Ich möchte, dass wir gemeinsam noch einmal beten. Wir neigen uns dazu.
Himmlischer Vater, danke, dass du uns lehrst. Danke, dass du uns deinen Sohn Jesus Christus gesandt hast, der uns viel gelehrt hat und der dann sein Leben gegeben hat, entsprechend deines guten Plans als Lösegeld für viele.
Danke, dass wir uns als Gemeinde versammeln dürfen, weil du deine Gemeinde durch Jesu Blut erkauft hast.
Herr, wir wollen dich bitten, dass du uns heute neu auf dich ausrichtest. Lass unseren Fokus nicht an den Dingen hängen bleiben, die uns hier tagtäglich beschäftigen. Vielmehr wollen wir vor allem dich im Blick haben und auf dich zuleben – voller Vorfreude, Hoffnung und Zuversicht, gerade auch in schweren Stunden.
Herr, ich möchte dich bitten, dass du uns jetzt Konzentration schenkst, damit wir auf dich hören. Hilf mir, treu nur das zu sagen, was du uns sagen willst. Gib uns Ohren und Herzen, um dein Wort aufzunehmen und uns durch dein Wort verändern zu lassen. Amen.
Geduld in der Erwartung des Herrn
Bist du geduldig? Es ist gefährlich, wenn der Prediger das am Anfang einer Predigt fragt – noch dazu, wenn er dafür bekannt ist, relativ lang zu predigen. Aber darum geht es mir nicht.
Vielmehr möchte ich darauf hinweisen, dass wir in der Weihnachtszeit erlebt haben, wie Geduld ein hohes und seltenes Gut ist – besonders bei Kindern. Diese Anspannung, diese Vorfreude auf die Bescherung – da war oft wenig Geduld feststellbar. Ich denke, das gilt nicht nur bei uns zu Hause.
Das Erstaunliche ist: Diese Zeit des Wartens ist jetzt nicht vorbei. Getreu einem alten Fußballspruch: Nach dem Weihnachtsfest ist vor dem Weihnachtsfest. Kaum war die Bescherung vorbei, gab es schon wieder die ersten Kinder, die von ihren Wünschen sprachen.
Christian Heckemann hat ein bisschen aus seiner Familie erzählt, und ich kann sagen, das kommt mir bekannt vor. Die Kinder sagen schon bald: „Oh, ich weiß, was ich mir nächstes Jahr zu Weihnachten wünsche.“ Vielleicht auch mit einer gewissen Enttäuschung, weil nicht genau das Richtige dabei war.
Oder ist jetzt Geduld gefragt? Es ist auch noch ein Schaltjahr, das heißt, es sind noch 349 Tage bis Heiligabend. Da wird Geduld auf die Probe gestellt. Und doch dürfen wir wissen: Weihnachten kommt bestimmt.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass für manche unter uns – gerade Erwachsene – das Weihnachtsfest dann vielleicht doch tatsächlich wieder etwas plötzlich, ja fast überraschend kommt. „Es ist schon wieder so weit.“ Ja, so ist das mit dem Warten. Die einen können es nicht abwarten, die anderen werden überrascht, obwohl sie wissen, was kommt.
Ich denke, genau darum geht es in dem Gleichnis, das Jesus seinen Jüngern lehrt und mit dem wir uns heute beschäftigen wollen. Das Gleichnis wird eingeleitet durch den Text, den Christian Heckemann uns gerade gelesen hat.
Ich denke, dieser Text sollte uns vor die Frage stellen: Wie leben wir in der Wartung des kommenden Herrn? Und was machen wir in dieser Wartezeit?
Das Gebet als Ausdruck der Erwartung
Ich möchte heute und nächste Woche die Allianz-Gebetswochen mit zwei Predigten zum Thema Gebet einrahmen. Beide Predigten stammen aus demselben Kapitel der Bibel, aus Lukas 18. Dort lehrt Jesus anhand von zwei Gleichnissen, wie wir beten sollen.
Heute beschäftigen wir uns mit dem ersten der beiden Gleichnisse, und zwar Lukas 18, Verse 1 bis 8. Ich lade Sie herzlich ein, wenn Sie die Bibel dabei haben, diese ruhig aufzuschlagen. In der ausliegenden Bibel finden Sie es auf Seite 95 im hinteren Teil. In Ihrer mitgebrachten Bibel finden Sie es ganz bestimmt auch: Lukas 18,1.
Ich lese uns diesen Text vor: Jesus sagt zu seinen Jüngern ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollen:
„Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: ‚Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!‘ Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich: ‚Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte und vor keinem Menschen scheue, so will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.‘“
Da sprach der Herr: „Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen? Und sollte er bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch, er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“
Die Botschaft dieser Predigt ist im Prinzip ganz simpel: Wir sollten allezeit und ohne Nachlassen beten, im Vertrauen darauf, dass Gott seine Auserwählten, seine Kinder, liebt und ihre Gebete gerne und schnell beantwortet.
Und wir sollen das tun, damit er uns im Glauben findet, wenn er wiederkommt. Relativ klar: ausdauernd beten, auf Gott vertrauen, so dass er uns im Glauben findet, wenn er wiederkommt.
Drei Schritte zum Verständnis des Gleichnisses
Wir wollen diesen Text in drei Abschnitten betrachten. Ich denke, wir können noch viel lernen, was uns dabei hilft, die Kernaussage besser zu verstehen. Vielleicht können wir sie mit Gottes Hilfe auch entsprechend leben.
Zuerst wollen wir uns nur Vers 1 anschauen, also die Einleitung des Gleichnisses. Dabei betrachten wir den Kontext, der uns hilft, den Aufruf zu einem dauerhaft nicht nachlassenden Gebet zu verstehen.
Im zweiten Abschnitt schauen wir uns das Gleichnis selbst an: das Gleichnis vom ungerechten, gottlosen Richter und der bittenden Witwe.
Im dritten Abschnitt werden uns die Verse 6 bis 8 helfen, darüber nachzudenken, was genau hinter der Lehre steckt, die Jesus vermitteln will. Warum sollen wir allezeit beten und nicht nachlassen?
Diese drei Abschnitte wollen wir miteinander betrachten.
Der Kontext des Aufrufs zum Gebet
Kommen wir zuerst zu Vers 1. Dort beginnt Jesus seinen Aufruf zum Gebet. Er erzählt ein Gleichnis, das uns ermutigen soll, allezeit zu beten und nicht nachzulassen.
Vielleicht haben Sie sich gerade gewundert, warum Christian Heckemann in der Textlesung so ungewöhnlich gelesen hat – nämlich Kapitel 17 und dann bis Kapitel 18, Vers 1. Warum hat er sich nicht an die Kapiteleinteilung gehalten? Die Kapiteleinteilung ist nämlich nicht göttlich inspiriert, das sollte uns klar sein. Sie wurde erst Anfang des 13. Jahrhunderts eingeführt, einfach, um das Auffinden von Bibeltexten zu erleichtern.
Die Kapiteleinteilung ist also grundsätzlich hilfreich. Die großen Zahlen kennzeichnen die Kapitel, die kleinen Zahlen die Verse. Wenn ich sage, wir schauen in Kapitel 18, Vers 5, weiß jeder, was gemeint ist. Doch manchmal kann diese Einteilung auch irreführend sein. Sie kann uns einen Abschnitt vorgaukeln, der eigentlich zusammengehört, und den Eindruck erwecken, es handele sich um zwei voneinander getrennte Dinge.
Deshalb glaube ich, dass wir das Gleichnis vom gottlosen Richter und der bittenden Witwe viel besser verstehen, wenn wir den Kontext kennen, in dem Jesus es lehrt. Dieser Kontext ist das, was wir gerade gehört haben. Und das, was wir ab Kapitel 17, Vers 22 gehört haben, fasst viele Ankündigungen zusammen, die Jesus seinen Jüngern über mehrere Kapitel hinweg gemacht hat.
In Kapitel 17, Vers 22 spricht Jesus konkret eine Zeit an, in der die Jünger ihn nicht mehr sehen werden. Er sagt ihnen immer wieder, dass sie ihn irgendwann nicht mehr sehen werden und dann Sehnsucht danach haben werden, dass er wiederkommt. „Es wird die Zeit kommen“, heißt es in Vers 22, „in der ihr begehren werdet, einen der Tage des Menschensohns zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen.“
Genau das hatte Jesus schon ab Kapitel 9 im Lukas-Evangelium immer wieder betont. Er erklärte, dass eine Zeit kommen wird, in der er zwar in diese Welt gekommen ist, nicht um für immer zu bleiben und nur zu lehren, sondern dass er eines Tages verspottet, verachtet, verhaftet und getötet werden wird. Und am dritten Tag wird er wieder auferstehen.
Das greift er hier in Kapitel 17, Vers 25 noch einmal auf. Er sagt, dass er leiden muss und verworfen werden wird. Das ist der gute Plan Gottes, den Jesus immer wieder deutlich macht. Er bereitet seine Jünger darauf vor, weil es so kommen muss.
Nach seinem stellvertretenden Sterben für Sünder wie dich und mich – dort am Kreuz stirbt er für unsere Schuld, deswegen ist er gekommen – wird er den Tod überwinden und wieder auferstehen. Die Jünger werden ihn noch eine kurze Zeit sehen. Doch hier geht es nicht darum. Jesus blickt darüber hinaus, nämlich auf die Zeit, in der wir jetzt leben.
Das ist die Zeit, in der er in den Himmel aufgefahren sein wird und wir ihn nicht sehen. Er erklärt dann im Fortgang von Kapitel 17, dass er wiederkommen wird – ganz sicher, für alle Welt. Ab Vers 26 beschreibt er, dass das plötzlich geschehen wird. Viele Menschen werden nicht darauf vorbereitet sein.
Er nennt zwei Berichte aus der Vergangenheit Israels, um zu zeigen, wie es auch dann sein wird. Er blickt zurück auf die Zeit Noahs. Noah baute die Arche und war ein Prediger der Gerechtigkeit. Er hat die Menschen sicherlich gewarnt und zur Umkehr aufgerufen, doch die Menschen kümmerten sich um die Dinge des Lebens und ignorierten alles.
Dann kam die Flut und das Gericht. Ganz ähnlich war es zur Zeit, als das Gericht über Sodom und Gomorra kam. In Sodom lebte Lot, der hier im Text erwähnt wird. Er allein ließ sich warnen und erwartete, dass Gott das Unrecht dieser Welt nicht für alle Zeit dulden wird, sondern richten wird.
Gott kündigte das kommende Gericht an, Lot floh aus der Stadt, und das Gericht kam. Doch die Stadt war nicht darauf vorbereitet. Die Menschen wurden vom Gericht überrascht und starben.
In diesem Kontext spricht Jesus nun davon, dass er wiederkommen wird. Seine Jünger ruft er auf, darauf vorbereitet zu sein – wachsam zu sein, könnte man auch sagen. Deshalb erzählt er ihnen ein Gleichnis, das sie ermutigen soll, allezeit zu beten und nicht nachzulassen.
Beten heißt, auf Gott zu schauen – voller Erwartung. So sollten wir verstehen, dass das, was Jesus in diesem Gleichnis lehrt, mit Beten genau in dieser Situation zu tun hat, in diesem Kontext.
Die Frage für uns lautet: Beten wir überhaupt mit diesem Blick? Beten wir mit dem Blick darauf, dass der Herr wiederkommt, um die Lebenden und die Toten zu richten? Beten wir im Wissen darum, dass dieser Tag kommen wird? Beten wir für das Kommen dieses Tages? Und beten wir in allen anderen Dingen mit einem Blick darauf?
Das heißt: Betest du dein tägliches Gebet auch für die Dinge, die wegweisend sind, die du dir von Gott erbittest? Und ist es gut und richtig, dass du das tust? Betest du mit dem Blick darauf, dass Gott eines Tages wiederkommen wird? Betest du mit einer Ewigkeitsperspektive?
Ich denke, dazu will Jesus uns hier vor allem ermutigen. Dieser Aufruf zum Gebet ist eine Ermahnung für die, die Gott ein wenig aus dem Blick verloren haben. Für die, die ihren Fokus nicht mehr auf ihn und sein Wiederkommen richten, sondern sich in den alltäglichen Dingen verstrickt haben – so wie die Menschen zur Zeit Noahs und Lots.
Vor allem aber ist es eine Ermutigung. Eine Ermutigung für Jünger Jesu, für die, die vielleicht müde werden und in Gefahr stehen aufzugeben, weil sie sehnsüchtig warten und noch nichts geschieht. Jesus sagt: Gebt nicht auf, betet weiter.
Er ruft sie auf und sagt ihnen, dass sie allezeit beten sollen, ohne nachzulassen.
Das Gleichnis vom ungerechten Richter und der bittenden Witwe
Und dann, in dieser Situation, erklärt er ihnen das Ganze anhand eines Gleichnisses. Das ist das, was wir als Nächstes betrachten wollen: die Verse 2 bis 5.
Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. In derselben Stadt lebte eine Witwe, die zu ihm kam und sprach: „Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!“ Doch der Richter wollte lange nicht.
Danach aber dachte er bei sich selbst: „Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte und auch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“
Was will Jesus uns durch dieses Gleichnis sagen? Das klingt erst einmal seltsam, nicht wahr?
Im Lukasevangelium finden wir immer wieder solche Gleichnisse, in denen der Protagonist, der eigentlich die Rolle Gottes einnehmen soll, ganz anders dargestellt wird. Vielleicht hat der eine oder andere noch Kapitel 11 im Ohr. Dort gibt es ein ganz ähnliches Gleichnis. Nachdem wir die Lukas-Variante des Vaterunsers gelehrt bekommen haben, erklärt Jesus anhand eines Gleichnisses von einem Freund, der überraschend Besuch bekommt und nicht genug zu essen hat, wie wir beten sollen.
Der Freund will zu seinem Nachbarn gehen und ihn bitten, ihm etwas zu geben. Doch der Nachbar sagt: „Meine Kinder liegen schon im Bett, es ist warm und gemütlich hier. Störe mich nicht, lass mich in Ruhe!“ Dieser Nachbar wird mit Gott verglichen – als der Mann, der im Bett liegt und keine Lust hat. Aber der Freund klopft so lange an die Tür, bis der Nachbar schließlich aufmacht. Das soll uns helfen zu verstehen, wie wir beten sollen.
Oder in Kapitel 16 gibt es ein Gleichnis von einem unehrlichen Verwalter, der sich mit fremdem Geld Gunst bei den Menschen erkauft, und so sollen wir auch sein. Diese Gleichnisse sind verwirrend, zumindest auf den ersten Blick.
Hier taucht nun ein Richter an der Stelle Gottes auf. Er wird uns zweimal beschrieben als jemand, der weder Gott fürchtet noch die Menschen scheut, also sich letztlich nicht um die Menschen kümmert.
Dann ist die Rede von einer Witwe. Wir müssen uns klar machen: Die Witwen damals waren in einer besonders schlechten Lage. Grundsätzlich hatten Frauen damals sehr wenige Rechte und waren im Prinzip auf den Schutz von Männern angewiesen.
Typischerweise lebte eine Frau unter dem Schutz des Vaters im Elternhaus, bis sie heiratete und dann unter den Schutz des Ehemanns kam. Diese Witwe aber hatte längst den Schutz des väterlichen Hauses verlassen, und der Ehemann, der ihr Schutz gewähren sollte, war gestorben. So befand sie sich in einer verzweifelten Situation.
Unser Gleichnis beschreibt zudem, dass sie offensichtlich von jemandem übervorteilt worden war. In ihrer großen Not, ohne direkten Beistand, kommt sie nun zu diesem Richter, damit er ihr Recht verschafft.
Dem Richter war das offenbar völlig egal, und er tat nichts. Doch die Witwe in ihrer verzweifelten Lage lässt nicht locker. Sie bedrängt den Richter immer mehr und wiederholt ihre Bitte so lange, bis er am Ende mürbe wird und ihr Recht verschafft.
Das ist zunächst die Aussage dieses Gleichnisses.
Was das Gleichnis nicht lehrt
Aber was will Jesus uns damit sagen? Ich glaube, dieses Gleichnis wird so oft falsch verstanden, dass ich zunächst mit einigen Missverständnissen aufräumen möchte. Dabei hoffe ich, dass es uns auch hilft, biblischer zu beten, wenn wir verstehen, was Gebet nicht ist und was Jesus uns hier nicht lehrt.
Konkret möchte ich fünf kurze Punkte nennen, was Jesus uns hier nicht lehren will.
Erstens: Er will uns hier sicherlich nicht lehren, dass Gott kein Interesse an uns hat. Auch nicht, dass wir ihn mit unseren Gebeten letztendlich nerven und er nur nachgibt, wenn wir lang genug beten und ihn mürbe machen. Das lehrt uns Jesus ganz sicher nicht.
Zweitens: Er will uns nicht lehren, dass wir Gott gegen seinen ursprünglichen Willen durch dauerhaftes Gebet bewegen können, seinen Willen zu ändern und etwas anderes zu tun.
Drittens: Es ist auch nicht so, dass Gott keine Ahnung davon hat, was wir brauchen, und wir ihm das erst erklären müssen. Wir sollen immer ausführlicher und öfter beten, damit er es endlich versteht. Wenn er es dann verstanden hat, wird er vielleicht doch Nein sagen. Gott weiß alles. Auch das ist ganz sicher nicht die Intention dieses Gebets.
Viertens: Es geht nicht darum, dass Gott erwartet, wir müssten eine bestimmte Anzahl von Malen etwas gebetet haben. So, als würde Gott auf dem Thron sitzen mit einer Strichliste und sagen: „Erst wenn er 15 Mal gebetet hat, sage ich ja. Mal sehen, ob er so weit kommt.“ Ganz sicher nicht. So ist Gott nicht. Er ist ein Vater, der seine Kinder liebt und ihnen gerne gibt, was sie brauchen. Nein, so zu denken wäre nicht biblisch.
Schließlich fünftens: Es ist sicherlich auch nicht so, dass wir Gott irgendwie überzeugen oder beeindrucken müssen durch unsere Anstrengung. So nach dem Motto: „Schau, ich bete jetzt noch mal. Jetzt bist du bestimmt beeindruckt, dass ich immer noch dabei bin. Jetzt machst du es doch, oder?“ Nein, Gott ist nicht so.
Die eigentliche Botschaft des Gleichnisses
Warum aber gerade dieses Gleichnis? Was will Jesus uns lehren, wenn er uns dazu auffordert, beständig zu beten, und uns dann dieses Gleichnis erzählt?
Ich denke, die Verse 6 bis 8 helfen uns, diese Frage zu beantworten. Ich lese diese drei Verse vor:
Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch gerecht sein gegenüber seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen? Würde er bei ihnen lange zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen schnell Recht verschaffen. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meint ihr, er werde dann Glauben finden auf der Erde?
Jesus macht hier deutlich, dass das Gleichnis im Grunde einen Kontrast zeigt und zugleich ein verbindendes Element enthält. Das Wort „auch“ ist dabei entscheidend: Gott wird auch Recht schaffen. Und um wie viel mehr!
Wenn wir bedenken, wie ganz anders die sonstige Situation ist, wird das klarer. Gott ist kein ungerechter Richter, dem die Menschen gleichgültig sind. Für ihn sind wir nicht wie diese nervige Witwe, die den Richter immer wieder belästigt. Nein, für ihn sind wir seine Auserwählten, seine geliebten Kinder.
Unsere Gebete sind für ihn nicht etwas, das ihn letztlich mürbe macht, sondern etwas, das er sich wünscht. Gerade durch Jesus hat er uns in Vers 1 dazu aufgerufen.
Der Kontrast ist also ganz klar: Wenn schon dieser ungerechte Richter letztlich die Bitten dieser Witwe erhört, wie viel mehr sollte dann der gute Gott seinen erwählten, geliebten Kindern mit Freude und schnell geben?
Doch das erzeugt auch eine gewisse Spannung in uns. Es ist ja schließlich so, dass das zwar Sinn macht, unsere Erfahrung uns aber oft etwas anderes sagt. Wir erleben immer wieder, dass unsere Gebete nicht sofort erhört werden.
Deshalb ist es gut, noch einmal genauer hinzuschauen: Um was genau geht es hier?
Wichtige Aspekte zum Gebet in der Wartezeit
Ein paar Aspekte, die wir hier bedenken sollten. Erstens: Um wessen Gebete geht es? Gott hört die Gebete seiner Auserwählten, heißt es hier, die Tag und Nacht zu ihm rufen.
Okay, wer ist das? Wer sind diese Auserwählten, und wie können wir wissen, dass wir dazugehören? Muss ich vielleicht folgern, dass, wenn er meine Gebete nicht hört, ich nicht auf dieser Auserwähltenliste stehe, von denen die Gebete beantwortet werden?
Die Frage ist eigentlich ganz einfach. Die Auserwählten sind erst einmal die Jünger Jesu. Jesus spricht hier zu seinen Jüngern. Zum Zweiten sind es die, die Tag und Nacht zu Gott rufen. Das heißt, unsere Auserwählung zeigt sich ganz einfach daran, dass wir Jesus nachfolgen, auf Gott schauen und von ihm Gutes erwarten. Wir wenden uns ihm zu und hören nicht auf, in unserem Vertrauen Tag und Nacht nach ihm zu rufen, weil wir erwarten, dass er kommt.
Wenn wir nichts von Gott erwarten, dann rufen wir auch nicht.
Wir hatten im Frühjahr eine interessante Erfahrung als Familie. Unser fünftes Familienmitglied, unser Kater Paul, begann irgendwann, tagsüber oder auch nachts rauszugehen, als er groß genug war. Eines Tages war er draußen und kam abends nicht zurück. Anna Maria, die stolze Katzenmama, rief nach ihrem geliebten Kater. Er kam nicht. Also bekam ich den Auftrag, abends vor dem Schlafengehen noch einmal zu rufen. Treu rief ich abends mit meiner doch etwas lauteren Stimme: Paul, Paulchen, Katze! Aber er kam nicht.
Am nächsten Morgen das gleiche Spiel, am nächsten Abend wieder, am dritten Morgen wieder, am dritten Abend immer noch kein Paulchen. Aber ich rief Tag und Nacht weiter in der Erwartung, dass er schon wiederkommen würde. Am vierten Morgen war er schließlich da. Wir haben eine gewisse Theorie, wo er gewesen sein könnte – wahrscheinlich gegen seinen Willen irgendwo eingesperrt. So roch es zumindest. Aber das lassen wir mal außen vor.
Was ich hier illustrieren will, ist der Punkt, dass wir rufen, wenn wir in Erwartung sind, dass er kommt. Wir rufen Tag und Nacht. Ich bin mir aber sicher, dass ich bei Paulchen spätestens am fünften oder sechsten Tag aufgehört hätte zu rufen. Die Frage ist also: Hören wir auf zu rufen, weil wir nicht mehr wirklich glauben? Die Erwählten glauben, vertrauen auf Gott und rufen weiter Tag und Nacht. Sie vertrauen darauf, dass Gott seinem erwählten Recht früher oder später schaffen wird.
Zum Zweiten sehen wir hier auch, dass die Zusage von Jesus nicht lautet, dass Gott alle unsere Gebete sofort erhört. Nein, Jesus sagt, dass er die Gebete seiner Erwählten erhört, die zu ihm rufen und Recht geschaffen haben wollen. Sind das unsere Gebete?
Also muss dir klar sein: Du kannst dir nicht einfach irgendetwas ausdenken, was du gerne hättest, dafür beten und dann mit Gewissheit sagen, das muss geschehen. Wir haben diesen Text im Pastorenkreis am Donnerstagmorgen bei unserer Andacht betrachtet. Ich habe dann gesagt: „So, lasst uns doch jetzt mal kräftig beten, dass irgendwer vorbeikommt und uns heute Mittagessen bringt. Wir gehen hier nicht weg, bis das passiert.“ Einfach treu dabei bleiben.
Die waren alle nicht überzeugt und dachten, das machen wir jetzt nicht. Genau, weil das keinen Sinn macht. Darum geht es auch nicht. Gott gibt uns nicht die Zusage, dass wir uns einfach irgendetwas in den Kopf setzen können. Aber Gott gibt uns bestimmte Verheißungen. Wenn wir verheißungsorientiert beten, das heißt, wenn wir das beten, was Gott uns sagt: „Das ist mein Wille“, dann dürfen wir wissen, dass solche Gebete der Herr erhört.
Eine Verheißung, die er gegeben hat, ist, dass er wiederkommen wird, um Recht zu schaffen. Er hat uns sogar gelehrt, so zu beten. Wir haben das vorhin übrigens gemeinsam getan: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden.“
Und erst als wir das erbeten hatten – das ist wirklich groß – haben wir für die Dinge gebetet, die wir in dieser Zeit bis zur Erfüllung dieses Gebets brauchen: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Dann haben wir ihm unsere Schuld bekannt: „Vergib uns unsere Schuld.“ Wir haben gesagt: „Führe uns nicht in Versuchung.“ Und wir haben ihm sogar ein Versprechen gegeben, dass wir anderen auch vergeben wollen, so wie er uns vergibt.
Dann haben wir den Fokus wieder auf Gott gerichtet, ein sehr gottzentriertes Gebet: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.“
Nun, das ist ein Gebet, das wir mitsprechen. Die Frage ist: Wenn du dein Gebet selbst formulierst, wie formulierst du es? Wie betest du? Ich denke, unsere Gebete offenbaren, wonach wir uns sehnen, woran wir glauben und auf was wir hoffen.
Ich kann nur sagen: Als wir am Donnerstag früh darüber nachgedacht haben im Pastorenkreis, da waren wir alle für eine Zeit relativ still und haben gedacht, vielleicht auch ein bisschen als Armutszeugnis, als Herausforderung für uns. Also: Wofür betest du? Wirklich das zu bitten, worum es hier in diesem Gleichnis, in dieser Lehre Jesu geht?
Wagst du es, Gott darum zu bitten, Recht zu schaffen? Ich hoffe, wir sagen nicht zu schnell Ja, sondern zögern vielleicht einen Moment, denn uns sollte klar sein: Wenn es hier allein um Recht schaffen bei Gott ginge, dann hätten wir erst einmal ein Problem. Keiner von uns ist vor Gott im Recht.
Wir alle stehen vor Gott als Menschen, die immer wieder Dinge denken, sagen und tun, die falsch sind, die Gott nicht gefallen, die unrecht sind. Wir offenbaren unseren Unglauben, unser nicht immer ganz richtig funktionierendes Herz, unser Verlangen, das sich immer mal wieder in die falsche Richtung entwickelt.
Von daher wäre ein einfacher Aufruf: „Gott, wir wollen Gerechtigkeit verheerend!“ nicht ausreichend. Unsere einzige Hoffnung findet sich in dem, der uns dieses Gleichnis lehrt, in dem, der für uns zur Gerechtigkeit geworden ist, in dem, der unser Unrecht auf sich genommen hat.
Unsere einzige Hoffnung ist Jesus. Wenn er nicht für unsere Schuld ans Kreuz gegangen wäre und letztendlich aller Gerechtigkeit Genüge getan hätte – weil alles, was ich an Sünde auf mich lade, von Jesus abgetragen und ans Kreuz gebracht wurde –, wenn er das nicht getan hätte, dann wäre jeder Ruf nach Gerechtigkeit ein Himmelfahrtskommando, eher ein Höllenkommando.
Aber preist den Herrn, er ist gekommen und hat sein Leben gegeben als Lösegeld für viele. So dürfen wir, wenn wir ihn als unseren Retter und Herrn kennen und ihm nachfolgen, wissen, dass wir tatsächlich rufen dürfen nach Gerechtigkeit. Denn unsere Schuld ist gesühnt, und wir bitten ihn, dass er nun auch alles andere Unrecht beseitigt.
Ich hoffe, dass unser Rufen nach Gerechtigkeit nie ein selbstgerechter Ruf ist, sondern immer ein Ruf aus einer Haltung der Demut. Eine Haltung, in der wir ganz schnell bereit sind, uns darüber zu freuen, wenn Gott auch anderen gnädig ist. Ja, aus einer Haltung heraus, in der wir auch bereit sind, anderen Menschen ihre Schuld uns gegenüber zu vergeben, so wie Gott uns unsere Schuld vergeben hat – wenn sie denn kommen, ihre Schuld vor uns bringen und um Vergebung bitten.
Also sollten wir genau darüber nachdenken, um was für ein Gebet es hier geht und ob und wie wir es beten. Und doch: Ja, Jesus lädt uns ein, dieses Gebet zu beten. Es ist ein gutes Gebet, Gott darum zu bitten, dass er seinen Sohn Jesus Christus zu uns zurücksenden möge, damit er alles Unrecht in dieser Welt beseitigt, alles Leiden beendet, kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten und sein ewiges Friedensreich aufrichtet.
Jesus lehrt uns, dass Gott das tun wird, dass Gott dieses Gebet seiner geliebten Kinder hört und ihnen zügig Recht verschafft.
Geduld und Hoffnung auf das Kommen des Herrn
Und immer noch besteht Spannung, denn dieses Gebet beten Christen seit zweitausend Jahren in Not – und Jesus ist noch nicht wiedergekommen. Der Text sagt jedoch nicht, dass Jesus morgen kommt. Nein, er fordert dazu auf, Tag und Nacht zu beten.
Er ermutigt die Gläubigen zu Beginn, nicht aufzugeben und im Gebet auszuharren. Das bedeutet, er weiß, dass es dauern wird. In Kapitel 17, Vers 22 spricht er davon, dass seine Jünger selig warten werden nach diesem Tag.
Gott verzögert sein Kommen nicht. Er wird zügig kommen und lässt uns nicht unnötig warten. Es gibt sicher gute Gründe, warum dieses Gebet bisher noch nicht beantwortet wurde. Die Bibel nennt uns solche Gründe.
Zur Zeit Noahs kam das Gericht nicht sofort, nachdem Noah die Ankündigung erhalten hatte. Nein, Noah musste erst die Arche fertigbauen und die Tiere hineinbringen. Erst dann war es so weit.
Auch in Sodom war es ähnlich. Zuerst mussten die Engel kommen, die Abraham zu Lot schickte. Sie befreiten Lot und seine Familie aus der Stadt, bevor das Gericht kam.
So ist auch der Herr heute noch geduldig. Das lehrt uns der Apostel Petrus: Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige als Verzögerung ansehen. Stattdessen hat er Geduld mit uns und will nicht, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße finden.
Der Tag des Herrn wird jedoch kommen wie ein Dieb. Dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen, die Elemente werden vor Hitze schmelzen, und die Erde sowie die Werke darauf werden ihr Urteil finden.
Wenn all dies geschieht, wie sollt ihr dann dastehen? In heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ersehnt – an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente von Hitze zerschmelzen werden.
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Darum, meine Lieben: Während ihr darauf wartet, seid bemüht, von ihm unbefleckt und untadelig im Frieden befunden zu werden. Erachtet die Geduld unseres Herrn als eure Rettung.
Ja, es mag uns so vorkommen, als verzögere der Herr sein Kommen, als träfe die Zusage Jesu nicht zu. Doch wenn wir das Recht bedenken, müssen wir sagen: Preist den Herrn, dass er gewartet hat, bis wir zum Glauben gekommen sind.
Der Herr wird wiederkommen, schon bald. Vielleicht hat er aber bis dahin noch etwas mit uns vor. Vielleicht will er uns noch gebrauchen.
So sollen wir unser Leben treu für ihn leben und allezeit beten, ohne nachzulassen.
Ermutigung zum treuen Glauben und Gebet
Ihr Lieben, Jesus will uns ermutigen. Er möchte, dass wir im Glauben stark bleiben, weiterhin auf ihn schauen und ihm vertrauen.
Der Herr wird sein Kommen nicht verzögern. Er wird sein erwähltes Recht schaffen. Gott hört die Gebete seiner Kinder, er ist treu – daran kann kein Zweifel bestehen.
Diese Lehreinheit endet überraschend. Bisher hatte ich Gott scheinbar auf der Anklagebank. Was ist denn mit Gott los? Warum hört er unsere Gebete nicht? Warum antwortet er nicht sofort?
Jesus sagt: Keine Sorge! Er ist schneller, besser und zuverlässiger als jeder Richter, der Recht schafft. Die wirklich entscheidende Frage ist: Wenn der Menschensohn kommen wird, wird er Glauben finden auf Erden?
Das heißt, die Frage für uns lautet: Sind wir bereit für seine Wiederkehr? Wird er uns im Glauben finden? Zeigt sich unser Glaube darin, dass wir uns ihm zuwenden und unsere Gebete offenbaren? Ob wir glauben und worauf wir wirklich hoffen?
Unsere Sehnsucht sollte sein, dass der Herr wiederkommen möge. Oder gehen wir mit zweitrangigen Dingen zufrieden, die unsere Gebete bestimmen? Sie tun es sicher viel zu oft.
So möchte ich uns mit dieser Lehre von Jesus ermutigen, unsere Gebete immer mehr auf Gott auszurichten. Darauf zu vertrauen, dass er wiederkommen wird, und unser Gebet in dieser Erwartungshaltung zu beten, dass er Recht schaffen wird.
Das gibt uns auch die innere Freiheit, gerade in schwierigen Situationen Dinge auszuhalten, zu ertragen – auch mal Unrecht zu ertragen – im Wissen darum, dass der Richter kommt.
Möge der Herr unseren Glauben stärken. Möge er uns helfen, unsere Augen immer wieder auf ihn zu richten, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Komm, Herr Jesus! Amen!
Lasst uns auf unseren Vater schauen, der seinen Sohn nimmt.