Ich weiß nicht, was ihr euch unter einer Wüste vorstellt. Die meisten haben Bilder von der Sahara im Kopf, mit vielen endlosen Sandflächen und Sanddünen.
Aber die meisten Wüsten dieser Welt sind keine Sandwüsten, sondern Steinwüsten. Ich meine, es sei denn, man zählt Eiswüsten dazu – die lassen wir jetzt mal außen vor. Die größten Flächen der meisten Wüsten auf der Welt sind also Steinwüsten.
In diesen Gebieten gibt es hauptsächlich viele verschiedene Abstufungen von Braun und relativ wenig Grün. Von den Gerüchen des Frühlings, über die wir auf Englisch gesungen haben, gibt es dort nichts. Es gibt normalerweise keine frischen Pflanzen und keinen Vogelgesang, wenn man dort wandert.
Die Wüste wirkt zumindest bei oberflächlicher Betrachtung wie ein toter Landstrich. Und noch lange bevor man den Mangel an Nahrungsmitteln bemerkt, fällt einem der Mangel an Wasser auf. So ungefähr lässt sich eine Wüste beschreiben.
Lebensphasen und Gemeinden als Wüstenräume
Aber es gibt auch andere Wüsten. Es gibt Lebensphasen in unserem Leben, die sich wie eine Wüste anfühlen. Ebenso gibt es manche Gemeinden, die sich wie eine Wüste anfühlen. Man hat das Gefühl, in einer Gemeinde zu sein, die nicht wächst, sondern eher schrumpft.
Wenn man darüber nachdenkt, dass seit Jahren niemand mehr zum Glauben gekommen ist, und junge Leute schon lange abgewandert sind, dann erlebt man solche Gemeinden. Ab und zu findet eine Beerdigung statt, und dann ist es wieder jemand weniger. Oder jemand von den älteren Geschwistern, die übrig geblieben sind, zieht zu seinen Kindern irgendwo anders hin. Dann werden es auch wieder weniger.
Es gab Versuche, die Maßstäbe von Hingabe und Heiligkeit ein wenig zu senken, damit niemand abgeschreckt wird. Meistens hat das jedoch eher das Gegenteil bewirkt von dem, was das Ziel war. Prediger scheinen nur Dinge zu sagen, die man gefühlt schon hundertmal gehört hat, und alles fühlt sich an wie staubiger Zwieback.
Die Wüste ist ein Thema in dem heutigen Abschnitt, den wir in Jesaja anschauen, aber nicht das erste.
Überblick über den zweiten Teil des Jesajabuchs
Am Anfang schauen wir uns wieder zwei Schemata an. Diese werdet ihr wahrscheinlich so oder ähnlich bei verschiedenen Personen finden, wenn ihr euch mit Jesaja beschäftigt. Es handelt sich um eine typische Einteilung des zweiten, also des großen letzten Teils von Jesaja, den wir jetzt nach den Osterferien bis zu den Sommerferien behandeln, sofern alles gut läuft.
Dieser Abschnitt umfasst die Kapitel 40 bis 66. Stilistisch und inhaltlich wirkt er wie ein ganz neuer Teil von Jesaja. Viele moderne Theologen sind der Meinung, dass dieser Abschnitt nicht vom gleichen Autor stammt. Ich bin jedoch ziemlich sicher, dass er vom gleichen Autor ist und zum selben Buch gehört. Trotzdem stellt dieser Abschnitt einen Einschnitt dar.
In den ersten 35 Kapiteln nimmt Jesaja uns tief mit in seine Zeit und gibt manchmal einen Ausblick in die ferne Zukunft. Danach folgen die Kapitel 36 bis 39, die eingeschoben sind, um uns zu zeigen, wo Jesaja gerade steht. Diese Kapitel erzählen die Geschichten von Hiskia, der Belagerung Jerusalems, Hiskias Krankheit und seiner Begegnung mit der babylonischen Gesandtschaft. Diese Begegnung verläuft aus göttlicher Sicht nicht gut.
Ab Kapitel 40 beginnt Jesaja mit einer ganz anderen Blickrichtung und verfolgt ein etwas anderes Ziel. Deshalb bildet dieser Abschnitt einen ganz neuen Teil.
Dreiteilung des Abschnitts Jesaja 40-66
Und ganz grob kann man diese 27 Kapitel – ich glaube, es ist Zufall, dass es genau so viele Kapitel sind wie die Bücher des Neuen Testaments – tatsächlich in drei Teile aufteilen. Diese Teile enthalten wahrscheinlich eher zufällig jeweils neun Kapitel. Für uns ist das ganz gut, weil man sich das gut merken kann.
Also, Kapitel 40 bis 48, neun Kapitel, handeln hauptsächlich von Gott. Es geht um die Souveränität Gottes, um den einzig wahren Gott und darum, wie überlegen dieser Gott allen Ideen von Götzen ist. Dieser Abschnitt endet mit dem Satz: „Kein Friede den Gottlosen.“ Das ist erstaunlich, weil es in diesen neun Kapiteln ein wenig anders klang und man auf eine andere Idee hätte kommen können.
Dann folgen nochmals neun Kapitel, Jesaja 49 bis 57. Viele von uns kennen das, zum Beispiel Jesaja 53, die Beschreibung von Jesus als dem Knecht Gottes, der für uns leidet und letztendlich für unsere Ungerechtigkeit umgebracht wird. Der Knecht Gottes ist gewissermaßen das Zentrum dieser neun Kapitel. Und es endet, wenn man die neun Kapitel gelesen hat, nicht ganz so überraschend mit dem Satz: „Kein Friede den Gottlosen.“
Danach kommen die letzten neun Kapitel. Hier macht Jesaja wirklich einen Ausblick in die ferne Zukunft, auf die zukünftige Herrlichkeit des Reiches Gottes, die messianische Regierung und all diese Dinge. Das Ende ist etwas ausführlicher: Nachdem er die ganze Herrlichkeit gezeigt hat, die herrliche Zukunft, sagt er, dass diese Herrlichkeit nicht für jeden sein wird. Einzelne werden gerichtet werden. Er sagt, dass ihr Wurm nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen wird.
So ist die grobe Einteilung dieses letzten Teils von Jesaja.
Schematische Übersicht der Kapitel 40-48
Schauen wir uns ganz kurz ein Schema der Kapitel 40 bis 48 an, über die wir heute und hoffentlich in zwei Wochen sprechen werden.
Im zweiten Teil von Jesaja ist es vielleicht nicht ganz so wichtig, sich all diese Schemata genau vor Augen zu führen. Jesaja wechselt in den einzelnen Abschnitten, die ich hier dargestellt habe, nicht so sehr das Thema. Es gibt zwar verschiedene Schwerpunkte, doch durch die großen Teile ziehen sich immer wiederkehrende Themen, die aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden.
Es gibt ein Einleitungskapitel, Jesaja 40, und ein Schlusskapitel, Jesaja 48. Beide richten sich letztlich an Israel und beschreiben in kurzen Worten, was Gott in der Zukunft vorhat.
Der zentrale Abschnitt liegt in Jesaja 42,13 bis 44,23. Hier richtet sich die Perspektive ganz konkret auf die Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft. Wir werden uns das gleich etwas näher anschauen.
Dieser zentrale Abschnitt enthält die wichtigsten Themen, die auch mehrfach wiederholt werden. Ich habe es hier so notiert: „Fürchte dich nicht, es gibt Wasser in der Wüste“ – und dann noch einmal „Fürchte dich nicht, es gibt Wasser in der Wüste“. Diese zentralen Gedanken, die schon im vorigen Abschnitt vorkamen, werden hier doppelt betont. Jesaja legt hier offenbar besonderen Wert auf diese Aussagen.
Zwischen diesem zentralen Abschnitt und dem Anfang sowie dem Ende befinden sich zwei weitere Abschnitte, in denen die Betonung mehr in die Ferne gerichtet ist. Dort heißt es, dass das, was Gott mit seinem Volk tut, Auswirkungen bis an die Enden der Erde hat.
Ein zentraler Satz für diese beiden Abschnitte ist Jesaja 45,22: „Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle Enden der Erde!“
Historischer Hintergrund des Abschnitts
Der historische Hintergrund dieses Abschnitts, oder vielleicht sogar des gesamten zweiten Teils von Jesaja, ist von großer Bedeutung. Ich habe immer wieder betont, dass in den ersten vierzig Kapiteln das zentrale historische Ereignis für Jesaja darin bestand, dass die Assyrer, diese militärische Supermacht, vor den Toren Jerusalems standen. Jerusalem war zu dieser Zeit die einzige Stadt, die sie nicht einnehmen konnten. Sie sind an Jerusalem gescheitert – durch das Eingreifen Gottes. Jesaja macht dieses Ereignis immer wieder zu einem Schlüsselereignis für seine Prophetien.
Ab Kapitel 40, und vor allem in dem ersten Abschnitt, den wir heute betrachten, gibt es ein anderes Schlüsselereignis. Dieses Ereignis liegt zur Zeit von Jesaja noch etwa hundertsechzig Jahre in der Zukunft. Gott hat es ihm jedoch gezeigt, offensichtlich bis ins Detail. Es wird sogar ein Name aus dieser Zeit genannt, die noch weit entfernt ist. Dieser Name ist Chores oder Kyros, der König von Persien.
Es ist interessant, dass Jesaja genau in diese Zeit springt. Er schildert, wie Kyros an die Macht kommt, wie die Perser die Herrschaft von den Babyloniern übernehmen und wie Kyros all den Israeliten, die in den vergangenen Jahrzehnten, fast Jahrhunderten deportiert wurden – zuerst von den Assyrern, dann von den Babyloniern –, sagt: Kehrt zurück in euer Land und baut den Tempel eures Gottes wieder auf.
Für Jesaja ist das ein Wunder. Als Gott ihm das zeigt, wird es für ihn zum Schlüsselereignis, um das sich alle seine Prophetien nun drehen. Natürlich schaut Jesaja auch in die ferne Zukunft, wenn Gott sein Reich in Jerusalem, in Israel, aufbaut und von dort aus regiert. Doch sein Blick richtet sich immer wieder auf dieses für ihn nähere Ereignis. Es ist ein Wunder, dass ein König, ein Weltherrscher, aufsteht und diesen Deportierten sagt: Kehrt zurück nach Jerusalem, kehrt zurück nach Israel, baut es neu auf, baut den Tempel neu auf.
Was war die große Frage für Jesaja? Was passiert mit all diesen Deportierten? Für ihn bildeten sie eine Einheit. Er hatte die Deportation des Nordreichs und viele aus dem Südreich Juda zu seiner Zeit erlebt. Für ihn war die große Frage: Kommen diese Menschen irgendwann zurück? Kommen diese Familien zurück in ihr Land?
Die großen Deportationen durch die Babylonier, es waren ja eigentlich drei, lagen für ihn noch in der Zukunft. Für Jesaja war das offensichtlich kein separates Ereignis. Die Babylonier waren für ihn nur die Fortführung der Assyrer, die dieselbe Politik verfolgten.
Ob die Assyrer auf dem gleichen Gebiet herrschten, mit den gleichen großen Städten, oder ob die Babylonier das als Nächstes taten, war für Jesaja unerheblich. Es war diese Großmacht in Mesopotamien, die alles militärisch beherrschte. Ihre Politik bestand darin, unterworfene Völker zu destabilisieren, indem sie Teile der Bevölkerung, vor allem die Oberschicht, wegführten und an einen anderen Ort brachten. So entstand keine Identifikation mehr und kein wirklicher Zusammenhalt im Volk.
Diese Politik verfolgten sowohl die Assyrer als auch die Babylonier. Für Jesaja war das eins: Die Babylonier setzten die assyrische Politik fort.
Der echte erste Einschnitt war für ihn, als die Perser und Meda an die Macht kamen. Sie verfolgten plötzlich eine völlig andere Politik. Sie brachten Völker zurück in ihre Ursprungsländer, wollten nicht alles destabilisieren, sondern strebten nach einem Stück weit pluralistischem Reich. Den einzelnen Völkern und Ländern gewährten sie eine gewisse Unabhängigkeit – natürlich in Grenzen, unter ihrer Macht und Herrschaft.
Wahrscheinlich hatten sie den Eindruck, dass das auf Dauer besser funktionierte. In Bezug auf Israel war aber auch das Eingreifen Gottes entscheidend. Gerade Kyros, der erste große König dieses Reiches, wurde offenbar von Gott entsprechend beeinflusst und geführt.
Historische Quellen zur Rückkehr aus der Gefangenschaft
Die Geschichtsschreiber Israels haben davon berichtet. Es ist ungefähr das Letzte, was wir in der Zweiten Chronik lesen, in diesem großen Geschichtsbuch Israels. Ich lese einfach mal einige Sätze aus Zweiter Chronik Kapitel 36 vor, die uns einen Einblick geben, wie diese Politik wahrgenommen wurde.
Zweiter Chronik 36,17: „Und Gott ließ den König der Chaldäer, das gleiche wie Babylon, wieder heraufkommen. Er erschlug ihre Jünglinge mit dem Schwert im Haus ihres Heiligtums. Er schonte nicht den Jüngling und die Jungfrau, den Alten und den Greis; alle gab er in seine Hand. Sie wurden ihm und seinen Söhnen zu Knechten, bis das Königreich der Perser zur Herrschaft kam, damit erfüllt würde das Wort Jahwes durch den Mund Jeremias, bis das Land seine Sabbate genossen hätte. Alle die Tage seiner Verwüstung hatte es Ruhe bis siebzig Jahre vollwand.“
Das hatte Jeremia angekündigt: Siebzig Jahre Deportation lagen vor dem Volk.
Und im ersten Jahr Kyros des Königs von Persien, damit das Wort Jahwes durch den Mund Jeremias erfüllt würde, erweckte Jahwe den Geist Kyros, des Königs von Persien. Er ließ seinen Ruf durch sein ganzes Königreich ergehen, und zwar auch schriftlich, indem er sprach:
„So spricht Kyros, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat Jahwe, der Gott des Himmels, mir gegeben, und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen in Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist, mit dem sei Jahwe, sein Gott, und er ziehe hinauf.“
Das ist irgendwie dieses geschichtliche Ereignis am Ende der Geschichtsschreibung Israels, also dieses Geschichtsbuch Israels.
Aber es gibt noch ein bisschen mehr Geschichtsbücher: Ezra, der das wirklich erlebt hat. Das Buch Ezra beginnt damit, dass Israeliten in ihr Land zurückkehren unter Jeschua und Serubbabel und diesen Tempel bauen. Ezra selbst zieht ein paar Jahre später nach Israel, um neu ermutigt und neu ausgerichtet zu werden.
Sein Buch beginnt mit den gleichen Worten, in den gleichen Sätzen. Ich lese nochmal aus Ezra 1,1-3:
„Und im ersten Jahr Kyros, des Königs von Persien, damit das Wort Jahwes aus dem Mund Jeremias erfüllt würde, erweckte Jahwe den Geist Kyros, des Königs von Persien, und erließ einen Ruf durch sein ganzes Königreich, und zwar auch schriftlich, indem er sprach:
So spricht Kyros, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat Jahwe, der Gott des Himmels, mir gegeben, und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen in Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist, mit ihm sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus Jahwes, des Gottes Israels.“
Jetzt ein Einschub: Er ist Gott in Jerusalem.
Man sieht also, dass dieses Ereignis für die Menschen dieser Zeit, die es miterlebten, ein extrem wichtiges zentrales Ereignis war.
Aber auch Jesaja, 160 Jahre früher, sah schon diese politische Umwälzung in der Welt voraus. Er schrieb damals schon von diesem Wunder.
Jesajas prophetische Sicht auf Kyros
Und jetzt lese ich aus Jesaja – wirklich von jemandem, der das nicht nur miterlebt, sondern gesehen hat.
Jesaja 44,24: So spricht Yahweh, dein Erlöser, der dich von Mutterleib an gebildet hat: „Ich, Yahweh, bin es, der alles gemacht hat, der die Himmel ausspannte, ich allein, der die Erde ausgebreitet hat durch mich selbst.“
Jesaja 44,26: „Der das Wort seines Knechtes bestätigt und die Ankündigung seiner Boten vollführt, der von Jerusalem spricht: Es soll wieder bewohnt werden. Und von den Städten Judas: Sie sollen aufgebaut werden, und ich will ihre Trümmer wieder aufrichten.“
Jesaja fährt fort: „Der von der Flut spricht: Versiege! Und ich will deine Ströme austrocknen.“ Wir haben gesehen, dass Jesaja immer wieder diese assyrischen Invasionen mit einer unaufhaltsamen Flut verglichen hat. Ähnlich hat er die babylonische Invasion gesehen. Und jetzt sagt er im Namen Gottes, der zur Flut spricht: „Versiege! Und ich will deine Ströme austrocknen.“ Diese politische Phase ist zu Ende.
Dann schreibt er weiter, der von Kyros spricht – 160 Jahre früher weiß Jesaja den Namen dieses Königs. Warum? Weil Gott es vorhergesehen hat, ja vielleicht. Aber auch, weil Gott mächtig genug war, die Eltern von Kyros dazu zu bringen, ihm diesen Namen zu geben. Oder das Volk, je nachdem, ob es nur ein Herrschertitel war, dazu zu bringen, dass er diesen Namen annahm. Gott hatte das im Griff. Gott konnte das seinem Propheten sagen.
Jesaja spricht von Kyros: „Mein Hirte und der all mein Wohlgefallen ausführt, indem er von Jerusalem sagen wird: Es werde aufgebaut! Und vom Tempel, er werde gegründet.“ Also schreibt Jesaja hier 160 Jahre vorher genau das, was Esra als Tagespolitik schreiben kann und was im Zweiten Chronik entsprechend aufgenommen worden ist.
Immer wieder in diesen Kapiteln von Jesaja nimmt er Bezug auf den Siegeszug von Kyros, seine Eroberung. In Jesaja 45 spricht er ihn sogar direkt an. Ich lese einfach den Anfang von Jesaja 45:
So spricht Yahweh zu seinem Gesalbten – es ist interessant, er nennt ihn Messias, obwohl das eine andere Bedeutung hat als der Messias, den Gott irgendwann schicken wird. Aber trotzdem ist er gesalbt von Gott, um etwas ganz Spezielles zu tun.
Jesaja 45,1: So spricht Yahweh zu seinem Gesalbten, zu Kyros, den ich bei seiner rechten Hand ergriffen habe, um Nationen vor ihm niederzuwerfen und damit die Lenden der Könige zu entgürten; um Pforten vor ihm zu öffnen, damit Tore nicht verschlossen bleiben.
Er sagt: „Ich werde ihm Reiche unterwerfen, ich werde seinen Weg ebnen, ich werde vor dir herziehen“, sagt er jetzt persönlich zu Kyros. „Ich werde das Höckrichte eben machen, eher eine Pforte werde ich zerbrechen und eiserne Riegel zerschlagen.“
„Ich werde dir verborgene Schätze und versteckte Reichtümer geben, damit du weißt, dass ich Yahweh bin, der dich bei deinem Namen gerufen hat, der Gott Israels.“
Sag zu Kyros: „Ich werde dir das geben, ich werde dir Reiche unterwerfen, damit du merkst, wer Gott ist.“
Dann geht es weiter um Jakob, „meines Knechtes“, und Israel, „meines auserwählten Willens“: „Rief ich dich bei deinem Namen, ich habe dich auf den Thron gebracht für mein Volk, ich gebe dir einen Ehrentitel, obwohl du mich nicht kennst.“
„Ich bin Yahweh, und sonst ist keiner. Außer mir ist kein Gott. Ich gürte dich, obwohl du mich nicht kennst, damit man vom Aufgang der Sonne und von ihrem Niedergang her weiß, dass außer mir keiner ist.“
Spannend: Gott gebraucht einen heidnischen König. Er gibt ihm Erfolg, er gibt ihm Eroberungen von vielen Ländern um seines Volkes willen, und damit er merkt, wer Gott ist. Der Gott, der das schon durch Jesaja hundertfünfzig, hundertsechzig Jahre vorher so hat aufschreiben lassen.
Jesaja 45,14: So spricht Yahweh: „Der Reichtum Ägyptens, der Erwerb Äthiopiens und die Sabea, Männer von hohem Wuchs, werden zu dir übergehen und dir gehören. Du wirst diese Länder erobern, sie werden dir nachfolgen. In Fesseln werden sie zu dir übergehen, und sie werden sich vor dir niederwerfen, werden zu dir flehen. Gewiss, Gott ist in dir, und sonst ist kein, gar kein Gott.“
Jesaja beschreibt auch die Erniedrigung des babylonischen Reiches. Aber das ist sein Zentrum: Dass Gott diesen König erweckt. Das ist für ihn das Schlüsselereignis dieser Zeit, die er jetzt sehen darf.
Jesajas Rückblick auf Jesaja 35 und die zukünftige Hoffnung
Wenn Jesaja diese Abschnitte schreibt, über die wir heute sprechen, hat er offensichtlich noch immer das Bild vor Augen, mit dem er seinen ersten großen Teil abgeschlossen hat. Er nimmt viele Bilder aus Jesaja Kapitel 35 auf, das vor dem geschichtlichen Einschub steht. Eigentlich hat er in Jesaja 35 in die ganz ferne Zukunft geschaut und das zukünftige Wirken, das zukünftige Reich Gottes beschrieben, wenn der Messias wiederkommt.
Doch vieles von diesen Bildern fällt ihm ein, als er jetzt über die Rückkehr Israels unter den Persern schreibt. Schauen wir noch einmal zurück zu Jesaja 35. Ich lese fast das ganze Kapitel, es ist nicht so lang. So haben wir diese Bilder noch einmal vor Augen und erkennen, bei welchen Bildern Jesaja sich bedient. Er nutzt, wie gesagt, Bilder aus der fernen Zukunft, wenn der Messias wirklich kommt.
Gleichzeitig hat er den Eindruck, dass vieles davon zumindest geistlich schon verwirklicht wird, als Israel in sein Land zurückkehren darf – als es zum ersten Mal aus der großen Deportation zurückkommt. Er gebraucht das Bild, das ich am Anfang in meiner Einleitung verwendet habe: das Bild der Wüste. Jesaja 35, Vers 1: „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Arawa“, also dieser sehr trockene Bereich südlich vom Toten Meer bis zum Roten Meer, der südliche Wüstenteil Israels, „wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse. Sie wird in voller Blüte stehen und frohlockend, ja frohlockend und jubelnd die Herrlichkeit des Libanon ist dir gegeben, die Pracht des Karmel und Scharon werden sie sehen, die Herrlichkeit des Herrn, die Pracht unseres Gottes.“
Er sagt, es wird in der Zukunft sein wie eine Wüste, die Wasser bekommt, die lebt und sich in eine ganz andere Landschaft verwandelt. Und irgendwie, so sagt er dann, werden wir das sehen. Irgendwie ist das, was geistlich schon passiert, zum ersten Mal spürbar, als Zerubbabel und all seine Leute nach Israel zurückkommen.
„Stärkt die schlaffen Hände, macht fest die wankenden Knie! Sagt zu denen, die zaghaften Herzens sind: Seid stark, fürchtet euch nicht!“ Wir werden sehen, dass Jesaja in den Kapiteln 40 bis 48 das immer wieder aufgreift. „Fürchtet euch nicht!“ Immer wieder verwendet er dieses Stichwort aus Jesaja 35 aus der Zukunft für die Zeit, die er gerade sieht.
„Siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung Gottes, er selbst kommt und wird euch retten.“ Jesaja wird in Kapitel 40 darüber schreiben, dass Gott auch damals schon kommt. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch und jubeln wie die Zunge des Stummen.
Wir werden bei Jesaja in den Kapiteln 40 bis 48 lesen können, wie er das Volk mit Blinden vergleicht, die aus ihrer Blindheit in der Situation der Deportation herauskommen und die Gott neu zurückführt. Denn es brechen Wasser hervor in der Wüste, noch einmal, und Bäche in der Arawa. Die Luftspiegelung wird zum Teich, und das dürre Land zu Wasserquellen.
Die Wohnstätte der Schakale, wo sie lagerten, wird Gras samt Rohr und Papyrus-Schilf sein. Dort wird eine Straße und ein Weg sein, und er wird der heilige Weg genannt werden. Die Befreiten des Herrn werden darauf gehen und nach Zion kommen mit Jubel. Ewige Freude wird auf ihrem Haupt sein, Wonne und Freude werden sie überwältigen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen.
Manche haben das vorhin im Schema gelesen, in Jesaja 44, Vers 23, am Ende eines Abschnitts. Jesaja kommt genau auf diesen Jubel zurück. Er sagt: Es ist nicht nur ein Jubel in der fernen Zukunft, wenn der Messias sein Volk nach Israel sammelt, sondern es ist ein Jubel, den ihr erleben dürft, die ihr vier, fünf Generationen nach mir lebt. Es wird ein Jubel sein, dass ihr zurückkommen dürft in euer Land.
Die Bedeutung des Namens Jakob für Israel
Es ist spannend, wenn wir jetzt zu den vierzig Kapiteln zurückkehren: Jesaja verwendet häufig den Ausdruck „Jakob“ für Israel. Das ist im Alten Testament ganz normal. Manchmal wird nicht „Israel“ gesagt, sondern „Jakob“, der Erzvater, von dem letztlich dieses Volk ausgegangen ist.
Natürlich geht die Herkunft des Volkes auf Abraham zurück, aber Abraham hatte noch weitere Kinder. Nicht alle Kinder Abrahams wurden zu Israeliten, sondern nur Isaak. Isaak ist ebenfalls ein Erzvater, doch er hatte zwei Söhne: Jakob und Esau. Aus Jakob sind letztlich alle Stämme Israels hervorgegangen. Deshalb wird für Israel oft auch einfach „Jakob“ gesagt.
Wenn man diese Kapitel liest, hat man den Eindruck, dass Jesaja tatsächlich an die Geschichten aus dem ersten Buch Mose zurückdenkt. Wahrscheinlich hat er stille Zeit mit dem ersten Buch Mose verbracht. Diese Bilder hatte er im Kopf – die Vorstellung, aus welcher Person dieses Volk entstanden ist.
Schauen wir kurz in einen Vers aus dem letzten Kapitel dieses Abschnitts, Jesaja 48, Vers 8: Gott hat durch seine Propheten so eindeutig geredet und Dinge Jahre im Voraus vorausgesagt. Warum hat er das getan? Er begründet es in diesem Vers: „Denn ich wusste, dass du betrügerisch bist“, sagt er zu diesem Volk, „und dass man dich von Mutterleib an einen Aufrührer genannt hat.“
Ja, das ist die Geschichte Jakobs, oder? Jakob heißt „der Versenker“ oder „der Betrüger“. Gott sagt: Ihr habt immer noch die Gene eures Vaters. Deshalb muss ich so deutlich reden, muss Dinge hunderte von Jahren vorher ankündigen, damit ihr glaubt, wenn sie eintreten, dass ich es war, der es getan hat. Ihr habt irgendwie die Gene des Vaters.
Doch Jesaja hat nicht nur Negatives über Jakob zu sagen. Als er die erste große Ermutigung in diesem Abschnitt ausspricht, scheint er ebenfalls an die Wanderungen Jakobs und an das erste Buch Mose zu denken. Jakob war zwanzig Jahre lang in der Verbannung – und zwar in Mesopotamien. Er war vor seinem Bruder geflohen.
Zwanzig Jahre hat er sich außerhalb Israels aufgehalten, dann machte er sich auf den schwierigen Rückweg. Er hatte sich mit seinen Verwandten in Mesopotamien verdorben. Hinter ihm war Laban, mit dem er die Beziehung ruiniert hatte. Jakob konnte nicht einfach zurückkehren. Vor ihm lag Israel, wo sein Bruder Esau lebte. Das Letzte, was er von Esau gehört hatte, war die Drohung, ihn zu töten – nicht ganz unberechtigt im Zorn.
Die Situation war verzweifelt. Wie sollte Jakob weitergehen? Wie sollte er dieser möglichen Konfrontation begegnen? In einer Nacht kam er an die Furten des Jabbok, eines Tals östlich des Jordan, eines Nebenflusses des Jordan.
Ich lese aus 1. Mose 32, Vers 24: „Jakob hatte alle seine Herden, seine Familie und seine Angestellten vorausgeschickt. Dann blieb Jakob allein übrig. Und es rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte aufging.“
Als der Mann sah, dass er Jakob nicht überwinden konnte, berührte er sein Hüftgelenk. Dabei wurde das Hüftgelenk Jakobs verrenkt. Der Fremde sprach: „Lass mich los, denn die Morgenröte ist aufgegangen!“ Doch Jakob antwortete nicht aus Stärke, sondern aus Verzweiflung: „Ich lasse dich nicht los, bis du mich segnest.“
Der Fremde fragte: „Wie heißt du?“ Jakob antwortete: „Jakob.“ Da sprach er: „Nicht mehr Jakob soll dein Name sein, sondern Israel, Kämpfer Gottes, denn du hast mit Gott und Menschen gerungen und hast letztlich gesiegt.“
Jakob fragte weiter: „Tu mir doch deinen Namen kund!“ Da sprach der Fremde: „Warum fragst du noch nach meinem Namen?“ Er segnete Jakob dort. Jakob gab dem Ort den Namen Pniel, „Angesicht Gottes“, denn er sagte: „Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden.“
Als Jakob über Pniel hinausging, ging die Sonne auf, doch er hinkte an seiner Hüfte.
Die große Frage, die die Bibel nicht beantwortet, ist: Was war eigentlich der Segen Gottes? Hat er ihn verbal gesegnet, einen Segen ausgesprochen? Der Schreiber von 1. Mose, vermutlich Mose, schreibt das nicht auf. Wir wissen es nicht.
Jesaja hat jedoch Worte, die uns vorstellen lassen könnten, was damals gesagt worden sein könnte. Vielleicht sind sie nicht gefallen, aber Jesaja scheint sich in diese Person Jakob hineinzuversetzen. Was könnte Gott ihm damals gesagt haben?
Wir müssen das, was wir jetzt lesen, immer mit zwei Perspektiven betrachten. Das ist etwas schwierig. Eigentlich müsste man es zweimal vorlesen. Doch oft fehlt die Zeit, deshalb ist ein doppeltes Denken nötig.
Jesaja sagt die gleichen Sätze gedanklich zu Jakob damals, hunderte von Jahren vorher, und er sagt diese gleichen Sätze zu den wenigen Leuten, die auf den Aufruf Kyros’ zurückkehren, auf einem ähnlichen Weg, den Jakob damals gegangen ist. Und irgendwie passen die gleichen Worte Gottes.
Ich lese Jesaja 41, ab Vers 8: „Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, Nachkomme Abrahams, meines Freundes, den ich von den Enden der Erde ergriffen und von ihren fernsten Gegenden hergerufen habe, zu dem ich sprach: ‚Du bist mein Knecht, ich habe dich erwählt und nicht verschmäht.‘“
Wie gesagt, er sagte das vielleicht damals zu Jakob, zumindest sinngemäß, und er sagt es jetzt zur Zeit Zerubbabels, zur Zeit Esras – zu den Leuten, die sich aufgemacht haben, zurück nach Jerusalem.
„Du bist mein Knecht, ich habe dich erwählt und nicht verschmäht.“
Und jetzt kommt: „Fürchte dich nicht!“ Zum ersten von sechs Malen, wo dieser Ausdruck in diesem Abschnitt steht. Gott sagt das gedanklich zu Jakob und zu den Rückkehrenden:
„Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir. Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ja, ich helfe dir, ja, ich stütze dich mit der Rechten meiner Gerechtigkeit.“
„Siehe, beschämt und zu Schaden sollen alle werden, die gegen dich entbrannt sind. Deine Widersacher sollen wie nichts werden und umkommen. Du wirst sie suchen und nicht finden, die Männer, die mit dir streiten. Sie sollen wie nichts und zu nichts werden, die Männer, die dich bekriegen.“
Jakob hätte wahrscheinlich an Esau gedacht. Die Rückkehrenden unter Serubbabel und Esra dachten an all die Leute, die in Israel zu dieser Zeit wohnten und ihnen feindlich gesinnt waren.
Denn Gott sagt weiter: „Ich bin der Herr, dein Gott, ich ergreife deine rechte Hand. Ich spreche zu dir: Fürchte dich nicht!“ Zum zweiten Mal, „Ich helfe dir!“ Zum dritten Mal: „Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuflein Israels, ich helfe dir“, spricht der Herr, dein Erlöser, der Heilige Israels.
Er hatte damals Jakob aus seiner selbstgewählten Verbannung zurückgebracht. Er würde die Israeliten zurückbringen in ihr Land. Und er würde ihnen sagen, wie er es Jakob gesagt hat: „Fürchte dich nicht, ich helfe dir, ich bin mit dir.“
Jesaja sagt die gleiche Botschaft, die damals für euren Erzvater galt, gilt für euch.
Jesaja 43, Vers 1: „Und nun so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, bin ich bei dir, und die Ströme werden dich nicht überfluten. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versenkt, und die Flamme wird dich nicht verbrennen.“
Ich glaube, das sind Bilder für die Deportation und das, was sie in dem fernen Land erlebt haben. Fluten, in denen sie drohten, unterzugehen – als Volk, als Familie, persönlich. Sie gingen wie durchs Feuer.
Jesaja sagt ihnen hundert Jahre vorher: „Fürchtet euch nicht, das Feuer wird euch nicht versenken, die Flut wird euch nicht überfluten. Denn ich bin der Herr, dein Gott, ich der Heilige Israels, dein Retter.“
„Ich gebe als dein Lösegeld Ägypten, Äthiopien und Seebar an deiner Stadt, weil du teuer und wertvoll bist in meinen Augen und ich dich lieb habe. So will ich Menschen hingeben an deiner Stadt und Völkerschaften an der Stadt deines Lebens.“
Wisst ihr, was ich Kyros gebe, sagt Jesaja, sagt Gott durch Jesaja? Ich gebe ihm Ägypten, er kann es erobern. Ich gebe ihm Äthiopien, er kann es erobern. Ich gebe ihm die arabische Halbinsel, er kann sie erobern – wenn er euch zurückbringt in euer Land.
All das bekommt er als Lösegeld, damit er euch loslässt aus der Gefangenschaft, weil ihr mir wichtig seid.
„Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir. Vom Aufgang her werde ich deine Nachkommen bringen, vom Niedergang her werde ich dich sammeln. Ich werde zum Norden sagen: ‚Gib heraus!‘ und zum Süden: ‚Halte nicht zurück!‘ Bring meine Söhne von fern her und meine Töchter vom Ende der Erde, jeden, der mit meinem Namen genannt ist, den ich zu meiner Ehre geschaffen, den ich gebildet und gemacht habe.“
Jesaja sagt: Gott wird euch zurückbringen, und irgendwann wird er alle Israeliten zurückbringen – von Osten, Westen, Norden und Süden. Gott möchte sein Volk wieder in seinem Land haben, und ihr seid die, mit denen es anfängt.
Jesaja 44 fasst das am Anfang noch einmal zusammen: „Und nun höre, Jakob, mein Knecht, und du Israel, den ich erwählt habe! So spricht der Herr, der dich gemacht und dich von Mutterleib an gebildet hat, der dir hilft: Fürchte dich nicht!“ – zum sechsten Mal.
„Mein Knecht Jakob und du Jeschurun, den ich erwählt habe.“
So redet Gott, wenn er sich seinem Volk nach diesen furchtbaren Zeiten der Deportation wieder zuwendet: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich bin mit dir, ich helfe dir.“
Sechsmal wird dieser Trost in einem kurzen Abschnitt gegeben. Vielleicht hat uns das etwas zu sagen für unser Leben.
Ich habe es schon gesagt: Jesaja nimmt diese Bilder aus Jesaja 35, das Bild von Wasser in der Wüste. Nun ist er zunächst in einer anderen Zeit: Israel ist nicht mehr in der Zeit des ersten Buches Mose, sondern in der Zeit des zweiten Buches Mose.
Nicht nur Jakob wurde aus einem fernen Land nach Israel zurückgebracht, auch das Volk wurde schon einmal aus einem fernen Land zurückgebracht – aus Ägypten. Und Jesaja vergleicht die Rückkehr aus Babylon, aus Mesopotamien, mit der Befreiung Gottes für sein Volk aus Ägypten.
Jesajas Bild von Gottes Versorgung in der Wüste
Beginnen wir noch einmal mit dem letzten Kapitel des Abschnitts, zwei Sätze aus Jesaja 48, Vers 20: „So spricht der Herr: Er hat seinen Knecht Jakob erlöst, und sie dürsten nicht. Wenn er sie durch die Einöden führt, lässt er ihnen Wasser rieseln aus dem Felsen, er spaltet den Felsen und Wasser fließt heraus.“
Es ist kein Zufall, dass Jesaja hier ein Bild aus der Wüstenwanderung verwendet. Viele von euch kennen es aus dem Buch Numeri oder auch schon aus dem Buch Exodus: Wasser kommt aus dem Felsen. Gott versorgt sein Volk auf dem Weg durch die Wüste.
Die Verheißung Jesajas lautet: Wenn ihr zurückgeht, diesen schweren Weg irgendwie ohne große Unterstützung von irgendwo in Mesopotamien zurück nach Israel, viele schwierige Wege, wird Gott euch versorgen. So wie er das Volk versorgt hat, als es aus Ägypten nach Israel gezogen ist. Er wird bildlich gesprochen Wasser aus dem Felsen bringen.
Zurück zu Jesaja 41, Vers 17: „Die Elenden und die Armen, die nach Wasser suchen und keines finden, deren Zunge vor Durst vertrocknet – ich, der Herr, werde sie erhören. Ich, der Gott Israels, werde sie nicht verlassen. Ich werde Ströme hervorbrechen lassen auf den kahlen Höhen und Quellen inmitten der Talebene.“
Dasselbe Bild, das wir gerade in Kapitel 48 gelesen haben. Aber ich habe gesagt, Jesaja greift zurück auf Bilder aus Kapitel 35, Bilder aus der Zukunft. Jetzt erweitert er dieses Bild hier in Jesaja 41: „Ich werde die Wüste zum Wasserteich machen und das dürre Land zu Wasserquellen. Ich werde Zedern in die Wüste setzen, Akazien, Myrten und Olivenbäume.“
Das ist mehr, als wenn Wasser aus einem Felsen kommt, damit man nicht verdurstet, oder? Hier ist plötzlich Leben in der Wüste, neue Vegetation. Jesaja erweitert dieses Bild vom Überleben hin zu: Gott schafft fruchtbares Land.
„Ich werde in der Steppe Zypressen pflanzen, Platanen und Buchsbäume miteinander, damit sie sehen, erkennen, zu Herzen nehmen und verstehen, dass die Hand des Herrn dies getan hat und der Heilige Israels es geschaffen hat.“
Und noch einmal zum ganz zentralen Abschnitt in Jesaja 43, wo Jesaja dieses Bild wieder aufnimmt. So spricht der Herr in Vers 16: „So spricht der Herr, der einen Weg gibt im Meer und einen Pfad in mächtigem Wasser.“
Oh, wir sind wieder beim Auszug aus Ägypten, oder? Ein Weg im Meer! Jesaja schaut zurück und sagt: Ihr werdet etwas Ähnliches erleben. Nicht so wörtlich – ich meine, von Mesopotamien nach Israel müsst ihr kein Meer durchqueren – aber er sagt, wie das damals war, ähnlich werdet ihr auch die Macht Gottes erleben, wenn er euch zurückbringt.
„Der einen Weg gibt dem Meer, einen Pfad in mächtigen Wassern, der ausziehen lässt Wagen und Pferd her und hält; zusammen liegen sie da, stehen nicht wieder auf.“
„Sie sind erloschen, verklommen wie ein Docht.“ Eure Feinde, sagt Jesaja, werden vernichtet, wie damals der Pharao mit seinem Heer im Meer untergegangen ist.
Erinnert euch nicht an das Frühere! Es gibt so viele Lieder über den Auszug aus Ägypten. Jesaja sagt: Gott spricht durch Jesaja, ihr müsst nicht zurückschauen, als hätte es damals Wunder gegeben und in eurer Generation würde es keine Wunder mehr geben. Denkt nicht an das Frühere und an die Dinge der Vorzeit.
„Siehe, ich wirke Neues, jetzt sprosst es auf. Jetzt könnt ihr das Handeln Gottes erleben in eurer Generation. Erkennt ihr es nicht? Ja, ich mache durch die Wüste einen Weg, Pfade durch die Einöde.“
„Die Tiere des Feldes werden mich preisen, Schakale und Strausse, denn ich werde Wasser geben in der Wüste, Ströme in der Einöde, um mein Volk zu tränken, mein Auserwähltes, dieses Volk, das ich mir gebildet habe. Sie sollen meinen Ruhm erzählen.“
Wieder ist es der Gott, der sein Volk in der Wüste versorgt, und Wüstentiere profitieren davon, dass aus dem Felsen Wasser kommt.
Aber ganz am Ende, ganz am Schluss, löst Jesaja dieses Bild auf. Er spricht nicht mehr nur in Bildern, sondern erklärt das Bild, wenn er zum letzten Mal in diesem zentralen Abschnitt, Kapitel 43 und 44, von diesem Bild spricht.
Jesaja 44, Vers 3: „Denn ich werde Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Trockene.“ Das kennen wir schon, aber jetzt erklärt er es: „Ich werde meinen Geist ausgießen auf deine Nachkommen.“
Und jetzt merken wir, es geht nicht darum, dass die Wüste wörtlich blüht. Das war ein Bild. Es geht darum, dass sich das Volk neu entfaltet, dass der Geist Gottes über die Menschen dieses Volkes ausgegossen wird, dass neues geistliches Leben in Israel entsteht. Nicht, dass sie tolle Bewässerungssysteme erfinden.
„Ich werde meinen Geist ausgießen auf deine Nachkommen und meinen Segen auf deine Sprösslinge, und sie werden aufsprossen wie ein Baum im Gras, wie Weidenbäume an Wasserbächen.“
„Dieser wird sagen: Ich bin des Herrn. Und jener wird den Namen Jakobs ausrufen. Und dieser wird mit seiner Hand schreiben: ‚Ich bin des Herrn‘ und wird den Namen Israels ehrend nennen.“
Gott kann dort neues Leben im Überfluss geben, wo es kein Leben mehr gibt. Nicht nur in einer Wüste, die er zum Blühen bringt, sondern einem Volk, das eine Wüste ist, kann er neues Leben schenken.
Und vielleicht kann er das dann auch in Familien oder in Gemeinden oder im Leben von einzelnen Gläubigen, die den Eindruck haben, dass es zu einer Wüste geworden ist, wo es irgendwo mal Leben gab.
Gott kann Leben im Überfluss geben, wo kein Leben mehr zu sehen war. Das ist unser Gott, das ist unsere Hoffnung – gerade dort, wo wir in irgendeiner Form in der geistlichen Wüste unterwegs sind.
Einleitungskapitel Jesaja 40 und die Bedeutung der Gegenwart Gottes
Wir müssen noch ganz kurz Jesaja 40 anschauen – nicht ausführlich, aber das Einleitungskapitel kurz betrachten. Es geht dabei nicht nur darum, dass das Volk Israel irgendwann in sein Land zurückkehrt, sei es unter Zerubbabel, im zwanzigsten Jahrhundert oder irgendwann in der Zukunft. Es geht nicht nur darum, dass die Deportierten gesammelt werden und zurückkehren nach Jerusalem, nach Israel.
Worauf es Jesaja wirklich ankommt, ist, dass nicht nur dieses Volk zurückkommt, sondern dass Gott selbst in dieses Land zurückkehrt. Denn wie wäre Leben möglich in der Wüste, in einem Gebiet, das zuvor Wüste war, wenn Gott nicht käme? Er kommt, und er ist es, der seine Schafe, sein Volk, mitbringt.
Ein paar Sätze aus Jesaja 40, Vers 9: „Steige auf einen hohen Berg, Zion, du Verkündigerin froher Botschaft! Erhebe mit Macht deine Stimme, Jerusalem, du Verkündigerin froher Botschaft! Erhebe sie, fürchte dich nicht, sprich zu den Städten Judas: ‚Siehe da, all die, die kommen! Nein, siehe da, euer Gott! Siehe, der Herr kommt mit Kraft, und sein Arm übt Herrschaft für ihn aus. Siehe, sein Lohn ist bei ihm, seine Bezahlung geht vor ihm her.‘“
Was ist sein Lohn und seine Bezahlung? Das sind seine Leute. Das ist das, worüber sich Gott freut, das ist sein Lohn. Er wird seine Herde wie ein Hirte weiden. Die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen und in seinem Schoß tragen, die Säugenden wird er sanft leiten.
Jetzt ist Jesaja wieder bei Jakob. Er hat das nächste Kapitel in seiner stillen Zeit gelesen: 1. Mose 33, als Jakob zu seinem Bruder Esau sagt: „Mein Herr weiß, dass die Kinder zart sind und dass ich säugende Schafe und Kühe bei mir habe. Wenn man sie nur einen Tag übertriebe, so würde die ganze Herde sterben. Mein Herr, ziehe doch von einem Knecht her, und ich will ein Heer ziehen nach meiner Gemächlichkeit, nach dem Gang des Viehs, das vor mir ist, nach dem Gang der Kinder.“ (1. Mose 33,13-14)
Das haben wir gerade in Jesaja 40, Vers 11 von Gott gelesen: Er wird seine Herde wie ein Hirte weiden. Die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen, in seinem Schoß tragen, die Säugenden wird er sanft leiten.
Der Wegbereiter und die Aufforderung zur Vorbereitung
Und jetzt noch der allerletzte Abschnitt für heute. Jesaja 40 knüpft an die Verse an, die wir gerade gelesen haben.
Jesaja 40, Vers 3: Stimme eines Rufenden: In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Stätte eine Straße für unseren Gott – nicht nur für die Zurückkommenden, sondern für unseren Gott. Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden. Das raue Gelände soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene. Die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen, denn der Mund des Herrn hat geredet.
Damals, unter Zerubbabel, sind sie zurückgekommen. Und Gott ist zurückgekommen. Aber Gott wird auch in der Zukunft sehr persönlich in sein Land zurückkehren und sein Reich dort bauen. Dazwischen gab es jedoch noch ein Ereignis.
Jeder der vier Evangelisten nimmt diese Verse aus Jesaja 40, um zu sagen: Gott ist in sein Land gekommen. Sie legen großen Wert darauf, dass das die Botschaft Johannes des Täufers war: „Ebnet eine Straße für unseren Gott.“ Das Wort Gottes betont sehr deutlich, dass es nicht nur darum geht, dass Gott in sein Land zurückgekommen ist, sondern dass es nicht nur ein zukünftiges Ereignis ist, dass Gott in sein Land zurückkommt. Sondern dass er in Jesus in sein Land gekommen ist und dass die Botschaft war: Macht Platz, macht eine ebene Straße für unseren Gott.
Jesaja beschreibt, dass Gott alle Hindernisse vor Kyros beseitigt – das haben wir gelesen. Er beschreibt, dass Gott alle Hindernisse vor den Befreiten aus Babylon beseitigt. Er macht einen ebenen Weg für sie.
Aber wenn Gott persönlich in unser Leben und in unsere Gemeinde kommen will, wenn er selbst neues Leben in der Wüste geben will, dann ist es vor allem essentiell wichtig, dass wir alle Hindernisse vor ihm beseitigen. Es muss einen geebneten Weg für ihn geben.
Jesaja stellt das, wie gesagt, ganz an den Anfang dieses großen Abschnittes von neun Kapiteln: „In der Wüste bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott. Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden. Das raue Gelände soll zur Ebene werden, das Hügelige zur Talebene, und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren.“
Ich glaube, das ist eine wesentliche Botschaft dieses Abschnitts: Wir müssen uns überlegen, wie wir den Weg für unseren Gott freimachen können – in unser Leben, in unsere Familie, in unsere Gemeinde. Was könnte ihm vielleicht im Weg stehen, um sehr lebendig da zu sein? Vielleicht aus Ecken, die wie Wüste sind, neue fruchtbare Vegetation zu machen, um seinen Geist auszugießen, sodass er wirksam werden kann bei uns.
Das ist eine Frage, die ich euch heute Abend mitgeben will, auch in die Hauskreise: Gibt es Hindernisse, die Gott hindern, sehr lebendig in unserer Mitte zu sein? Macht einen Weg, macht den Weg gerade, macht den Weg eben für unseren Gott.
Denn noch wichtiger als dass wir zurückkommen, ist, dass Gott von Herzen da ist oder zurückkommt, damit wir wirklich Leben erleben.
