
Ja, was anfangs bereits angedeutet wurde, ist...
Es gibt Menschen – und vielleicht betrifft das ja den einen oder anderen hier – die sich in ihrer Haut oder in ihrem Körper nicht wohlfühlen. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben.
Manchmal ist es einfach so, dass man alt wird. Man sagt dann: „Dieser Körper, in dem ich jetzt bin, funktioniert gar nicht mehr so, wie ich mir das vorstelle.“ Wenn wir die Möglichkeit hätten, würden wahrscheinlich viele ab einem gewissen Alter ihren Körper gerne austauschen. Einfach gegen ein neueres Modell, so wie man vielleicht bei einem Auto wechselt. Dann wäre man wieder frisch und kräftig, und alles würde bestens funktionieren.
Wir wissen, dass das nicht so einfach ist. Aber zumindest gibt es Möglichkeiten, wie man versuchen kann, Alterungsprozesse aufzuhalten.
Häufig sind Menschen auch unzufrieden mit dem Aussehen ihres Körpers. Die einen fühlen sich zu dick, die anderen zu dünn. Manche gefallen ihre Haare nicht, andere ihre Figur oder Ähnliches. Auch hier gibt es gewisse Veränderungsmöglichkeiten. Mit manchen Dingen wird man im Laufe seines Lebens leben lernen oder leben lernen müssen.
Besonders heftig sind solche Erfahrungen in Lebensphasen, in denen eine Lebenswende stattfindet und eine neue Phase beginnt. Das ist zum Beispiel der Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden. Diese Phase erleben wir sehr häufig.
Diejenigen, die selbst Kinder haben oder hatten, kennen das aus der Zeit der Pubertät. Für viele junge Menschen ist das eine schwierige Zeit. Sie erleben, dass sich der Körper verändert. Oft geschieht das nicht so harmonisch und gleichmäßig, wie man es sich wünscht.
Jugendliche vergleichen sich auch stark miteinander: „Der ist jetzt besonders kräftig und sportlich, und ich bin das nicht.“ Oder: „Plötzlich schießt einer in die Höhe und fühlt sich viel zu groß und auffällig.“ Bei jungen Frauen verändert sich der Körper ebenfalls radikal. Vorher war der Unterschied zwischen Mann und Frau oft nicht so stark. Plötzlich wachsen die Brüste, die Oberschenkel oder andere Körperpartien – der Körper verändert sich deutlich.
Ich vermute, die meisten, die heute Abend hier sind, haben diese Phase schon vor einigen Jahren hinter sich. Deshalb vergisst man leicht, wie schwierig das für viele junge Menschen wirklich ist.
Manchmal kann man als Erwachsener gar nicht so gut verstehen, wenn ein Jugendlicher sagt: „Ich fühle mich so hässlich.“ Dann ist es die Aufgabe der Eltern, ein bisschen zu ermutigen und zu sagen: „Nein, das ist gar nicht so.“
Natürlich ist das manchmal auch schwierig, wenn es wirklich so ist. Wir sind sehr darauf getrimmt, jedem zu sagen, dass er hübsch ist. Aber wir wissen ganz natürlich, dass nicht jeder hübsch ist. Manche sind eben nicht so hübsch. Ihnen das einzureden, bringt nichts. Sie wissen das auch, und irgendwann nehmen sie es gar nicht mehr ernst.
Jetzt stellt sich die Frage: Muss jeder hübsch sein? Hier sehen wir bereits ein gesellschaftliches Diktat, das besagt, man müsse einem bestimmten Maßstab entsprechen – sei es in Bezug auf die Körperform, die Fitness oder andere Merkmale.
Vielleicht ist es durchaus sinnvoll, für sich selbst und auch für andere klarzustellen: Es gibt Menschen, die sind unterschiedlich fit, und es gibt Menschen, die sind unterschiedlich schön. Das ist an sich kein Problem. Ebenso gibt es Menschen, die musikalisch sind, und andere, die es nicht sind.
Im Fernsehen gibt es ja Shows, wahrscheinlich in der Schweiz genauso wie in Deutschland, zum Beispiel „Deutschland sucht den Superstar“. Manchmal nehmen die Veranstalter bewusst jemanden auf, der später zur Lachnummer wird. Diese Person glaubt, singen zu können, aber alle anderen merken sofort: Sobald sie anfängt zu singen, ist es eine Katastrophe.
Hier wäre es eigentlich liebevoller, den Menschen vorher zu sagen, dass das nichts ist. Denn was passiert sonst? Sie treten auf, werden ausgelacht und dadurch psychisch fertiggemacht. Für die Show mag das unterhaltsam sein, aber für die betroffene Person ist es eine ganz schlimme Erfahrung, sich in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht zu haben.
Solche Situationen gibt es auch unter Jugendlichen. Das Unzufriedensein und Leiden an der eigenen Person oder am eigenen Körper kann sehr vielfältig sein. Heute Abend werden wir uns mit einer spezifischen Frage beschäftigen. Wichtig ist aber immer zu bedenken, dass dieses Unzufriedensein nicht nur bestimmte Menschen betrifft.
Viele Menschen fühlen sich nicht heimisch in ihrem eigenen Körper. Dabei geht es nicht immer um die sexuelle Identität, sondern oft um andere Aspekte des Körpers, mit denen sie nicht zurechtkommen. Sie haben große Schwierigkeiten und fallen manchmal in Depressionen, weil sie sich ständig überfordert fühlen.
Um sie herum wird erwartet, dass sie etwas lernen, doch sie schaffen es nicht. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an den Sportunterricht: Der Sportlehrer fordert, man solle jetzt übers Reck springen oder sich herumrollen. Manche probieren es immer wieder, aber es klappt einfach nicht.
Das ist natürlich peinlich, vor der ganzen Klasse so etwas zu machen. Solche Menschen würden sich auch wünschen, einen anderen Körper zu haben oder fitter zu sein. Wenn es die Möglichkeit gäbe, würden sie das auch tun.
Darüber hinaus gibt es dieses Unwohlgefühl, dieses Fremdsein, auch in Bezug auf die sexuelle Identität. Das gab es schon immer. Allerdings wurde in der Gesellschaft selten so stark darauf Wert gelegt und so intensiv darüber nachgedacht – sowohl individuell als auch medial.
Manche Frauen haben einfach den Eindruck, Frau sein sei eigentlich schlecht. Sie fühlen, sie hätten die schlechtere Seite gewählt und würden lieber Mann sein. In der Vergangenheit war es manchmal so, dass Frauen zwar biologisch und äußerlich Frauen blieben, aber versuchten, männlicher aufzutreten – so wie sie Männlichkeit verstanden. Das zeigte sich in ihrer Karriere, in ihrer Kleidung oder in der Gestaltung ihres Alltags. Man blieb zwar Frau, aber man merkte, dass diese Frau vielleicht ausdrücken wollte: „Ich will selbstbewusster sein, ich möchte eher eine typische Männerrolle einnehmen.“
Umgekehrt gibt es immer wieder Männer, die nicht so recht mit der Männerwelt klarkommen. Schon in der Schule finden sie Fußball langweilig. Die Jungs schlagen sich auf dem Schulhof, und sie haben damit nichts zu tun. Sie würden lieber eine weibliche Rolle einnehmen. Meistens nimmt man die Nachteile der eigenen Rolle stärker wahr als die der anderen. Das gilt auch für andere Lebensbereiche. Wenn man ehrlich fragt, welche Probleme in der Ehe besonders auffallen, sind es meist die, mit denen man selbst lebt oder die man mit dem Partner hat. Denn mit anderen Problemen hat man meist nur distanzierten Kontakt.
Ähnlich ist es bei Krankheiten: Die nerven einen meist am meisten, wenn man selbst betroffen ist. Genauso ist es, wenn man als Frau lebt. Je nachdem, wie stark man sich mit dieser Rolle identifiziert, kann man sagen, warum das Leben als Frau im Alltag manchmal nervig sein kann. In manchen Kulturen gilt das noch stärker. Dort werden Männern eher bestimmte Dinge zugetraut. Manchmal dürfen Männer gesellschaftlich eher Dinge tun, die bei Frauen nicht so schnell toleriert werden.
Da kann man sagen: „Eigentlich würde ich lieber in einer männlichen Rolle sein, denn dann hätte ich die Freiheiten und Möglichkeiten, die sich Männer einfach nehmen.“ Manche Männer wiederum haben den Eindruck: „Ich würde mich auch gerne so schön machen wie eine Frau.“ Wenn ein Mann sich schminkt, schauen viele komisch – manche zumindest. Kürzlich sprach ich mit einem Mann in einem sehr vertraulichen Gespräch. Er sagte mir, dass er gerne wie eine Frau wäre: hübsche Kleider tragen, sich schminken, die Haare gestalten. Aber als Mann gehe das halt nicht.
In manchen Kreisen wird Frauen mehr Rücksicht entgegengebracht, wie es früher hieß: „Frauen und Kinder zuerst“, etwa wenn das Brot knapp wird. Manche Männer könnten zu Recht sagen, das sei eine ungerechtfertigte Bevorzugung von Frauen. Früher galt auch: Wenn du eine Frau siehst, hältst du ihr die Tür auf – als Zeichen von Freundlichkeit oder Nettigkeit. Bei einem Mann ist das nicht üblich, außer er ist behindert oder ähnliches.
Häufig kann man eher die Defizite und Probleme der eigenen Geschlechterrolle nennen, mit denen man nicht gut zurechtkommt. Dabei sieht man oft die Vorteile der jeweils anderen Rolle. Das gab es schon immer. Deshalb wollten schon immer junge Frauen eher eine männliche Rolle einnehmen und junge Männer eher eine weibliche Rolle. Meistens wurde das so gehandhabt, dass Frauen sich etwas männlicher verhielten und Männer etwas weiblicher.
Dass Menschen darunter richtig leiden können, ist klar. Manchmal werden diese Vorstellungen auch durch die Umgebung ausgelöst, was nicht unterschätzt werden sollte. Besonders Kinder sind sehr sensibel für die Signale der Erwachsenen, denen sie vertrauen und mit denen sie umgehen.
Es gibt viele junge Frauen und Männer, die Probleme bekommen, weil sie spüren, wissen oder ahnen, dass die Eltern eigentlich ein anderes Geschlecht von ihnen erwartet hätten. Es reicht schon, wenn die Mutter einmal sagt: „Eigentlich hätten wir uns ja einen Sohn gewünscht“ oder „Eigentlich hätten wir uns eine Tochter gewünscht.“ Kinder behalten so etwas im Kopf.
Dann kann es passieren, dass das Kind sich wünscht, es wäre lieber das andere Geschlecht, um den Eltern zu gefallen. Denn alle kleinen Kinder wollen ihren Eltern gefallen und Anerkennung erhalten. So kann schnell der Gedanke entstehen: „Wäre ich doch ein Mädchen oder ein Junge, dann wären meine Eltern zufriedener, ich hätte mehr Freunde und könnte besser mit meiner körperlichen Veränderung umgehen.“
Es gibt bestimmte Lebensphasen, in denen dieses Sich-in-Frage-Stellen besonders intensiv ist. Das ist vor allem in der Jugendzeit, also in der Teenager- und Jugendphase, sowie in der sogenannten Midlife-Crisis der Fall. In der Midlife-Crisis, wenn man den Höhepunkt von Leben und Karriere überschritten hat, wird vieles noch einmal hinterfragt. Viele treffen dann neue Entscheidungen.
Gerade in diesen beiden Lebensphasen ist der Gedanke besonders stark: „Ich bin im falschen Körper geboren.“ Die Überzeugung lautet, dass das tiefste Problem im Leben darin liegt, Mann oder Frau zu sein, und dass das nicht zum biologischen Körper passt. Wenn dieses Problem gelöst wäre, wären das Unwohlsein, die mangelnde Perspektive und das Scheitern in emotionalen oder persönlichen Beziehungen ebenfalls gelöst.
Deshalb tritt dieser Gedanke besonders in der Jugendzeit und in der Midlife-Crisis auf. Wenn man dann grundlegend sein Leben hinterfragt – vielleicht ist die Ehe gescheitert oder man hat das Gefühl, es läuft alles nicht so gut – kann der Gedanke kommen: „Vielleicht liegt das daran, dass ich eigentlich kein Mann oder keine Frau bin.“ Und deshalb ist die Ehe, die Partnerschaft oder etwas anderes schiefgelaufen.
In früheren Jahrzehnten hat sich das häufig etwas anders geäußert. Beispielsweise haben viele Jugendliche Selbstmord begangen, weil sie gesagt haben: „Ich kann mich nicht ertragen, ich kann mein Aussehen nicht ertragen.“
Oder es äußerte sich darin, dass Jugendliche endlos viel Make-up auftrugen oder auf andere Weise auffällig sein wollten. Manchmal überschminken sie sich sogar viel extremer als Erwachsene, weil sie hoffen, dadurch besser anerkannt zu werden. Als Erwachsener würde man manchmal sagen: „Das brauchst du doch gar nicht.“ Aber der Jugendliche meint, das müsse so sein.
Ein weiteres Beispiel, das wahrscheinlich viele kennen, betrifft vor allem Frauen im Jugendalter: die Magersucht. Das sind junge Frauen im Alter von zwölf, dreizehn oder vierzehn Jahren, deren Körper sich weiblich verändert. Manche von ihnen können das nicht ertragen. Sie wollen lieber androgyn bleiben oder einen männlichen Körper behalten. Deshalb hungern sie, damit sich ihr Körper nicht weiter entwickelt. So bleibt er etwas zurück und entwickelt sich nicht so weiblich.
Diese jungen Frauen leiden sehr darunter, weil Magersucht schwerwiegende körperliche und psychische Nebenwirkungen hat. In der Seelsorge oder psychologischen Behandlung zeigt sich oft, dass sie ihren weiblichen Körper ablehnen. Das heißt, sie wollen diese weibliche Veränderung nicht akzeptieren.
Viele dieser Frauen hätten in der Vergangenheit nicht gesagt: „Nein, ich will nicht Frau sein.“ Aber sie sagen: „Ich will nicht Frau sein mit solch einem Körper.“ Dies empfinden sie als negativ und wollen diesen Körper so nicht haben.
In diesem ganzen Strudel, sich selbst anzunehmen und zu erkennen, wer man ist und was die Umgebung von einem erwartet, ist in den letzten Jahren die Diskussion und der Fokus auf Transgender stark gewachsen. Deshalb habe ich das jetzt etwas ausführlicher dargestellt. Im Grunde genommen ist Transgender eine Teilfrage der grundsätzlichen Frage nach der Wahrnehmung des eigenen Körpers, der Annahme der eigenen Persönlichkeit und Identität.
Das ist eine Unterfrage. Nicht jeder, der mit seinem Körper oder seiner Identität nicht leben kann oder darunter leidet, ist letztlich transsexuell. Aber das ist eine Variante, die in den letzten Jahren sehr viel diskutiert wurde. Dadurch wird das Thema auch in der Öffentlichkeit für viele herausfordernd.
Für diejenigen, die heute Abend hier sind, wird es entweder so sein, dass der eine oder andere sich selbst schon einmal die Frage gestellt hat: „Bin ich jetzt im richtigen Körper?“ Oder sie haben mit Menschen zu tun gehabt, die sich diese Frage gestellt haben oder darunter leiden. Oder sie wollen einfach selbst eine Position dazu finden, weil das gesellschaftlich so stark diskutiert wird.
In vielen Spielfilmen oder Castingshows treten heute auch Menschen auf, die transgender sind oder sich transgender verändert haben. Dann stellt man sich die Frage: „Wie ist das jetzt? Was macht man da? Wie beurteile ich das für mich? Finde ich das gut oder nicht?“
So gibt es verschiedene Interessen. Möglicherweise gibt es auch den einen oder anderen, der beruflich damit zu tun hat, weil er junge Leute begleitet oder im medizinischen Bereich tätig ist. Dann ist das natürlich noch eine andere Ebene, auf der man sich fachspezifisch intensiver damit auseinandersetzen muss.
Ja, jetzt stellt sich die Frage, die wir auf mehreren Ebenen betrachten müssen.
Eine Ebene betrifft das, was bei Jugendlichen passiert. Ich nehme hier bewusst Jugendliche als typisches Beispiel, weil bei ihnen auffällig häufig eine Ablehnung der eigenen, biologischen Identität auftritt. Dabei entsteht der Eindruck, sexuell etwas anderes zu sein als es der eigene Körper und die Biologie vorgeben. Dieses Phänomen tritt besonders im Kindes- und Jugendalter häufig auf. Das sollte uns nicht unbedingt wundern, denn die sexuelle Identität wird in dieser Lebensphase erst wirklich wahrgenommen.
Kleine Kinder können zwar sagen: „Ich bin Junge“ oder „Ich bin Mädchen“, aber das bedeutet noch nicht viel. Sie schlüpfen oft aus Spaß in andere Rollen. So zieht ein kleines Mädchen vielleicht mal das Jackett des Vaters an oder bindet sich eine Krawatte um, wenn es eine zu Hause gibt. Ein kleiner Junge nimmt vielleicht die Stöckelschuhe der Mutter oder spielt mit Make-up und findet das lustig. Das heißt aber zunächst erst einmal gar nichts. Es ist Ausprobieren von Rollen, Spielen und Spaß haben. Viele Kinder in diesem Alter können das noch nicht genau formulieren.
Sie würden einfach sagen: „Ich bin Jung“ oder „Ich bin Mädchen“ und schauen sich an. Dann merken sie: Okay, ich gehöre zu der einen oder anderen Gruppe. Aber diese Zugehörigkeit ist noch nicht so fest. Deshalb spielen Kinder im Kindergarten oft geschlechtsübergreifend zusammen. Kleine Jungen und kleine Mädchen spielen gemeinsam. Dabei sind es eher die Raufbolde, die zusammen spielen, und die etwas Schüchternen, die ebenfalls zusammen spielen – unabhängig vom Geschlecht.
Wenn die Kinder älter werden, beginnt sich das zu ändern. Das kann schon mit sieben, acht oder neun Jahren einsetzen, wird dann aber besonders stark mit elf, zwölf oder dreizehn Jahren. In diesem Alter unterscheidet man stärker zwischen den Geschlechtern. Es gibt einerseits eine Faszination für das andere Geschlecht, andererseits fühlt man sich stärker als Mann oder Frau.
Biologisch ist das natürlich schon angelegt – seit der Zeugung. Medizinisch könnte man das auch untersuchen und würde selbst beim Kleinkind physiologische Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen feststellen. Aber das Kind spürt das noch nicht so stark.
Das bewusste Spüren und die Identifikation mit einer Rolle beginnen bei den meisten erst im Alter von elf bis vierzehn Jahren. Dieses Bewusstsein findet dann einen vorläufigen Abschluss in der Adoleszenz, also je nach Person im Alter von 18, 19 oder 20 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt ist das Bild von der eigenen Identität meist relativ gefestigt.
Normalerweise wird dieses Bild erst durch traumatische Erfahrungen oder eine Midlife-Crisis infrage gestellt. Bei den allermeisten Menschen bleibt die sexuelle Identität bis dahin relativ stabil.
Im Internet, zum Beispiel bei YouTube, gibt es sehr viele Dokumentationen, oft auch relativ kurze, unter dem Titel „Ich bin im falschen Körper geboren“. Ich habe mir einige dieser Dokumentationen angeschaut und auch selbst mit Menschen gesprochen, die davon betroffen sind. Dabei sind mir einige Dinge immer wieder aufgefallen.
Eine Dokumentation, die in Deutschland von einem Fernsehsender aufgenommen und ausgestrahlt wurde, ist nicht sehr lang. Die Journalistin besucht darin die Familie eines Mädchens, das jetzt als Junge lebt. Die Eltern werden interviewt, und die Mutter wird unter anderem gefragt, wie sie gemerkt habe, dass ihr Mädchen eigentlich ein Junge sei. Sie antwortet, dass ihr das schon im Kindergarten aufgefallen sei, weil ihr Mädchen keine Glitzerkleidung tragen wollte und auch nicht gerne Rosa mochte, sondern lieber andere Farben. Das war die Hauptaussage.
Diese Aussage zeigt zweierlei, und zwar zwei Dinge, die nicht ganz unproblematisch sind. Einerseits steckt dahinter bei der Mutter, ob bewusst oder unbewusst, ein sehr starkes Rollenklischee. Das Rollenklischee lautet: Wenn meine Tochter keine Glitzerkleidung trägt, dann ist sie wahrscheinlich kein richtiges Mädchen. Dabei müssen wir die Frage stellen: Warum eigentlich nicht? Wieso ist das so?
Wenn die Mutter sagt, ihr sei das schon im Kindergarten aufgefallen, dann fällt auf, dass das Mädchen das Erstaufkommen des Unwohlseins im Körper etwa im Alter von elf oder zwölf Jahren hatte. Was passiert in der Zwischenzeit? Wenn die Mutter meint, wahrzunehmen, dass das Kind doch nicht ganz ein Mädchen ist, dann vermittelt sie das, ob sie will oder nicht, dem Kind durch ihre Reaktionen. Das kann sich zeigen darin, was sie kauft oder nicht kauft, durch kleine Kommentare oder Bemerkungen wie: „Du bist halt so, du bist ein bisschen anders als die anderen Mädchen.“ In diesen Jahren dazwischen verfestigt sich bei dem Kind das Gefühl, anders zu sein.
Das Mädchen, das interviewt wurde, sagte, es habe sich unwohl in seinem Körper als Mädchen gefühlt. Was tut es? Es geht ins Internet und sucht nach Gründen, warum es sich im eigenen Körper unwohl fühlt. Die Antwort, die es dort immer wieder bekommt, lautet: „Das liegt daran, dass du transsexuell bist.“ Dann beginnt die Suche nach Indizien in der Vergangenheit, die das scheinbar schon immer bestätigt haben.
Diese Überzeugung wird gefestigt, sobald Jugendliche sich in Therapie begeben. Heute werden Therapien fachspezifisch affirmativ geführt. Affirmativ bedeutet, dass die Selbsteinschätzung des Patienten aufgenommen und verstärkt wird. Das heißt, diese wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, etwa mit der Frage: „Wie kommst du auf diese Idee? Das ist doch falsch.“ Stattdessen gilt: Was du empfindest, ist die Wahrheit.
Das habe ich auch in Interviews im Internet von Fachleuten gehört. Dort wurde gefragt: „Warum vertrauen Sie nicht Ihrem Kind?“ Wenn das Kind sagt, es sei ein Mädchen, obwohl es äußerlich ein Junge ist, müsse man dem doch vertrauen, dass es eigentlich ein Mädchen ist – oder umgekehrt. Diese Frage trifft die Eltern sehr, denn alle Eltern wollen, dass es ihrem Kind gut geht.
Wenn den Eltern vermittelt wird, dass das Einzige, was sie tun können, ist, ihr Kind in seiner Selbsteinschätzung zu bestärken, entsteht schnell eine sich selbst verstärkende Spirale. Irgendwo gab es einen Anfang, sei es durch einen Medienbericht oder heute in Deutschland immer häufiger durch Beiträge in der Schule.
Ich habe beispielsweise mit einer jungen Frau gesprochen, die nach so einem Vortrag zu mir kam. Sie hatte sich wochenlang damit beschäftigt, ob sie möglicherweise ein Junge sei. Der Gedanke kam nicht von ihr selbst, sondern durch den Schulunterricht. Dort wurde das Thema Transgender behandelt, und alle Kinder sollten einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie angeben sollten, was sie gerne machen. Am Ende sagte die Lehrerin zu dieser jungen Frau: „Möglicherweise bist du eigentlich ein Junge.“ Da diese Aussage von einer Autoritätsperson kam, beschäftigte sie sich intensiv mit diesem Gedanken. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr Dinge fielen ihr ein, die bei ihr nicht typisch weiblich seien.
Sie erinnerte sich daran, dass sie auf dem Schulhof gern mit Jungen spielte, manchmal sogar lieber als mit Mädchen. Das war für sie ein eindeutiger Hinweis, dass sie ein Junge sein müsse. Wir haben uns eine Weile unterhalten, und sie nannte mir einige Punkte, die sie nach dem Fragebogen als typisch für einen Jungen qualifizierten. Zum Beispiel spielte sie gern Fußball und trug nicht gern Kleider.
Hier könnte man sich umsehen und feststellen, wie viele Frauen gerade Kleider tragen. Die Frauen, die Hosen tragen, müssten sich dann Gedanken machen, welches Klischee dahintersteckt. Ich erinnere mich auch an eine andere Sendung im Internet, die vor dem Coronavirus ausgestrahlt wurde. Dort wurde ein Junge interviewt, der jetzt ein Mädchen ist. Ich fand das so klischeehaft, dass es fast lächerlich wirkte. Auf dem Schulhof war dieser Junge, der jetzt ein Mädchen ist, mit Zöpfen und Rock zu sehen. Im Hintergrund spielten alle Kinder. Von den Mädchen, die man erkennen konnte, trug kein einziges Zöpfe und Rock.
Da stellt sich die Frage: Was ist das? Da wird mit Rollenklischees gearbeitet, obwohl wir in den letzten Jahrzehnten gelernt haben, dass diese Klischees aufgebrochen werden sollen. Eine Frau kann einen Rock tragen und gern Fußball spielen, und ein Mann muss nicht unbedingt Fußball mögen. Aber genau das verunsichert diese junge Frau.
In vielen Interviews habe ich ähnliche Dinge gehört, auch von der Mutter, die sagt, ihr Kind trage nicht gern Glitzerkleidung. Da heißt es: Alle Mädchen mögen Glitzerkleidung. Natürlich gibt es viele Mädchen, die das mögen, aber müssen das alle? Wenn sie das nicht mögen, ist dann ihre Weiblichkeit in Gefahr? Darüber sollte man nachdenken. Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall.
Wenn Kinder in Behandlung kommen und affirmativ behandelt werden, das heißt, wenn der Anfangsverdacht aufgenommen und verstärkt wird, um dem Kind zu helfen, dann kann es passieren, dass erst eine Identität geschaffen wird. Zuvor war es vielleicht nur eine verbreitete Unsicherheit bei sensiblen Kindern und Jugendlichen oder die Suche nach Identität. Auch die Unzufriedenheit mit der Veränderung des Körpers spielt eine Rolle.
Wir sollten daran denken, dass es ein psychologisches Phänomen gibt, das in den letzten zwanzig Jahren intensiv erforscht wurde: die sogenannte falsche Erinnerung (englisch: false memories). Das betrifft Kinder noch stärker als Erwachsene, weil sie oft schlecht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden können. Deshalb sind Zeugenaussagen von Kindern bei polizeilichen Untersuchungen sehr heikel. Schon ein einziges Stichwort kann Kinder in eine bestimmte Richtung lenken, was zu merkwürdigen Ergebnissen führt.
Manche fantasiebegabten Kinder erzählen dann plötzlich von einem Elefanten, der geflogen sei, und halten das für realistisch, weil sie Realität und Fantasie noch nicht gut unterscheiden können. Diese Problematik ist allgemein bekannt.
Wie kam man auf die Idee der false memories? Auch durch psychiatrische Behandlungen. Vor etwa 20 Jahren gab es in den USA eine Welle von Menschen, die meinten, von Außerirdischen entführt worden zu sein. Das war damals ein großes Thema in den Medien, mit Berichten über Ufos und Entführungen.
Viele Menschen fühlten sich traumatisiert und begaben sich in Therapie. Es gab hunderte Therapeuten, die sich auf die Behandlung von angeblichen Entführungsopfern spezialisierten. Nach etwa zehn Jahren wurden die Erinnerungen vieler Betroffener genauer untersucht. Das Ergebnis war, dass die detaillierten Erinnerungen an die Entführung erst durch die Therapie entstanden waren.
Anfangs gab es nur vage Erinnerungen, zum Beispiel: „Bist du nachts aufgewacht und hast ein helles Licht gesehen?“ oder „Hast du eine Erinnerungslücke?“ Solche Phänomene können viele Ursachen haben, etwa Epilepsie, Alkohol- oder Drogenkonsum. Das war der Anfangsverdacht. In der Therapie wurden dann durch gezielte Fragestellungen Erinnerungen erzeugt, die so nie wirklich da waren. Unser Gehirn ist nicht wie ein Computer, es ist kreativ und findet Antworten, auch auf Dinge, die nicht existieren. Einige Therapien bauen darauf auf, was aber sehr gefährlich sein kann.
Deshalb muss man sehr vorsichtig sein, welche Fragen man stellt. Schon Fragen können Erinnerungen beeinflussen oder erzeugen, die sonst nicht entstehen würden. Im esoterischen Bereich gibt es beispielsweise die Reinkarnationstherapie. Menschen erinnern sich angeblich an frühere Leben, indem sie in Trance versetzt werden und gefragt werden, was sie vor hundert Jahren gemacht hätten. Viele Menschen erzählen dann Geschichten, die als Beweis für Reinkarnation genommen werden.
Aus hirnforscherischer Sicht ist das jedoch ein Beweis für die Kreativität des Gehirns, das Muster sucht und Antworten generiert. Auch Erwachsene kennen das: Manchmal streiten sich Geschwister über gemeinsame Erinnerungen, weil sie unterschiedliche Versionen im Gedächtnis haben. Das zeigt, dass Erinnerungen nicht immer objektiv sind.
Wenn ein Anfangsverdacht besteht, produziert das Gehirn manchmal Erinnerungen, die es so nie gegeben hat. Wenn ein Kind mit sexueller Unsicherheit in eine affirmativ geführte Therapie kommt, wird der Verdacht bestärkt. Dabei entstehen neue Erinnerungen, von denen das Kind überzeugt ist, dass sie schon immer da waren.
In Interviews hört man oft die Aussage: „Ich habe mich schon immer als Mädchen gefühlt“ oder „Ich habe mich schon immer als Junge gefühlt.“ Bei genauerer Untersuchung stellt sich meist heraus, dass diese Aussage erst nach einiger Zeit in der Therapie entstanden ist. Der Therapeut löst dann Erinnerungen aus, die vorgeblich schon immer da waren. Es ist schwer zu sagen, ob diese Erinnerungen wirklich schon da waren oder erst erzeugt wurden. Es gibt beides: echte Erinnerungen und solche, die erst durch Therapie entstanden sind.
Diese Gefahr ist bei Kindern und Jugendlichen besonders groß. Therapeuten, die sich auf Transgender spezialisiert haben, sind oft selbst betroffen und glauben, dass es viel mehr Menschen im falschen Körper gibt. Sie bringen ihre Klienten häufig in diese Richtung.
Ich erinnere mich an ein Interview mit einem Therapeuten aus München. Er sagte, er habe noch nie erlebt, dass ein Kind, das zu ihm in Therapie kam, sich geirrt habe. Das ist ideologisch gefärbt. Wissenschaftlich ist das sehr fragwürdig, denn es gibt viele Gründe, warum ein Kind sich so äußern kann.
Wäre die Quote der Korrektheit etwa bei 70 Prozent, könnte man das akzeptieren. Aber wenn jemand sagt, er habe sich nie geirrt, ist das problematisch. Kindern wäre mehr geholfen, wenn man ihre sexuelle Unsicherheit ernst nimmt und ihnen verschiedene Erklärungen anbietet. Manche Kinder haben Probleme mit der Veränderung ihres Körpers, etwa wenn Brüste wachsen oder sich die Stimme verändert. Das ist verständlich.
Es ist wichtig, Kindern verschiedene Optionen zu zeigen, damit sie begleitet werden können und das eigentliche Problem erkannt wird. Eine zu schnelle Lösung, die heute gesellschaftlich oft verbreitet ist, kann das Problem nur oberflächlich lösen und später zu neuen Schwierigkeiten führen.
In England wurde die größte Klinik, die sich in den letzten 20 Jahren mit Transgender befasst hat, kürzlich geschlossen. Dort wurden viele Fehldiagnosen festgestellt. Einige Frauen meldeten sich und berichteten, dass sie nach zehn Jahren Therapie und Behandlung eigentlich keine Männer sein wollten. Damals wurden sie bestätigt, erhielten Hormone und Operationen, doch heute sind sie unsicher.
Jugendliche sind leicht beeinflussbar. Große ideologische Gruppierungen wie Nationalsozialisten oder Sozialisten wenden sich zuerst an Jugendliche, weil sie leicht motivierbar und begeisterbar sind. Könnte es sein, dass auch Jugendliche mit Problemen zu schnell eine Lösung angeboten bekommen, die besser in das eigene Denkmuster passt, statt ihnen verschiedene Möglichkeiten zu zeigen?
Eltern sollten ermutigt werden, nicht zu schnell als Laienpsychologen zu handeln, sondern ihr Kind erst einmal normal leben zu lassen. Ein kleiner Junge darf auch mal Mädchen spielen, und ein Mädchen darf mal Junge spielen. Eltern müssen nicht sofort alarmiert sein, wenn ihr Kind ein Kleid anzieht oder mit dem anderen Geschlecht spielt.
Viele junge Eltern wollen es richtig machen und sehen solche Dokumentationen. Sie meinen, ihrem Kind etwas Gutes zu tun, wenn sie solche Gedanken aufnehmen und mit dem Kind darüber sprechen. Schon die Frage „Möchtest du ein Mädchen sein?“ kann ein Kind auf eine Idee bringen, die es vorher nicht hatte.
Psychologische Untersuchungen zeigen, dass die meisten Kinder Phasen haben, in denen sie das andere Geschlecht ausprobieren. Bei den meisten Kindern ist das eine Phase, die vorübergeht. Wenn man keine große Aufmerksamkeit darauf legt, bleibt das eine Erinnerung, über die man später lachen oder die man peinlich finden kann.
Ein Beispiel aus meiner Familie: Unsere älteren Töchter wollten Prinzessin spielen und verkleideten unseren Sohn als Prinzessin mit Kleid, Glitzer und Kette. Es gibt Fotos davon, die ihm heute manchmal peinlich sind. Das führte aber nicht dazu, dass er sich im falschen Körper fühlte. Er hatte andere Probleme in der Jugend, weil er eher schmächtig war. Er dachte, die anderen Jungs seien stärker. Er versuchte, durch Sport dagegenzuhalten, was ihm half.
Hätte man ihm damals gesagt, er sei kein richtiger Mann, hätte er das in einer Krisenphase vielleicht geglaubt. Es ist wichtig, verschiedene Optionen und Hintergründe zu sehen und den betroffenen Menschen ernst zu nehmen und zu helfen.
Es ist ebenso wichtig, nicht nur dagegen zu kämpfen oder Menschen lächerlich zu machen, die sich im falschen Körper fühlen. Viele dieser Menschen sind sehr sensibel und merken, dass sie oft abgelehnt werden, auch von denen, die sich tolerant geben. Sie werden ausgeschlossen, nicht eingeladen oder nicht in Freizeitaktivitäten einbezogen.
Deshalb ist es eine wichtige Herausforderung, auch für Christen, ganz normale Kontakte zu Menschen aufzubauen und zu pflegen, die sich transsexuell empfinden. Dabei muss man nicht immer über Sexualität sprechen. Für viele rückt durch die Therapie und Aufmerksamkeit die sexuelle Identität so sehr in den Mittelpunkt, dass scheinbar alles darauf reduziert wird. Das ist für niemanden gesund.
Manchmal ist es gut, einfach über Urlaub, Blumen oder Bücher zu sprechen. Menschen sind nicht nur ihre sexuelle Identität. Sie mögen chinesisches Essen, Sport oder andere Dinge. Es ist wichtig, das Leben nicht zu vereinseitigen und Menschen nicht nur auf ihre Transsexualität zu reduzieren.
Als Christ sollte man wissen, dass jeder Mensch, egal ob transsexuell oder nicht, Christ werden kann, sich Gott öffnen und gläubig werden kann. Es sollte nicht die Vorstellung herrschen, jemand müsse erst bestimmten sexualmoralischen Vorstellungen entsprechen, um sich für Jesus Christus zu öffnen. Das ist nicht der Fall.
Christen müssen in vielen Lebensbereichen neu denken, wer sie sind und was sie tun. Jesus will das Leben positiv verändern und neue Perspektiven eröffnen. Das kann auch Menschen betreffen, die transsexuell sind.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Mann, der als Mann geboren wurde, dann aber zehn bis fünfzehn Jahre als Frau lebte, in dieser Zeit gläubig wurde und Mitglied einer Gemeinde war. Wir hatten längere seelsorgerliche Gespräche. Er fragte sich, ob Gott das mag und ob er sich wieder umoperieren lassen müsse, um wieder ein Mann zu sein. Das hat ihn tief bewegt.
Ich musste ihm sagen, dass eine Rückoperation oft nicht möglich ist. Wenn er gläubig wird, muss er so leben, wie er jetzt ist. Gott kann ihn auch so gebrauchen und liebt ihn so.
Diese Person sagte mir, sie fühle sich durch die Therapie betrogen. Man habe ihr immer gesagt, sie werde eine Frau, aber nach zehn bis fünfzehn Jahren fühle sie sich immer noch nicht als Frau. Äußerlich sehe sie so aus, aber innerlich nicht. Wenn sie die Medikamente absetzt, verändert sich der Körper wieder. Wenn sie krank ist, wird sie medizinisch als Mann behandelt.
Wer sich im medizinischen Bereich auskennt, weiß, dass Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden, etwa bei Herzinfarkten. Transgender sind biologisch immer noch Männer oder Frauen, auch wenn sich der Hormonstoffwechsel verändert hat. Sie leben oft „dazwischen“.
Die Vorstellung, dass das biologische Geschlecht keine Relevanz hat, ist problematisch. Natürlich spielt es eine Rolle, wie man sich fühlt, das ist nachvollziehbar. Biologie ist nicht alles, wir sind keine biochemischen Maschinen, sondern Körper, Seele und Geist.
Als Christen sollten wir wissen, dass wir die Biologie nicht einfach ignorieren können. Das geht nicht durch Operationen oder Hormonbehandlungen. Äußerlich kann man einiges ändern, aber viele sind nie ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Nach ein bis zwei Jahren kommen Zweifel, es müsste noch mehr verändert werden.
Manche Transfrauen sehen weiblicher aus als manche biologischen Frauen, weil sie viel Wert auf Äußerlichkeiten legen. Das erinnert an den Jungen mit Rock und Zöpfen auf dem Schulhof, der vielleicht eine Überkompensation darstellt.
Wir sind eine Einheit aus Körper, Seele und Geist, und der Körper spielt dabei eine Rolle. Biologie generell als irrelevant zu erklären, weil man sich anders fühlt, ist problematisch. Auch für Medizin und Psychologie ist die Selbstwahrnehmung immer mit Fremdwahrnehmung abzugleichen.
Viele Transgenderforscher sprechen vom Wunschgeschlecht. Es gibt nur wenige objektive Daten, die die Selbsteinschätzung bestätigen oder widerlegen. Heute gilt vor allem das Affirmative: Wie ich mich selbst einschätze, ist wahr und muss akzeptiert werden.
Das ist schwierig. Manchmal brauchen wir gerade eine Fremdwahrnehmung, die uns sagt, dass unsere Selbsteinschätzung nicht immer stimmt. Wir alle kennen Phasen, in denen wir uns falsch eingeschätzt haben.
Gerade als Christen sind wir herausgefordert, uns gegenseitig auch ehrlich zu sagen, was wir denken und empfinden. Das gilt nicht nur für Sexualität, sondern auch für andere Bereiche. Wenn jemand sich als musikalisch empfindet, aber andere das anders sehen, hilft es wenig, nur an der Selbsteinschätzung festzuhalten.
Es ist wichtig, Menschen mit anderen Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten zu konfrontieren. Transgender wird heute oft sehr einseitig betrachtet und gefördert. In Deutschland gibt es in fast jedem Bundesland Unterrichtseinheiten dazu. Oft kommen Spezialisten von außerhalb, die selbst Transgender sind, um Kinder zu begleiten.
Das kann eine starke Einseitigkeit sein, die bei Kindern Probleme schafft, die vorher nicht da waren. Kinder, die Probleme haben, brauchen Hilfe, aber Kinder, die mit ihrem biologischen Geschlecht zufrieden sind, sollten nicht in eine Identitätskrise gebracht werden, indem man das infrage stellt oder relativiert.
Manche Menschen wollen das Thema auch im christlichen Rahmen in der Bibel wiederfinden. Ich habe kürzlich in einer theologischen Zeitschrift gelesen, dass ein Theologieprofessor meinte, die Bibel enthalte Beispiele für Transgender, die von Gott gewollt seien.
Als Paradebeispiel nannte er Josef im Alten Testament. Dort steht, dass Josef von seinem Vater einen bunten Rock geschenkt bekam. Der Professor deutete das so, dass der Vater sensibel war und merkte, dass sein Sohn lieber eine Frau sein wollte, und ihm deshalb einen bunten Rock schenkte.
Allerdings müsste ein Theologieprofessor wissen, dass damals alle Männer Röcke trugen und „bunt“ einfach „wertvoll“ bedeutete. Die Geschichte sagt, Josef war der Lieblingssohn, deshalb bekam er einen bunten Rock, was damals ganz normal war.
Der Professor deutete auch, dass Josef später nicht mit der Frau des Potiphar ins Bett gehen wollte, weil er sich als Frau fühlte. Doch die Bibel sagt etwas anderes: Josef wollte moralisch keine Ehe brechen. Hätte Potiphar ihn gefragt, hätte er auch abgelehnt.
Später heiratete Josef in Ägypten eine Frau und bekam Kinder. Das steht in der Bibel. Hier werden biblische Geschichten verfälscht, um etwas hineinzuinterpretieren, was nicht drinsteht. Das hilft keinem Menschen weiter.
Wir müssen die Bibel nicht an den Zeitgeist anpassen, sondern sollten relevante Aussagen heranziehen, die etwas über sexuelle Identität sagen. Die Bibel will unseren Blickwinkel erweitern und uns auf Dinge aufmerksam machen, die unser Zeitgeist übersieht.
Die Bibel hat die besondere Fähigkeit, ideologische oder zeitgemäße Auffassungen kritisch zu hinterfragen. Das wird oft übersehen, wenn man die Bibel an den vorherrschenden Zeitgeist anpasst.
In der Vergangenheit führte das zu peinlichen und seltsamen Auslegungen. Zum Beispiel im Sozialismus, in der Sowjetunion, gab es Theologen wie Dorothee Sölle, die atheistisch von Gott redeten. Man versuchte zu begründen, dass man Gott gar nicht braucht, um Christ zu sein. Heute wirken solche Interpretationen weltfremd und bibelfremd, denn die Bibel ohne Gott macht keinen Sinn.
Ich würde eher dazu ermutigen, auch wenn wir uns manchmal an biblischen Aussagen stoßen oder ärgern, nicht ärgerlich zu sein und Gott Transphobie zu unterstellen. Stattdessen sollten wir sehen, ob die Bibel nicht Merkmale enthält, die uns helfen, Aspekte unserer Identität zu verstehen, die in aktuellen Diskussionen zu kurz kommen.
Das ist die besondere Fähigkeit der Bibel: Sie stellt uns in Frage und fordert uns heraus. Wenn die Bibel uns nur das sagen würde, was die Gesellschaft sagt, bräuchten wir sie nicht.
Was wir in der Bibel finden, ist, dass im Normalfall – und bei der Erziehung von Kindern sollten wir vom Normalfall ausgehen – Körper, Seele, Geist, biologische und gefühlte sexuelle Identität normalerweise zusammenpassen. Es gibt Menschen, bei denen das nicht so ist, und diese brauchen Aufmerksamkeit, Hilfe und Begleitung.
Aber sie brauchen nicht nur die Bestätigung ihrer Selbstdeutung als einzige Möglichkeit. Es ist wichtig, auch andere Alternativen anzubieten und zu zeigen, woran es liegen könnte.
Nach meiner Erfahrung merken einige Menschen, dass ihr Problem nicht die Sexualität ist, sondern etwas anderes, zum Beispiel Ablehnung durch die Eltern oder dass die Eltern ein anderes Geschlecht wollten.
Dann ist es besser, das eigentliche Problem anzugehen, als eine Lösung zu suchen, die das Problem nur nebenbei weiterlaufen lässt.
Als Christen sollten wir ernst nehmen, Mitgefühl zeigen, zuhören, mitanalysieren, verschiedene Varianten vorschlagen und begleiten, ohne zu schnell einseitige Lösungen zu forcieren.
Am Ende kann es Menschen geben, die sagen, dass alles andere nicht hilft und sie wirklich mit ihrem Körper unzufrieden sind. Das gibt es, so wie es viele andere Lebensprobleme gibt, manche seit der Kindheit, manche durch Traumata im Leben.
Wir können diese Probleme nicht immer abstellen, weder mit Medikamenten noch mit Therapien. Manchmal können wir nur helfen, sie zu bewältigen, einzuordnen. Es gibt kein biblisches Versprechen, dass alle Probleme verschwinden, wenn man Christ wird.
Die Bibel zeigt viele Beispiele von Menschen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. So kann es auch bei Gläubigen mit Unsicherheiten sein.
Nach meiner Erfahrung sind es deutlich weniger Menschen, als die Öffentlichkeit den Eindruck erweckt. Wenn man Statistiken in Deutschland betrachtet, ist die Häufigkeit von Magersucht bei Frauen in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Zahl junger Frauen, die sich im falschen Körper fühlen, deutlich gestiegen.
Hier muss man fragen: Ist die Ursache nicht ähnlich? Bin ich unzufrieden mit der Veränderung meines Körpers in der Pubertät? Nur ist der Lösungsansatz ein anderer. Der eine hungert, um die Veränderung zu stoppen, der andere nimmt Hormone.
Es ist wichtiger, nicht nur die Lösung zu sehen, sondern zu verstehen, was dahintersteckt, wenn jemand seinen Körper oder sich selbst ablehnt.
Das kann hier nicht für alle gelöst werden, aber ich hoffe, dass einige Gedankengänge heute helfen, das Thema aus anderen Perspektiven zu betrachten, als es in der Öffentlichkeit meist geschieht.
Das kann helfen, wenn man mit Menschen, Kindern oder Enkelkindern zu tun hat: aufmerksam sein, nicht schimpfen, zuhören, mitanalysieren, verschiedene Möglichkeiten anbieten und begleiten.
Es ist problematisch, Kinder zu verunsichern, die keine Probleme haben, und dann im Nachhinein zurückzuprojezieren, dass sie sich immer schon so gefühlt hätten, wenn diese Gefühle erst durch Erwachsene oder pädagogisches Personal ausgelöst wurden.
Das ist sträflich, denn solche Überlegungen können Kinder lebenslang begleiten und ihre Partnerschaften schwer beeinflussen. Deshalb sollte man besonders sensibel sein.
Wenn ein Kind keine Probleme äußert, sollte man es nicht in eine Krise stürzen, nur weil es Geschlechterklischees gibt, etwa wie man sich kleiden oder verhalten soll.
Die Zeit ist abgelaufen, die hierfür vorgesehen war. Nun können wir uns austauschen, Fragen stellen, Meinungen äußern oder eigene Erlebnisse berichten. Das können wir gerne noch einige Minuten machen.
Wer persönliche Fragen hat, kann auch nach der Veranstaltung, am Sonntag oder beim Ausflug nach Basel gerne auf mich zukommen.