Für alle Gäste
Einführung in die Thematik des Jakobusbriefs
Also, wie gesagt, mein Name ist Jürgen Fischer. Wir arbeiten im Jakobusbrief im Neuen Testament, ziemlich weit hinten, und arbeiten uns dort Stück für Stück durch. Momentan sind wir bei Jakobus Kapitel 4, Vers 11 und 12, aber ich werde noch einmal ein Stück zurückgehen.
Das letzte Mal haben wir uns angeschaut, wie dramatisch die Situation in der Gemeinde ist, an die dieser Brief geschrieben wurde. Wir würden heute sagen, es herrscht Mord und Totschlag im Umgang miteinander. Jakobus stellt die Frage: Wo kommt das eigentlich her? Und er gibt die Antwort: Das kommt aus dir selbst heraus, das steckt in dir drin. Das ist eine ganz hässliche Tatsache, aber sie ist wahr. In dir steckt das Potenzial, jede Beziehung, die dir heute lieb ist, kaputtzumachen.
Jakobus schreibt hier an Christen, die heftig streiten. Gleichzeitig, und das ist eigentlich lustig, halten sie sich für unglaublich weise. Sie merken gar nicht, dass sie permanent nur von ihren eigenen Emotionen, von ihren Lüsten, regiert werden. Irgendwie machen sie alles falsch. Sie sind formal Christen, aber ihr Leben widerspricht dem deutlich.
Wenn ich an den Text vom letzten Mal denke – wir haben Jakobus 4, Verse 1 bis 10 angeschaut – dann geht mir ein Aspekt besonders nach. Den möchte ich heute noch einmal bringen. Oder besser gesagt, ich möchte ihn überhaupt bringen, denn letztes Mal bin ich darüber hinweggeflogen. Als ich meiner Frau erzählte, was ich gepredigt habe, meinte sie: Du kannst doch nicht einfach über den Vers hinweggegangen sein.
Das war mir ganz peinlich, weil ich ihn tatsächlich etwas unterschlagen hatte und dachte: Ja doch, irgendwie schon, Schatz, schau mal, das waren zehn Verse, da musste man irgendwie durch, da war nicht für den einzelnen Vers so viel Luft. Jetzt hole ich das nach, und zwar Jakobus 4, Verse 2b und 3. Das ist nämlich der Vers, der mir beim letzten Mal, wenn ich den Text lese, am meisten nachgegangen ist in diesem ganzen Kuddelmuddel, das in der Gemeinde herrscht, an die Jakobus schreibt.
Ich lese ihn noch einmal vor: "Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden." (Jakobus 4,2b-3)
Die Herausforderung des Gebets und seine Bedeutung
Es ist völlig falsch, wenn Christen so leben, dass man sie von der Welt ringsherum nicht mehr unterscheiden kann. Wir haben das zuletzt gesehen. Es ist schlimm, wenn sich im Leben von Christen Hochmut oder Sünde findet, wenn sie zu einem Spielball des Teufels werden und es nicht schaffen, ihr eigenes geistliches Elend zu spüren. Noch schlimmer ist es, wenn sie sich so positionieren, dass Gott sie nicht mehr segnen kann. All das haben die Empfänger der Briefe getan.
Ich finde es unglaublich dreist und unverschämt, wenn man dann versucht, Gott in dieses egoistische Leben hineinzuziehen. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet – das ist der eine Vorwurf. Ihr bittet, aber empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden.
Ich mag diesen Vers sehr, er hat mein Leben geprägt. Für mich ist er gleichzeitig eine großartige Verheißung und ein Beispiel für einen großen Missbrauch. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Es gibt keinen Vers in der ganzen Bibel, der mich mehr zum Beten motiviert hat. Das muss bei jedem anders sein, wir alle haben unsere Verse, die uns besonders ansprechen. Aber dieser Vers gehörte zu den ersten, die ich auswendig gelernt habe.
Ich weiß nicht warum, aber dieser Vers hat mich sofort angesprochen. Vielleicht, weil der Schritt zum Gebet für mich bis heute eine Herausforderung ist. Mein eigener Körper sagt mir: „Du kannst ein bisschen später anfangen.“ Die Welt um mich herum signalisiert, dass Gebet nicht so wichtig ist. Und der Geist, der in dieser Welt herrscht, möchte mich davon abhalten.
Dann kommt dieser Vers, ein kleines Nugget, und sagt: „Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet.“ Mehr als jeder andere Vers hat mich dieser halbe Satz motiviert, für meine Familie zu beten. Ich muss das einfach so bekennen.
Dieser Vers hat mich dazu gebracht, mich hinzusetzen – das war an Weihnachten vor vielen Jahren, vielleicht vor zehn oder fünfzehn Jahren. Ich war damals noch in meinem Büro in der Großbärenstraße, denn zuhause war es mir zu wuselig. Manchmal zieht man sich dann zurück, setzt sich an den Schreibtisch und überlegt.
Ich habe überlegt: Wenn das hier gilt – „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet“ – und wenn ich mir für meine Familie das Beste wünsche, was möchte ich, dass sich im Leben meiner Familie entfaltet?
Ich habe mich hingesetzt und Fürbittanliegen für meine Familie aufgeschrieben. Am Ende waren es zweihundert Stück. Diese zweihundert Anliegen habe ich in den folgenden Jahren immer wieder vor Gott gebracht. Nicht jede Woche, keine Sorge, ich habe auch für andere Dinge gebetet. Aber mit schöner Regelmäßigkeit bin ich zu diesen Blättern zurückgekehrt.
Ich dachte damals: Das ist alles, was ich mir für das geistliche Leben meiner Kinder und ihre Entwicklung wünsche. Es war wirklich kompakt. Ich habe das vor Gott ausgebreitet, weil es diesen einen kleinen Vers gibt, den ich auswendig gelernt habe und der sich in meine Seele eingebrannt hat: „Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet.“
Ich wollte mir später nicht vorwerfen müssen: „Hättest du mal mehr gebetet, dann hättest du auch mehr bekommen.“ Das mache ich nicht für alle, aber wenigstens für den kleinen Kreis von Menschen, die mir total wichtig sind. Das sind meine Kinder, meine Ehe – und inzwischen auch mein Schwiegersohn.
Für diesen kleinen Kreis will ich einfach dranbleiben. Ich will nicht lockerlassen, weil man Segen bekommen kann, wenn man bittet. Segen kann man nicht kaufen, aber man kann ihn erbitten. Gott ist ein Gott, der uns beschenken möchte. Wir dürfen – und vielleicht müssen wir sogar – im Gebet benennen, was wir haben wollen.
Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber es ist einfach so: Du musst sagen, was du haben willst. Jesus drückt das so aus: „Bittet, und es wird euch gegeben werden.“ Das steht in Matthäus 7,7 mitten in der Bergpredigt: „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan.“
Ganz simpel. Manchmal denke ich, wenn du Christ bist, ist das Leben viel zu leicht. Ehrlich. Du willst Segen? Schreib alle Stellen auf, wie man Segen bekommt. Du findest drei oder vier Prinzipien, mehr nicht. Mach die und du erbst Segen. So einfach ist das. Es ist einfach viel zu leicht, als Christ zu leben. Man muss es nur tun.
Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet. Aha, okay, also fange ich an zu bitten.
Die Gefahr des falschen Gebets und die Haltung zu Gott
Gott, sag mir, ich muss die Zeit investieren, das stimmt. Vielleicht kostet mich das die nächste Folge Castle, oder ich kann dann irgendetwas anderes nicht machen. Irgendwo werde ich mir die Zeit hernehmen müssen. Aber da steht es: Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet. Und das kann man wirklich umdrehen: Bittet, und es wird euch gegeben.
Das funktioniert nicht mit allen Versen, die man einfach umdreht, also aus negativ wird positiv. Aber hier gilt es. Du möchtest – schnappt ihr. Ich finde es so schön, ich mag diesen Vers. Ihr merkt, es war fast fies, ihn letztes Mal so übergangen zu haben.
Dann lesen wir, dass die Gemeinde hier so weit im Keller ist, dass sie das Gebet missbraucht – und zwar nicht, um Segen ins eigene Leben zu bringen, sondern um Übel zu bitten. Ich denke mir, wie absurd ist das denn? Diese Leute sind nicht bereit, sich Gott zu unterwerfen oder in seiner Nähe zu bleiben. Sie wollen sich nicht mit ihrer Sünde und ihrer Halbherzigkeit auseinandersetzen. Sie wollen nicht wissen, wie es um sie steht. Sie wollen definitiv keine Buße tun.
Und dann beten sie – aber nicht, damit Gott dieses stolze Leben zerbricht, das geprägt ist von Parteilichkeit, Streit, Neid, Eigennutz und Stolz. Nein, sie beten, dass in diesen bösen Dingen, die sie sich vornehmen, Gott ihnen auch noch Erfolg schenkt. Das ist doch absurd, oder? Es gibt wenig Dinge, die blöder sind.
Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet. Und dann fangen sie an: Ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet. Logisch, sagt Gott, nein, damit will ich nichts zu tun haben.
Also, wenn du irgendwo Mist baust, ganz bewusst sündigst und dann sagst: Gott, jetzt bitte, können wir da noch so einen Deal machen, dass es mich nicht so schlimm trifft? Entschuldige, das hättest du dir auch vorher überlegen können, wenn du anderen eins reinwürgen willst. Dann kannst du doch nicht beten und sagen: Gott, bitte lass diese richtig fiesen Gedanken von mir gelingen, damit es ihm so richtig wehtut. Das geht doch nicht. Gott macht da nicht mit.
Wenn du so ein Typ bist – oder ich hoffe nicht, dass du das bist, aber die waren hier halt so – wenn wir solche Typen wären, die alles für sich wollen, die nach ihren eigenen Ideen leben wollen und das ausleben, worauf sie selbst Lust haben, und eigentlich Gott nicht wirklich über sich dulden, und dann soll er mir helfen? Da sagt Gott: Nein, mache ich nicht.
Gott möchte dich segnen. Das ist die eine Seite. Aber die Voraussetzung dazu ist – und das war der letzte Vers vom letzten Mal – Jakobus 4,10: Demütigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen. Das ist der Punkt.
Gott möchte dich segnen. Geh heute aus dem Gottesdienst heraus und, von mir aus, ein bisschen größer, als du reingekommen bist. Wenn du so ein bisschen nach vorne gebeugt, leicht gedrückt hereingekommen bist – geh raus, Brust raus, Bauch rein, Schultern breit. So kannst du frohen Mutes sein: Gott will dich segnen. Das ist wirklich so, wenn du bereit bist zu sagen: Ich möchte einer sein, der sich vor Gott demütigt.
Ich möchte den Platz einnehmen, der mir gebührt. Das heißt: Gott ist Gott, und ich bin ich. Er ist der allmächtige Schöpfer, und ich bin das Problemkind. Er gibt die Regeln, und ich halte sie ein. Ganz einfach.
Wenn du sagst: Ja, damit bin ich einverstanden, dann kannst du bitten, und Gott wird dich segnen. Dabei ist Gehorsam nur eine Möglichkeit, zu zeigen, dass ich mich wirklich vor Gott demütige.
Es gibt eine noch schönere Möglichkeit. Wenn du sagst: Gehorsam klingt irgendwie nach Schule und ist gar nicht so nett, mit Regeln hier, dann lese ich dir noch etwas vor.
Petrus, in 1. Petrus 5,6-7, sagt: Es gibt eine andere Möglichkeit, sich unter die mächtige Hand Gottes zu demütigen. Und für den Fall, dass du wirklich Bibelverse auswendig lernst – der ist auch cool. Er gehört zu den, ich würde mal sagen, Top Fifty, also zu den fünfzig wichtigsten, weil er Mut macht.
Ich lese ihn dir vor: Demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorgen auf ihn werft, denn er sorgt für euch.
Cool, oder? Du möchtest dich vor Gott demütigen und sagst: Herr, was soll ich tun? Übrigens, ich habe ein Problem. Gott sagt: Super, her damit! Probleme sind Chefsache, gehören mir, nicht dir. Wer Probleme behält, klaut.
Man muss einfach verstehen: Gott möchte unsere Probleme haben und sagt: Zeig doch einfach deine Demut dadurch, dass du mir deine Sorgen gibst. Komm her, gib deine Sorgen ab.
Einladung zum Gebet und persönliche Reflexion
Bitte nimm dir das, was du dir wünschst.
Ich habe eine Frage an dich: Wenn ich dich jetzt ganz konkret anpingen würde – also noch jetzt – ein Spiel, bei dem jeder mitmachen muss. Stell dir genau eine Sache vor, eine einzige Sache, die du dich trauen würdest, hier laut zu äußern. Wenn du eben noch so viele Ideen hattest, dann wähle diesen Teil: eine Sache, die du dich traust, hier laut zu sagen. Eine Sache, die du dir von Gott wünschst. Also eine Bitte, die du an Gott hast und bei der du sagst: „Gott, das wäre mir echt wichtig.“ Etwas, das so klar und deutlich ist, dass du dich traust, es hier zu äußern.
Versuche, eine Sache im Kopf zu haben. Ich zähle langsam von drei herunter, und dann hat jeder eine Sache im Kopf, okay? Also eine Sache im Kopf haben, die du dich traust zu äußern, die dir wirklich wichtig ist, die du gerne von Gott haben möchtest. Drei, zwei, eins – schnapp! Du hast etwas? Okay.
Wir machen jetzt eine Runde Popcorngebet. Popcorngebet heißt: ein Gebet pro Person, wenn du willst, ein Satz, nicht länger. In diesem Fall eine Bitte, die dir gerade im Kopf ist, okay? Ihr wisst ja, Popcorngebet ist so genannt, weil es dem ähnelt, was in einem Topf passiert, wenn man Popcorn macht. Am Anfang geht es ein bisschen zaghaft los. So wird es auch gleich sein: Die ersten paar Male ist es noch etwas zackig. Dann merken alle, dass sie nur einen Satz sagen müssen – plopp, plopp, plopp, plopp, plopp, plopp, plopp. So kommt man über die Schwelle hinweg, dass die meisten etwas gesagt haben. Dann trauen sich zwei, drei noch einmal etwas zu sagen – plopp, plopp – und dann ist Schluss.
So machen wir das jetzt. Ihr schmunzelt vielleicht, aber das ist so schön: Wir sind hier. Ihr habt jetzt eine Sache im Kopf, weil ihr nicht bittet? Okay, also wollen wir bitten. Wir machen es einfach. Niemand muss, aber jeder von euch hat jetzt eine Sache im Kopf, die er sich theoretisch trauen würde, hier zu sagen. Dann traut ihr euch auch, es Gott zu sagen, oder?
Also, wollen wir mal starten? Popcorngebet, Fürbitte für unser Leben, eine Sache, okay? Ich mache den Schluss. Jürgen macht den Start. Ich glaube, ihr habt alle verstanden, was ich will: Ein Satz, laut und fertig.
Reflexion über das Reden über andere und das Richten
Sagen wir einfach mal zwanzig, dreißig Leute, mehr nicht. Das ist Popcorngebet. Ich mag das so, weil jeder etwas sagen kann. Und wenn wir ganz ehrlich sind, war das vielleicht persönlicher, als uns das manchmal lieb war, weil man wird so ein bisschen reingezogen. Der eine sagt etwas, ja, oh ja stimmt, eigentlich mhm ja, und euch beide fand ich super, ich fand euch einfach klasse, ey genial.
So, das war der Rückblick vom letzten Mal, als meine Frau gesagt hat: „Jürgen, du kannst nicht einfach über diesen Vers hinweggehen, ihr habt nicht gebetet.“ Also habe ich das gemacht, jetzt schauen wir nach vorne.
Wenn du mich fragen würdest, Jürgen, sag mal, ich würde gern für dich beten, was sind denn so deine größten Sünden? Dann würde ich sagen, ich bin da relativ offen – bis zu einem gewissen Grad. Ich würde sagen, na ja, folgende Kandidaten fallen mir ein: Zerstreuung ist so ein bisschen ein Thema, dass ich alles mache und manchmal nicht das Richtige.
Menschenfurcht ist auch ein Thema, ich habe manchmal echt Sorge vor Menschen. Ich mag mich nicht so in Streit hineinbegeben, bin nicht so der Fighter. Es fällt mir nicht leicht, gute Freundschaften zu pflegen, zum Beispiel. Weiß ich, bin ich einfach nicht gut darin. Und ich hätte noch so ein paar Sachen.
Ziemlich weit vorne käme das, was Jakobus heute in unserem Text anspricht: Jakobus Kapitel 4, Verse 10 und 11. Da heißt es:
„Redet nicht Übles gegeneinander, Brüder! Wer gegen seinen Bruder Übles redet oder seinen Bruder richtet...“ Erstmal bis dahin.
Ganz einfaches Gebot: Redet nicht Übles. Was heißt das? Übles gegeneinander reden. Der Begriff, der hier steht, kann riesig viel bedeuten. Das fängt auf der einen Seite damit an, dass du jemanden öffentlich anklagst, und zwar, weil du etwas gegen ihn hast.
Dann geht es so langsam rüber zu: Du verunglimpfst jemanden, du redest also einfach schlecht über ihn, du redest geringschätzig über ihn, du motzt heimlich ein bisschen über ihn bis hin zum Grummeln. Also von grummelig bis öffentliche Anklage passt dieses Wort.
Man merkt, es geht nicht nur darum, dass man etwas sagt, sondern es geht auch ein Stückchen darum: Wo kommt das eigentlich her? Ich mache irgendwas, das in mir beginnt und sich dann irgendwo in Worten äußert.
Hinter diesem „Ich rede schlecht über einen anderen“ steckt eine zweite Sünde. Deshalb heißt es hier: „Wer gegen seinen Bruder Übles redet oder seinen Bruder richtet.“ Richten und schlecht reden, das sind Geschwister.
Das ist so wie ein Pärchen, das in meiner persönlichen Sündenliste relativ weit oben steht. Ich merke, ich bin so ein Typ, der immer relativ gut sieht, was andere falsch machen. Manch einer lacht, ihr kennt das.
Der Clou ist: Manchmal habe ich Recht und manchmal habe ich nicht Recht. Aber eigentlich spielt es gar keine Rolle, ob ich Recht habe oder nicht. Wenn ich Recht habe und wirklich Sünde im Leben eines anderen Menschen sehe, was muss ich dann tun? Ich muss mit ihm reden, aber nicht über ihn, logisch.
Deshalb dürfen wir, wenn wir über Menschen reden, vor allem wenn wir negativ über sie reden, uns immer fragen: Warum mache ich das eigentlich?
Ich kann ja auch über Menschen reden und gut über sie reden. Das ist ja nicht schwer. Ich schaue mir jemanden an und sage: Boah, hat der einen tollen Charakter, das ist aber schön. Lass uns doch einfach über den tollen Charakter von David reden.
Lass uns doch einfach darüber reden, wie er sich ins Reich Gottes einbringt, wie er anderen zum Vorbild wird, wie er vielleicht schwierige Situationen meistert. Lass uns doch einfach darüber reden.
Und jeder von euch merkt intuitiv: Das ist nicht so das, worüber wir gerne reden. Nein, ist einfach so. Wir haben in uns eine sehr unheilige Neigung zum Richten, zum Beurteilen von Menschen, und zwar als ein Mittel, um mich selber besser darzustellen, um mich selbst ein bisschen größer zu machen.
Ich trete quasi auf den anderen drauf, und indem ich auf ihm draufstehe und ihn so ein bisschen runterdrücke, bin ich alles ein bisschen größer. Dann kann ich sagen: Schaut mal, wie toll ich bin.
Es ist eine ganz blöde Angewohnheit, die in jedem Menschen irgendwie drinsteckt. Ich stelle die dummen oder die schlechten Eigenschaften von einem anderen heraus, und damit präsentiere ich mich als den Weisen, als den Wissenden und als den Besseren. Cool, so simpel kann man leben.
Aber es ist halt falsch. Wenn ich das tue, dann bin ich einer, der richtet – nicht weil er dem anderen helfen will, nicht weil er ein Lastenträger sein möchte, sondern ich benutze den Fehler eines anderen, um mich und meine tolle Art ins rechte Licht zu rücken.
Und was sagt Jesus? Jesus sagt: „Weißt du, du kannst dem anderen schon helfen, du kannst den Splitter aus seinem Auge ziehen.“ Das müssen wir tun, wir müssen füreinander da sein. Aber bitteschön nicht richten.
Richten, wie gesagt, beginnt im Herzen, und dann kommen so abfällige Bemerkungen aus diesem Herzen allmählich dazu. Und das geht so schnell.
Krille, ist Krille da? Ja, ich nehme dich jetzt als Beispiel – ungefragt, der Amüsement halber, ist aber nicht negativ.
Krille hat ein Bild bei Facebook gepostet, und zwar seinen Einkauf für Silvester. Wer das Bild gesehen hat, weiß: eine Batterie Raketen, ja, Böller. Da kannst du stundenlang Böller zünden, und du hast immer noch eine Bananenkiste voll übrig, hast du gestern erzählt.
Und ich bin bei Facebook drin und habe natürlich auch dieses Bild gesehen. Jemand geht mit seinen Freunden einkaufen und hat ein bisschen Not, überhaupt all das zu kriegen, was er haben will.
Ich hatte drei Wunderkerzen, okay, damit er mich versteht, ich bin ein anderer Typ an der Stelle.
Und natürlich schaue ich mir das an, und was ist der erste Gedanke, den ich an der Stelle habe? Der erste Gedanke, der mir kommt, ist: Mann, so viel Geld für Knaller, kann man das nicht für etwas Sinnvolleres ausgeben?
Und es geht mir überhaupt nicht um die Diskussion hier. Wichtig ist: Ein Bild hat bei mir gereicht, ein einziges Bild, um eine Welle von negativen Gefühlen und negativen Gedanken loszutreten. Ist das irre?
Ein einziges Bild hat gereicht. Und ich merke in mir drin, es ist so eine Blockade. Es ist die Blockade: Schlechte Gedanken kommen von allein, da muss ich mich nicht anstrengen, aber gute Gedanken brauchen immer eine Einladung.
Lass uns doch mal unterhalten über den tollen Charakter, ja? Und denkst du, das ist irgendwie nicht das Thema?
Aber wie viel Geld gibt man für Knaller aus? Also bitte mal, ja? Ist das interessant, wie wir drauf sind?
Und wir sind so parteiisch an der Stelle, das ist so lustig. Der eine springt bei Knallern an, logisch, ja?
Aber was ist, wenn jemand sich, sagen wir mal, ein besonders schickes Hemd kauft? Oder wenn jemand sich Chromfelgen für sein Auto besorgt? Oder ein teures Parfum? Oder so einen kitschigen Gartenzaun?
Oder wenn jemand vielleicht lange in Urlaub fährt? Oder wenn jemand seine Kinder Harry Potter lesen lässt? Oder wenn jemand gern Rotwein trinkt oder beim Reden vielleicht viele Fremdworte verwendet?
Was ist, wenn jemand ein Faible fürs Dartspielen hat? Oder leider auch für seine Lieblingsendzeittheorie? Was ist, wenn jemand zu spät zum Gottesdienst kommt?
Merkt ihr all das? Das kann ein Anlass dafür sein, dass ich schlecht über einen anderen rede.
Wir sind so unglaublich parteiisch. Der eine springt da an, der andere dort. Der eine sagt: Das geht doch gar nicht! Und der andere sagt: Na logisch, warum denn nicht? Ich hätte das Doppelte ausgegeben.
Ja, sorry, es ist so lustig: Wir sind von Natur aus sowas von parteiisch und haben selber unsere Macken.
Es ist ja nicht so, dass du keine Macken hast, dass ich nicht in dein Leben reinschauen könnte und mir am Hinterkratzen denke: Was ist denn das?
Und jetzt kommt Jakobus und sagt: „Redet nicht Übles gegeneinander, Brüder! Wer gegen seinen Bruder Übles redet oder seinen Bruder richtet, redet Übles gegen das Gesetz und richtet das Gesetz.“
Wenn du aber das Gesetz richtest, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter.
Das versuche ich euch zu erklären: Wer schlecht über Geschwister redet, wird zum Richter. Logisch, ich sage ja: Ich bin hier der Richter und du hast etwas falsch gemacht.
Problematisch ist das, wenn wir anfangen, das Leben von Menschen zu richten in Bereichen, die uns nichts angehen und in denen wir nicht mitverantwortlich sind, sondern allein Gott.
Was ich meine, ist: Gott hat festgelegt, was Sünde ist. Und ich bin sehr dafür, dass das, wo im Gesetz steht, das ist Sünde, auch Sünde sein darf.
Aber es gibt viele Dinge, die keine Sünde sind – egal, ob ich das gut finde oder nicht.
Und nur weil ich eine Sache richtig finde, wird sie nicht zum Gesetz. Und nur weil ich sie falsch finde, wird sie nicht zur Sünde. Logisch, oder?
Ich darf über Menschen nichts Schlechtes sagen? Äh, fast. Natürlich darfst du über Menschen Schlechtes sagen. Jesus macht das.
Aber wenn du das tust, dann schau bitte, dass drei Dinge zusammenkommen: Da muss klare Sünde sein, da muss echte Unbußfertigkeit sein und die Gefahr, dass diese Sünde anderen zum Fallstrick wird, zur Gefahr.
Deshalb stellt sich Jesus hin und warnt vor den Pharisäern und vor den Schriftgelehrten. Da ist klare Sünde in ihrem Leben, sie wollen nicht Buße tun, und sie werden anderen zur Gefahr.
Ich darf das, ich darf Schlechtes über andere Menschen sagen, ich darf vor ihren Sünden warnen. Ich darf sogar Menschen in der Gemeinde, die sich mit ihrer eigenen Sünde nicht auseinandersetzen wollen, bezeichnen, damit niemand über sie hereinfällt.
Aber Sünde muss in der Bibel stehen, um Sünde zu sein.
Was mir nicht passt oder was ich nicht verstehe oder was nicht meinen Vorlieben entspricht, ist noch lange nicht Sünde.
Den Satz will ich noch mal sagen, weil ich ihn zwar selber aufgeschrieben habe, aber ich finde ihn trotzdem total cool: Was mir nicht passt und was ich nicht verstehe oder was nicht meinen Vorlieben entspricht, ist noch lange nicht Sünde.
Wenn ich über jemanden schlecht rede und das, was er tut, keine Sünde ist, dann rede ich schlecht über das Gesetz und richte das Gesetz, sagt Jakobus.
Ich stelle mich nämlich so hin, als würde Gottes Gesetz nicht ausreichen.
Da steht Gottes Gebot, und ich komme jetzt mit meinem Urteil. Das Gebot Gottes verurteilt den anderen nicht. Aber ich komme und sage: Das reicht nicht, hier fehlt ein Gebot.
Du Gott, weißt du was? Du hast da was vergessen, Gott. Da fehlt das Gebot: Du darfst keine Knaller kaufen. Das hast du nicht in die Bibel reingeschrieben, aber kein Problem, ich korrigiere den Fehler.
Das ist genau das, was wir machen. Und ihr merkt, wie absurd das ist, weil ich mich hinstelle und sage: Das Gesetz Gottes ist nicht vollständig, das reicht nicht, das muss man ergänzen.
Und weil ich so klug drauf bin, so ein bisschen klüger als Gott, mache ich das, weil ich nämlich genau weiß, wo Sünde anfängt und wo Sünde aufhört.
Absurd, absurd, absurd. Diese Haltung, Gebote aufzustellen, die nicht in der Bibel stehen, ist brandgefährlich.
Und leider sind Evangelikale – wir sind ja evangelikal, also behaupte ich mal – leider unglaubliche Regeljunkies, die alles in eine von zwei Schubladen pressen wollen, und zwar entweder in die Schublade erlaubt oder in die Schublade verboten.
Und das Schlimme ist: Das geht gar nicht so leicht. Es gibt klare Sachen, die sind erlaubt, und es gibt klare Sachen, die sind verboten.
Aber wenn du versuchst, alles, was ein Mensch tut, in diese beiden Schubladen zu packen, dann wirst du irgendwann anfangen, Bibelverse zu malträtieren, sie aus dem Zusammenhang zu reißen, nur damit du hübsch alles einteilen kannst.
Und davor möchte ich euch heute ganz arg warnen.
Ich möchte euch bitten – und ich beziehe das erst mal auf mich: Ich möchte euch bitten, haltet die Spannung aus, mich nicht zu verstehen! Haltet die Spannung aus, mich und mein Leben nicht zu verstehen!
Ich lebe mein Leben vor Gott. Ich habe x Flaschen Rotwein, aber nur einen einzigen schwarzen Anzug, der für alles hierhalten muss.
Ich mag Zigarren, aber keine schnulzigen Liebesfilme. Ich mache mit Steven schräge YouTube-Videos. Ich fahre ein altes, verbeultes Auto und ich kaufe wirklich gerne und auch zu viele gute theologische Bücher.
Ich lebe in einer fetten Wohnung, wo du sagen kannst: Was soll denn das? Du lebst doch von Spenden.
Ja, ich gehe.
Und diese Predigt, die ich euch hier am Sonntag halte, entsteht immer zur gleichen Zeit, nämlich auf den letzten Drücker, Sonntagfrüh zwischen sieben und halb zehn.
Das ist mein Leben. Und sorry, du musst mein Leben nicht leben. Das will ich dir ganz ehrlich sagen. Du musst es nicht einmal verstehen.
Und weißt du was? Du musst es auch nicht beurteilen.
Ist das cool? Ist das nicht schön?
Du musst dich jetzt nicht hinsetzen und überlegen, wo sind denn die Fehler in seinem Leben? Wo kann ich vielleicht, indem ich irgendein biblisches Prinzip nehme und ein bisschen biege – die Normativität bleibt dann auf der Strecke für die, die Hermeneutik lieben – aber irgendwie so ein biblisches Prinzip, ja, vielleicht kann ich es doch noch so weit strecken, dass es auf dem Bereich auch noch Spaß macht, wirklich.
Ja, du musst nicht die Fehler in meinem Leben finden, so wunderschön. Du musst das nicht bei mir tun.
Und das Schöne ist: Du musst das bei keinem anderen, der hier im Raum sitzt, tun.
Ist das gut?
Wir müssen lediglich die Spannung aushalten, dass es Dinge gibt, die wirklich erlaubt sind, Dinge, die wirklich verboten sind, und dazwischen lebt jeder sein Leben vor Gott, verantwortlich vor Gott.
Und ja, wenn du mich lieb hast, kannst du mit mir drüber reden, und vielleicht rede ich mit dir über den einen oder anderen Punkt, vielleicht aber auch nicht.
Ich habe aufgehört, mit Leuten darüber zu reden, warum ich im Stehen pinkele. Ist so, macht keinen Sinn, ist einfach so, ja.
Irgendwann hört man auf, ist auch okay. Jeder hat so seine Macken, Punkt.
Und wenn du das bei dir nicht siehst, tut es mir leid, dann siehst du es vielleicht bei mir, und vielleicht kann ich der Spiegel sein, wo du denkst: Oh ja, stimmt, eigentlich habe ich auch, ja, vielleicht ist was ganz anderes bei dir, bestimmt sogar.
Und das Schöne ist: Wenn hier steht, redet nicht Übles übereinander, wir sollen einander nicht richten, dann heißt das, wir dürfen diese Spannung aushalten, dass jeder sein Leben persönlich mit seinem Gott lebt.
Und sagt: Ich bin dafür verantwortlich, wie viel Geld, wie viel Zeit, wie viel Engagement ich in was reinballere.
Und das hat mit mir zu tun, aber nicht mit dir.
Wenn du eine Sünde siehst, sprich sie an, bitte komm zu mir. Und wenn da nichts ist, na ja, dann halt den Mund, du musst ja nicht über mich reden.
Jakobus 4,11: „Denn einer ist Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag.“
Ist das nicht schön? Es ist nicht unser Job, über andere Leute zu reden, über sie zu richten.
Du kannst das einfach stehen lassen. Du kannst sogar sagen: Ich verstehe ihn nicht.
Ja, wie auch? Du müsstest 24 Stunden mit mir unterwegs sein, um mich zu verstehen, und ich verstehe mich nicht.
Ohne Scherz: Ich wache manchmal morgens auf und bin völlig durch den Wind und denke mir: Was ist hier los?
Also, wenn ich mich nicht verstehe, wirst du mich nicht verstehen. Aber ich muss mein Leben leben, und du nicht meins.
Und deswegen: Lasst uns das stehen lassen. Wir richten einander einfach nicht.
Wir haben einen Gesetzgeber, wir haben einen Richter, und das ist Gott.
Du aber, wer bist du, dass du den Nächsten richtest? Das ist die Frage.
Zusammenfassung und abschließende Gedanken
Und von daher mache ich an dieser Stelle Schluss. Zwei Punkte waren mir heute besonders wichtig.
Erstens: Noch einmal zum Gebet. Lasst uns Gott wirklich mit unseren Bitten in den Ohren liegen. Wenn du etwas hast, das dir richtig wichtig ist, pack es auf deine tägliche Gebetsliste. Gott möchte uns segnen – hau das da rein. Ein persönlicher kleiner Tipp: Wenn es richtig, richtig wichtig wird, gibt es noch kleine Verstärker wie das Fasten. Außerdem gibt es die Möglichkeit zu flehen oder Gelübde zu tun. Das sind alles noch Möglichkeiten, die die Bibel zusätzlich anbietet.
Zweiter Punkt: Schlechtreden – Vorsicht! Wenn du dich dabei ertappst, über einen anderen schlecht zu reden oder ein eigenes Gesetzbuch aufzustellen, in dem Gebote stehen, die nicht in der Bibel stehen oder nur ganz lose daran angedockt sind – also wenn du über drei, vier Gedankengänge so etwas tust – dann sei vorsichtig. Wir sind nicht in dieser Welt, um Christen zu richten und unser Urteil in Form von Geschwätz, übler Nachrede oder Verleumdung in die Welt hinaus zu posaunen. Dafür sind wir nicht da.
Wisst ihr, wozu wir da sind? Wir sind dazu da, uns aneinander zu freuen. Uns wirklich zu sagen: „Ich komme hierher und es gibt Psalm 16.“ Dort wird der Charakter des Messias beschrieben. Das ist der Psalm, in dem die Auferstehung vorkommt. Möchtest du wissen, mit welchem Blick Jesus auf seine Leute schaut? Also was Jesus formulieren würde? Er würde sagen: Psalm 16,3: „An den Heiligen, die auf Erden sind, an den Herrlichen ist all mein Wohlgefallen.“
Ist das ein Hammer? Ich weiß nicht, wie du dich siehst, aber wenn du hierher kommst, dann bitte nicht zum Richten, sondern zum Sich-Freuen. Komm hier rein! Hier sitzen die Herrlichen, hier sitzen die Heiligen, hier ist Grund zur Freude.
Das ist der Punkt, und das wünsche ich mir. Das wäre für mich auch ein ganz wichtiger Punkt für eine Gemeinde. Lasst uns an dieser Stelle vorsichtig sein.
Amen.