkt.
Ich denke, das Wunderbarste ist, dass der Geist Gottes auf eine für uns geheimnisvolle Weise an das Wort der Bibel gebunden ist. Dieses Wort der Bibel ist von Gott durchatmet, vom Geist Gottes getrieben. Das ist eine der wichtigsten Lehren, die viele Christen gar nicht mehr kennen.
Heiliger Geist und Wort Gottes sind fast austauschbar. Ihr seid gereinigt im Wasserbad des Wortes, oder ihr seid neugeboren durch den Heiligen Geist. Es gibt ganz viele Stellen, wo man das so ergänzen kann, weil das ja das Geheimnis des Wortes Gottes ist. Die Inspiration des Wortes Gottes ist doch das Geheimnis, dass der Geist Gottes nicht nur bei der Abfassung dabei war, sondern auch jedes Mal, wenn wir das Wort der Bibel aufschlagen, will der Geist Gottes wirken.
Ich kann ihn natürlich unmöglich machen, ich kann ihn stoppen, ich kann ihn verhindern, aber er will wirken. Wo ich offen und begierig bin, redet das Wort Gottes. Sie haben das schon oft erlebt, zum Beispiel in schweren Krankheitszeiten oder in Nöten, dass plötzlich dieses Wort Gottes zu Ihnen gesprochen hat. Es war der Herr Jesus selbst, der Ihnen das Wort gesagt hat.
Das Wort Gottes hat dieses Geheimnis. Das Bibelwort ist eben kein Menschenwort allein, sondern ein vom Geist Gottes getriebenes Wort. Das ist so wunderbar, und das wirkt ganz besonders in der grausamen Grube und öffnet uns die Augen.
Das Harren auf den Herrn in der Not
Aha, wenn man nämlich in der grausamen Grube ist, sieht man immer nur die grausamen Wände. Man riecht den Modergeruch von dem Sumpf und Schlamm, in dem man steckt. Und man gerät immer tiefer hinein, weil man nur noch die Not sieht.
Sie wissen doch, dass man da nachts nicht schlafen kann. Die Sorgen werden immer größer. Wir reden darüber und sagen, es wird immer schlimmer, immer schlimmer.
In der grausigen Grube starren wir auf die Wände und sehen nicht höher hinauf auf den lebendigen Herrn. Wir müssen ihn sehen.
Da heißt es ja hier: „Ich hatte des Herrn harren.“ Sieh auch: „Sie auch des Herrn auf den lebendigen Herrn in der grausamen Grube harren.“ Harren bedeutet: Was ist ein Harren? Das Wort gibt es heute kaum noch. Harren heißt, wenn ein Jäger fünf Stunden auf dem Jagdsitz in ganzer Stille und Ruhe wartet, bis endlich das Wild kommt – mit seiner Flinte im Anschlag.
Wenn Sie in der grausamen Grube der Schwermut, der Depression, der Verzweiflung sind und immer weiter wissen, aus der Not, die Sie betrügt, dann harren Sie des Herrn. Das heißt, blicken Sie auf den Herrn, hören Sie sein Wort. Wühlen Sie nicht immer wieder in die Not hinein, vertiefen Sie sich nicht ständig in die Dinge. Sondern jetzt erst recht hören Sie die Stimme des Herrn. Jetzt will der Geist Gottes durch sein Wort zu Ihnen reden.
Ich muss ehrlich gestehen: Wenn ich solche Situationen habe, kommt bei mir oft eine Stimmung auf, die sagt: Ach, das kann jetzt das Wort Gottes auch nicht lösen, das sind doch so menschliche Dinge. Das ist ganz gefährlich. Denn dann greifen wir selbst gar nicht mehr nach dem Wort Gottes oder vielleicht sagt einer sogar: Ich gehe gar nicht mehr in die Versammlung, das hilft jetzt auch nicht.
Doch gerade jetzt erst recht! Wenn die Not umso größer ist, harren Sie des Herrn. Und er neigte sich zu mir. Er kam zu mir, er hörte mein Schreien.