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Nutzt günstige Gelegenheiten

06.10.2001Kolosser 4,5

I. Das gespaltene Leben

Mit grosser Selbstverständlichkeit geht Paulus davon aus, dass wir in einer anderen Welt leben. Für ihn gibt es Menschen die drinnen und Menschen die draussen sind. Christen sind drinnen und Menschen die nicht an Jesus glauben sind draussen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das uns Christen etwas unangenehm ist. Wir möchten ja nicht besser sein als andere Menschen. Wir möchten nicht überheblich wirken. So neigen wir gerne dazu diesen Unterschied herunterzuspielen. Aber ob wir das wollen oder nicht: Jesus sagt im Gespräch mit seinem Vater: Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst; denn sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. / Ich bitte dich nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. (Joh 17,14-15)Wir leben eigentlich in einer fremden Umgebung. Wir passen da nicht so richtig hin. Das kann in gewissen Zeiten ganz ungemütlich werden. So sagt Jesus seinen Jüngern: Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. (Joh 15,19)

Anwendung

Als Christen müssen wir in dieser Wirklichkeit leben. Einige Christen neigen nun dazu sich völlig von der Welt fernzuhalten. Möglichst wenig Kontakt mit Menschen pflegen, die keine Christen sind, mit der Zeit ziehen sie sich auch noch von den Christen zurück. Wäre das Gottes Idee gewesen, dann hätte er die Christen gleich von der Erde nehmen können. Wenn wir uns weise gegenüber den Menschen verhalten sollen, die noch nicht Christen sind, dann müssen wir mit ihnen in Kontakt stehen. Das war für Paulus absolut selbstverständlich, denn wer sich abkapselt muss nicht weise, sondern stur sein. In Jesus hatte die Gemeinde das herausragende Beispiel, was es heisst in einer Welt zu leben, in die man nicht so richtig hineinpasst. Jesus scheute sich nämlich nicht mit Menschen in engen Kontakt zu treten, die weit weg von den religiösen Normen lebten. Pharisäer und Schriftgelehrte nahmen sehr Anstoss an der Lebensführung von Jesus. Die Pharisäer und die Gesetzeslehrer murrten und sagten: »Er lässt das Gesindel zu sich! Er isst sogar mit ihnen!« (Lk 15,2)Es ist wichtig, dass wir mit Menschen in Beziehung stehen. Wer im Beruf dazu wenig Gelegenheit hat, kann ja etwas machen, das ihm Freude macht z.B.: Englischkurse, Sportvereine, Wahlbürodienst.

Das wir Menschen von einer anderen Welt sind, soll sich dadurch auszeichnen, dass wir äusserlich absondern, sondern darin dass wir andere Wertmassstäbe haben. Wie wir in der Bibel unterwiesen werden: Passt euch nicht den Massstäben dieser Welt an. Lasst euch vielmehr von Gott umwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird. Dann könnt ihr euch ein sicheres Urteil bilden, welches Verhalten dem Willen Gottes entspricht, und wisst in jedem einzelnen Fall, was gut und gottgefällig und vollkommen ist. (Röm 12,2) Ihr kennt die Gebote: »Brich nicht die Ehe, morde nicht, beraube niemand, blicke nicht begehrlich auf das, was anderen gehört.« Diese Gebote und alle anderen sind in dem einen Satz zusammengefaßt: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« (Röm 13,9) Bleibt niemand etwas schuldig - ausser der Schuld, die ihr niemals abtragen könnt: der Liebe, die ihr einander erweisen sollt. Wer den Mitmenschen liebt, hat alles getan, was das Gesetz fordert. (Röm 13,8)

II. Die Gelegenheit beim Schopf packen

Die Weisheit im Leben als Christ benötigen wir um die Zeit auszukaufen. Vielleicht schalten jetzt gleich einige von uns auf Durchzug. Wir wissen ja was jetzt kommt. Man hört es überall: Ein Vortrag über die richtige Zeiteinteilung, man muss Ziele haben und dafür einen konkreten Zeitplan ausdenken. Man muss den Tag strukturieren, damit keine Zeit unnütz vertan wird usw. usf. Aber bevor Du ganz auf Durchzug schaltest warte noch einen kleinen Moment. Es ist nicht ganz so. Und wenn man diesen Vers als Referenzstelle für ein effektives Zeitmanagement verwendet, so hat man sich definitiv geirrt.

Die griechische Sprache kennt zwei Begriffe mit denen sie zwei verschiedene Aspekte der Zeit charakterisiert. Der eine heisst Chronos. Das bezeichnet mehr die fortlaufende Zeit. Die Chronologie der Zeit. Würde dieses Wort hier stehen, müsste ich eher über die richtige Zeiteinteilung sprechen. Paulus verwendet aber das andere Wort: Kairos. Das bezeichnet mehr die rechte Zeit, die rechte Stunde oder den günstigen Augenblick. Kairos ist eine Gestalt in der Antike... Diese Darstellungen sind Nachbildungen der Kairosstatue des Lysipp[1]; von ihm dargestellt war vermutlich ein nackter jugendlicher Ephebe[2] mit Fussflügeln, auf den Fussspitzen vorüberhuschend ... Als Attribute hatte er ausser den Fussflügeln nur eine auffällige Frisur, Stirnlocke bei ganz kurzem Haar am Hinterkopf". Dies letztere Kennzeichen bestätigt, dass der Kairos auch in der religiösen Betrachtung den Entscheidungscharakter mindestens ursprünglich hat: die Haarlocke deutet symbolisch an, dass man die günstige Gelegenheit beim Schopfe packen" dass der Mensch durch den Kairos zum Handeln gefordert ist. (Kittel, III,458, 30ff). Wir sollen die Gelegenheiten beim Schopf packen. So sagt Jesus über Jerusalem: Sie werden dich und deine Bewohner völlig vernichten und keinen Stein auf dem andern lassen. Denn du hast den Tag (kairos) nicht erkannt, an dem Gott dir zu Hilfe kommen wollte.« (Lk 19,44)

Evangelisation

So gibt es auch im Leben so Gelegenheiten, die man beim Schopf packen muss. Ich denke da auch an Menschen, die das Evangelium verstanden haben und eigentlich wissen, dass es wahr ist, aber sie tun den Schritt zu Jesus nicht. Sie verschieben diesen Schritt auf irgendwann später. Das kann eben die verpasste Gelegenheit sein. Wenn Du das schon mal gemacht hast, so lass das nächste Mal diese Gelegenheit nicht nochmals vorbeigehe. Entscheide Dich und folge Jesus nach.

Anwendung

Die Zeit auskaufen heisst also nicht in endloser Betriebsamkeit sich ergeben, jede Minute minuziös geplant habe, sondern bedeutet, die Gelegenheit, die sich bieten beim Schopf packen. z.B.

  • Einem Nachbarn der krank ist meine Hilfe anbieten
  • Arbeitskollege unterstützen und helfen
  • Jemanden der mich auf den Glauben anspricht oder eine Bemerkung macht, wo ich einhaken kann.
  • Einer Schulkameradin eine Glückwunschkarte zum Geburtstag schreiben

Oft sind wir so engagiert und betriebsam, dass wir vor lauter Betriebsamkeit die besten Gelegenheiten verpassen. Oder wenn wir sie noch erkennen würden, fehlt uns die Kraft, weil wir einfach keine Reserven mehr haben. Das gilt auch für uns als Gemeinde. Es geht nicht in erster Linie darum Ziele zu formulieren und eine Strategie zu deren Erreichung zu entwickeln. Das ist nicht falsch und wir tun das auch und es kann sehr hilfreich sein. Aber das kann man auch völlig überbewerten. Viel wichtiger ist es, dass wir die Gelegenheiten entdecken und sie voll und ganz nutzen. > Denn was wissen wir, was in fünf oder zehn Jahren wirklich sein wird. Der Herr allein weiss es. Aber wir können heute die Gelegenheit entdecken, die sich uns bieten und sie nutzen.

Ein Wörterbuch beschreibt die Intension vom auskaufen der Gelegenheit folgendermassen. Wenn sich die Gelegenheit bietet, soll sie unter Aufwand von Kosten, von Anstrengungen, restlos ausgenützt", werden.[3]

Schluss

Macht ernst damit - und das erst recht, weil ihr wisst, was die Stunde geschlagen hat! Es ist Zeit (kairos) für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen. Denn unsere endgültige Rettung ist nahe; sie ist uns jetzt näher als damals, als wir zum Glauben kamen. (Röm 13,11)

Amen

----------------------- [1] Lysipp (Lysippos von Sikyon), griechischer Bronzebildner des 4.ÿðJahrhunderts v.ÿðChr., Hofbildhauer Alexanders d.ÿðGr. Von Lysipps Götter- und Menschenstatuen sind nur kaiserzeitliche Marmorkopien, u.ÿða. der Apoxyomenos (Vatikan, um 325 v.ÿðChr.), der Farnesische Herakles (Nchischer Bronzebildner des 4.?Jahrhunderts v.?Chr., Hofbildhauer Alexanders d.?Gr. Von Lysipps Götter- und Menschenstatuen sind nur kaiserzeitliche Marmorkopien, u.?a. der Apoxyomenos (Vatikan, um 325 v.?Chr.), der Farnesische Herakles (Neapel) und das Alexanderbildnis (»Azara Herme«, Louvre) überliefert. Mit seinem bewegten Stil wurde Lysipp zum Wegbereiter der hellenistischen Kunst.

[2] Epheben [griechisch], in der griechischen Antike die jungen Männer zwischen 18 und 20 Jahren, die seit dem 4.Jahrhundert v.Chr. nach athenischem Vorbild von Staats wegen eine militärische Erziehung erhielten. [3] Kittel: I,128,17ff