Zweifel an Veränderung und die Rückkehr der Vergangenheit
Das wird nichts mehr, der verändert sich niemals. Hast du das schon einmal über jemanden gesagt oder zumindest gedacht? Könnte es vielleicht sogar sein, dass andere so über dich denken? Ist Veränderung überhaupt möglich?
Genau diese Frage stellte sich auch Joseph, als seine Brüder nach so vielen Jahren plötzlich wieder vor ihm auftauchten. In der letzten Predigt unserer aktuellen Predigtserie haben wir gesehen, wie das geschah und wie die Brüder vor Joseph standen. Noch konnte er nicht erkennen, ob sie sich wirklich verändert hatten.
Joseph war einst von seinen neidischen, hasserfüllten Brüdern in die Sklaverei nach Ägypten verkauft worden. Nach vielen Jahren großen Leidens hatte Gott es tatsächlich so geführt, dass Joseph zum zweiten Mal in Ägypten aufsteigen durfte. Für Joseph war klar: Gott hatte ihn irgendwie durchgetragen. Nun war es Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und alles zu vergessen.
Joseph heiratete dort, und die beiden Söhne, die seine Frau ihm gebar, gab er Namen, die wirklich Programm waren. Das haben wir vor einigen Wochen gehört. Den Ersten nannte er Manasse, denn Gott, sprach er, hat mich vergessen lassen all mein Unglück und mein ganzes Vaterhaus. Den anderen nannte er Ephraim, denn Gott, sprach er, hat mich wachsen lassen in dem Lande meines Elends.
Gott hat mich vergessen lassen – das liegt hinter mir. Gott ist gut, er hat alles gut geführt. Er stand mir irgendwie bei in all dem Drama, und jetzt gab es doch noch ein Happy End. Ich fange hier ein neues Leben an, das, was hinter mir liegt, vergesse ich.
Und dann – plötzlich, wie in einem schlechten Traum – tauchen die Brüder wieder auf. Die Vergangenheit holt ihn ein. Das haben wir vor zwei Wochen gesehen. Was muss in Joseph los gewesen sein, als diese Brüder, die er das letzte Mal sah, ihn hasserfüllt erst in einen Brunnen geworfen und töten wollten, dann aber gesagt hatten, wir machen noch Geld mit ihm, plötzlich wieder vor ihm standen? Ich kann mir vorstellen, dass sein Puls durch die Decke ging und seine Gefühle verrückt spielten.
Einerseits waren es ja seine Brüder, und andererseits war so viel passiert. Während Joseph also emotional wahnsinnig viel durchmachte, hatten die Brüder keine Ahnung. Sie erkannten ihn ja nicht. Joseph ließ sie auch im Glauben und sprach nicht in Hebräisch zu ihnen. Stattdessen benutzte er einen Dolmetscher und ließ sich erklären, warum sie gekommen waren.
Ach, sie waren in einer Hungersnot gekommen und wollten Getreide kaufen. In diesem Moment entschied sich Joseph, die Brüder nicht sofort zu richten. Stattdessen wollte er sie testen und schauen, ob sie noch einmal eine Chance verdient hatten.
Die Prüfung der Brüder und die erste Enttäuschung
Zuerst wirft er sie für drei Tage ins Gefängnis und beschuldigt sie, Spione zu sein. Dann sagt er, er behalte sie hier und fordert, dass sie mit Benjamin zurückkommen sollen. Simeon wird eingesperrt, während die anderen nach Hause geschickt werden, um seinen Halbbruder Benjamin, den einzigen weiteren Sohn von Rahel und Jakob, zu holen.
Was passiert? Nichts! Die Brüder kehren nicht zurück. Sie bleiben einfach dort, wo sie hergekommen sind, und Simeon sitzt weiterhin im Gefängnis in Ägypten. Das ist die Situation zu Beginn unseres Predigttextes.
Joseph konnte nur zu einer Schlussfolgerung kommen: Nichts hat sich verändert. Es sind immer noch dieselben herzlosen, egoistischen Männer – fast schon Monster. Wie einst bei ihm lassen sie nun einen weiteren Bruder im Gefängnis in Ägypten leiden, während sie das Getreide essen, sich ernähren und es sich gut gehen lassen.
Was Joseph nicht wissen konnte, erfahren wir am Ende von Kapitel 42: Die Brüder kamen nicht zurück, weil ihr Vater sie nicht gehen ließ. Er wollte Benjamin nicht ziehen lassen.
Damit kommen wir zu unserem heutigen Predigttext.
Gebet und Einführung in die Predigtstruktur
Bevor wir uns diesem Text zuwenden, möchte ich mit uns beten.
Himmlischer Vater, wir bitten Dich, dass Du uns durch diesen langen Predigttext ansprichst. Lass uns erkennen, dass Veränderung wirklich möglich ist. Zeige uns, wie Du Lebensumstände oft so führst, dass Menschen an den Punkt kommen, an dem sie einer Veränderung nicht mehr aus dem Weg gehen können.
Herr, wir bitten Dich, dass Du uns dies so ins Herz schreibst, dass wir neue Hoffnung für uns selbst und für andere bekommen. Lass uns erkennen, dass wir, in welche Lebensumstände Du uns auch führst, verstehen, dass Du damit etwas vorhast.
So bitten wir Dich, sprich durch Dein heiliges Wort zu unseren Herzen. Öffne unsere Herzen, sprich Du, o Herr, dass Deine Diener hören. Amen.
Die Predigt heute ist ganz einfach strukturiert. Ich möchte mit uns die drei wesentlichen Akteure betrachten und jeweils schauen, was Gott in ihnen und in ihren Lebensumständen tut.
Denn all dem wollen wir lernen für uns, hier und heute. Wir sehen zuerst auf den Vater, auf Jakob. Dann betrachten wir Juda und die anderen zehn Brüder. Zum Schluss wenden wir uns Josef zu.
Jakobs Verbitterung und das Ringen mit Gott
Ja, zuerst Jakob. Jakob war nie über den Verlust seines Lieblingssohnes hinweggekommen. Er war überzeugt, dass Joseph wilden Tieren zum Opfer gefallen war. Denn seine anderen Söhne, also Josephs Brüder, hatten ihm den Mantel von Joseph gebracht, der blutdurchtränkt war. So ließen sie den Vater in diesem Glauben.
Ich kann mir vorstellen, dass Jakob sich selbst Vorwürfe machte. Immerhin hatte er diesen siebzehnjährigen Jungen alleine losgeschickt, um zu seinen älteren Geschwistern zu reisen und mehrere Tage durch die Wildnis zu ziehen. Jakob war untröstlich. Am Ende von Kapitel 37, als er davon erfährt, heißt es, er wollte sich nicht trösten lassen. Er war nicht bereit, sich trösten zu lassen, er war verbittert und blieb verbittert.
Als nun die Söhne aus Ägypten zurückkommen – mit Nahrung, aber ohne Simeon – weckt das in ihm alte Erinnerungen. Die alte Verbitterung steigt wieder in ihm auf. So sagt er zu seinen Söhnen: „Ihr beraubt mich meiner Kinder!“ Joseph ist nicht mehr da – wohlgemerkt, das ist 22 Jahre her. Joseph ist nicht mehr da, Simeon ist nicht mehr da, und Benjamin wollte er mir auch wegnehmen.
Benjamin ist der eine Sohn, den er nicht mitgeschickt hatte. Warum? Weil Jakob immer noch derselbe ist. Nicht nur, dass er verbittert geblieben ist, er ist immer noch ein Vater, der einen Sohn über alle anderen erhebt, an den er sich klammert. Benjamin ist der andere Sohn von Rahel, seiner besonders geliebten Frau. Benjamin nimmt sofort die Position Josephs ein. Er ist jetzt der privilegierte Sohn, der allen anderen vorgezogen wird.
Die Brüder bekommen das zu spüren: Ihr geht nach Ägypten, den beschwerlichen Weg, ihr besorgt Nahrung, Benjamin bleibt hier. Und uns muss klar sein: Benjamin ist kein kleiner Junge mehr. Es gibt manchmal Darstellungen in Kinderbibeln, in denen Benjamin halbwüchsig danebensteht. Aber uns muss klar sein, Benjamin war schon lange geboren, als Joseph damals verkauft wurde und in die Sklaverei kam – das wissen wir ganz klar aus der Bibel.
Und das alles war jetzt schon 22 Jahre her. Das heißt, Benjamin war wahrscheinlich um die 30 Jahre alt. Er hatte selbst schon geheiratet und Kinder. Aber Papa Jakob packt ihn in Watte, klammert sich an ihn, kann ihn nicht loslassen. Lieber lässt er seinen anderen Sohn Simeon versauern, als dass er Benjamin mitschickt.
Ich glaube, Menschen wie Jakob gibt es auch heute noch. Vielleicht sind deine eigenen Eltern ein bisschen so. Oder vielleicht bist du selbst ein bisschen so. Vielleicht hast du etwas Schlimmes erlebt, ein großes Drama, eine riesige Katastrophe – wie hier bei Jakob der Tod seines geliebten Sohnes. Und das prägt von nun an alles. Dein ganzes Denken und Handeln wird bestimmt von diesem einen Drama.
So ist es hier bei Jakob. Nachdem die Nahrung nach einiger Zeit wieder alle ist und kein Ende der Hungersnot in Sicht, will er einfach die anderen neun Söhne wieder losschicken – noch einmal nach Ägypten gehen, noch einmal Nahrung kaufen. In diesem Moment erinnert ihn Juda daran, dass sie ohne Benjamin keine Aussicht auf Erfolg haben.
Ich weiß nicht, ob euch das aufgefallen ist, als Christine den Text vorhin gelesen hat. In dem Moment wird Jakob nicht mehr Jakob genannt. Wisst ihr, wie er genannt wird? Israel.
Woher hat er den Namen Israel eigentlich? Das war der, der mit Gott gerungen hat. Und jetzt beginnt genau das: Ich glaube, dieser Namenswechsel von Jakob zu Israel signalisiert für uns, dass wir hier in die Situation kommen, in der Jakob auf einmal wieder mit Gott ringt.
Es muss ihn innerlich zerrissen haben. Er hat zwei schlechte Optionen: Die eine ist, Benjamin – den er doch so liebt und den er in Watte packt, an den er sich so klammert – loszulassen. Was er gar nicht kann, weil seine Hände sich nicht öffnen können. Oder aber: Die ganze Familie verhungert.
Was für eine ausweglose Situation, was für eine innere Spannung, in der er lebt, was für ein Ringen. Vielleicht kennst du das. Vielleicht ist es bei dir ganz ähnlich. Vielleicht ist es ein Kind, an das du dich klammerst, weil du nicht willst, dass es in Gefahr gerät. Vielleicht ahnst du, dass dieses Kind schlechte Entscheidungen trifft, und du willst alles tun, damit das nicht geschieht. Und du merkst: Wenn ich jetzt noch weiter klammere, verliere ich das Kind ganz.
Vielleicht ist die Situation bei dir ganz anders. Vielleicht bist du alt geworden und merkst, dass du aus Altersgründen nicht mehr alleine leben kannst. Und doch kannst du dich von der liebgewonnenen Umgebung, von deiner Wohnung nicht trennen. Oder vielleicht lebst du in einer Beziehung, von der du eigentlich weißt, dass sie nicht Gottes Willen entspricht, aber du hängst so daran.
Vielleicht sieht es bei dir noch ganz anders aus. Aber ich glaube, wir alle können uns Situationen vorstellen – und haben vielleicht selbst schon Situationen erlebt –, in denen wir merken: Es gibt keine guten Optionen. Wir haben es nicht im Griff. Was auch immer wir entscheiden, es ist einfach nur schlecht.
Das ist die Situation, in der sich Jakob hier wiederfindet. Ihm wird durch seine Lebensumstände dramatisch vor Augen geführt, dass er die Situation nicht mehr kontrollieren kann. Ja, dass er Benjamin loslassen muss.
Doch, liebe Gemeinde, ist Gott gerade auch der Gott solcher Lebenslagen? Er lässt sie zu, weil er damit etwas vorhat. Genau das sehen wir hier bei Jakob. Denn inmitten dieser Notsituation lernt Jakob wieder neu, sich Gott zuzuwenden.
Vielleicht habt ihr dieses kurze Gebet in Kapitel 43, Vers 14 gehört. Er lässt Benjamin los und betet: „Aber der allmächtige Gott gebe euch Barmherzigkeit.“ So dürfen wir sehen, wie Jakob durch seine Lebensumstände verändert wird, wie er die Hände öffnet und Dinge an Gott abgibt.
Noch wird nicht deutlich, was Gott damit vorhat. Jakob tritt jetzt erst einmal komplett in den Hintergrund. Wir sehen ihn nicht mehr in unserem heutigen Predigttext. Dafür treten jetzt die anderen Söhne so richtig in Erscheinung, und wir sehen, dass sie vor eine große Prüfung gestellt werden.
Die Prüfung der Brüder und Josephs Plan
Im weiteren Verlauf lesen wir, dass die zehn Brüder – also die neun ohne Simeon, aber mit Benjamin – wieder nach Ägypten gehen. Wir sehen, dass alles, was dann geschieht, sorgfältig von Joseph geplant ist.
Joseph testet seine Brüder. Er hatte bereits erfahren, dass Benjamin offenbar die frühere privilegierte Position bei ihrem Vater übernommen hatte. Benjamin war quasi der neue Joseph. Die zehn Söhne waren beim ersten Mal ohne Benjamin gekommen, da Jakob ihn nicht gehen ließ und nur die anderen gesandt hatte.
Nun will Joseph herausfinden, ob sich seine Brüder verändert haben oder ob sie, wie einst bei ihm, die Situation nutzen würden, um auch Benjamin, den Privilegierten und Vorzugssohn, loszuwerden.
Um den Neid der Brüder weiter zu provozieren, wird Benjamin am Tisch besonders bevorzugt. Er bekommt fünfmal so große Portionen wie die anderen. Die Brüder sehen das und denken: „Der Kleine bekommt alles, ich möchte auch mehr.“
Dann bringt Joseph Benjamin in eine schwierige Lage. Nachdem scheinbar alles gut verläuft und sie sich auf den Heimweg machen, kommt plötzlich Josephs Hausknecht hinterher und berichtet, dass ein silberner Kelch gestohlen worden sei. Wo wird er gefunden? Bei Benjamin, weil Joseph dafür gesorgt hatte, dass der Kelch dort versteckt war.
Jetzt wäre es für die Brüder leicht gewesen, Benjamin loszuwerden. Sie hätten nicht einmal selbst aktiv werden müssen. Wie einst bei Joseph war die Strafe angekündigt, die Schuld schien offensichtlich. Sie hätten es einfach laufen lassen können. Was könnten sie schon dagegen tun?
Das Gewissen der Brüder und die Umkehr
Aber die Brüder erkennen diesen Moment, dass hier etwas anderes im Gange ist. Sie vermuten, dass Gott handelt und sie an einen Punkt bringt, um sie für ihre Sünden zu richten.
Tatsächlich hatte das Ganze schon begonnen, als sie das erste Mal nach Ägypten kamen. Denn als sie erlebten, wie harsch sie dort von Joseph behandelt wurden, schien sich plötzlich ihr schlechtes Gewissen zu melden. Zweiundzwanzig Jahre, nachdem sie Josef verkauft hatten, erleben sie diese Situation am Königshof. Was sagen sie zueinander?
Das haben wir an unserem Bruder verschuldet, denn wir sahen die Angst seiner Seele, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht hören. Darum kommt nun diese Trübsal über uns. Nun wird unser Blut gefordert.
Einige Zeit später sehen wir, dass das nicht nur ein momentanes Gefühl ist, dass das Gewissen zurückkommt oder die Erinnerung erwacht. Es ist jetzt ein prägendes Denken bei ihnen. Denn als sie dann zum zweiten Mal zu Joseph kommen und ihm gesagt wird, er wolle mit ihnen essen, bekommen sie wieder Angst. Sie versuchen sich zu erklären, doch ihr Gewissen lässt sie nicht in Ruhe.
Deshalb wissen sie in dem Moment, als Benjamin überführt wird, dass nicht Benjamin schuld ist, sondern dass es ihre Schuld ist, die Schuld aller. Es ist interessant, was sie bekennen in 1. Mose 44,16, als sie zurückgebracht werden vor Joseph. Benjamin wird des Diebstahls des Kelchs überführt. Sie sagen nicht: „Was sollen wir noch sagen? Benjamin ist schuld, das ist offensichtlich.“ Stattdessen sagen sie: „Gott hat die Missetat deiner Knechte gefunden. Siehe, wir und der, bei dem der Becher gefunden ist, sind meines Herrn Sklaven.“
Das heißt, sie sagen, sie sind überführt. Gott wirkt durch diese Lebensumstände eine Überführung von Schuld und bringt sie zur Buße.
Dann lesen wir, wie Juda zu einer langen Rede ansetzt. In der Textlesung haben wir diese Rede nicht gehört. Sie erstreckt sich über den Rest von Kapitel 44, die Verse 18 bis 34. Wir sehen, dass dort, wo Juda vor zwanzig Jahren noch skrupellos war und gesagt hatte: „Lasst uns Joseph verkaufen, machen wir noch ein bisschen Geld damit“, er nun zum Bürgen wird. Er ist bereit, sich stellvertretend für seinen Bruder aufzuopfern.
Derjenige, der vorher noch seinen Vater belogen hatte und gesagt hatte, Josef müsse vor wilden Tieren zum Opfer gefallen sein, ist jetzt der, der sagt: Ich kann es nicht mit ansehen, dass mein Vater auch noch diesen Sohn verlieren sollte. Juda ist ein veränderter Mann.
Wir haben schon vor einigen Wochen darüber nachgedacht, wie durch das Ereignis mit Thamar in Kapitel 38 bei ihm eine gewisse Veränderung geschehen ist. Dieses ganze Thamar-Ereignis war wahrscheinlich ganz kurz vor dieser Reise. Juda ist ein veränderter Mann.
So beendet er seine Rede in den Versen 33 und 34 von Kapitel 44: „Lass deinen Knecht“, damit meint er sich selbst, „hierbleiben an des Knaben, also an Benjamins Stadt, als Sklave meines Herrn, und lass den Knaben mit seinen Brüdern hinaufziehen. Denn wie soll ich hinaufziehen zu meinem Vater, wenn der Knabe nicht mit mir ist? Ich könnte den Jammer nicht sehen, der über meinen Vater kommen würde.“
Die Wirkung von Gottes Führung auf Judah und die Brüder
Ihr Leben – wir sehen hier, wie Gott durch die schweren Lebensumstände Judah und wohl auch seine Brüder dazu bringt, ihre eigene Schuld einzugestehen. Gott verändert Judah durch diese gesamte Situation vollkommen. Veränderung ist möglich, wenn Gott anfängt, unser Gewissen wieder zu schärfen.
So führt Gott Menschen zur Buße, zu einer echten Umkehr. Dabei stellt sich die Frage: Hat Gott begonnen, in deinem Gewissen zu wirken? Bist du von Gott wegen einer Sünde in deinem Leben überführt? Vielleicht in einem Bereich, den niemand kennt – nur Gott, denn er weiß alles.
Merkst du, wie Gott dir keine Ruhe lässt? Wie die Sünden der Vergangenheit anklopfen und dein Gewissen dich plagt? Vielleicht denkst du, da kann man nichts mehr machen. Du glaubst, du kommst nicht aus deiner Haut und kannst dich nicht ändern. Vielleicht meinst du, die Sünde sei zu mächtig oder es sei einfach zu spät.
Doch ich möchte dich ermutigen – mit dem Bericht von Judah. Siehst du, es ist nie zu spät. Wir sehen hier, dass Umkehr auch nach über zwanzig Jahren noch möglich ist. So wie Gott Judah zur Buße führt, möchte ich dich fragen: Kann es sein, dass Gott in dir wirkt und dein Gewissen schärft? Weil er auch dich heute noch verändern möchte?
Er wird dir die Kraft geben, wenn du dich darauf einlässt. Wenn du dein Gewissen nicht unterdrückst, sondern ihm Raum gibst. So hat Gott das damals bei Judah und den anderen Brüdern getan.
Judah ist bereit, sich selbst aufzuopfern. Er ist bereit, selbst als Sklave in Ägypten zu bleiben. Er ahnt noch gar nicht, wie Gott gerade diese Veränderung, die er in ihm gewirkt hat, nun nutzen will, um ihn zu segnen.
Josephs emotionale Offenbarung und die Versöhnung
Genau das sehen wir dann im Fortgang, in Kapitel 45. Als Joseph hört, wie Juda, der einst vorgeschlagen hatte, ihn zu verkaufen, für Benjamin eintritt, da ist er tief bewegt. Wahrscheinlich hat er diese Stimme immer noch in seinem Ohr.
Als er nun dieselbe Stimme hört, die für Benjamin eintritt, überwältigen ihn seine Emotionen. Denn wir lesen zu Beginn von Kapitel 45, dass Joseph nicht länger an sich halten konnte vor allen, die um ihn herumstanden. Er rief: „Lasst jedermann von mir hinausgehen!“
Als sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen gab, weinte er laut, sodass es die Ägypter und das Haus des Pharao hörten. Er sprach zu seinen Brüdern: „Ich bin Joseph. Lebt mein Vater noch?“ Seine Brüder konnten ihm nicht antworten, sie erschraken vor seinem Angesicht.
Dort, wo Josephs Herz, das vorher noch hart war, weich wird, wo Joseph neue Liebe für seine Brüder empfindet und in Tränen ausbricht, erstarren seine Brüder plötzlich vor Schock. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Sie sind verzweifelt und denken: „Jetzt schlägt er zurück, jetzt sind wir dran.“ Denn sie kennen ihre Schuld und wissen, dass sie Strafe für ihre ungeheuerliche Sünde verdient haben.
Aber Joseph versichert ihnen, dass er sie nicht strafen will. Er hegt keinen Groll, sondern im Gegenteil: Er will sie aus ihrer Hungersnot erretten. Sie sollen ihren Vater holen und zu ihm kommen. Es soll ihnen gut gehen, denn er will für sie sorgen.
So heißt es im Predigttext in Kapitel 45, Verse 14 und 15: „Und Joseph fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und Benjamin weinte auch an seinem Halse. Und er küsste alle seine Brüder und weinte an ihrer Brust.“
Ist das nicht großartig? Wenn du dich an jemanden schlimm versündigt hast, würdest du dir das nicht auch wünschen? So viel Gnade, so viel Vergebungsbereitschaft – ja, sogar noch mehr. Joseph vergibt seinen Brüdern nicht nur, er wird zu ihrem Retter und verspricht, für sie und ihren Vater inmitten dieser Hungersnot zu sorgen.
Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein, oder? Denkst du dir, dass das vielleicht irgendwo einmal in ferner Vorzeit geschehen sein mag? Aber damit kann man nicht rechnen. Damit kannst du nicht rechnen, wenn du an deine eigenen Sünden denkst. Oder vielleicht doch? Ja, bei Gott ist es möglich.
Denn Gott gibt uns diesen ganzen Bericht, um uns auf etwas Größeres hinzuweisen. Die ganze Schrift zeugt letztlich nicht nur von den Ereignissen, die dort beschrieben werden. Nein, das Neue Testament – Jesus, Paulus, Petrus, Johannes, der Hebräerbrief – verkündet uns immer wieder: Die ganze Schrift zeugt von Jesus.
Joseph, diese ganze Geschichte, weist uns auf Jesus hin. Sie macht uns deutlich, dass auch wir um eine solche Gnade, um eine solche Vergebung wissen dürfen.
In Jesus Christus kam Gott zu uns Menschen. Jesus lebte ein vollkommen gutes Leben, doch wir Menschen lehnten ihn ab. So wurde Jesus, wie einst Joseph, von Menschen verraten und verkauft.
Bei Joseph waren es zwanzig Silberstücke, für die er als Sklave verkauft wurde. Bei Jesus waren es dreißig Silberstücke, für die er an Feinde verraten wurde.
So wie bei Joseph die Brüder dachten, dass sie ihn nun ein für alle Mal los seien, meinten die Menschen, als sie Jesus ans Kreuz schlugen, auch, dass sie ihn jetzt ein für alle Mal loswerden.
Aber so wie der totgeglaubte Joseph völlig überraschend wieder auftaucht, kam Jesus am dritten Tag von den Toten zurück.
Und so wie Joseph hier nun seinen Brüdern vergab, als er sah, dass sie Buße getan hatten, so vergibt auch Jesus jedem, der zu ihm kommt und Buße tut.
Dabei geht es uns viel besser als den Brüdern Josephs, denn wir werden nicht erst getestet, um zu sehen, ob wir gut genug geworden sind, um bei Jesus Annahme zu finden. Nein, Jesus stirbt für uns, als wir noch seine großen Feinde sind.
Er macht Vergebung möglich für Menschen, die noch Veränderung brauchen. So nimmt er jeden an, der im Glauben zu ihm kommt. Dann schenkt er uns seinen Geist und wirkt in uns das, was wir hier im Text überall sehen: Er wirkt Veränderung.
Die Zusage der Veränderung durch Gott
Ihr Lieben, wir dürfen wissen: Bei Gott ist Veränderung möglich. Es gibt keinen Menschen, den Gott nicht noch erreichen kann. Deshalb musst du niemanden aufgeben, denn Gott kann ihn verändern. Und du musst dich selbst nicht aufgeben, denn Gott kann auch bei dir wirken.
Als Christ darfst du wissen, dass bei dir erst recht Veränderung möglich ist. Und auch bei anderen Christen darfst du das wissen. Gott kann und will Menschen verändern.
Schließlich wollen wir noch bedenken, was Joseph konkret befähigt hat, seinen Brüdern zu vergeben. Joseph hatte erlebt, dass Gott bei ihm ist. Er hat erfahren, wie Gott ihn auch in schwierigen Situationen immer wieder gestärkt und ihm beigestanden hat. Das haben wir gelesen und bedacht. Ich hoffe, lieber Christ, du weißt das auch. Ich hoffe, du kennst einen Gott, der bei dir ist, auch in schweren Zeiten.
Jesus hat es verheißen: „Ich bin bei dir alle Tage bis an das Ende der Welt.“ Diese Zusage gilt, sie gilt auch dir.
Joseph beginnt jetzt noch mehr zu verstehen. Bisher dachte er: Wenn schwierige Situationen kommen, dann ist das eben so. Aber Jesus oder Gott sind ja bei mir und trösten mich dann inmitten dieser Situation. Jetzt erkennt er, dass Gott diese schwierigen Dinge in seinem Leben nur deshalb zugelassen hat, weil er damit etwas vorhat.
Lassen Sie uns das noch einmal kurz durchdenken: Der allmächtige Gott könnte uns doch jedes Leid ersparen, oder? Und der liebende Vater, der Gott ist, würde seine Kinder doch nicht einfach so leiden lassen.
Ergo: Wenn Gott seine Kinder leiden lässt, wenn Gott dir schwere Lebensumstände gibt, dann hat er damit etwas vor. Das ist es, was Joseph hier erkennt.
In 1. Mose 45,5 spricht Joseph zu seinen Brüdern:
„Und nun bekümmert euch nicht und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher verkauft habt. Denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt. Es sind nun zwei Jahre, dass Hungersnot im Land ist, und es sind noch fünf Jahre, in denen weder gepflügt noch geerntet wird. Aber Gott hat mich vor euch hergesandt, damit er euch übriglasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer großen Errettung.
Und nun: Ihr habt mich nicht hergesandt, sondern Gott hat mich dem Pharao zum Vater gesetzt und zum Herrn über sein ganzes Haus und zum Herrscher über ganz Ägyptenland.“
Joseph erkennt: All die Dinge, die ihm passiert sind, sind nicht einfach zufällig geschehen. Gott war nicht nur dabei, um ihn zu trösten. Diese Dinge sind passiert, weil Gott damit etwas vorhatte.
So wie bei Joseph, so auch bei Jesus. Auch ihm ist nicht einfach nur Leid widerfahren. Gott hatte einen Plan damit, dass Jesus verraten, verkauft und getötet wurde. Das war der Weg, wie Gott letztendlich alle Menschen retten will, jeden, der sich ihm im Glauben zuwendet.
Jesus stirbt am Kreuz nicht einfach nur, weil irgendetwas schiefgelaufen ist, sondern weil Gott einen Plan verfolgt. Jesus stirbt stellvertretend für die Schuld jedes Menschen, der zu ihm kommt.
Und so handelt Gott nicht nur bei Joseph und bei Jesus, sondern bei allen, die zu ihm gehören, bei allen seinen Kindern.
Trost und Hoffnung in Leidenszeiten
Lieber Christ, ich weiß nicht, welche Not du gerade durchleidest. Aber eines weiß ich ganz sicher: Dein Leiden ist nicht sinnlos. Oft werden wir nicht wissen, warum wir leiden. Wir verstehen nicht, was Gott damit vorhat.
Das sehen wir in unserem Predigttext. Jakob konnte nicht wissen, was Gott plante, als er ihn dazu brachte, seinen Sohn Benjamin loszulassen. Er musste diese schwere Entscheidung treffen und durfte später erleben, dass gerade durch das Loslassen von Benjamin eine herzerreißende Spannung entstand: Der Helm brachte nicht nur Benjamin zurück, sondern sogar Joseph, den tot geglaubten Lieblingssohn.
Auch Juda konnte nicht ahnen, wie Gott sein Eintreten für Benjamin gebrauchen würde. Er tat, was sein Gewissen ihm sagte, obwohl er mit ernsten Konsequenzen rechnen musste. Später durfte er erleben, wie Gott genau dieses Handeln gebrauchte, um ihm gnädige Vergebung und Rettung zu schenken.
Josef erkannte sicher nicht, warum er durch viele Jahre des Leidens gehen musste – als Sklave und im Gefängnis. Doch später verstand er, dass Gott all dies so geführt hatte, um ihn in die Situation zu bringen, in der seine Familie gerettet werden konnte.
Stellt euch vor, die Brüder hätten Josef nicht verkauft. Stellt euch vor, sie wären zum Pharao gekommen, und er hätte gesagt: „Wir haben gerade genug Nahrung für uns selbst, sorry, aber nein, geht zurück!“ Dann wären sie verhungert, und Gottes Plan wäre gescheitert.
Aber nein, Gottes guter Plan führt durch das Leid hindurch. Josef durfte dies erkennen.
Ihr Lieben, Gott wirkt zum Wohl aller seiner Kinder. Das lernen wir hier im Predigttext. Und genau das verspricht uns Gott auch heute durch sein Wort.
Zweiter Korinther 4,17-18 sind treffende Worte für uns heute. Ich möchte dir sagen: Wenn du persönlich noch nicht durch Leidensphasen gegangen bist, preise den Herrn. Wenn dir das, was ich bisher gesagt habe, noch weit weg erscheint, preise den Herrn.
Aber es wird kommen. So sicher wie das Amen in der Kirche wirst auch du schwere Zeiten durchleiden müssen. Das sagt uns die Bibel ganz klar.
Doch sie sagt uns auch in Zweiter Korinther 4,17: Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft in uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit.
Das gilt nicht für alle, sondern für die, die nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sehen – das heißt, für die, die auf Gott vertrauen. Diese Zusage gilt auch uns.
Unsere Trübsal, unsere Nöte und schweren Lebenssituationen sind uns von Gott gegeben worden, weil er damit in uns etwas bewirken will.
So dürfen wir wissen, was Paulus in Römer 8,28 schreibt: Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.
Dieses Wissen verändert alles.
Mein Gebet ist, dass du das heute erkennst und tief in deinem Herzen verankerst – für die Zeit, wenn du es wissen musst.
Denk an Jakob. Denk daran, wie Trauer und Verbitterung weichen durften. Denk an die Brüder, an Juda, und bedenke, wie Gott dein Gewissen schärfen möchte, um dich von Schuld freizumachen.
Und denk daran, wie Josef seinen Brüdern vergeben konnte, damit auch du bereit wirst, denen zu vergeben, die dir Übles getan haben.
Abschlussgebet
Ich bete mit uns. Himmlischer Vater, danke für diesen langen und schwierigen Text. Dein Wort ist nicht immer leichte Kost, aber es ist gut, weil es uns realistisch zeigt, wie das Leben in dieser Welt aussieht.
Herr, du hast uns in diese Welt gesetzt, und du hast uns hier aus einem Grund. Wenn wir in unserem Leben Leid und Not erfahren, dürfen wir wissen, dass dir die Dinge unseres Lebens nicht entglitten sind. Vielmehr hast du in deiner ewigen Weisheit und Macht etwas damit vor.
Hilf uns, dir zu vertrauen als unserem himmlischen Vater, der uns liebt und gerade auch durch die schwierigen Dinge, durch die Trübsel in unserem Leben, etwas Gutes bewirken möchte.
So wollen wir uns ganz bewusst deiner Gnade anbefehlen und auf deine Treue vertrauen. Amen.