Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Povileit und Jörg Lackmann. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Der Mensch ist im Ebenbild Gottes geschaffen und somit wertvoll. Andererseits ist er aber auch schuldig, weil er sich nicht zum Glauben bekehrt hat, und er ist erlösungsbedürftig – so beschreibt ihn die Bibel.
Wie sollen wir nun mit uns selbst umgehen? Welche Gefühle sollten wir gegenüber uns selbst haben, und welches Selbstbild ist biblisch? Sollen wir uns selbst lieben, oder wie verhält sich Selbstliebe zur Selbstverleugnung?
Viele Menschen kämpfen mit lähmendem Minderwertigkeitsgefühl. Oft hängt das mit Erfahrungen aus der Kindheit, der Jugend oder mit kulturellen Einflüssen zusammen.
Jörg, sollen diese Menschen jetzt lernen, sich selbst mehr zu lieben? Das kommt darauf an, wie sie es verstehen. Die deutsche Sprache ist da ein bisschen schwammig. Wir fassen unter Selbstliebe Dinge zusammen, die im Neuen Testament im Griechischen getrennt sind.
Ich mache das vielleicht ganz kurz mal klar: Im Griechischen kann man drei Kategorien der Selbstliebe unterscheiden. Die erste betrifft die Gefühle gegenüber einem selbst. Ich fühle mich gut, ich liebe mich gefühlsmäßig. Das wird bei uns Selbstliebe genannt.
Die zweite Kategorie wird bei uns ebenfalls Selbstliebe genannt, betrifft aber das Handeln gegenüber uns selbst. Also, ob ich mich morgens anziehe oder mir etwas zu essen besorge. Das würde man eher als Selbsterhaltung bezeichnen. Es ist aber auch eine Form der Selbstliebe im Handeln. Du kannst zum Beispiel trotz sehr schlechter Gefühle dir selbst gegenüber trotzdem essen, damit du nicht verhungerst. Das heißt, in diesem Sinne liebst du dich trotz deiner schlechten Gefühle durch dein Handeln.
Eine dritte Kategorie, die das Griechische ebenfalls unterscheidet, ist das Denken über uns selbst. Das würden wir eher als Selbsteinschätzung bezeichnen.
Wie gesagt, wir fassen das alles zusammen, und ich bin da ein bisschen zurückhaltend mit den ganzen Aussagen wie „Du musst dich selbst lieben“. Je nachdem, wie es gemeint ist. Denn der eine denkt zum Beispiel sehr negativ über sich, behandelt sich aber gut. Gefühle hat er dann vielleicht nicht, das ist eher andersherum. Aber das eine muss mit dem anderen nicht unbedingt etwas zu tun haben.
Diese drei Kategorien – Gefühl, Denken und Handeln – würde ich gern, wie die Bibel, erst einmal trennen, bevor wir uns näher Gedanken zur Selbstliebe machen.
Genau, wir sind ja jetzt gedanklich bei Selbstliebe. Aber wenn ich darüber nachdenke, fällt mir natürlich auch der Satz des Herrn Jesus ein. Er sagt ja nicht: „Liebe dich selbst“, sondern: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, oder?
Ja, so würde ich es auch ausdrücken, wobei heute das teilweise anders formuliert wird. Er wird von einem Pharisäer gefragt. Diese Begebenheit steht in Matthäus 22: „Was ist das größte aller Gebote?“ Der Pharisäer möchte ein Gebot hören.
Jesus antwortet, dass das größte Gebot sei, Gott zu lieben – und zwar mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Denken. Das ist das erste und größte Gebot. Dann nennt er noch ein zweites Gebot: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Heutzutage sagt man oft, es gäbe drei Gebote: Du sollst Gott lieben, du sollst den Nächsten lieben und du sollst dich selbst lieben. Ich denke jedoch, dass es hier wirklich nur ein Doppelgebot ist, so wie es im Text steht. Erstens: Gott lieben. Zweitens: Du sollst den Nächsten lieben. Und das „wie dich selbst“ ist kein neues Gebot, sondern ein Vergleich, der zeigt, wie du deinen Nächsten lieben sollst – nämlich so, wie du dich selbst liebst.
So würde ich das verstehen. Natürlich würden einige jetzt wahrscheinlich widersprechen. Aber so steht es ja da.
Ein häufiges Gegenargument lautet: Kennst du nicht die Menschen, die sich selbst zerstören? Die lieben sich doch nicht selbst. Hier kommt, glaube ich, von Anfang an eine wichtige Unterscheidung ins Spiel – zwischen Gefühlen, Handeln und Denken über sich selbst.
Im Griechischen steht nämlich nicht, dass man gute Gefühle sich selbst gegenüber haben soll. Vielmehr geht es um das Wort „Agape“, also die Liebe im Sinne von Handeln. Du sollst deinen Nächsten so lieben, wie du dich selbst liebst – im Sinne von agierendem Verhalten.
Paolo sagt im Epheserbrief Kapitel 5, dass Männer verpflichtet sind, ihre eigenen Frauen zu lieben wie ihren eigenen Körper. Das ist wieder ein Vergleich. Es bedeutet nicht, dass wir jetzt Körperkult betreiben sollen. Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst.
Denn jetzt kommt die Begründung, und die ist spannend. Dabei merkt man, welche Kategorie Paolo meint: Gefühle, Handeln oder Denken? Denn niemand hat je seinen eigenen Körper gehasst. Stattdessen nährt und pflegt er ihn, genauso wie der Herr die Gemeinde pflegt.
Er sagt also: Ihr Männer, liebt eure Frauen, so wie ihr auch euren Körper liebt. Denn ihr sorgt für euren Körper, gebt ihm zu essen, duscht, pflegt euch und zieht euch an. Das ist das, was wir als Selbsterhaltung bezeichnen würden. Und genauso ist es auch oben im Text gemeint.
Es geht hier um die Handlungsliebe. Wir sollen den anderen so lieben, wie wir uns selbst lieben. Die Bibel geht im Epheser 5 und auch an anderen Stellen davon aus, dass wir uns selbst lieben. Das ist spannend, denn diese Selbstliebe wird als selbstverständlich vorausgesetzt.
Das ist natürlich für viele heute ungewohnt. Sie sagen vielleicht: „Das stimmt nicht.“ Für uns ist es fast unerhört, dass die Bibel denkt, wir würden uns selbst lieben. Aber sie geht bei diesen Geboten erst einmal davon aus, dass wir uns tatsächlich selbst lieben. Nicht gefühlsmäßig, sondern im tatsächlichen Handeln, so wie wir uns selbst erhalten. So muss man das verstehen.
Es gibt nur zwei Gebote. Im 1. Johannes 4,21 wird zum Beispiel gesagt: „Und dieses Gebot haben wir von ihm, dass wer Gott liebt, auch seinen Bruder lieben soll.“ Nicht sich selbst. Das ist nur an dieser Stelle so formuliert. Es gibt keine Stelle in der Bibel, wo steht: „Du sollst dich selbst lieben.“ Diese Formulierung gibt es nicht.
Das ist sicher für manche ungewohnt. Aber die Frage ist: Was ist die Alternative? Ist es dann „Du sollst dich selbst hassen“? Nein, ich denke, hier liegt ein Fehler in der Denkweise vor.
Selbsthass ist letztendlich zerstörerisch und nicht gut. Aber auch er ist selbstbezogen, wie das Wort schon sagt. Ich habe schon Menschen kennengelernt – und ich muss aufpassen, dass das nicht falsch verstanden wird –, die ein selbstzerstörerisches Verhalten hatten. Trotzdem drehten sie sich die ganze Zeit um sich selbst. Sie dachten nicht daran, was ihr Verhalten bei anderen auslöst.
Deshalb kann Selbsthass nicht die Alternative sein. Denn sowohl Selbstliebe als auch Selbsthass gehen beide auf den Menschen zurück. Gott will aber, dass wir uns auf ihn ausrichten und auf den Nächsten. Das heißt nicht, dass wir uns deswegen selbst verlieren.
Das vielleicht als erster Gedanke: Die Bibel geht eigentlich davon aus, dass wir uns normalerweise selbst lieben – und zwar im Handeln.
Ein Gegenbeispiel ist natürlich der besessene Gerasener, der nackt umherlief und allerlei ungewöhnliche Dinge tat. Aber auch er war besessen. Genau, der Teufel versucht, uns zu zerstören. Drogen zerstören uns ebenfalls, und irgendwann gerät man in einen Kreislauf.
Die meisten Menschen, selbst wenn sie ein selbstverletzendes Verhalten zeigen, sind dennoch immer noch auf sich selbst bezogen – wenn auch in einer negativen Weise. Sie sind jedoch nicht wirklich frei von sich selbst.
Ich habe einmal einen Satz gehört, der mir in diesem Zusammenhang besonders im Gedächtnis geblieben ist. Die Diskussion ist zwar schon etwas älter, aber ich möchte den Hintergrund erläutern, wie dieses Denken von Sher Adams entstand. Er sagte: „Minderwertigkeitsgefühle sind Stolz.“ Das klingt zunächst völlig unwürdig.
Man denkt ja normalerweise, man halte sich für zu gering. Er erklärt jedoch, dass man letztlich immer noch der Bezugspunkt der ganzen Welt ist. Man glaubt, es sei unheimlich wichtig, was man selbst von sich denkt. Das ist Stolz, sagt er.
Denn wenn man wirklich Minderwertigkeitsgefühle hätte, müsste man den anderen dienen. Man würde sagen: „Ich bin nichts wert, also lebe ich nur für die anderen.“ Stattdessen dreht sich alles ständig darum, wie man bei den anderen dasteht. Das ist Hochmut, erklärt er.
Oder man fühlt sich schlecht, weil andere einen nicht so würdigen, wie man es gerne hätte. Natürlich hat man schlechte Gefühle sich selbst gegenüber, aber letztlich ist man für sich selbst das Größte. Das ist die Definition von Stolz, sagt er.
Wie kommt dieser Gedanke eigentlich zustande? Die Vorstellung, dass man sich selbst lieben soll und dass dies kein Egoismus sei, ist erst etwa 50 Jahre alt. Sie entstand in den 1970er-Jahren, vor allem durch die humanistische Psychologie.
Vertreter dieser Richtung sind zum Beispiel Erich Fromm und der Amerikaner Carl Rogers. Es gab einige Auffassungen, die immer wieder betont wurden. Ich nenne hier fünf zentrale Punkte.
Erster Punkt: Der Mensch ist bedingungslos liebenswert.
Zweiter Punkt: Diese bedingungslose Annahme beruht allein auf dem Menschsein. Das heißt, weil ich ein Mensch bin, bin ich liebenswert – unabhängig von meiner Leistung.
Dritter Punkt: Die Schlussfolgerung daraus lautet, dass jeder sich selbst lieben soll. Selbstliebe ist demnach nicht Selbstsucht. Weil ich liebenswert bin, soll ich mich auch selbst lieben.
Vierter Punkt: Wenn man sich minderwertig fühlt, soll man sich erst recht selbst lieben. Denn wenn ich mich nicht zuerst selbst liebe, kann ich andere nicht lieben.
Das ist die große Schlussfolgerung aus diesem Gedankengang. Viele würden dem zustimmen. Ich persönlich sehe das in der Bibel allerdings nicht so.
Das ist auch ganz wichtig: Obwohl wir immer wieder von aktuellen Trends hören, sollten wir das Wort Gottes als Maßstab nehmen und fragen, was die Bibel dazu sagt.
Wie ist deine Sichtweise? Siehst du Selbstliebe eher als Selbstsucht?
Ja, ich würde es so sagen. Also, ich würde es trennen. Ich finde, man sollte sich jetzt nicht im Denken herunterziehen lassen. Man soll sich trotzdem um sich selbst kümmern und seine Auszeiten nehmen. Gott hat gesagt: Sechs Tage sollst du arbeiten, einen Tag sollst du ruhen. Das ist auch eine Form von Selbstliebe.
Diese Gefühle gegenüber sich selbst finde ich in der Bibel nur einmal erwähnt, und zwar in 2. Timotheus 3,1-5. Dort heißt es: Du sollst wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten eintreten werden. Und was ist das erste Kennzeichen von allen? Denn die Menschen werden sich selbst lieben.
Interessanterweise ist das das einzige Mal, dass das gefühlsmäßige Wort „lieben“ in diesem Zusammenhang verwendet wird, nämlich viel „autost“. Hier geht es nicht darum, dass Menschen sich um sich selbst kümmern – das ist selbstverständlich. Aber die schlimmen Zeichen werden dadurch gekennzeichnet, dass Menschen sich selbst lieben.
Erst danach folgen andere Eigenschaften: Sie sind geldgierig, prahlerisch, überheblich, lästern, sind den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht, gewalttätig, den guten Weg verlassend, Verräter und so weiter. Sie lieben das Vergnügen mehr als Gott.
Alles beginnt also mit der Selbstliebe. Das ist natürlich etwas, das viele gar nicht zusammenbringen und als unmöglich ansehen. Aber die Bibel geht zunächst davon aus, dass wir den Nächsten lieben sollen, wie wir uns selbst lieben. Das ist ein Doppelgebot, kein Dreifachgebot.
Die Bibel unterscheidet zwischen Handeln, Denken und Fühlen. Wenn es um das Gefühl gegenüber sich selbst geht, dann ist es negativ, wie in 2. Timotheus 3 beschrieben. Es gibt keine positiven Gefühle, in denen es heißt: Entwickle gute Gefühle für dich selbst, und du kannst erst dann den anderen lieben.
Das ist so nicht dargestellt.
Aber wenn ich jetzt theologisch dagegen argumentieren würde: Der Mensch ist ja im Ebenbild Gottes geschaffen, das sagt die Bibel sehr klar. Dann ist der Mensch doch wertvoll, er ist Gottes Ebenbild. Ja, das ist er auch. Aber deswegen musst du dich doch nicht um dich selbst drehen – das ist der entscheidende Punkt.
Ich möchte nicht sagen, dass man sich nicht selbst lieben darf. Wenn man das so ausdrücken will, soll man es so sagen. Mir ist wichtig, was dahinter steht. Also, ein Ja zu sich selbst zu haben, das soll man auch haben. Denn Gott hat ja auch ein Ja zu dir. Du sollst dich geliebt fühlen.
Aber ich denke, es ist ein großer Unterschied, worum du dich drehst. Ich glaube, wenn du dich immer um dich selbst drehst, auch gefühlsmäßig, dann kannst du unglücklich werden. Wenn ich mich dauernd analysiere und schaue, wie ich bin, und mich ständig um mich selbst kümmere, dann werde ich ziemlich ungenießbar. Denn dann kümmere ich mich nicht mehr so um die anderen.
Ich denke, wenn du immer nur auf dich schaust und dich selbst liebst, wird dich das nicht besser machen, andere zu lieben oder Gott zu lieben. Im Gegenteil.
Ich habe jetzt den Wert von Psalm 8 zum Beispiel. Wir können den mal vorlesen: „Wenn ich den Himmel betrachte, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast, was ist der Mensch, dass du an ihn gedenkst? Du hast ihn ein wenig niedriger gemacht als die Engel, mit Herrlichkeit und Ehre hast du ihn gekrönt.“ Wir sind wertvoll.
Aber die Schlussfolgerungen heutzutage – das muss ich mir immer wieder sagen: „Ich bin wertvoll, ich bin wertvoll, ich bin wertvoll.“ Seine Schlussfolgerung ist nicht, sich selbst zu sagen: „Ach, wie toll ich bin!“ Sondern seine Schlussfolgerung ist: „Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde!“ Er lobt Gott dafür.
Also, er fühlt sich geliebt, aber er dankt Gott dafür. Statt sich um sich selbst zu drehen.
Oder Psalm 139: „Ich danke dir dafür, dass ich erstaunlich und wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das wohl.“ Man soll das nicht kleinreden. Wir haben die Intelligenz von Gott, wir sind von ihm geliebt, er ist für uns gestorben. Das soll man alles genießen und sich darüber freuen, sich geliebt fühlen.
Aber deswegen jetzt eine Lehre zu entwickeln, dass ich andere nicht lieben kann, wenn ich mich nicht selbst liebe – das steht nirgends in der Bibel.
Das fand ich jetzt einen ganz wichtigen Hinweis von dir: Es bringt mich nicht weiter, mich selbst zu lieben, um letztendlich den anderen lieben zu können. Paulus hat, das hatten wir schon einmal als Podcaster besprochen, auch gesagt, Christus ist für uns gestorben, als wir noch kraftlos waren.
Das ist nämlich das große Problem, wenn du dich selbst liebst: Wie viel ist denn genug? Wenn ich mich selbst betrachte – das ist jetzt mehr das Denken über mich – finde ich immer etwas, was ungenügend ist. Wenn ich diesen Podcast nachher analysiere, sage ich: Das war schlecht, das war schlecht, das war schlecht. Da muss irgendwo eine Grenze gezogen werden.
Paulus analysiert auch sich selbst, das ist jetzt das Denken. Wir sind jetzt in der dritten Kategorie im Denken. Paulus sagt auch: Ich habe mehr gearbeitet als ihr alle. Das kann er ganz klar sagen, das hat er beurteilt. Manche würden das als Selbstliebe bezeichnen, ich aber nicht.
An anderer Stelle sagt er dann, ich muss mal gucken, wo die Grenze ist. Die ist irgendwo im 1. Korinther 4, genau, in der Bekannte. An anderer Stelle sagt er: Wir sind Haushalter Gottes. Ja, mir aber ist es das Geringste, dass ich von euch oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt werde. Auch beurteile ich mich nicht selbst.
Das ist ja spannend. An einer Stelle sagt er: Ich arbeite mehr als ihr alle – da beurteilt er das selbst. Und hier sagt er: Ich beurteile mich nicht selbst. Wie ist das zu verstehen? Er meint natürlich, er urteilt nicht über seinen Wert.
Natürlich schaue ich, ob ich heute gute Arbeit geleistet habe, wie ich mich verbessern kann, ob ich im Gespräch mit meinem Verwandten die richtigen Worte gewählt habe oder ob ich es anders hätte machen müssen. Aber irgendwo muss ich bei diesen Gedanken auch einen Schlusspunkt setzen und sagen: Mein Wert definiert sich nicht dadurch. Er hängt nicht davon ab.
Der Wert wird auch nicht größer, wenn ich mich gut fühle, sondern er wird größer, weil Gott für mich gestorben ist. Er ist ja nicht gestorben, weil ich so wertvoll bin, sondern weil er mich liebt. Ich bin nicht an sich wertvoll, sondern weil er mich liebt. Seine Liebe gibt mir Wert.
Manche sagen: Ich bin wertvoll, und deswegen muss Gott mich lieben. Da ist ein Denkfehler drin. Ich weiß, das ist seit 50 Jahren in der Gesellschaft verbreitet, dass das der wahre Weg wäre. Aber das Problem ist wirklich: Irgendwann merkst du, dass du gar nicht so liebevoll bist, wie du sein solltest.
Dann versuchst du, dich gefühlsmäßig selbst zu lieben, aber da ist nichts, was zu lieben wäre. Und da kommt die Botschaft des Evangeliums: Er ist nämlich für Sünder gestorben, für seine Feinde, für Leute, die nichts von ihm wissen wollten, für Schuldige und Menschen, die nichts wert sind.
Das heißt, Gott macht letztendlich etwas in mir, was dann liebenswert ist. Aber er liebt mich auch, wenn ich nicht liebenswert bin. Und das ist der Denkfehler: Die Menschen sagen, eigentlich bin ich als Mensch schon an sich wertvoll. In der Realität merken sie aber: Nein, bin ich nicht.
Dann hast du deine Probleme, weil du versuchst, dich sehr selbstliebend aufzubauen, merkst aber, dass keine Grundlage dafür da ist. Das Evangelium ist anders. Das Evangelium sagt: Ich bin der größte Sünder, hat Paulus nach ein paar Jahren gesagt, im Römerbrief. Ich bin der größte aller Sünder, der schlimmste von allen.
Warum war er dann aber der große Apostel? Er müsste doch im Minderwertigkeitsgefühl versunken sein. Nein. Er sagt: Ich mache meinen Wert nicht an meinen Leistungen und an den Abhängigkeiten fest, sondern Gott liebt mich. Und das ist ein Unterschied.
Statt sich immer um sich selbst zu drehen und sich gefühlsmäßig aufzubauen, kommt erst das Denken, dann das Stehenlassen. Gott wird mich eines Tages beurteilen. Im 1. Korinther 4 steht, ruhig mal durchlesen, da sagt Paulus: Ich gehe auch nicht im Denken über das hinaus.
Er beurteilt sich schon selbst, aber irgendwo ist eine Grenze, und dann gibt man das Gott zurück. Um es poetisch zu sagen: An mir und meinem Leben ist nichts der Liebe wert – aber was er mir gegeben hat, das ist der Liebe wert, sozusagen.
Ja, genau. Du hast eben gesagt, wenn ich Dinge analysiere, wie diesen Podcast oder etwas anderes, sehe ich oft Mängel. Dann fühle ich mich auch schlecht. Ich sehe etwas und denke nicht: „Ha, das ist ungenügend, aber ich fühle mich gut dabei.“
Was mache ich dann? Einfach ignorieren oder nicht mehr daran denken? Wie gehst du damit um?
Ich persönlich bin da ziemlich rigoros. Ich lasse es stehen, weil ich sonst meinen Dienst aufgeben müsste. Ich sehe immer etwas Negatives. Wenn ich alles bis ins Letzte analysieren würde, würde ich nichts mehr machen. Also ich schaue natürlich schon auf Fehler, aber dann war das eben so. Ich bin auch nicht perfekt und mache das nicht immer so gut, wie ich es gerne hätte. Ich versuche, Gott zu sein, aber da setze ich dann eine Grenze.
Ich sage, wie Paulus in 1. Korinther 4: Ich beurteile mich selbst nicht. Ich beurteile mein Handeln, aber nicht meinen Wert dadurch. Das heißt nicht, dass ich deswegen nichts mehr machen darf. Das ist Sache des Gerichtstages in der Zukunft. 1. Korinther 4 ist gut zum Nachlesen, um diese Feinheit zu verstehen. Ich hoffe, das kommt rüber, was der Unterschied im Denken ist.
Ich finde das befreiend, denn ich kann das Negative an mir sehen und weiß trotzdem, dass ich geliebt bin. Und das gilt immer. Ich kann auch andere lieben, obwohl ich nicht perfekt bin. Ich bin nämlich nicht perfekt und werde es nie sein. Wann soll denn der Punkt sein, an dem ich genug Liebe habe, um andere zu lieben?
Wir haben jetzt sehr stark betont, dass das Gebot „Du sollst dich selbst lieben“ kein biblisches Gebot ist, das man einfach hineinlegt. Doch an einer anderen Stelle sagt die Bibel, dass es darum geht, sich selbst zu verleugnen. Das sind Verse, die oft stark betont werden.
Wie würdest du in diesem Zusammenhang die Selbstverleugnung verstehen? „Verleugne dich selbst“ – was bedeutet das konkret?
Ich möchte herausarbeiten, dass es nicht heißt, nur noch schlecht von sich zu denken. Es ist nicht gemeint, dass ich mich selbst als böse oder unwürdig in der Gesellschaft der anderen sehe und mich in eine Negativspirale begebe. Das wäre falsch.
Wenn mich jemand kritisieren würde, würde ich zu Recht sagen: So will ich das nicht verstanden haben. Ich glaube, Selbstverleugnung darf nicht bedeuten, dass ich das, was Gott geschaffen hat, verleugne. Wir sind ja ein Bild Gottes. Wenn Selbstverleugnung hieße, dass ich mein Menschsein ablehne, dann würde ich auch Gott nicht mehr danken für das, was er geschaffen hat. Das kann es nicht sein.
Es kann nicht bedeuten, dass ich alle guten Eigenschaften oder Fähigkeiten, die ich habe, ableugne. Was meint es dann?
Ich denke, es ist der Teil in uns, den die Bibel „Fleisch“ nennt, also der sündige Teil, den ich verleugne. Stattdessen kommt Christus in mich hinein. Das ist, glaube ich, das Entscheidende.
Ich bin nicht leer und versuche, mich selbst zu lieben. Es geht nicht darum, das Negative zu betonen. Vielmehr kommt Christus in mich hinein. Dann kommt auch seine Liebe in mich hinein. Im Philipperbrief heißt es im Gebet, dass Christus in uns wohnt und die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist.
Diese Liebe ist Gottes Liebe zu uns – nicht umgekehrt, wenn ich das grammatikalisch richtig im Kopf habe. Ich weiß, dass ich von Gott geliebt werde. Manche würden das Selbstliebe nennen, ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.
Ich würde sagen, es ist ein Unterschied, weil Christus im Mittelpunkt steht und seine Liebe zu uns, nicht ich selbst, die versucht, sich aufzubauen. Ich habe nichts, was ich Gott geben kann, und trotzdem lebt er mich. Das finde ich befreiend.
Irgendwann, beim Reden und Denken, übergebe ich das auch noch Gott. Das Handeln ist bei den meisten Menschen richtig. Es geht weniger um das Äußere, sondern mehr um die Gefühle und Gedanken, die die eigentlichen Schlachtfelder sind.
Stichwort Handeln, Selbstverleugnung – da sind wir beim Thema, bei dem man leicht etwas falsch verstehen kann. Was bedeutet das eigentlich? Ich verleugne mich selbst. Was heißt das in meinem Alltag?
Das bedeutet, dass ich auch einmal Dinge tue, obwohl ich keine Lust dazu habe. Ich weiß zum Beispiel schon jetzt, dass heute Nachmittag zwei Aufgaben auf mich warten, für die ich überhaupt keine Motivation habe. Trotzdem erledige ich sie, weil sie notwendig sind. In der Familie, im Haus müssen Dinge erledigt werden, und das ist dann meine Aufgabe. Ich mache das unabhängig von meinen Gefühlen, weil ich die anderen liebe. Und auch mich selbst, weil ich möchte, dass es funktioniert.
Dieses Selbstverleugnen muss man im Zusammenhang sehen, insbesondere im Hinblick auf die Bekehrung. In Lukas 9 steht zum Beispiel, und auch in Lukas 14: „Wenn jemand mir nachkommen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren.“
Er sagt also, wer sich nicht verleugnet, wird sein Leben verlieren. Verleugnen bedeutet hier: Ich bin nicht stolz oder der Gute, der vor Gott bestehen kann. Ich bin vor ihm wertlos. Aber ohne ihn geht es nicht. Deshalb komme ich zu ihm und brauche seine Kraft.
Der Vers in Lukas 14 macht das noch deutlicher: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht seinen Vater, seine Mutter, seine Frau und seine Kinder hasst, dazu auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.“
Heißt das, wir sollen jetzt Selbsthass üben? Ganz sicher nicht! Schließlich soll ich ja auch meine Mutter ehren. Es heißt hier „hasse Vater und Mutter“ – das steht nicht im Widerspruch zu den Zehn Geboten. Es geht vielmehr um die richtige Reihenfolge: Gott muss an erster Stelle stehen. Wenn mein eigenes Leben, meine Familie, meine Kinder oder mein Ehepartner an erster Stelle stehen, werde ich mein Leben verlieren. Denn Gott regiert diese Welt, und ohne ihn habe ich ein völlig falsches Weltbild.
Selbstverleugnung heißt also nicht Selbsthass. Was mir mal geholfen hat, ist ein negatives Beispiel: Es gibt Chefs, die sagen: „Verleugnen Sie mich am Telefon!“ – also so tun, als wäre der Chef nicht da, weil der Kunde unangenehm ist. Als Christ kann ich das natürlich nicht machen. Aber Selbstverleugnung bedeutet im Grunde, dass ich sage: „Der Chef ist nicht da“ – also ich selbst bin jetzt nicht da.
Selbstverleugnung heißt, dass ich meine Gefühle, mein „Fleisch“, wie es in der Bibel genannt wird, zurückstelle. Ich habe vielleicht keine Lust, aber ich sage: Ich bin jetzt nicht so wichtig. Ich tue das, weil ich weiß, dass Gott es von mir möchte, egal was ich fühle.
Übrigens lege ich als Chef viel Wert darauf, dass meine Mitarbeiterinnen nicht sagen „Er ist nicht da“, sondern „Er ist nicht verfügbar“. Das ist ein wichtiger Unterschied. „Ich habe keine Lust“ heißt eigentlich „Ich habe andere Aufgaben zu tun“, und dann bin ich eben nicht verfügbar. Das ist korrekt. „Er ist nicht da“ lasse ich nicht gelten, weil das oft auch eine Ausrede ist.
Letztlich geht es um meine Ausrichtung auf Gott – ein anderes Denken. Die zwei Gebote sind: Gott zu lieben und den Menschen zu lieben – so wie ich mich selbst liebe. Das zeigt sich im Handeln.
Gefühle gebe ich an Gott ab. Ich danke ihm für das Gute, ich lege ihm das Schlechte hin und bekenne es ihm. Wenn ich das tue, folgen meine Gefühle meinem Denken. Natürlich darf ich nicht ständig grübeln, ob ich den richtigen Satz gesagt habe oder nicht. Irgendwann ist Schluss. Wenn etwas falsch war, bekenne ich es, vielleicht auch gegenüber der betroffenen Person. Aber dann gehe ich fröhlich meinen Weg weiter. Mit Gottes Hilfe mache ich es beim nächsten Mal anders – und dann folgen auch die Gefühle.
Gefühle sind in der Bibel nie das Hauptziel. Heute wird viel Wert auf Gefühle gelegt, aber die Bibel sagt: Es geht um die Ausrichtung auf Gott, um das Denken an Gott. Im Psalm spricht man zu seiner eigenen Seele und sagt: „Erhebe dich, meine Seele, zu Gott!“ Man führt praktisch ein Selbstgespräch und gibt seiner Seele Anweisungen, um aus einem Gefühlstief herauszukommen. Das ist ein Weg.
Ich fand es sehr hilfreich, darüber zu sprechen. Ich habe ein bisschen reflektiert und gedacht: Mein Gebet, das ich manchmal mache, ist doch ganz in diesem Sinne. Ich habe eine Dreifach-Gebetszeit: Zuerst sage ich Danke, Herr, dass du mich liebst – das ist eine Tatsache. Dann sage ich: Herr, ich liebe dich – ich richte mich auf ihn aus. Und schließlich bitte ich: Schenk mir heute die Gnade, deine Liebe anderen Menschen zu zeigen. Nicht meine Liebe, sondern deine Liebe weiterzugeben. Dazu befähigt er mich.
Das kann auch Selbstverleugnung beinhalten. Egal was ich fühle, gehe ich auf jemanden zu und begegne ihm freundlich.
Das war der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet einen Impuls für euch mitnehmen. Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und ermutigen euch, Gottes Zusage in Anspruch zu nehmen: Ihr seid dazu befreit, Gott und den Nächsten zu lieben. Deshalb könnt ihr das auch leben.