Unterschiedliche Vorstellungen vom Glück junger Menschen
Ich weiß nicht, wie es euch geht, wenn ihr junge Menschen in eurer Umgebung kennt – also solche, die selbst noch jung sind. Vielleicht sind es Mitschüler in eurer Klasse oder Kommilitonen in eurem Semester, wenn ihr schon älter seid. Es könnten auch Freunde eurer Kinder oder jüngere Kollegen sein.
Wenn ihr diesen jungen Menschen die Frage stellen würdet, was für sie das vollkommene Glück auf dieser Erde sei, was würden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit antworten? Viele würden wahrscheinlich sagen, einen tollen Partner zu haben. Das ist oft der Wunsch für das eigene Leben.
Ich kenne auch einige, die würden sagen, möglichst oft neue, abenteuerliche Beziehungen zu haben – nicht unbedingt einen festen Partner. Bei manchen meiner jüngeren Kollegen habe ich den Eindruck, sie würden wahrscheinlich antworten: Party ohne Ende, also durchgehend feiern gehen.
Ich habe eine jüngere Kollegin, die hat im letzten Jahr, glaube ich, einen Thailand-Urlaub mit zwei oder drei Freundinnen geplant – so einen Rucksackurlaub. Ich habe mitbekommen, wie sie sich auch im Büro, nicht die ganze Zeit, aber manchmal Gedanken darüber gemacht hat, wie sie die Route planen soll. Die Route war so gestaltet, dass man auf jeder Insel das große Sommerfest mitbekommt.
Das war der Maßstab, in welcher Reihenfolge sie die Orte ansteuert, denn keine Party zu verpassen, war ihr sehr wichtig.
Bleiben wir in Thailand. Wir gehen ein paar Kilometer weiter durchs Land und treffen auf einen jungen Mann mit gelber, langer Kutte und kahlgeschorenem Kopf. Wir stellen ihm dieselbe Frage: Was ist für dich das vollkommene Glück auf dieser Erde?
Er würde antworten, frei zu sein von allen irdischen Bedürfnissen, innerliche Fülle zu erleben, vielleicht in der Meditation eine übernatürliche Erfahrung zu machen.
Zwei gleichaltrige junge Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen, die gleiche Frage – und völlig unterschiedliche Antworten. Natürlich steht uns die junge Dame aus der westlichen Welt viel näher. Ihre Antwort können wir besser nachvollziehen.
Meinen Kollegen würde wahrscheinlich der junge Mann aus Thailand mit seiner Antwort näherstehen.
Einführung in den Kolosserbrief und die heutige Predigt
Ich bin ein bisschen nervös, weil ich heute mit euch über den Kolosserbrief sprechen möchte. Der Abschnitt, der heute dran ist, ist wahrscheinlich nicht der Höhepunkt meiner Predigtreihe. Aber von dem, was Paulus geschrieben hat, ist es der absolute Höhepunkt dieses Briefes. Wenn ich das heute vermassle, dann habe ich die gesamte Predigtreihe vermasselt. Das macht mich ein bisschen nervös.
Wir haben uns irgendwann mal, eigentlich schon zweimal, Kolosser 2 angeschaut und sind so ungefähr bis Vers 19 gekommen. Heute möchte ich mit euch über Kolosser 2,20 bis Kapitel 3,4 sprechen. Ich glaube wirklich, dass dies der Höhepunkt des Kolosserbriefes ist. Außerdem halte ich die Kapiteleinteilung für unsinnig.
Ich lese mal ein paar Sätze vor:
„Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, berühre nicht, koste nicht, betaste nicht, Dinge, die alle zur Zerstörung durch den Gebrauch bestimmt sind, nach den Geboten und Lehren der Menschen, die zwar einen Schein von Weisheit haben – in eigenwilligem Gottesdienst und in Demut und im Nichtverschonen des Leibes – und nicht in einer gewissen Ehre zur Befriedigung des Fleisches.“
Die Gefahr religiöser Verführungen in der Gemeinde
In Kolosse hatten wir gesehen, dass es Menschen gab, die gekommen sind und gesagt haben: Na ja, kein Wunder, dass ihr keine Befriedigung in eurem Christsein empfindet und keine Erfüllung findet. Es gibt noch wesentliche Dinge, die ihr nicht kennt.
Ihr könnt Begegnungen mit Engeln haben. Ein Tor in diese unsichtbare Welt, zu diesen übernatürlichen Erfahrungen, ist das Einhalten von jüdischen Geboten. Es ist auch ein Stück weit Askese. Das ist ähnlich dem, was der junge Mann in Thailand vielleicht auch lernen würde: Ausgiebiges Fasten öffnet dir ein Tor in die unsichtbare Welt.
Bisher hätten wir zudem den Eindruck gewinnen können, dass diese Gefahr irgendwie noch vor der Gemeinde stand – an den Toren, außerhalb. Hier sehen wir jedoch, dass sie offensichtlich an manchen Stellen schon drin war.
Wenn ihr mit Christus in den Wänden der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch dann an Satzungen? Das klingt so, als hätten manche schon angefangen, auf diesem Weg religiöse Erfüllung zu suchen.
Paulus ist besorgt und schreit heraus, worum es eigentlich geht. Er möchte ihnen einen neuen Blick dafür öffnen, worum es wirklich geht und auf was sie sich eigentlich einlassen.
Zwei Wege zum irdischen Glück und ihre Grenzen
Ja, wie gesagt, es gibt zwei Wege, das Glück dieser Welt zu erreichen, zwei Versuche, dieses Glück zu erlangen.
Das Credo des Westens lautet: Nimm alles, verpasse nichts, du hast wenig Zeit. Alles, was du in deiner Jugend verpasst hast, hast du für immer verpasst.
Das Credo des Ostens dagegen ist: Halte das Fasten, tue alles, was du kannst, erfahre Befriedigung, erfahre Fülle und mache übernatürliche Erfahrungen.
Was Paulus sagt, ist, dass beides Befriedigung des Fleisches ist. So beendet er diesen Abschnitt auch: Beides ist Befriedigung des Fleisches.
Ob ich sage, ich nehme alles mit und lebe alles aus, was die Welt mir anbietet, ist Befriedigung des Fleisches. Ebenso ist es Befriedigung des Fleisches, Gesetze zu halten, zu fasten, mich dabei toll zu fühlen oder irgendwelche besonderen Erfahrungen zu machen.
Paulus stellt beides letztlich auf eine Ebene. Er sagt, mit irdischen Mitteln kann man nur irdische Ziele erreichen – egal wie unsichtbar oder esoterisch das alles auch aussehen mag.
Wir kennen verschiedene Beispiele: Zeugen Jehovas gehen von Haus zu Haus und haben eine Art Punkteskala. Muslime halten den Ramadan. Hindus und Buddhisten fasten oft. Viele Menschen in unserem Land fasten in irgendeiner Form ab Aschermittwoch. Manche fasten richtig, andere verzichten nur auf Schokolade oder rauchen einige Wochen nicht – oder Ähnliches.
Viele Christen, ich meine jetzt richtige Christen, machen jeden Morgen stille Zeit, aber oft nur als Ritual, als religiöse Übung, die einfach abgehakt wird, um ein guter Christ zu sein.
Was bekommt man dafür? Nun, man erhält Anerkennung von den Religiösen, die das mitbekommen. Man bekommt ein gutes Gefühl, eine innere Befriedigung, so ein Stück weit Fülle – oder so etwas wie Selbstgerechtigkeit.
Paulus sagt: Befriedigung des Fleisches. Bekommst du Segen? Nun ja, da steht ein Fragezeichen dahinter.
Paulus sagt, selbst wenn eure Ziele esoterisch sind, selbst wenn sie nicht materiell sind, selbst wenn sie unsichtbar sind, sind in Wirklichkeit sowohl Mittel als auch Ziel irdisch.
Das müssen wir verstehen, wenn wir Paulus an dieser Stelle verstehen wollen.
Religiöse Übungen und das Ausleben all unserer Bedürfnisse in dieser Welt sind irdische Mittel, um irdische Ziele zu erreichen und sind letzten Endes Befriedigung unseres Fleisches.
Die Konsequenz des Todes mit Christus
Ich lese noch einmal den Anfang von Vers 20: "Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch noch Satzung?"
Wir haben das bereits in Kapitel 2 gelesen, wo Paulus gesagt hat: "Ihr seid mit Christus gestorben." Er hat es dort viel drastischer ausgedrückt. Er sagt: "Ihr seid beschnitten worden mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung, im Ausziehen des Leibes des Fleisches."
Was er damit meint, ist: Ihr habt absolut kapituliert, es jemals Gott recht machen zu können. Er hat einen Schlussstrich gezogen unter euer altes religiöses Leben. Er sagt, ich schaffe es nicht, so gut zu sein, dass ich Gottes Maßstäbe erfülle. Ich kapituliere vor Gott und vor seinem Christus und nehme seine Rettung an.
Paulus sagt, ihr habt den Schlussstrich gezogen unter euer religiöses Leben, unter eure religiösen Bemühungen.
Die Schlussfolgerung, die für Paulus an dieser Stelle selbstverständlich ist, die wir vielleicht nicht unbedingt mitdenken würden, ist automatisch folgende: Er sagt, das Gesetz Gottes, das Gott im Alten Testament gegeben hat, war eure beste Chance, Segen von Gott auf dieser Erde zu bekommen. Es war die beste Chance, die der Mensch überhaupt hatte.
Er sagt: Wenn ihr aufgegeben habt, gut genug zu sein für Gott, dann habt ihr konsequenterweise aufgegeben, euer Glück auf dieser Erde zu finden.
Ich sage das noch einmal: Paulus sagt, das Gesetz Gottes zu erfüllen, das er im Alten Testament gegeben hat, war unsere beste Chance, Segen von Gott auf dieser Erde zu bekommen. Und wenn wir aufgegeben haben, das Gesetz halten zu können, dann haben wir aufgegeben, Glück auf dieser Erde zu finden.
Leben mit Christus: Ein neuer Lebensmittelpunkt
Wir sind gestorben, sagt Paulus. Wir leben nicht mehr für diese Erde, nicht mehr für den Segen und das Glück auf dieser Erde. Paulus sagt hier einen sehr eindrücklichen Satz, den ich vorhin absichtlich weggelassen habe, um euch nicht zu früh zu irritieren.
In Kapitel 2, Vers 20 heißt es: „Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?“ Diesen Satz sollte man ganz langsam lesen. Warum lebt ihr so, als würdet ihr noch in dieser Welt leben?
Für mich war das ein echtes Erlebnis, als ich diesen Satz bewusst gelesen habe. Vor vielen Jahren war ich in Hamburg. Hamburg ist oft von einer steifen Brise geprägt, was man kaum merkt, wenn man durch die Häuserschluchten geht. Ich erinnere mich genau, wie ich auf einer Straßenseite entlangging, links von mir Wohnblocks, und es war fast windstill. Dann kam ich an eine Lücke zwischen zwei Blocks, und plötzlich stand ich ungefähr dreißig Zentimeter weiter rechts, weil dort die steife Brise durchkam.
So geht es mir, wenn ich diesen Satz bewusst lese: Er versetzt mich gedanklich ein Stück weiter, lässt mich innehalten und neu darüber nachdenken. Warum lebt ihr, als würdet ihr noch auf dieser Welt leben? Paul, spinnst du? Natürlich lebe ich noch in dieser Welt, oder? Wir wandeln alle als Lebende unter dieser sichtbaren Sonne. Wir leben in dieser Welt, wir leiden hier, wir genießen hier. Wir haben hier eine Verantwortung, oder? Wir haben eine moralische Verantwortung vor Gott, hier auf dieser Welt richtig zu leben. Wir haben die Verantwortung, unseren Job zu tun, die Aufgaben, die uns Gott anvertraut hat.
Und trotzdem sagt Paulus: Warum lebt ihr so, als würdet ihr noch in dieser Welt leben? Was meint er damit? Ist er verrückt? Im Gefängnis, umgeben von Gitterstäben, schreibt er diesen Satz ganz bewusst. Er sagt: Natürlich lebt ihr noch in dieser Welt. Aber unser Lebensmittelpunkt ist nicht mehr hier. Unsere Wurzeln sind nicht mehr in dieser Welt, und unsere Ziele liegen woanders.
Lebt ihr so, als wäre euer Lebensmittelpunkt, eure Suche nach Glück, eure Hoffnung auf Segen, eure Zukunft und eure Wurzeln hier in dieser Welt? Für Paulus ist das ein völlig absurder Gedanke. Er sagt, wir haben mit dem Leben in dieser Welt abgeschlossen. Wir haben mit der Hoffnung auf Glück in dieser Welt abgeschlossen. Unser Lebensmittelpunkt und unsere Zukunft sind woanders, unsere Gedanken sind woanders.
Im Brief, den Paulus gleichzeitig an die Epheser schrieb, beginnt er mit diesem Gedanken: Wir sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern. Dort ist unser Lebensmittelpunkt, dort sind unsere Wurzeln. Dort ist unser Ziel.
Für Paulus ist es selbstverständlich, wenn er sagt: Wie könnt ihr leben, als wäre das alles noch auf dieser Erde? Wenn ihr mit Christus den Elementen der Welt gestorben seid, warum unterwerft ihr euch dann noch Satzungen, als lebtet ihr noch in dieser Welt?
Das ist der erste Punkt, den ich mitgeben möchte. Ich werde ihn am Schluss noch einmal wiederholen: Hast du verstanden, dass unser Lebensmittelpunkt und unser Ziel nicht mehr in dieser Welt sind? Ist das für dich so selbstverständlich wie für Paulus?
Gedanken auf das Himmlische richten
Kapitel drei
Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid – darum glaube ich, dass die Kapiteleinteilung unsinnig ist. Wie hat Kapitel zwei fast zwanzig Verse angefangen? „Wenn ihr mit Christus der Welt gestorben seid“ (3,1). Und dann steht da: „Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid“ (3,1). Diese große Drei am Rand meines Textes suggeriert mir, dass diese beiden Texte nicht viel miteinander zu tun haben. Aber tatsächlich hängen sie eng zusammen.
Paulus sagt: „Wenn ihr mit Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes.“ Denkt über das nach, was droben ist, nicht über das, was auf der Erde ist. Und Paulus bringt hier ganz konkret seinen Kerngedanken im Kolosserbrief auf den Punkt: Denkt über das nach, was oben ist, dort, wo Christus ist.
Denkt darüber nach, was dort zählt, wo Jesus ist und regiert. Nehmt euch Zeit, immer wieder darüber nachzudenken, was eigentlich dort zählt, wo Jesus ist. Was zählt oben? Was zählt dort, wo ich irgendwann sein werde? Was zählt dort, wo Jesus möchte, dass ich mit Herz, Kopf und Nachdenken schon jetzt bin?
Paulus fragt: Was zählt eigentlich in dem Reich, wo er regiert? Er fordert uns auf, uns die Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken, was dort wirklich zählt. Lebt ihr so, als lebt ihr noch in dieser Welt? Oder denkt ihr über das nach, was dort zählt, wo eigentlich eure Wurzeln sind, eure Zukunft und euer Lebensmittelpunkt?
Was hat im Himmel Bestand? Hat es wirklich Bestand, ob ich Schweinefleisch oder Krabben esse oder an welchen Tagen ich faste? Ist das das, was dort zählt? Paulus sagt nicht direkt: „Ich weiß es, das ist nicht unser Problem.“ Aber er fragt: Was zählt dort, wo Christus regiert?
Dort zählt, ob ich ihm gelebt habe, ob ich ihm gedient habe. Das zählt da, wo er regiert. Dort zählt, was ich mit seinem Reden gemacht habe, mit dem, was er gesagt hat, mit dem, was er kommuniziert hat und was ihm wichtig war. Was habe ich damit gemacht? Das wird dort zählen, und das zählt dort heute schon, sagt Paulus.
Dort zählt, welche Rolle seine Moralvorstellungen für mich spielen. Das zählt dort. Es zählt nichts auf dieser Erde, aber das zählt dort. Dort zählt, welche Rolle Menschen für mich spielen. Denn für Jesus haben Menschen immer eine ganz große Rolle gespielt – nicht seine eigene Befriedigung, schon gar nicht materieller Gewinn. Für ihn waren immer Menschen wichtig.
Wenn wir vor ihm stehen – jetzt im Herzen oder irgendwann einmal von Angesicht zu Angesicht – dann wird es ein wesentlicher Punkt sein: Welche Rolle spielen Menschen für dich? Das zählt dort. Weil es auch das Reich des Vaters ist, habe ich – Johannes würde das so formulieren in seinen Briefen – die Liebe des Vaters im Herzen.
Und das heißt bei Johannes nicht in erster Linie, dass ich weiß, dass ich vom Vater geliebt bin, sondern dass ich die gleichen Dinge liebe, die der Vater liebt. Das zählt halt. Liebe ich die gleichen Dinge, die der Vater liebt?
Paulus sagt also: Wenn ihr mit Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Sinnt darüber nach, denkt darüber nach, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist.
Nehmt euch Zeit dafür, immer wieder – morgens, abends, zwischendurch oder kurz vor dem Mittagsschlaf. Was habe ich für die Woche geplant, und was zählt eigentlich oben? Ja, ich weiß, wir müssen auf dieser Erde leben, wir haben viele Verpflichtungen. Aber wir sollten uns Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was eigentlich droben zählt, wo Christus ist.
Das verborgene Leben in Christus
Vers 3: Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott.
Das ist ein sehr philosophischer Satz, wenn man ihn philosophisch betrachtet. Aber vielleicht ist er auch ganz praktisch. Es ist doch so, oder? Unsere Segnung, unser eigentliches Leben ist verborgen – zumindest für unsere Umgebung.
All das, was wir als Segen empfinden, all das, wofür wir leben und worauf wir hoffen, sieht man nicht. Auch unsere Umgebung sieht es nicht. Das, was unser Leben wirklich ausmacht, wenn wir zu Jesus gehören und mit ihm leben, ist verborgen. Es ist verborgen dort, wo Christus sitzt, zur Rechten Gottes.
Die Kolosser waren sehr interessiert an Geheimnissen. Die Leute, die herumgingen und ihnen neue Lehren verkündeten, sagten: Es gibt Geheimnisse, die nur leise, von Mund zu Ohr, von den Eingeweihten weitergegeben werden. Paulus hatte gesagt: In Christus sind verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis. Aber nicht nur das. Er sagt auch, dass euer eigentliches Leben, wenn ihr wirklich mit Christus lebt, etwas Verborgenes ist.
Ich gebe euch ein paar Beispiele: Es gibt Leute, die abends müde sind. Sami ist oft abends müde. Ich kann das bestätigen, denn ich treffe ihn manchmal abends. Jetzt stellt euch vor: Sami ist zu einer Firmenfeier eingeladen und ist müde. Die Leute fragen sich: Warum ist Sami so müde? Warum steht er morgens so früh auf, dass er abends schon müde ist? Was macht er eigentlich morgens eine Stunde, bevor er normalerweise losgehen müsste?
Für Sami ist das ein ganz wesentlicher Teil seines Lebens: Morgens Zeit mit Gott zu verbringen, obwohl er früher zur Arbeit geht – viel früher als die meisten von uns. Das prägt sein Leben. Aber für seine Umgebung ist es verborgen. Ich weiß auch nicht, ob er es jedem erzählen würde, denn er möchte nicht, dass die Leute denken: Wenn ich Christ werde, muss ich um halb fünf aufstehen. Deshalb hält er lieber Abstand von diesem Gedanken. So bleibt es verborgen. Aber es ist ein Leben.
Für manche ist es verborgen, warum wir Nachteile in Kauf nehmen, um ehrlich zu bleiben. Wir tun das manchmal: Wir nehmen ganz konkrete materielle Nachteile in Kauf, um ehrlich zu bleiben. Und unsere Umgebung versteht das nicht, wenn sie es mitbekommt. Warum ergreifen wir nicht jede Karrieremöglichkeit, die uns mehr Geld und Ansehen bringen würde – vielleicht mit etwas weniger Zeit? Für viele ist das verborgen, ein Geheimnis, das sie nicht verstehen.
Warum halten wir schwierige Beziehungen aus – in der Gemeinde, in der Verwandtschaft, manchmal auch in der Ehe? Warum ertragen wir das, anstatt uns etwas Leichteres zu suchen? Unser Leben, das uns prägt, unsere Motivation und die Kraft, die wir haben, ist verborgen.
Wohin verschwindet eigentlich bei manchen von uns das Geld? Für meine Eltern ist es ein Rätsel, warum wir uns nach so vielen Jahren Arbeit immer noch kein Haus gebaut haben. Ich arbeite gut, wenn auch nicht Vollzeit. Eigentlich müsste das Ersparte langsam reichen. Wo verschwindet das Geld? Das ist ein Geheimnis. Unser Leben ist verborgen. Wir sagen nicht jedem, wohin unser Geld verschwindet.
Was tun wir eigentlich mit unserer Zeit? Das ist oft montags in der Kantine bei der Arbeit ein Thema: „Was habt ihr am Wochenende gemacht?“ Ich überlege oft, was ich sage. Sage ich: „Ich stand Samstag an einem Büchertisch und habe christliche Literatur verteilt?“ Wäre das ein guter Einstieg für ein evangelistisches Gespräch oder eher nicht? Sage ich: „Ich war in Pirmasens und habe in der christlichen Gemeinde gepredigt?“ Wäre das ein interessanter Effekt am Mittagstisch?
So bleibt manches verborgen, obwohl es ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens ist, was ich am Wochenende gemacht habe. Aber manches sage ich nicht, weil ich denke, die anderen können so wenig damit anfangen. Es würde nur Befremden auslösen. Vieles von meinem Leben, das Wesentliche meines Lebens, ist in meiner Umgebung verborgen.
Die Offenbarung des Lebens mit Christus in der Zukunft
Das ist vier. Das ist jetzt der Höhepunkt, oder? Das ist vier.
Wenn Christus unser Leben ist – denn Christus ist für mich das Leben, hat Paulus gesagt: „Christus ist für mich das Leben“ – dann wird, wenn Christus unser Leben offenbart wird, auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit.
Wisst ihr, wenn Christus irgendwann offenbar wird, sichtbar für alle, dann wird dein Leben, dein verborgenes Leben, das Eigentliche, das dein Leben ausgemacht hat, das, was dich motiviert hat und dein Leben geprägt hat, plötzlich für alle offenbar werden.
Wenn Christus unser Leben offenbart wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden. Es wird für alle sichtbar, wer wir eigentlich sind. Es wird offenbar, wie wir wirklich „ticken“ – für alle, die das nie verstanden haben. Es wird sichtbar, wohin wir eigentlich gehen und was schon immer unser Ziel war. Es wird offenbar, wer eigentlich unser Leben ist. Wow!
Und wisst ihr, was hier steht? Wenn Christus unser Leben offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit. Was immer das alles bedeutet, „mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ – eins ist sicher: Alle werden nicht nur sehen, wer ihr seid, wie ihr tickt und wohin ihr geht, sondern auch, dass es gut war. Denn letzten Endes bedeutet „offenbar werden in Herrlichkeit“ genau das: Alle werden sehen, das war gut.
Zusammenfassung und Ausblick
Ja, das ist der Höhepunkt des Kulissebriefs. Warum lebt ihr noch, als würdet ihr in dieser Welt leben, obwohl euer Lebensmittelpunkt, eure Wurzeln und euer Lebensziel gar nicht mehr in dieser Welt sind?
Nehmt ihr euch Zeit, darüber nachzudenken, was droben ist, wo Christus ist und was dort zählt? Unser Leben ist verborgen, aber es wird in Herrlichkeit offenbar werden, wenn Christus offenbar wird.
Es wäre so gut, wenn wir unsere Zeit nicht damit verschwenden würden, alles mitzunehmen. Wenn wir unsere Zeit nicht in religiösen Übungen vergeuden, die nur unser gutes Gefühl und unser Ansehen steigern, sondern stattdessen über das nachsinnen, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Wenn wir überlegen würden, was dort zählt.
Ja, Paulus ist realistisch. Der Rest seines Briefes beschäftigt sich damit, was auf dieser Erde für Christen taugt. Er fängt sehr radikal an: Tötet eure Glieder, die auf der Erde sind – Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht!
Er sagt, es ist nicht egal, was ihr hier auf der Erde tut, nur weil euer Ziel und eure Wurzeln im Himmel sind. Unmoral und Materialismus haben im Leben eines Christen überhaupt nichts zu suchen.
Trotzdem: Denkt über das nach, was droben ist, wo Christus ist, denn euer Leben ist verborgen mit Christus und Gott.
Alles, was danach kommt – ab Kapitel 3, Vers 5 – kommt irgendwann beim nächsten Mal.
Amen!